Protokoll der Sitzung vom 15.12.2017

(Jörg Nobis [AfD]: Den Sozen ging es noch nie ums Geld!)

sondern es ging uns immer um die Qualität. Wir müssen natürlich auch beide Berufsgruppen zusammendenken. Auch wenn der Fokus in den Koalitionszeiten der letzten Legislaturperiode auf den Hebammen gelegen hat, geht natürlich nichts ohne die Ärzte an dieser Stelle. Deshalb müssen wir immer beide Berufsgruppen zusammendenken. 50.000 € jährlich sollen die Belegärzte für ihre Berufshaftpflicht ab 2018 zahlen. Damit würde ein Belegarzt erst nach der 111. Geburt in einem Jahr wirklich Geld verdienen. Ich finde, das ist ein Zustand, der nicht zumutbar ist.

(Beifall SPD, SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Dabei ist anzumerken, dass nicht die Schadenfälle zunehmen, sondern die nachfolgenden Kosten. Das ist auch der Grund, warum sich immer mehr Versicherungen herausziehen und es mittlerweile zu einer Monopolstellung von einigen wenigen Versicherungen gekommen ist.

Für uns steht weiterhin die Qualität der Versorgung von Kind und Mutter an erster Stelle. Es muss eine zeitnahe Lösung geben. Wir tragen die Vorschläge der Koalition zwar mit, gehen aber davon aus, dass wir auf Bundesebene relativ wenig Unterstützung der anderen Länder bekommen werden, weil es eben außer in Schleswig-Holstein nur noch in Bayern große geburtshilfliche Abteilungen mit Belegärzten gibt und sich die anderen Bundesländer

deshalb scheuen werden, mit uns dafür einzutreten. Der einheitliche Bewertungsmaßstab, der EBM, wird automatisch angepasst. Die Versicherungsprämien spiegeln sich auch in den Gebührenziffern wider. Bloß bei diesem gewaltigen Sprung auf 50.000 € fehlt es komplett an Transparenz. Deswegen gibt es in diesem Fall keine automatische Anpassung. Auch kann die Änderung des EBM wieder nur eine Übergangslösung sein.

Insgesamt wollen wir darauf hinarbeiten, dass die Geburtshilfe auch mit den mit ihr verbundenen Risiken eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe wird. Deshalb haben wir den Antrag der Koalition um die Schaffung der erweiterten Trägerhaftung und den steuerfinanzierten Haftungsfonds ergänzt. Ich betone, dass die Einführung einer Bürgerversicherung ebenfalls ein Teil der Lösung sein kann.

Frau Abgeordnete, denken Sie bitte an Ihre Redezeit!

Ich komme zum Ende. - Die Preisspirale der Versicherungen nach oben und ihre Monopolstellung muss auf jeden Fall unterbrochen werden.

In der Geburtshilfe darf nicht das Geld, sondern muss das Ringen um Qualität im Vordergrund stehen. Hier gibt es noch viel zu tun, auch sozialpolitisch.

Ich denke, der Satz ist jetzt beendet.

Er ist beendet. - In einer Familie darf es zu dieser Zeit nicht zu einem Versorgungsroulette kommen. Vielen Dank.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Frauen müssen sich in Schleswig-Holstein darauf ver

lassen können, dass sie ihre Kinder sicher zur Welt bringen können. Sie entscheiden selbst, wie und wo sie ihre Kinder zur Welt bringen. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei die Erreichbarkeit, die freie Wahl der Geburtsklinik und auch die freie Wahl der Hebamme und die Betreuung durch diese Hebamme vor, während und nach der Geburt. Die Geburtshilfe hat als solche in den vergangenen Jahren allerdings immer wieder mit diversen Problemen zu kämpfen gehabt, mit der Schließung von Geburtskliniken - wir haben es eben gehört -, mit gestiegenen Haftpflichtprämien der freiberuflichen Hebammen. Aktuell liegt dieser Wert bei 6.600 € jährlich. Nach zahlreichen deutschlandweiten Protesten und Aktionen von Müttern und Vätern, natürlich auch von den Hebammen und Hebammenverbänden selbst und Initiativen sowie von der Politik konnte es auf dem Verhandlungswege erreicht werden, dass es einen Sicherstellungszuschlag gibt. Das ist ein guter Weg aus dieser Misere für die Hebammen.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Es sind aber nun nicht mehr nur die Hebammen in Bedrängnis geraten, sondern auch die in der Geburtshilfe tätigen Belegärztinnen und Belegärzte.

Auch hier steigt die Haftpflichtprämie von Jahr zu Jahr. Im kommenden Jahr werden sich die Kosten auf dann 46.000 € jährlich verdoppeln.

Was bedeutet das? Vor allen Dingen, welche Auswirkungen bringt diese Änderung mit sich? Deutschlandweit - wir haben es gehört - arbeiten etwa 30 Kliniken in der Geburtshilfe mit Belegärzten. Bei uns in Schleswig-Holstein sind es das MarienKrankenhaus in Lübeck und das DRK-Krankenhaus in Ratzeburg.

Es gibt im Jahr allein im Marien-Krankenhaus in Lübeck 1.600 Geburten. Diese Zahl weist darauf hin, dass man dieses System will, dass es viele Unterstützerinnen und Unterstützer gibt. Familien praktizieren dieses Modell, denn sie kennen den Arzt, der das Kind später holt. Sie wissen die Betreuung zu schätzen. Deswegen ist es wichtig, dass wir dieses Modell stützen.

Ab 2018 wird ein Belegarzt die doppelte Haftpflichtprämie zu zahlen haben. Das bedeutet bei einer Vergütung von 413 € bei einer normalen Geburt, dass sich das Ganze erst aber der 113. Geburt rechnet. Diese massive Kostensteigerung stellt dabei nicht nur die betroffenen Ärztinnen und Ärzte, sondern auch die Kliniken vor fundamentale Probleme. Sie gefährdet das ganze Belegarztsystem

(Birte Pauls)

wie das im Marien-Krankenhaus in Lübeck oder das im DRK-Krankenhaus in Ratzeburg.

Eine Frage bleibt offen: Warum erhöht sich das Ganze so? Warum ist die Prämie so rasant gestiegen? - Die Gründe liegen in unserem Gesundheitssystem, und zwar speziell bei den Versorgungsleistungen, die sich in den vergangenen Jahren immer weiter verbessert haben. Kinder, die bei der Geburt durch einen Behandlungsfehler geschädigt wurden, können heute besser versorgt werden. Da sind die Haftpflichtversicherer gefragt, diesen Kindern zu helfen, gut durchs Leben zu kommen. Das kostet eben Geld.

Wir, die Jamaika-Koalition, sprechen diese Problematik an. Es muss dringend eine Lösung für dieses Problem gefunden werden, um die Versorgungssicherheit für die Familien und die Neugeborenen herzustellen. Wenn wir das erfolgreiche Belegarztmodell weiterführen wollen - davon gehe ich aus -, müssen wir jetzt eine Initiative für den Erhalt dieses Systems auf den Weg bringen. Deshalb bitten wir die Landesregierung, aktiv zu werden, um eine praktikable Lösung herbeizuführen, wie zum Beispiel die Beförderung einer Ergänzung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes - er wurde schon erwähnt - oder die Einführung eines ähnlichen Verfahrens wie bei den Hebammen mit einem Sicherstellungszuschlag auch für Ärzte oder eine rechtliche Klarstellung für die Belegärzte, dass eine anteilige Bezuschussung oder eine Kostenübernahme der Berufshaftpflicht von freiberuflichen Hebammen und Belegärzten durch die Klinik rechtlich einwandfrei und nicht zu beanstanden sind.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Meine Damen und Herren, zum Haftpflichtfonds haben Frau Pauls und meine Kollegin Marret Bohn schon etwas gesagt. Bereits in der vorigen Legislaturperiode wurde hierzu eine gute Datenbasis zusammengestellt, die aus unserer Sicht fortlaufend aktualisiert und weiterentwickelt werden muss.

Unser Ziel ist es, eine landesweite Bedarfsanalyse für Geburtskliniken sowie die in der Geburtshilfe tätigen Belegärztinnen und Belegärzte zu schaffen. Wir wollen, dass alle relevanten Akteure in diese einbezogen werden, inklusive der Berücksichtigung der besonderen Lage der Inseln und Halligen. Dazu habe ich heute noch nichts gehört; ich wollte sie einmal erwähnen.

(Birte Pauls [SPD]: Die habe ich herausge- strichen!)

- Das hast du rausgestrichen. - Wir wollen, dass Schleswig-Holstein - das hat Marret auch schon gesagt - ein familienfreundliches Bundesland wird, vielleicht sogar das familienfreundlichste Bundesland. Fangen wir mit dem Start, der Geburt, an. Dann sind wir auf einem guten Weg. - Danke schön.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Anita Klahn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Man möchte ja fast sagen: Welch eine schwere Geburt mit der Geburtshilfe! Ich erinnere mich an unzählige Diskussionen in der letzten Legislaturperiode, bei denen wir die Thematik immer wieder auf der Agenda hatten, sei es die Versorgung vor Ort, seien es Schließungen von Kliniken, von Stationen, sei es die Problematik mit der Haftpflichtversicherung für die Hebammen. Jährlich erleben mehr als 1,5 Millionen Eltern die Auswirkungen einer fehlgeleiteten Gesundheitspolitik in einem Moment, der sich eigentlich als der wunderbarste Moment im Leben einer Familie darstellen sollte, nämlich am Tag der Geburt ihres Kindes.

Bislang wurden in der öffentlichen Diskussion zur Geburtshilfe vorrangig die Problematik der Hebammen wahrgenommen, die durch die hohen Haftpflichtprämien zunehmend belastet wurden, mit dem Ergebnis, dass immer weniger Hebammen in der geburtshilflichen Begleitung tätig sind. Es ist auch schon gesagt worden, dass in den letzten Jahren immer mehr Schließungen gerade kleinerer Geburtsabteilungen in den Krankenhäusern erfolgten. Wir haben die Diskussion um die Klinik in Oldenburg noch ganz deutlich in Erinnerung. Wenn ich an die Sitzung des Sozialausschusses vor zwei Tagen denke, in der wir gehört haben, dass es in Eutin auch nicht so optimal ist, muss ich wirklich die Frage stellen: Was tun wir für den Start ins Leben?

Meine Damen und Herren, dass sich die Haftpflichtproblematik auch für die in der Geburtshilfe tätigen Gynäkologen ergibt, hätten wir ehrlicherweise seit 2014 bedenken müssen, denn bereits damals haben die Berufsverbände darauf aufmerksam gemacht. Das ist aber - auch von mir selbst, wie ich zugebe - immer nur am Rande mitbetrachtet worden. Die Kollegin Rathje-Hoffmann hat es eben

(Katja Rathje-Hoffmann)

auch schon angesprochen: Dass die Prämien so explosionsartig angestiegen sind, liegt ja nicht daran, dass wir eine Zunahme von Schadensfällen haben, wenn man es juristisch formulieren will, sondern daran, dass auch die zu leistenden Schadenssummen erheblich angestiegen sind. Ich möchte das an dieser Stelle überhaupt nicht infrage stellen, weil ich es sehr schätze, dass wir die medizinischen Möglichkeiten haben, Menschen zu helfen. Ich möchte das gar nicht in Abrede stellen.

Es ist also Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass das wirtschaftliche Risiko für Hebammen, Belegärzte und Kliniken bei abnehmenden Geburtenzahlen wieder kalkulierbar wird. Das kann man, denke ich, niemandem vorwerfen.

Mir ist die Schwierigkeit der unterschiedlichen Zuständigkeiten zwischen Bund und Land bekannt; aber das darf doch für uns kein Grund sein, nicht nach tragfähigen Lösungen zu suchen.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von daher ist eine unserer wichtigsten Forderungen die Überprüfung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes - abgekürzt EBM - für eine Geburt. 213,76 € sind für die Betreuung und Leitung einer normalen Geburt meines Erachtens schlichtweg zu wenig. Bedenkt man, welche Mindeststandards dazu vorgehalten werden müssen, würde dafür niemand mehr tätig.

Die Überlegungen des Vereins „Mother Hood“, der die Geburtshilfe zum Beispiel aus dem DRG-System herausnehmen und in eine Grundversorgung überführen will, sollten wir einmal offen diskutieren. Ich halte ehrlicherweise auch den Vorschlag der SPD für sehr sinnvoll. Wir sollten ihn mit übernehmen.

Meine Damen und Herren, gleich zu welchen Lösungen wir am Ende kommen, muss unser oberstes Ziel doch sein - dafür engagiere ich mich aus ganzem Herzen, und wir sind uns hier, glaube ich, auch fraktionsübergreifend einig -: Wir wollen Kinder, wir brauchen Nachwuchs, und die Familien brauchen unsere Unterstützung. Wir investieren Millionen in Kinderbetreuung und Familienförderung, in Bildungseinrichtungen, in Unterstützungssysteme also lassen Sie uns auch Geld in die Geburt investieren. Es ist gut angelegtes Geld.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein letzter Satz, um auch uns hier vor Ort in die Pflicht zu nehmen: Wir haben in Schleswig-Holstein in der letzten Legislaturperiode eine umfassende Bestandsaufnahme zur Geburtshilfe vorgelegt bekommen. Wir brauchen das nicht noch einmal zu machen, sondern können - ganz im Gegenteil - auf dieser Basis jetzt wirklich einmal über die Bedarfe in den Regionen diskutieren. Wir müssen zwischen den strukturschwachen und den städtischen Regionen unterscheiden und die Inseln und Halligen - das hat Frau Rathje-Hoffman auch angesprochen - dabei mitdenken.

Es ist wirklich dringend an der Zeit, dass wir nun den Familien und den in der Geburtshilfe Tätigen Sicherheit vor Ort geben. Ich freue mich daher auch auf die weitere fraktionsübergreifende Diskussion ohne den üblichen Klein-Klein-Zoff, den wir uns ja manchmal gern leisten. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Volker Schnurrbusch [AfD])

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Ich bin der erste Mann, der heute Morgen zu diesem Thema Stellung nimmt.

(Beifall AfD - Zuruf)