Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

dern und Regierungen einen Ausnahmezustand geben.

Aber man nimmt das hin, dass die Strecke seit Jahrzehnten nicht modernisiert worden ist. Diese fehlende Modernisierung betrifft zum Beispiel die Signaltechnik. Wir fahren teilweise mit Signaltechnik, die noch aus der Zeit des Baus des Hindenburgdamms, aus dem Jahr 1927, stammt. Die haben Bautenzüge - das müssen Sie sich einmal anschauen! -, die bei bestimmten Wetterlagen - wir reden ja immer von wetterfest - von Hand geschmiert werden müssen. Wir haben Risikogleisabschnitte, die so belastet sind - und zwar übrigens nicht auf der Strecke im Meer, sondern die Probleme entstehen in den Bahnhöfen, in den Endbahnhöfen Westerland und Niebüll -, dass es Probleme gibt. Die Rangiermöglichkeiten sind gar nicht da. Ich weiß nicht, ob Sie sich das vorstellen können, wie ein 600 m langer Autozug, der von zwei großen, starken Diesellokomotiven angetrieben wird, rangiert werden muss. Es ist eine technische Herausforderung, diese Autozüge zu rangieren. Das ist kein Pappenstiel. Das gilt insbesondere in dieser speziellen Umweltund Klimasituation: Sand, Salz, Wasser und Wind sind nicht besonders freundlich zu Stahl und Eisen.

Wenn man sich die Situation vor Ort anschaut, muss man feststellen, dass das natürlich zu einem höheren Versorgungsaufwand führt. Wenn man vor dem Hintergrund Personal abbaut, und Herr Mehdorn hat das getan, und es gibt nicht genügend externe Firmen, die die Strecke warten, ist das ein Problem. Man hat nicht investiert, man hat das Streckennetz sozusagen auf dem letzten Loch pfeifend gefahren. Deshalb ist jetzt die Situation so, wie sie ist.

Meine Damen und Herren, es bringt deshalb nichts, wenn wir immer wieder, lieber Herr Kollege Vogel, einzelne Dinge herausgreifen und sagen: Dieses oder jenes müssen wir machen! Herr Arp, Sie haben es gesagt: Wir müssen das Problem an der Wurzel anpacken, das heißt, wir brauchen endlich eine Initiative für den Schienenverkehrsausbau 2030. Wir brauchen eine Initiative, die deutlich macht: Schleswig-Holstein muss die rote Laterne im Schienenverkehr endlich abgeben.

Das geht - Herr Minister, Sie haben das bereits gesagt - nur mit einer Modernisierungsoffensive, mit einer Elektrifizierungsoffensive und mit einer klaren strategischen Haltung, dass wir es nicht nur bei den guten Worten belassen, sondern das auch intensiv begleiten. Deshalb haben wir MOIN.SH geschaffen, deshalb haben wir ein Investitionsprogramm aufgelegt. Wir werden das weiter versteti

(Dr. Andreas Tietze)

gen, wir werden die Verantwortung für die Infrastruktur in dieser Jamaika-Koalition annehmen und in die Hand nehmen, weil wir das politisch wollen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und Volker Schnurrbusch [AfD])

Und wir werden das tun, weil wir das können. Denn: Wollen reicht nicht. Man muss auch können.

(Beifall und Heiterkeit FDP)

Deshalb planen wir sehr konkret. Der Minister hat es gesagt: Es bedeutet nicht, den Leuten das Blaue vom Himmel zu versprechen, wenn wir das sagen -: Wir planen, und zwar machen wir das auf eigene Kosten. Ich sage auch: Was wir für Sylt brauchen, ist nicht, dort zweigleisig zu planen. Nein, wir brauchen ein integriertes Logistikkonzept. Das ist doch die Voraussetzung.

Das Problem mit den Waren, die auf die Insel gebracht werden, wird sich nicht ohne Weiteres lösen lassen, weil wir an der engsten Stelle der Insel, nämlich in Westerland, be- und entladen. Ich habe 100 m von da entfernt gewohnt; das ist die engste Stelle der Insel. Dort entund beladen wir 4.000 Pkw von Gästen, die im Sommer an- und abreisen wollen. Das funktioniert leider nicht, weil völlig klar ist, dass es ein Risiko ist, das an der engsten Stelle der Insel zu machen. Die Insel hat tatsächlich die Eigenschaft als Bad fast verloren, weil die Leute dort ihre Autos anmachen, die Klimaanlagen müssen funktionieren. Das ist ein ökologischer und ökonomischer Unsinn.

Deshalb macht es sehr viel Sinn zu fragen - das ist ja das, was die Insel- und Halligkonferenz auf den Weg gebracht hat -: Bekommen wir auf der Insel ein neues, modernes Logistikkonzept? - Dann müssen wir nicht die Strecke Tinnum-Westerland elektrifizieren und auch zweigleisig ausbauen. Denn das Problem auf dieser Strecke ist tatsächlich: Die Grundstücke sind sehr eng bebaut. Ich habe mir das angeguckt. Es gibt direkt an der Strecke 85 Eignerinnen und Eigner. Der Grund- und Bodenpreis beträgt an der Ecke - ich will das nur mal sagen nicht 24,50 €, der liegt zwischen 2.000 und 3.000 € pro m². Das ist die reale Situation in der Grundstückslage Westerlands. Wer da glaubt, dass er das mal schnell - quick and dirty - regeln kann, dass hier etwas ausgebaut wird, der irrt. Das haben Sie zu Recht gesagt, Herr Arp.

Deshalb müssen wir die Insel unterstützen. Wir brauchen ein integriertes Logistikkonzept. Wir müssen dieses Logistikkonzept so aufbauen, dass wir gerade auch auf dem Flughafengelände moder

ne Infrastruktur schaffen. Es kann doch nicht sein, meine Damen und Herren, dass wir einen Lkw für 500 € - das ist ein Apothekenpreis - für 36 km auf einen Flachwagen eines Zuges fahren. Dafür kassiert die Bahn 500 €. Das kann nicht sein. Durch die Investition dieses Geldes können wir moderne Logistikinfrastruktur auf der Insel schaffen, die zukunftsfähig ist.

Herr Tietze, Sie gestatten eine Zwischenfrage des Kollegen Vogel?

Bitte schön, ich gestatte.

Sehr geehrter Herr Kollege Tietze, vielen Dank dafür. - Sie hatten eben dargestellt, dass es ein Gesamtkonzept benötigen würde, für die Marschbahn vermute ich mal, weil Sie ja im Augenblick zur Marschbahn reden.

- Genau.

Sie hatten gesagt, dass die Einzelmaßnahmen, die wir vorgeschlagen haben, in dem Zusammenhang nicht sinnvoll seien. Ich reflektiere dann aber gerne nochmal auf den Titel Ihres Antrages: die zügige Umsetzung dort auf der Marschbahn. Welche zügige Maßnahme planen Sie denn? Denn Sie haben ja auch gemeinsam mit mir an der Kreistagssitzung in Husum teilgenommen. Dort sind ja zügige Maßnahmen vonseiten der Pendlerinnen und Pendler angemahnt worden. Welche zügige Maßnahme planen Sie? Ich vermute, dass Sie die nicht mit dem Gesamtkonzept für die kommenden Jahre vertrösten wollen.

- Zunächst einmal, Herr Kollege, Sie sind -

(Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Butter bei die Fische, lieber Andreas!)

- Ich antworte hier jetzt dem Kollegen Vogel. Die liebe Jette Waldinger-Thiering kann sich hier ja auch melden. - Also erstens sind wir natürlich der Auffassung, dass der Ausbau Klanxbüll-Niebüll jetzt kommen muss. Das hat für uns eine hohe Priorität. Die Maßnahme ist jetzt im Übrigen auch im Bundesverkehrswegeplan zusätzlich enthalten. Dort werden wir schnell handeln müssen. Das entlastet die Strecke. Mehr Trassen sind möglich.

(Dr. Andreas Tietze)

Und dann werden wir tatsächlich auf der Insel sehr schnell mit der Inselverwaltung ein Alternativkonzept für das Thema Logistik ausarbeiten. Übrigens geht das dann auch im Finanzierungsmanagement mit MOIN.SH, privaten Investoren und so weiter. Das kann man gut ausbauen. Davon hat die Insel möglicherweise auch für die nächsten Jahrzehnte etwas.

Deshalb sage ich Ihnen auch: Es bringt jetzt nichts, gutes Geld schlechten Konzepten hinterherzukippen. Ich bin entschieden dagegen. Wir müssen uns klarmachen: Es ist eine richtig herausfordernde Aufgabe, die Insel verkehrlich für das 21. Jahrhundert fitzumachen. Wir müssen da endlich ran.

Ich sage Ihnen auch: Alle, die jetzt schnelle Lösungen wollen, müssen zunächst erst einmal das Machbare machen, also das, was geht, zügig umsetzen. Daran werden wir arbeiten und die Planungen jetzt angehen. Das hat der Minister auch in der Kreistagssitzung gesagt. Das ist, finde ich, ein richtig großer Schritt. Im Übrigen haben ihm dafür in Husum ja auch alle Fraktionen Applaus und Respekt gezollt.

Das hätte man schon längst machen müssen. Das muss ich auch ein bisschen auf meine eigene Kappe nehmen. Da haben wir in der Küstenkoalition ein bisschen geschlafen. Das war für Herrn Meyer nur Krisenmanagement, aber er hatte es nicht auf dem Schirm, da logistisch anzupacken.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, jetzt habe ich für die anderen Themen nur noch wenig Zeit. Ich will noch einmal sagen: Für uns gibt es keine Tabus oder Denkverbote. Wir wollen Knotenpunkte untersuchen. Wir wollen den Schienenverkehr als Schwerpunkt Schiene 2030 entwickeln. Die Koalition arbeitet daran. Wir werden das abarbeiten, was wir im Koalitionsvertrag ausgeführt haben. Wir werden das mit großer Sorgfalt tun. Wir werden das mit großer Nachhaltigkeit tun, und wir werden dafür sorgen, dass es schneller in Schleswig-Holstein wird, dass es sparsamer wird, dass es ökologischer wird und dass wir auch bei den Tarifen etwas in Gang bringen werden, damit es gerechter zugehen wird. Das ist unsere Zielsetzung für eine moderne Infrastruktur und Nahverkehrspolitik. Herr Minister, da werden wir gemeinsam auf der Schiene Gas geben, um den Menschen in Schleswig-Holstein in naher Zukunft in konkreten Projekten zu zeigen, dass wir nicht nur schnacken, sondern auch anpacken. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat nun der Abgeordnete Flemming Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ende November wurde von Bahnchef Lutz bekannt gegeben, dass die Deutsche Bahn ihr Pünktlichkeitsziel in diesem Jahr nicht erreichen wird - was für eine Überraschung. Die geplanten 80 % pünktliche Züge im Fernverkehr seien nicht zu schaffen. Begründet wurde dies unter anderem durch zahlreiche unwetterbedingte Ausfälle wie beim Sturm Xavier. Auf mehreren Strecken fielen die Verbindungen in weiten Teilen Nord- und Ostdeutschlands aus oder wurden eingestellt, weil Gleise beschädigt waren und Äste auf den Gleisen oder Oberleitungen lagen.

Niemand macht der Bahn Vorwürfe, wenn sie den Zugverkehr aus Sicherheitsgründen stilllegt. Doch das, was wir in diesem Herbst erlebt haben, ließ schon an der Leistungsfähigkeit der Deutschen Bahn zweifeln. So mussten beispielsweise im Kreis Steinburg rund 300 Reisende knapp 20 Stunden in ihren Zügen ausharren, weil es nicht möglich war, Busse so schnell zu organisieren. Fahrgäste mussten an Bahnhöfen für unbestimmte Zeit warten, weil ihnen einfach keine Auskunft erteilt werden konnte.

Weil dies mittlerweile keine Einzelfälle mehr in Deutschland sind, ist es dringend geboten, hier für Verbesserungen zu sorgen und das in mehrerlei Hinsicht. Das heißt: Die Züge müssen auch bei schlechten Witterungsverhältnissen fahren können, und dafür müssen die Strecken links und rechts entsprechend frei gehalten werden. Hier geht es in erster Linie um die Sicherheit und nicht um Naturschutz. Baumpflegerische Maßnahmen müssen und werden heute bereits durchgeführt, allein damit die Bahn der Verkehrssicherungspflicht nachkommt. Solche Maßnahmen stehen also nicht im Konflikt mit dem Naturschutz.

Ich möchte gern daran erinnern, dass der Wirtschaftsausschuss neulich ein Gespräch mit dem Transportausschuss des dänischen Folketing geführt hat. Als wir dieses Thema angesprochen haben, waren die Kolleginnen und Kollegen sehr überrascht. Ich sehe noch die Gesichter vor mir,

(Dr. Andreas Tietze)

weil die sich das nicht vorstellen konnten, weil es in Dänemark durchweg ein bisschen anders läuft.

Bei aller Kritik an der Bahn: Zur Ehrlichkeit gehört auch zu sagen, dass sie kein Interesse daran hat, ihre Strecken zu sperren oder Züge auf freier Strecke stillstehen zu lassen, weil ein Ast auf eine Oberleitung gefallen ist. Das sind für die Bahn teure Unterbrechungen, und sie bringen den kompletten Betrieb durcheinander. Daher ist es richtig, das Gespräch mit der Bahn zu suchen, um erforderliche Maßnahmen zu erarbeiten. Das müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

Ein anderer Punkt aus dem Jamaika-Antrag bezieht sich auf die Informationspolitik der Bahn, die eher schlecht bis gar nicht vorhanden war, als die Züge ausfielen. Viele der Reisenden wussten nicht, wie und wann sie ihre Reise fortsetzen konnten. Ich denke, hierzu ist schon so viel gesagt worden, dass ich weitere Beispiele auslassen werde. Ich glaube, dass die Bahn hier dringend an ihrer Informationspolitik arbeiten muss. Da kann wohl kaum jemand widersprechen.

Den Antrag der AfD halte ich für nicht zielführend. Im Gegenteil: Wir befürchten, dass damit nur ein bürokratischer Moloch aufgebaut wird. Mehr ist von meiner Seite dazu nicht zu sagen.

Kommen wir nun zu dem Sorgenkind an der Westküste, der Marschbahn. Bereits seit über einem Jahr läuft es nicht rund auf der Strecke. Entweder gab es Probleme mit dem blauen Autozug nach Sylt, oder es ging um defektes Zugmaterial oder kaputte Waggons. In der Folge gab es Probleme mit überfüllten Zügen - sofern sie denn fuhren - und Verspätungen. Egal was es ist, es ist auf jeden Fall sehr deutlich geworden, dass den Menschen an der Westküste in den letzten Monaten unheimlich viel zugemutet wurde.

Als Wiedergutmachung legt Jamaika nun ihre Wunschliste zur Marschbahn vor und die SPD danach einen Alternativantrag. Wenn man sich beide Anträge zur Marschbahn ansieht, stellt man fest: Künftig soll alles besser werden. - Sicherlich, wir finden durchaus gute Ansätze in beiden Anträgen, und sie beinhalten teilweise altbekannte Forderungen für die Marschbahn, ob es der durchgängige zweigleisige oder elektrifizierte Ausbau der gesamten Marschbahn ist oder die Erhöhung der Kapazitäten. Nun sprach Herr Arp vorhin mein Alter an.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Sieht man ja auch!)

Ich bin so alt, dass ich mich noch daran erinnern kann, dass man schon zu Zeiten, als mein Vater

noch in diesem Haus war, hier die durchgängige Zweigleisigkeit von Niebüll nach Westerland diskutiert hat und im Grunde auch vorantreiben wollte. So alt ist diese Geschichte eigentlich schon.

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

Die in den Anträgen aufgestellten Forderungen liegen zum Teil so weit in der Zukunft, dass ich denke, wir hätten jetzt wirklich die Zeit, das ausführlich im Ausschuss zu beraten und dort auch ausführlich zu diskutieren.

Auf einen Punkt möchte ich hier noch näher eingehen. Wir als SSW haben erhebliche Probleme mit dem dritten Absatz des Jamaika-Antrages zum zügigen zweigleisigen Ausbau der Marschbahn. Prinzipiell ist gegen eine vorbehaltlose Prüfung aller Möglichkeiten, die den Bahnverkehr nach Sylt zukunftsfähig machen, nichts einzuwenden. Das hört sich im ersten Augenblick gut an. Aber wer sich mit den Vorschlägen der Insel- und Halligkonferenz beziehungsweise der NEG, näher befasst, wird feststellen, dass sich dahinter ein ganz anderes Projekt verbirgt. Es geht vielmehr um die Reaktivierung und Elektrifizierung der Strecke FlensburgNiebüll. Wir wissen, dass auch bestimmte Grüne sich für diese Sache sehr starkgemacht haben.

(Zuruf SPD: Einer!)

Dabei wird jedoch völlig außer Acht gelassen, dass kaum jemand in der Region diese Strecke wiederbeleben möchte. Die angrenzenden Gemeinden haben sich über die Jahre so entwickelt und haben ihre Bauleitplanung so gefasst, als wäre die Strecke nicht mehr vorhanden, was sie quasi auch nicht ist. Zudem haben wir die Befürchtung, dass der Verkehr auf der Marschbahnlinie erheblich zurückgefahren wird, wenn der elektrifizierte Schienenverkehr hauptsächlich von Hamburg via Flensburg nach Westerland geführt wird. Das möchte niemand an der Westküste.