Protokoll der Sitzung vom 15.12.2017

(Beifall AfD - Zuruf)

- Genau. Ich will das gar nicht abqualifizieren.

Herr Abgeordneter, machen Sie sich keine Sorgen. Anderenfalls würde das mit den Kindern auch nichts werden.

(Heiterkeit - Beifall CDU und FDP)

Ganz genau! - Schließlich hat die Familie Brodehl auch richtig an der Behebung des demografischen Problems mitgearbeitet.

Wie dem auch sei: Was für eine schwere Geburt mit der Geburtshilfe. Niemandem von uns ist es gleichgültig, wie wir uns um die Versorgung von Neugeborenen und Müttern kümmern.

In Schleswig-Holstein wurden in den letzten Jahren zu viele Kreissäle geschlossen - sei es aus ökono

(Anita Klahn)

mischen Gründen oder auch einfach aus Personalmangel. Die Zahlen kennen Sie. In unseren Kliniken wurden in den letzten 15 Jahren 11 geburtshilfliche Stationen geschlossen.

In dem Bericht „Versorgung von Schwangeren und Neugeborenen in Schleswig-Holstein - Derzeitige Situation und Zukunftsperspektiven“ aus dem Jahr 2015 berichtete die damalige Landesregierung noch, dass das Land mit 22 Einrichtungen über eine sehr gut ausgebaute Infrastruktur in der Geburtshilfe verfüge und eine flächendeckende Versorgung durch die Krankenhäuser gewährleistet sei.

Nur einmal in Klammern - ich komme ja aus Ostholstein -: Familien oder werdende Eltern von Fehmarn fanden das damals schon nicht so richtig tröstlich, denn die mussten damals bereits bis Eutin fahren. Die Problematik klang heute Morgen bereits an. - Damit habe ich jetzt einmal meine Insel mit eingebracht. Wir reden immer so viel über die Halligen und die Inseln, also muss auch Fehmarn einmal erwähnt werden.

Der Trend weiterer Schließungen beziehungsweise der Drohung einer Schließung ist damit aber nicht unterbrochen. Um dem entgegenzuwirken und eine ortsnahe Versorgung in Krankenhäusern weiter sicherstellen zu können, müssen Krankenhäuser besser und vermehrt auf belegärztliche Geburtshilfe setzen. Das „Ärzteblatt“ vom 25. Oktober dieses Jahres berichtet darüber, dass beispielsweise die gesamte Geburtshilfe am Lübecker Marien-Krankenhaus ausschließlich durch Belegärzte organisiert werde - und das bei 1.600 Geburten im Jahr.

Natürlich sind Belegärzte anders als die angestellten Ärzte selbstständig und betreiben ihre belegärztliche Geburtshilfe in diesen Krankenhäusern neben dem regulären Betrieb der eigenen Praxis. Aufgrund ihrer Selbstständigkeit müssen diese Belegärzte eine eigene Haftpflichtversicherung abschließen. Die Problematik kennen wir von den Hebammen: Die Prämien für die Haftpflichtversicherungen für die Belegärzte mit geburtshilflichen Leistungen sind nicht nur eine enorme wirtschaftliche Belastung, sondern in vielen Fällen auch tatsächlich eine Bedrohung der Existenz. Die Jahresprämien der Neuverträge überschreiten teilweise 60.000 €, so das „Ärzteblatt“ weiter.

Konsequenz daraus ist, dass es immer weniger Frauenärzte gibt, die als Belegärzte in die Geburtshilfe einsteigen möchten. Es ist natürlich auch niemandem zu verdenken, dass er diesen Schritt nicht tun möchte, denn die wirtschaftliche Belastung ist einfach zu hoch, also unzumutbar.

Bei den Hebammen hat der Gesetzgeber mit dem Sicherstellungszuschlag in § 134 a Absatz 1 SGB V eine Regelung zum finanziellen Ausgleich für freiberuflich geburtshilflich tätige Hebammen geschaffen. Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der Fraktion der CDU und der FDP, weist vollkommen zu Recht auf die vergleichbare schwierige Lage hin. Damit auch weiterhin eine gute und möglichst ortsnahe sowie qualitativ hochwertige Versorgung sichergestellt ist, wird die AfD-Fraktion Ihren Antrag unterstützen - und da Frau Bohn, natürlich ganz ohne oder auch mit Weihnachten. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Ergänzung aus der SPD.

Erlauben Sie mir zum Abschluss noch den Hinweis, dass wir es begrüßen würden, wenn die Regelungen des § 134 a SGB V gleichlautend auf die Belegärzte ausgeweitet werden könnten. Ich denke, das haben Sie mit dem Punkt 2 Ihres Antrags so auch darstellen wollen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das „Ärzteblatt“ meldete schon 2014, dass der Bundesverband der Frauenärzte, der die Rahmenverträge für die Belegärzte abschließt, nur noch 90 Ärzte verzeichne. 2009 waren es noch 389. Nur noch zwei Versicherungsunternehmen sind überhaupt bereit, einen Neuvertrag mit Belegärzten in der Geburtshilfe abzuschließen, weil die Kosten einer lebenslangen Behinderung bei einem Fehler unter der Geburt in die Millionen gehen. Die Versicherungsgesellschaften verlangen eine Jahresprämie zwischen 40.000 und 60.000 €. Immer mehr Belegärzte scheiden aus der Geburtshilfe aus, was Konsequenzen für die Stationen kleiner Krankenhäuser hat. Einen 24-Stunden-Dienst mit angestellten Ärztinnen und Ärzten können sie sich nicht leisten. Darum werden Stationen geschlossen. Das Aus des Belegarztsystems in der Geburtshilfe ist also keineswegs neu, nur wird es jetzt erst auf breiter Ebene erkannt.

In Eckernförder kommt noch die Problematik der Korruption dazu. Die dortige Klinikleitung stuft nämlich die Zuschüsse zur Haftpflichtversicherung, die sie an die Belegärzte zahlt, als mögliche Bestechung ein und hat deshalb erst einmal alles eingefroren. Die juristischen Auseinandersetzungen lau

(Dr. Frank Brodehl)

fen auf Hochtouren. Die Frauen in Eckernförder verstehen die Welt nicht mehr und fühlen sich allein gelassen. Die nächste Geburtsstation ist nämlich in Rendsburg oder in Kiel.

Die Probleme der Belegärzte sind spätestens seit den Demonstrationen der Hebammen jedem Zeitungsleser bekannt. Ich möchte aber an dieser Stelle ausdrücklich davor warnen, gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten. Die Versorgung mit geburtshilflichen Leistungen ist nämlich nicht so sehr in Gefahr, wie das aus dem Begründungstext der Regierungsfraktionen hervorgeht. - Ja, Gebärende müssen jetzt lange Wege absolvieren. Ja, sie müssen enorme organisatorische Anstrengungen unternehmen. Eine Sylterin muss beispielsweise die Versorgung der Geschwisterkinder sicherstellen, während sie im Flenburger Boarding-Haus auf ihre Niederkunft wartet. Ja, die Wahlfreiheit zwischen einer Geburt zu Hause, im Geburtshaus oder im Krankenhaus mit oder ohne dem vertrauten Frauenarzt ist eingeschränkt. Das sind ganz einfach die Fakten. Aber die Versorgung ist damit immer noch sichergestellt. Keine Gebärende muss Angst haben, dass ihre Gesundheit oder die ihres Kindes gefährdet ist. Wer das behauptet, schürt erst recht die Verunsicherung der Schwangeren und ihrer Familien, auf die in der Begründung verwiesen wird.

Warum malt die Koalition mit so schwarzen Farben? Ich befürchte, dass sie davon ablenken möchte, dass sie das Problem im Handumdrehen beseitigen könnte, indem sie Geld für die Haftpflichtkosten zur Verfügung stellt - über den sogenannten Demokratiefonds.

Wolfgang Kubicki sagte am 29. Juni 2017 - mit Ihrer Erlaubnis möchte ich aus dem Plenarprotokoll zitieren - :

„Dieser Fonds soll in Fällen, in denen versorgungspolitisch sinnvolle und politisch gewollte Versorgungsangebote nicht durch Sicherstellungszuschläge der gesetzlichen Krankenversicherung aufrechterhalten werden können, die notwendigen ergänzenden Zahlungen tätigen.“

Stattdessen möchte die Regierungsfraktion jetzt auf Bundesebene die Übernahme der Prämien durch die Kassen anregen oder bundesgesetzlich klarstellen lassen, dass der Sicherstellungszuschlag für Belegärztinnen und Belegärzte rechtlich in Ordnung ist. Sie möchten eine geburtshilfliche Bedarfsanalyse starten. Dabei hatte Minister Garg doch schon vor ein paar Wochen die Krankenkassen zur Lösung

des Problems aufgerufen. Sie sollten die Beiträge der Belegärzte übernehmen.

Das möchte der Antrag auch, nämlich über den Umweg des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes. Wenn die Vergütung der Geburten erhöht wird, lohnt sich das aber nur ab einer gewissen Fallzahl. Das halte ich für problematisch. Außerdem ist das auch nicht gedeckelt, sodass Belegärzte mit sehr vielen Geburten sogar einen Reibach machen könnten. Das Hauptproblem ist aber doch, dass die Beitragszahler das alles zahlen - und das in einem Modell, das die Lasten nicht gleichwertig zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufteilt. Die Übernahme der Versicherungskosten ist eine versicherungsfremde Leistung, wie sie im Buche steht. Diese Leistung soll auf die Beschäftigten abgewälzt werden. Das ist für mich dann die schlechteste aller Lösungen.

Die Regierung ist in der Pflicht, und sie hat das Problem erkannt. Wenn es so weitergeht, steht das Belegärztesystem in der Geburtshilfe vor dem Aus.

Herr Abgeordneter, die Zeit!

Oh, entschuldigen Sie. Okay. - Eins ist ganz klar: Das Problem muss gelöst werden. Ich finde den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auch gut. Selbstverständlich werden wir - auch wenn ich kritische Bemerkungen gemacht habe - beiden Anträgen zustimmen, denn wichtig ist, dass wir hier gemeinsam das Problem auch lösen.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt CDU)

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Kronshagen sowie Vertreter der Volkshochschule Leck mit Angehörigen des Amtes Südtondern. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg.

(Flemming Meyer)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Situation der Belegärzte am MarienKrankenhaus in Lübeck bestätigt als jüngstes Beispiel, dass das Thema Geburtshilfe dauerhaft die Aufmerksamkeit dieses Hauses, und zwar nicht erst in der letzten Periode, sondern auch in dieser Legislaturperiode erfordert. Das ist nicht neu und gilt auch nicht nur für den aktuellen Fall. Ich denke, das haben die Kollegen sowie der Kollege Meyer schon sehr deutlich gemacht.

Ich freue mich daher ausgesprochen über diese Debatte und über das gezeigte Interesse über den Koalitionsantrag genauso wie über die Ergänzung der Sozialdemokraten.

Alles, was ich bisher gesagt habe, gilt selbstverständlich auch und gerade für schwierig zu versorgende Regionen. Das Stichwort Inseln und Halligen ist in diesem Zusammenhang gefallen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was der Kollege Meyer für die geburtshilfliche Situation in Schleswig-Holstein insgesamt dargestellt hat - mir wäre beinahe herausgerutscht, obwohl ich jetzt auf dieser Seite still sein muss: Dann braucht es erst den SSW, um darauf hinzuweisen, dass die Versorgungssituation gesichert sein muss -, trifft natürlich auf das Marien-Krankenhaus in ganz besonderer Weise zu.

Hier sind mein Staatssekretär und ich uns einig, und wir stehen im ständigen Austausch mit dem Marien-Krankenhaus. Dessen Geschäftsführer, Herrn Krüger, der hier anwesend ist, will ich herzlich begrüßen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich will an dieser Stelle wiederholen, dass ich ausgesprochen dankbar bin, Herr Krüger, dass der Träger des Krankenhauses klipp und klar erklärt hat, dass die Geburtshilfe im Marien-Krankenhaus in Lübeck in keiner Weise zur Disposition steht. Das ist eine wichtige Nachricht für die Menschen, auch über Lübeck hinaus.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihnen ist bereits im Sozialausschuss berichtet worden, dass das Marien-Krankenhaus prüft, wie die bestehende Kostenproblematik infolge der steigenden Berufshaftpflichtprämien für belegärztlich tätige Ärztin

nen und Ärzte in der Geburtshilfe gelöst werden kann. Ich will das sehr deutlich sagen: Ich halte nach wie vor eine angemessene Vergütung für die Schlüsselfrage. Dazu, wie man dazu im Einzelnen kommt, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, aus meiner Sicht gibt es kurzfristige und auch langfristige Ansätze für eine Vergütung, von der die Haftpflichtprämie auch gezahlt werden kann.

An dieser Stelle, obwohl ich die Diskussion um versicherungsfremde Leistungen gerne und leidenschaftlich führe, bin ich dezidiert anderer Auffassung als Sie, Herr Kollege Meyer. Ich möchte hier nicht von einer versicherungsfremden Leistung sprechen und will Ihnen auch sagen, warum. Wir haben ein System der Selbstverwaltung, das alle hier im Haus anwesenden demokratischen Fraktionen mit unterschiedlichen Nuancen richtig finden. Wenn wir ein System der Selbstverwaltung haben, dann dürfen wir diese Selbstverwaltung aber auch nicht aus der Pflicht lassen, wenn es einmal schwierig wird. Hier ist die Selbstverwaltung gefordert, ein befriedigendes Ergebnis zu finden.

Und diese Selbstverwaltung, um klar Ross und Reiter zu benennen, erfolgt durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassen. Genau aus diesem Grund habe ich mich, um eine schnelle Lösung des Problems zu befördern, sowohl an den Bewertungsausschuss als auch an den Vorstandsvorsitzenden der KBV, Herrn Dr. Gassen, gewandt. Klar ist: Sollte die Selbstverwaltung, was ich ausdrücklich bedauern würde, hier zu keinem Ergebnis kommen, muss die Politik auf den Plan. Ich habe in diesem Sinne bereits - da ich finde, dass man das eine tun muss, ohne das andere zu lassen - zu Bundesgesundheitsminister Gröhe genauso wie zur bayerischen Kollegin Hummel Kontakt aufgenommen. Mit der Kollegin aus Bayern bin ich mir darüber einig, dass wir zu einer Lösung kommen müssen. Das gilt unbeschadet der Tatsache, dass bundesweit nur wenige Geburtshilfen mit Belegärzten arbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich das ganz deutlich sagen. Wir reden heute zwar ausschließlich über die belegärztlich tätigen Gynäkologinnen und Gynäkologen, aber wer in den anderen Bundesländern glaubt, das Belegarztwesen sei irgendetwas Antiquiertes und von Gestern, der hat offensichtlich sektorenübergreifende Versorgung nicht richtig verstanden. Das Belegarztwesen ist ein gutes Instrument der sektorenübergreifenden Versorgung. Insofern sollten das auch die Bundesländer angehen, die im Zweifel hier bei dem akuten Problem gerade kein Problem für sich sehen.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Frank Brodehl [AfD])