Birte Pauls

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Herr Minister, Sie hatten sich im Vorfeld bei uns in der Fraktion abgemeldet und sich entschuldigt. Das war bei uns hier unten im Plenarsaal nicht angekommen. Deswegen kam es zu dem Missverständnis. Selbstverständlich haben wir großes Verständnis dafür, dass Sie an dieser Runde teilgenommen haben. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Laut einer Mitteilung des Statistikamtes Nord sind im Jahr 2018 insgesamt 1.194 untergewichtige Kinder zur Welt gekommen. Außerdem wurden 630 Kinder vor dem errechneten Geburtstermin entbunden. Durchschnittlich mussten die Kleinen 15,4 Tage im Krankenhaus verweilen. Bei Kindern mit extrem niedrigem Geburtsgewicht dauerte der Aufenthalt im Krankenhaus im Durchschnitt 59,5 Tage. Als untergewichtig bezeichnet man Säuglinge mit einem Geburtsgewicht von unter 2.500 g. Es gibt auch Berichte von einem Kind mit einem Geburtsgewicht von 229 g, das überlebt hat. Zwischen Geburtsgewicht und Säuglingsmortalität besteht ein enger Zusammenhang. Neben der medizinischen, pflegerischen und intensivtechnischen Behandlung benötigen die Säuglinge die bestmögliche Ernährung, und das ist nun einmal die Muttermilch.
Was Muttermilch alles kann, haben wir schon gehört. Sie besitzt eine einzigartige, synthetisch nicht herstellbare Nährstoffzusammensetzung. Sie wirkt krankheitspräventiv, hat einen positiven Einfluss auf die Darmflora, stärkt das Immunsystem, das Wachstum, die Entwicklung und eben auch die spätere kognitive Entwicklung. Sie liefert neben den Nährstoffen wichtige Abwehrstoffe. Dadurch kann die Gefahr einer lebensbedrohlichen entzündlichen Darmerkrankung gesenkt werden. Auch sinkt das Risiko, im späteren Leben an Asthma, Diabetes oder Allergien zu erkranken. Muttermilch ist also die beste Möglichkeit, dem Kind in dieser schwierigen Anfangsphase auf natürliche Art zu helfen.
Leider ist es nicht so, dass alle Kinder davon profitieren können, weil sie nicht immer zur Verfügung steht. Gerade bei Frühgeburten setzt die Milchproduktion erst verspätet ein. Da ist es gut, wenn dem Kind Spenderinnenmilch gegeben werden kann. Jedoch steht auch die nicht allen Säuglingen zur Verfügung, denn es gibt die sogenannten Frauenmilch
banken nicht überall, sondern bislang nur 31 Mal in Deutschland.
Die Vertreterinnen der Frauenmilchbank-Initiative haben uns im Sozialausschuss ein bisschen aufgerüttelt. Wir waren alle ein bisschen erstaunt, auch darüber, mit wie wenig Mitteln man hier Gutes erreichen kann.
Wir haben uns die Frage gestellt, warum es diese natürliche Unterstützung für die Kleinen nicht schon längst und überall, wo es notwendig ist, gibt.
Wir waren uns fraktionsübergreifend einig, dass wir hier handeln müssen und wollen. Wenn ich mir neben den ganzen psychischen und physischen Anstrengungen und Kämpfen der Frühgeborenen und ihrer Eltern die oft jahrelangen Behandlungen und deren Kosten anschaue, gilt das alte Sprichwort wieder: Vorbeugen ist besser als Heilen. In diesem Fall ist es auch noch günstiger.
Uns erreichte zum Beispiel eine Berechnung aus der Diakonissenanstalt in Flensburg zur Einrichtung einer Frauenmilchbank. Demnach würden Einmalkosten in der Höhe von 40.000 € und jährliche Kosten von circa 35.000 € entstehen. Aus der Antwort auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion wird deutlich, dass eine Refinanzierung durch die Krankenkassen bereits durch die DRGs möglich, aber nicht auskömmlich ist. Da muss nachgebessert werden. Für die Investition ist aber das Land zuständig.
Wir sind uns, Gott sei Dank, fraktionsübergreifend einig, dass der Aufbau von Frauenmilchbanken an den Perinatalzentren des Landes im wahrsten Sinne des Wortes eine sehr gute Investition in die Zukunft ist. Prüfen, wie es jetzt im gemeinsamen Antrag steht, brauchen wir als Sozialdemokratinnen das eigentlich nicht. Wir könnten es Niedersachsen gleichtun, wo die Landesregierung Gelder für den Aufbau von Frauenmilchbanken bereitgestellt hat. Trotzdem finden wir, dass es ein wichtiges und richtiges Signal ist, dass sich die demokratischen Parteien gemeinsam um die Schwächsten und Kleinsten kümmern wollen.
Die Frauenmilchbank-Initiative e. V. hat sich das Ziel gesetzt, dass in Zukunft alle bedürftigen Frühgeborenen und kranken Neugeborenen in allen Tei
len Deutschlands mit Spenderinnenmilch aus Frauenmilchbanken ernährt werden können. Diesem Ziel wollen wir uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gern anschließen. - Vielen Dank.
Herr Minister, vielen Dank für die Ausführungen. - Gelobt haben wir Sie ja schon im Ausschuss für das, was in den letzten Wochen alles passiert ist. Ich habe jetzt aber noch eine fachliche Frage, die sich an dieser Stelle stellt, weil wir in dem Sinne keine Sozialausschusssitzung mehr haben werden und viele Leute sich diese Frage stellen.
Viele Leute stellen sich die Frage, wie die Priorisierung ablaufen soll. Klar ist, wie das in Krankenhäusern und in den Pflegeheimen ablaufen soll. Aber wer sagt dann wem die Anzahl oder nennt die Risikopatienten? Dieser Weg ist vielen noch nicht so ganz klar.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Antwort auf den Blödsinn, den
die AfD hier eben wieder produziert hat, überlasse ich herzlich gern anschließend dem Kollegen Kai Dolgner.
Ich habe noch einmal einen ganz anderen Aspekt. Der Impfstoff hat nämlich nicht nur eine gesundheitliche Bedeutung, sondern eben auch soziale Komponenten. Der Impfstoff ist der Schlüssel, der die Türen wieder öffnen kann.
Corona hat unfassbar viele Menschen einsam gemacht. Viel zu viele ältere Menschen isolieren sich vor Angst zu Hause. Sie haben kaum Kontakte, machen nur kurz Besorgungen. Aber die Treffen mit Freunden im Singkreis, in der Handarbeitsgruppe, beim Sport, in der Kirchengemeinde, in der Kultur und in den Parteien - alles das ist seit März ausgefallen.
Der Impfstoff öffnet auch die Türen der Einrichtungen der Pflege und der Eingliederungshilfe wieder. Was wir den Bewohnerinnen und Bewohnern im Frühjahr zugemutet haben, darf sich nicht wiederholen.
Die Insassen zu isolieren, den Zugehörigen den Besuch zu verweigern, hat sehr viel Leid auf beiden Seiten ausgelöst. Für die demenziell Erkrankten und ihre Angehörigen war es eine besondere Herausforderung. Das Vergessen von Gesichtern wurde beschleunigt.
Der Impfstoff öffnet auch die Haustüren derer, die Zuhause pflegen und gepflegt werden. Manche haben die Besuche von ambulanten Diensten in dieser Zeit aus Angst vor Infektionen schlichtweg abgelehnt. Welche zusätzliche Belastung das mit sich bringt, ist kaum ermessbar.
Nicht zuletzt öffnet der Impfstoff auch die Türen der beruflich Pflegenden. Sie haben in diesen Monaten unfassbar viel geleistet. Sie haben neben der ohnehin hohen Arbeitsbelastung in den Einrichtungen zusätzlich den Besuch kompensieren müssen, Besuche organisieren müssen. Jetzt müssen sie auch noch Schnelltests machen. Das alles geht von der eigentlichen Arbeitszeit weg. Es betrifft in gleichem Maße die Arbeit in den Krankenhäusern.
Die psychische Belastung, die die Pflegenden ertragen mussten, wenn die Angehörigen die Pflegenden in schweren Stunden nicht begleiten dürfen, ist ebenfalls nicht zu ermessen. Dies muss aber liegenbleiben, weil man es einfach nicht mehr schafft.
Über all dem schwebt immer die ständige Angst, sich selber zu infizieren oder eine symptomfreie Infektion in die Einrichtung zu bringen - und das über Monate, zu jeder einzelnen Schicht.
Es gibt viele im Gesundheitsbereich Tätige, die sich in den letzten Monaten in eine Art Tunnelquarantäne versetzt haben: der Weg zur Arbeit, nach Hause und umgekehrt.
Alle - das gilt auch für alle anderen im Gesundheitsbereich Tätigen -, Ärzte, Rettungsdienste, MTAs, Therapeuten und so weiter, die seit März unter diesem enormen Druck stehen, verdienen weitaus mehr als warme Worte und Bonuszahlungen, die noch nicht einmal überall angekommen sind. Für sie alle ist diese Impfung der Schlüssel für mehr Entlastung.
Das Ganze hat auch sehr viel mit Solidarität zu tun. Für Egoismus, der hier von dieser Seite geprägt wird, ist kein Platz mehr. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Ich habe in der letzten Woche ein Gespräch mit der Organisation WohnECK NF gehabt. Diese Organisation kümmert sich um Menschen, die in Schwierigkeiten bezüglich ihrer Wohnung stecken, kurz vor der Insolvenz stehen, von Obdachlosigkeit bedroht sind, alle diese Dinge. Der Geschäftsführer hat mich darüber informiert, dass es eine Familie gibt, bei denen beide Elternteile, die in der Gastronomie arbeiten, in Kurzarbeit sind und Mietschulden angehäuft haben. Der private Vermieter sagte: „Ist nicht!“, und sie mussten raus mit einem kleinen Kind, kurz vor Weihnachten.
Vielen Dank. - Dann möchte ich nur noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, dass das mit den Frauenhäusern nicht Ihr Verdienst gewesen ist.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein Schwangerschaftsabbruch ist nach § 218 Strafgesetzbuch grundsätzlich rechtswidrig. Er bleibt auf Grundlage der sogenannten Beratungsregelung bei einer medizinischen oder kriminologischen Indikation straffrei. Die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch macht sich keine Frau leicht.
Die Tatsache, sich mit dieser Entscheidung innerhalb des Strafgesetzbuches zu bewegen, setzt die Frauen zusätzlich unter moralischen Druck und gehört nicht mehr in unsere Zeit.
Die betroffenen Frauen befinden sich eh schon in einem emotionalen Ausnahmezustand, der häufig durch Unsicherheit, Scham und Angst geprägt ist, und oft stehen sie im persönlichen Umfeld mit der Entscheidung allein.
Um nur ein Beispiel einer ungewollten Schwangerschaft zu nennen: Wenn sich Frauen keine Verhütungsmittel leisten können, muss man ihnen finanziell, vielleicht auch organisatorisch helfen, aber man sollte sie bitte nicht in die Nähe von Straftaten rücken.
Die gesetzlich vorgeschriebene Schwangerschaftskonfliktberatung bietet den Frauen oft die einzige Möglichkeit, die Situation neutral, ohne Vorwürfe und ohne Druck zu betrachten.
Frauen müssen den Eingriff selbst bezahlen, außer ihr Einkommen ist so gering, dass es einen Anspruch auf die Übernahme der Kosten gibt. Besonders für ganz junge Frauen ist das eine zusätzliche Hürde.
Die Bundesärztekammer verpflichtet sich, die Praxen und Krankenhäuser, die Abbrüche vornehmen, zu listen, wenn diese es denn wollen. Davon nehmen aber mittlerweile viele Abstand, weil sie Repressalien von Abtreibungsgegnern befürchten. Wer hat schon gern blutbeschmierte Wände und Demonstrationen vor der Tür! Sogenannte Gehwegberatungen belästigen die Frauen auf ihrem Weg - eine weitere emotionale Zumutung.
Schauen wir auf die Situation in Schleswig-Holstein am Beispiel Flensburg: Aktuell sind auf der Liste der Bundesärztekammer für Schleswig-Holstein 26 Praxen gelistet; die nördlichste liegt laut Liste in Kappeln. Wir wissen aber - auch durch meine Kleine Anfrage vom Oktober -, dass es in Flensburg noch vier Praxen mit ambulanten Angeboten und ein klinisches Angebot gibt. Vor wenigen Jahren waren es noch zwölf Praxen.
Die Anhörung im Petitionsausschuss hat aufgezeigt, dass nicht nur durch die zukünftige Einstellung des stationären Angebots in Flensburg nach der Fusion der Kliniken, sondern auch durch die Verrentung von Ärztinnen und Ärzten, die aktuell Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, Versorgungslücken entstehen. So wird es bald nur noch zwei Praxen in Flensburg geben. Hinzu kommt, dass immer weniger Ärzte folgen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, da er nicht Bestandteil der Regelausbildung in der Medizin ist.
Wir freuen uns sehr, dass in Flensburg eine neue, moderne Klinik entstehen soll. Wir freuen uns auch, dass an dieser Stelle kein privater Konzern im Spiel ist, sondern die beiden jetzigen Träger, die evangelische Diakonissenanstalt und das katholische Sankt-Franziskus-Hospital. Der katholische Träger lehnt jedoch Schwangerschaftsabbrüche aus Prinzip ab. Für die Fusion war das nicht verhandelbar.
Somit wird ein weiteres Angebot und die Sicherheit eines Krankenhauses für die Frauen vor Ort wegfallen. Das Diktat aus Rom, der männlich dominierten katholischen Kirche trifft die Frauen in Not im nördlichen Schleswig-Holstein. Die Frage, ob das mit dem christlichen Glauben vereinbar ist, müssen sich die Entscheidungsträger gefallen lassen.
Die Landesregierung zuckt zu all dem mit den Schultern. Auf Nachfrage im Sozialausschuss und in der Antwort auf meine Kleine Anfrage sieht das
Ministerium auch in Zukunft keinerlei Engpässe in der Versorgung, weder in Flensburg noch im Land. Das sehen sehr viele Frauen ganz anders. Deshalb ist es gut, dass sich eine engagierte sozialdemokratische Oberbürgermeisterin, Simone Lange, gemeinsam mit den Frauen vor Ort des Themas annimmt.
Wir Sozialdemokraten lehnen sämtliche Pläne ab da gibt es verschiedene Pläne -, dass irgendwo auf dem Hinterhof der neuen Klinik ein Extragebäude errichtet und die Stigmatisierung der Frauen quasi in Beton gegossen wird. Kein Mensch, erst recht kein Mann, kann uns diese Verantwortung abnehmen. Eine sukzessive Reduzierung von gesetzlich vorgeschriebenen Angeboten für Frauen in Not quasi durch die Hintertür, nämlich durch das Nichtstun dieser Landesregierung, ist mit uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht zu machen.
Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, den in § 13 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes formulierten Versorgungsauftrag für ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen wahrzunehmen und eine flächendeckende Planung für Schleswig-Holstein zu erstellen.
Mittlerweile liegen drei Anträge zu dem Thema vor. Ich finde es der Wichtigkeit des Themas angemessen, dass wir alle drei Anträge in den Sozialausschuss überweisen, sodass wir uns da noch einmal mit dem Thema beschäftigen können. Das sind wir den Frauen in Not in diesem Land schuldig. - Danke.
Frau Kollegin, ich will Ihre Redezeit jetzt nicht künstlich verlängern, aber ich habe eine Frage: Ist Ihnen bewusst, dass behandelnde Ärzte überhaupt nicht in der Schwangerschaftskonfliktberatung tätig sein dürfen?
- Dann habe ich mich vielleicht ein bisschen missverständlich ausgedrückt. Sie sollen sich betätigen, indem sie die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, nicht in der Beratung. Hier gab es ein Missverständnis. Vielleicht habe ich mich nicht ordentlich ausgedrückt. Das muss ja jemand machen. Frauenärzte sind dazu in der Lage, sie müssen das machen. Das passiert nicht mehr in dem ausreichenden Maß, das wir uns vorstellen. Deswegen wollen wir, dass dort mehr passiert.
Vielen Dank, Herr Minister. Ich erkenne an, dass Ihr Ministerium daran arbeitet. Ich sehe aber auch die Zahlen, und ich sehe die Entwicklung. Noch vor wenigen Jahren gab es ein Angebot von zwölf Praxen in Flensburg, heute sind es vier. Wir wissen aus ganz sicheren Kreisen, dass es in naher Zukunft nur noch zwei Praxen sein werden. Nun sagen Sie, Sie arbeiten intensiv an einer Lösung. Darf ich fragen, wie diese Lösung dann aussieht?
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich im Namen der SPD-Fraktion für den vorgelegten Bericht beim Ministerium, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und beim Minister. Nicht alleine sein, sich geborgen und sicher fühlen, respektvoll angenommen in Stärke und in Schwäche, in Angst und Zuversicht unter Berücksichtigung ihrer individuellen Wünsche, Persönlichkeit, Herkunft und Weltanschauung und ohne Schmerzen - das wünschen sich wohl die meisten Menschen für ihr Lebensende, und die meisten Menschen wünschen sich auch, dass sie in ihrer vertrauten Umgebung sterben können.
Das wird ihnen durch den fachlichen, hochqualifizierten und zutiefst menschlichen Einsatz der derzeit 55 ambulanten Hospizdienste im Land ermöglicht, die neben dem so wichtigen Ehrenamt zunehmend durch Palliativ Care erfolgen. Die Versorgung der letzten Lebensphase erfolgt durch interdisziplinäre Teams, in denen Ärzte, Pflegefachpersonen, Psychologen, Sozialarbeiter, Seelsorger, Pflegedienste und Ehrenamt den Wünschen der Menschen gerecht werden. Der Einsatz der regional verteilten zwölf Teams der Spezialisierten Ambulanten Palliativmedizinischen Versorgung, den sogenannten SAPV-Teams, lindert individuelle Symptome und Leiden und sichert Selbstbestimmung und Menschenwürde auch in der letzten Lebensphase.
Nicht immer aber ist dieser letzte Weg zu Hause möglich oder erwünscht. Dafür haben wir zurzeit 83 stationäre Hospizbetten, 48 Plätze kommen demnächst dazu, und 21 befinden sich in der Planung. Hinzu kommen aber auch 115 Palliativbetten. Grundlage dafür ist der Beschluss der Küstenkoalition, den Ausbau der stationären Hospizplätze bedarfsgerecht und wohnortnah mit der Bereitstellung von 500.000 € jährlich voranzutreiben.
Ich meine es ganz ernst und ehrlich, wenn ich sage, dass wir uns sehr freuen, dass die jetzige Regierung diesen Weg konsequent weitergeht.
Das gilt auch für die Unterstützung der Landeskoordinierungsstelle Hospiz- und Palliativarbeit Schleswig-Holstein. Diese Einrichtung ist auch 2017 auf den Weg gebracht worden. Sie hat sich mit dem hochmotivierten Team sehr bewährt. Die organisierte Unterstützung, Beratung und Koordinierung wird sehr gut angenommen, denn sie erleichtert die Arbeit der Ehrenamtlichen vor Ort ungemein. Der Umzug in größere Räumlichkeiten
macht die Nachfrage deutlich. Als Symbol, dass der Tod zum Leben gehört, befindet sich die neue Geschäftsstelle in freundlichen, hellen Räumen mitten in der Innenstadt Kiels.
Meine Damen und Herren, während der ersten Monate der Pandemie war die gewünschte Nähe oft nicht möglich oder sehr begrenzt. Ich bete zu Gott, dass sich das, was sich in Teilen dort abgespielt hat, bitte nicht wiederholen möge.
Getreu dem Motto „Niemand soll alleine sterben“ hat der Hospiz- und Palliativverband in Zusammenarbeit mit vielen Spendern den Einrichtungen 300 Tablets zur Verfügung gestellt, sodass eine visuelle Kontaktaufnahme unter den Zugehörigen, die nicht in die Einrichtungen konnten, möglich war. Dafür wurde der Palliativverband im September 2020 mit einem zweiten Platz des Anerkennungs- und Förderpreises der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin ausgezeichnet. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Claudia Ohlsen und ihrem Team und gratuliere ganz herzlich zu diesem hochaktuellen, spannenden Projekt, das es ermöglicht, in diesen schwierigen Zeiten Kontakt zur Familie zu sichern.
Auch wenn wir im Land dank des hohen fachlichen und ehrenamtlichen Engagements vieler Menschen ein tolles Angebot der hospizlichen Versorgung haben, bleiben noch Aufgaben, wie zum Beispiel das mangelnde Angebot verschiedener Zusatz- und Fachausbildungen. Mein Wunsch wäre die zusätzliche Etablierung von noch mehr Palliativkräften in stationären Pflegeeinrichtungen. Das würde den Pflegeeinrichtungen in der Versorgung in der Endphase der Menschen ungemein helfen. Auch für die Betreuung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, Menschen aus anderen Kulturen und Menschen in prekären Lebenslagen braucht es noch weitere individuelle Angebote.
Alleine sterben - schmerzlich mussten Menschen besonders während der ersten Phase der Pandemie erleben, was das bedeutet; ich habe das eben schon angesprochen. Wir müssen alles dafür tun, dass sich das jetzt nicht wiederholt, und vor allen Dingen dürfen wir die Einrichtungen diesbezüglich nicht allein lassen.
Ein nicht nachholbarer Moment, keine tröstende Hand, kein letztes Wort - dieser bleibende Gedanke ist für die Familie und Freunde eine quälende Erfahrung.
An dieser Stelle möchte ich mich im Namen der SPD-Fraktion ganz herzlich bei allen Mitarbeitenden, bei Pflegenden, bei Ärzten, Fördervereinen und Ehrenamtlichen dafür bedanken, dass sie auch in dieser ganz besonderen, herausfordernden Zeit in den letzten Wochen, Tagen und Stunden immer an der Seite der Menschen sind und für sie alles möglich machen, was möglich zu machen ist.
Ihre psychische Belastung im ständigen Umgang mit Tod und Sterben ist schon in normalen Zeiten enorm, und sie ist jetzt noch sehr viel größer geworden. Wir danken ihnen herzlich für diese unverzichtbare Arbeit.
Ich freue mich auf die Beratung des Berichts im Sozialausschuss. An vielen Stellen können wir noch gute Ideen einfließen lassen und auf den Weg bringen. Ich freue mich auch sehr, dass wir als Parlament an dieser Stelle in dieselbe Richtung gehen. Das ist das, was Hospiz- und Palliativarbeit von uns erwartet. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was tun, wenn der Zustand der 75-jährigen Frau Hansen nach ihrer Operation zwar nicht mehr krankenhauspflichtig ist, sie sich aber in ihrer Wohnung im ersten Stock ohne Fahrstuhl noch nicht wieder allein versorgen kann? - Für diese Situation gibt es das gute Angebot der sogenannten Kurzzeitpflege. Mit Glück bemüht sich das Entlassmanagement der Klinik um einen Kurzzeitpflegeplatz. Mit Glück gibt es Angehörige, die sich vorrübergehend kümmern können. Mit Pech gibt es aber weit und breit keinen Kurzzeitpflegeplatz für Frau Hansen. Frau Hansen wird also nach Hause entlassen.
Nach etlichen Telefonaten bietet ein ambulanter Pflegedienst, der zufällig noch freie Kapazitäten hat, Frau Hansen zweimal täglich zwölf Minuten an. Die Tochter von Frau Hansen wohnt nicht in der Nähe. Wegen einer vorherigen Erkrankung der Mutter hat sie ihr Kontingent von zehn Arbeitstagen im Rahmen des Pflegezeitgesetzes bereits verbraucht. Die Pflegezeit von sechs Monaten kann sich die Tochter nicht leisten, weil sie von ihrem Gehalt als Teilzeitkraft in einem Supermarkt das ihr in diesem Fall zustehende zinslose Darlehen nicht zurückzahlen kann. Physiotherapeuten, die maßgeblich für eine schnelle Mobilisation und damit für die wiedergewonnene Selbstständigkeit beitragen könnten, werden nicht kontaktiert. Netterweise kümmert sich die Nachbarin um den Einkauf. Eine fiktive Geschichte? - Nein. Das ist bittere, alltägliche Realität in Schleswig-Holstein.
Aus der schriftlichen Anhörung wird das große Problem der fehlenden Kurzzeitpflegeplätze deutlich. Es darf bei der medizinischen und pflegerischen Versorgung von Menschen nicht um Glück oder um Pech gehen. Das Land hat und muss mit seinem Sicherstellungsauftrag nachkommen, damit Bürgerinnen und Bürger ihren Anspruch auf Kurzzeitpflege auch durchsetzen können.
Wir haben laut AOK landesweit rund 1.700 Kurzzeitpflegeplätze in den 550 vollstationären Pflegeeinrichtungen als sogenannte eingestreute Kurzzeitpflegebetten bereitgestellt. Diese werden aber ebenfalls für die Verhinderungspflege benutzt. Pflegende Angehörige haben einen gesetzlichen Anspruch auf eine Auszeit, sei es, um sich von der dauerhaften Belastung von 24/7/365 zu erholen oder vielleicht auch, um sich selbst einer Behandlung zu unterziehen.
Klatschen und Sonntagsreden reichen zur Entlastung des größten Pflegedienstes in Deutschland nicht aus. Die möglichen vorhandenen Plätze werden eher für die Langzeitpflege genutzt, weil die Organisation rund um einen Kurzzeitpflegegast sehr aufwendig ist. Aber es kann doch wirklich nicht angehen, dass über die Hälfte derjenigen, die mit Glück einen Kurzzeitpflegeplatz ergattert haben, direkt in die Langzeitpflege überführt werden. Da wird die Idee, Kurzzeitpflege, ihrem Ursprung wirklich nicht gerecht.
Eine Verhinderungspflege, die für die pflegenden Angehörigen nicht planbar ist, verfehlt komplett das Ziel. Auch im Hinblick auf eine immer älter werdende Gesellschaft braucht es eine solitäre Kurzzeitpflege, dessen multiprofessionelles Team von Pflege, Therapeuten, Sozialberatung und Ärzten nur die eine Aufgabe hat, die Menschen wieder so zu mobilisieren, dass sie möglichst selbstständig oder mit Unterstützung in ihrem eigenen Umfeld leben können. Das entspricht auch dem Wunsch der meisten Menschen. Und dem sollten wir als Gesellschaft gerecht werden.
Wir haben das Thema seit zwei Jahren im Plenum. Letztes Jahr hat die Koalition unseren Antrag auf Schaffung von solitären Kurzzeitplätzen abgelehnt. In dem Alternativantrag von CDU, FDP und Grünen, der nun seit Januar vorliegt, steht nicht Verkehrtes drin. Deshalb haben wir im Sozialausschuss auch zugestimmt. Sie schauen dabei allerdings nur auf das Geld und nicht auf den Menschen.
- Ja, dann schau dir das einmal an. Es geht hier tatsächlich nur um die Finanzierung. Schaut euch das noch einmal an. Es geht um die Finanzierung der Kurzzeitpflege, aber nicht darum, was genau für die Menschen gut ist.
Der Antrag der Koalition ist aus unserer Sicht von Mutlosigkeit und mangelndem Ehrgeiz für die Verbesserung der Situation der Menschen geprägt und schiebt wieder einmal die Verantwortung in Richtung Berlin. Das, meine Damen und Herren, ist ein immer wiederkehrendes Symptom für die Uneinigkeit dieser Koalition. Minimalkonsens - das ist Ihr Programm. Das bedeutet Stillstand in der Sozialpolitik, und das ist keine Verbesserung in der Pflegesituation.
Deshalb ist es gut, dass wir Sozialdemokraten im Nachtragshaushalt Pflöcke eingeschlagen haben. Wir haben 10 Millionen € für den Ausbau von solitären Kurzzeitpflegeplätzen hineinverhandelt. Das ist der politische Beschluss, endlich etwas für die drängenden Probleme der Menschen in SchleswigHolstein zu tun.
Sie können es mit dem Beschluss der Küstenkoalition vergleichen, den Ausbau der wohnortnahen Hospizplätze zu organisieren, der ebenfalls aus der Feder der SPD stammte. Diese werden jetzt überall im Land eingeweiht. Die solitären Kurzzeitpflegeplätze bringen wir mit dem Nachtragshaushalt auf den Weg. Ich gehe davon aus, dass wir sie in der nächsten Legislaturperiode wieder einweihen. - Danke schön.
Vielen Dank, verehrte Kollegin. - Sie sagten eben, dass es in Schleswig-Holstein kaum Neuinfektionen gibt. Nach Meldung von heute gibt es 40 Neuinfektionen. Finden Sie das wenig im Vergleich zu den vergangenen Monaten? Sehen Sie darin keinen Grund, noch einmal über die Schü
Ich habe nur eine Bemerkung. Ich bitte Sie, sich das Infektionsgeschehen am gestrigen und heutigen Tag anzuschauen. Dann sehen Sie, dass es überall, flächendeckend Erhöhungen gibt. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch ich danke dem Ministerium, aber auch dem Kompetenzzentrum Demenz ganz herzlich für die Erstellung und Vorstellung des Berichts. Er kommt passend zum Welt-Alzheimertag, zur Woche der Demenz in dieser Woche und zum Start der Nationalen Demenzstrategie, die gestern von der Bundesregierung vorgestellt worden ist.
Immer mehr Menschen werden immer älter. Das ist ein ganz besonderer sozialpolitischer und medizinischer Erfolg, auf den wir alle gemeinsam stolz sein können. Dies bringt für hochaltrige Gesellschaften wie der unseren Herausforderungen mit sich; denn mit steigendem Alter wächst die Wahrscheinlichkeit, demenziell zu erkranken.
In Schleswig-Holstein leben zurzeit 60.000 Menschen mit Demenz. Das ist schon gesagt worden. Aufgrund der Altersentwicklung wird sich diese Zahl bis zum Jahr 2050 verdoppeln. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten möchten das Zusammenleben der Generationen mit all seinen Facetten und Herausforderungen mit Respekt und Solidarität positiv gestalten. Insoweit liegt noch richtig viel Arbeit vor uns.
Die Erkrankung wird oft noch tabuisiert. Wir hörten es eben: Auch im Familien- und Freundeskreis wird sehr lange gezögert, über diese Krankheit zu sprechen. Man schämt sich, es ist unangenehm, wenn sich die Persönlichkeitsstruktur verändert. Aber es ist durchaus hilfreich, sich im Bereich der Unterstützung und Beratung frühzeitig zu outen. Dies ist ja nichts Schlimmes. Dafür muss man sich nicht schämen. Es ist eine Erkrankung wie jede andere auch, und man kann sie behandeln, auch wenn sie nicht heilbar ist.
Wie begegnen wir Menschen mit Demenz? Welche Strukturen braucht es? Wie können wir Angehörige unterstützen? - Diesen Fragen haben wir uns in der Küstenkoalition gestellt und haben im Jahr 2013 als eines der ersten Bundesländer die Erarbeitung eines
Demenzplans auf den Weg gebracht. Die 80 Empfehlungen sollen bis zum Jahr 2022 umgesetzt werden. Davon sind 23 Empfehlungen weitgehend erfüllt, 28 zum Teil umgesetzt, 13 noch gar nicht umgesetzt, und 16 können vom Kompetenzzentrum Demenz nicht umgesetzt werden, weil sie außerhalb seines Einflussbereichs liegen. Hier muss die Landesregierung tätig werden und unterstützen.
Das Thema Demenz muss in allen Bereichen unserer Gesellschaft Beachtung finden, an der Kasse des Supermarkts, beim Frisör, bei der Feuerwehr, bei der Polizei, in Verwaltungen, in Vereinen, im Rettungswesen. Überall, an jedem Tag, im Alltag besteht die Möglichkeit, mit Demenz oder mit Symptomen der Demenz konfrontiert zu werden. Wenn die ältere Dame an der Kasse am Portemonnaie herumfummelt und nicht weiß, das Geld einzusetzen, dann dürfen wir nicht drängeln und schubsen, sondern müssen dem gelassen gegenüberstehen.
Das gilt von der Kita bis zum Seniorenclub, wobei die Kinder eigentlich ohne Probleme mit Demenz umgehen. Alle diskriminierenden und ausgrenzenden Eigenschaften werden ihnen ja erst beigebracht. Es bedarf eines guten Kontakts, eines guten Austauschs, eines gemeinsamen Lebens im Quartier, um das Verständnis für Demenz von Anfang an und rechtzeitig zu fördern. Hier leistet das Kompetenzzentrum eine hervorragende Arbeit, für die auch wir uns ganz herzlich bedanken.
Es bietet Schulungen und alle möglichen Informationen für verschiedene Zielgruppen an.
Mit dem Projekt „Reise des Vergessens“ werden aktuell Kommunen im ländlichen Raum für das Thema sensibilisiert. Wenn Sie einen ganz kleinen Eindruck gewinnen wollen, wie verunsichert sich ein demenziell Erkrankter in seiner Umwelt fühlen muss, dann empfehle ich Ihnen das begleitende Projekt „Ort der Verwirrung“: ein von der Künstlerin Cornelia Rößler umgestalteter Bus, dessen Mitfahrt wirklich erhebliche Verwirrung stiften kann. Ich habe mich bei der Auftaktveranstaltung in Nordfriesland selbst davon überzeugen beziehungsweise verwirren lassen können. Das Projekt ist wirklich sehr empfehlenswert, einmal für einen Moment nachvollziehen, was in dem Kopf eines demenziell erkrankten Menschen vorgehen muss. Das Projekt ist zurzeit im Herzogtum Lauenburg unterwegs.
Gerade vor Ort, in den Kommunen, benötigen wir bedarfsgerechte Beratungsstellen wie zum Beispiel die Pflegestützpunkte, die es jetzt überall gibt. Ich freue mich natürlich ganz besonders, dass es jetzt
auch in Schleswig-Flensburg einen Pflegestützpunkt gibt.
Wir benötigen Beratungsstellen, Hilfs- und Unterstützungsangebote und eine gute Integration der Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen im Quartier.
Ein weiterer wichtiger Bereich sind die Krankenhäuser. Die Versorgung findet nach der jeweiligen akuten Erkrankung statt. Die Grunderkrankung Demenz wird bei der Zuordnung oft nicht berücksichtigt. Nur 53 % unserer Häuser im Land haben ein schriftliches Konzept zum Umgang mit Demenz. Daher kommen die Herzinsuffizienten auf die Innere, Menschen mit einer Oberschenkelhalsfraktur in die Chirurgische, und die Demenz wird in der Betreuung zunächst einmal gar nicht beachtet.
Dabei sind die räumliche Veränderung, die veränderten Tagesabläufe und die Trennung von den gewohnten Menschen ein enormer zusätzlicher Belastungsfaktor für den Erkrankten. Hinlauftendenzen, Unruhe, Aggressivität sind die Folgen. Diese haben nicht nur einen negativen Einfluss auf die Behandlung der Akuterkrankung, sondern führen auf den chronisch unterbesetzten Stationen zu Stress bei den Pflegefachpersonen. Freiheitsentziehende Maßnahmen sind aus lauter Verzweiflung oftmals die Folge. Das ist menschenunwürdig, und dem wollen wir selbstverständlich entgegenwirken.
Das von der Landesregierung vorgelegte Krankenhausgesetz lässt auch an dieser Stelle Lücken. Darauf kommen wir später noch zu sprechen.
Wir alle müssen lernen, gegenüber demenziell Erkrankten Verständnis und Großzügigkeit zu entwickeln, uns über merkwürdige Verhaltensweisen nicht aufzuregen, sondern sie zu akzeptieren und hinzunehmen und darum herum zu organisieren. Das ist leichter gesagt als getan.
Ein großer Dank gilt den pflegenden Angehörigen; denn die meisten Erkrankten leben zu Hause. Haben wir überhaupt eine Ahnung - Katja hat eine Ahnung -, was es bedeutet, 24/7/365 zuständig zu sein, wie weh es tut, wenn die Mutter ihre Tochter plötzlich mit „Sie“ anredet, wenn der Ehemann seine eigene Frau nicht mehr erkennt, wenn sich die Persönlichkeit des geliebten Menschen völlig verändert, wenn Aggressivität und Angst den Alltag bestimmen, weil alle irgendwie überfordert sind?
Wir haben den pflegenden Angehörigen seit März 2020 eine enorme zusätzliche Belastung auferlegt, weil alle entlastenden Angebote wie Tages- und Nachtpflege sowie andere Tagesangebote geschlossen waren. Wiedereröffnete Angebote sind extrem reduziert. Der Grund ist meist Platzmangel. Diese Familien dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, genauso wenig wie die Erkrankten, die in den stationären Einrichtungen leben und immer noch sehr wenig Besuch haben dürfen.
Die reduzierten Kontakte und das Isolieren haben erhebliche Auswirkungen auf die Menschen, denn sie sind zwar in ihrem Denken und Handeln verändert, aber sie haben Gefühle, und sie haben Sinne. Die Berührung, die Umarmung, die positiven Erlebnisse sind so immens wichtig für sie, und alles kann die Pflege bei allen Anstrengungen, die in den letzten Monaten in den Heimen geleistet worden sind, doch nicht auffangen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn der Ball wieder rollt, ist die Situation von Menschen, die in Einrichtungen leben, ihren Angehörigen und auch denen im eigenen Zuhause weiterhin sehr dramatisch, und wir dürfen sie nicht vergessen. - Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werter Kollege Kalinka, ich muss schon sagen, Ihr Beitrag war ziemlich widersprüchlich. Auf der einen Seite erwarten Sie politische Handlungsideen, auf der anderen Seite sagen Sie: Bitte keine Politik in diesem Bericht! Ich empfehle Ihnen die
Lektüre. Sie sagen, Sie haben den Bericht genau gelesen. Ich empfehle Ihnen aber die Lektüre der Seiten 11 bis 65. Diese Seiten sind voller Hinweise für uns, die wir politisch gut aufnehmen können.
Im Namen der SPD-Fraktion bedanke ich mich ganz herzlich bei Samiah El Samadoni und natürlich ihrem gesamten Team für den Bericht, für die wertvollen Hinweise, aber vor allem auch für die unverzichtbare Arbeit.
Ich bin immer wieder beeindruckt, wie unerschrocken gradlinig und vor allen Dingen fachkundig sich Frau El Samadoni für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger einsetzt, ihnen immer an der Seite steht. Die SPD ist mit ihrer Arbeit und mit der ihres Teams mehr als zufrieden. - Herzlichen Dank dafür.
Wie wichtig diese unabhängige Institution ist, zeigt uns weiterhin die ungebrochene hohe und im letzten Jahr wieder steigende Zahl der hilfesuchenden Menschen, die ohne die Hilfe der Bürgerbeauftragten in Behördenangelegenheiten nicht weiterkamen. Die Zahl der Petitionen hat sich um 371 im Vorjahr auf 3.643 im Berichtsjahr 2019 erhöht. Das ist eine erneute Erhöhung.
Das Wort Petition hört sich immer ziemlich technokratisch an. Wir dürfen aber nie vergessen, dass sich hinter jeder Petition ein Mensch, eine Familie und ein Schicksal verbirgt. Oft sind die Menschen im Vorfeld durch besondere Lebenslagen und Krankheiten belastet. Diese Menschen benötigen ihre Kraft eigentlich dazu, um täglich ihre schwierige Lebenssituation zu meistern. Es sollte im Jahr 2020 eine Selbstverständlichkeit sein, dass diese Menschen von Behörden bestmöglich unterstützt werden und sie nicht noch zusätzlich Kraft aufbringen müssen, um ihren Rechten hinterherzulaufen. Auch wenn ich davon ausgehe, dass sich die Mitarbeitenden in den Behörden alle Mühe geben, stellen wir auch in diesem Jahr wieder fest, dass sie nicht alle die ihnen zur Verfügung stehenden Entscheidungsspielräume zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger nutzen.
Klar wird das, wenn sich die Bürgerbeauftragte einer Sache annimmt. Dann wird plötzlich doch vieles möglich, was im Vorfeld konsequent abgelehnt wurde. Dafür gibt es auch in diesem Bericht wieder
etliche Beispiele: eine siebenköpfige Familie, die dann doch noch in eine angemessene Wohnung ziehen durfte; ein Schreibfehler, der sich auf zustehende Leistungen auswirkte; eine zu komplizierte Krankenversicherung für Kinder; zu hohe Kosten bei der Verpflegung in einer Kita für eine Familie; die Infragestellung einer Schulbegleitung bei einem Schulausflug; eine Schwerstbehinderung, die erst einmal nicht anerkannt wird; eine Pflegekasse, die es ablehnt, einem schwerstdementen, inkontinenten Herrn den Teppich gegen einen wischbaren Fußbodenbelag auszutauschen, und Lehrkräfte, die sich weigern, eine Notfallversorgung anzubieten.
Das sind nur einige Fallbeispiele, die mich immer wieder fassungslos machen. Lange vor Corona hat die Bürgerbeauftragte auf das Problem hingewiesen, dass Kinder aus einkommensschwachen Familien von der digitalen Teilhabe ausgeschlossen sind. Aber erst durch die Pandemie kommt endlich eine Verbesserung. Wir müssen also die Anregungen der Bürgerbeauftragten noch ernster nehmen.
Erneut muss die Bürgerbeauftragte auf das Thema Kommunikation aufmerksam machen. Viele Bescheide sind weiterhin so komplex, dass sie für die Betroffenen nicht verständlich sind. Die SPD hat das Thema bürgerfreundliche und verständliche Behördensprache in den Landtag geholt, auch auf Anregung der Bürgerbeauftragten. Der Sozialausschuss hat sich intensiv - auch in einer Anhörung damit beschäftigt, und wir haben uns mit einem einstimmigen Beschluss - dafür bin ich sehr dankbar darauf geeinigt, dass sich etwas ändern soll. Die Umsetzung liegt bei der Regierung; bislang sind die Bemühungen noch nicht überzeugend erkennbar. Wir werden das Problem wohl im nächsten Bericht wieder finden.
Ich sage es nur ungern: Oft genug ist Deutschland eine Servicewüste. Wenn Menschen die Hilfe der Behörden suchen, haben sie dafür meistens einen triftigen Grund. Es ist nicht hinnehmbar, dass diese Menschen für ihre Rechte kämpfen müssen. Die hohe Anzahl der Eingaben macht mich immer wieder betroffen, und es ist eigentlich bedauerlich, dass wir in Schleswig-Holstein ein Amt wie das einer Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten überhaupt brauchen. Es ist aber gut, dass wir sie haben. - Vielen Dank dafür.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die SPD-Fraktion bedankt sich bei allen Mitarbeitenden des UKSH für den ständigen enormen Einsatz zum Wohle der Patientinnen und Patienten.
Aber der Applaus reicht nicht aus. Einmalige Bonuszahlungen, die nur ein Teil der Beschäftigten bekommen, ebenfalls nicht. Wer es wirklich gut meint mit der Pflege, der nutzt die augenblickliche Aufmerksamkeit, um jetzt endlich die notwendigen Veränderungen herbeizuführen, die die Pflege benötigt, um zukunfts- und krisensicher aufgestellt zu sein. Dazu gehören eine spürbare Erhöhung des Lohnniveaus und der Schichtzulagen, eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit, eine gesetzliche Personalbemessung und vor allen Dingen fachgerechte Rahmenbedingungen.
Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen ihren Teil der Verantwortung dafür tragen.
Die größte Berufsgruppe am UKSH ist die Pflege. Es war eine Errungenschaft, als die Position des Pflegevorstandes mit der eigenen Pflegekompetenz - neben dem Ärztlichen Vorstand, der selbstverständlich Arzt ist, und dem Kaufmännischen Vorstand, der selbstverständlich seine Expertise mitbringt - auf Augenhöhe auf den Weg gebracht wurde.
Aber was macht diese Landesregierung jetzt? Urplötzlich soll es ohne jegliche fachliche Begründung eine „strategische Neuausrichtung“ dieser Position geben. Auf meine Frage, welche Qualifikation der neue Vorstand denn mitbringen soll, antwortete Staatssekretär Grundei im Finanzausschuss: auf jeden Fall Krankenhauserfahrung. - Ja, bitte schön, was denn sonst? Bloß, Hausmeister, Personalentwickler oder Juristen können auch Krankenhauserfahrung haben.
Ministerin Heinold will eine Frau an dieser Stelle. Selbstverständlich sind wir Sozialdemokraten sehr für paritätische Besetzungen von Vorständen. Aber warum - das frage ich mich ehrlich - wurde diese Forderung bei den anderen Vorständen nicht erhoben?
Diese Frau soll laut Frau Heinold eine „starke Fürsprecherin für die Pflege sein“. Die Pflege braucht aber keine starke Fürsprecherin. Die Pflege kann sehr wohl für sich alleine sprechen. Sie muss nur angemessen auf Augenhöhe agieren können.
In den letzten Monaten gab es innovative Entwicklungen und Planungen zur Verbesserung der Situation der Pflegenden am UKSH, die sich gerade jetzt
in der Umsetzung befinden. Jeder, der sich mit Pflege am UKSH auseinandersetzt, weiß das auch. Ein strategischer Wechsel im Vorstand wird diese positive Entwicklung gefährden. Das fatale Signal, das diese Landesregierung setzt, ist klar: Hier wird die Pflege zu stark. Der rollende Zug muss ausgebremst werden. Sie haben gar keine Ahnung, was Sie damit an Frustrationen ausgelöst haben - seit Sonnabend nicht nur am UKSH.
Am vergangenen Sonnabend erblickte die geheimnisumwobene Ausschreibung das Licht der Welt, und sämtliche Befürchtungen haben sich bestätigt. Was wird gesucht? Ein „Hochschulabschluss“, „versiert in der Steuerung und Organisation von Betriebsabläufen, dem Personalwesen und der Pflege“. Die für Akzeptanz, Vertrauen und Fachlichkeit so wichtige eigene Pflegekompetenz wird ausdrücklich nicht formuliert. Die Pflege soll also zukünftig nicht mehr an den strategischen Prozessen des Hauses beteiligt werden. Das ist Jamaikas Antwort und Wertschätzung gegenüber der Pflege.
Gleichzeitig legt die Landesregierung dem Landtag den Entwurf des Landeskrankenhausgesetzes vor. Darin heißt es in § 34 Absatz 1:
„Im Krankenhaus wird eine Betriebsleitung gebildet; … An der Betriebsleitung sind eine Leitende Ärztin oder ein Leitender Arzt, die Leitende“
- Achtung -
„Pflegefachperson und die Leiterin oder der Leiter des Wirtschafts- und Verwaltungsdienstes gleichrangig zu beteiligen.“
Diesen doch mal sehr innovativen Ansatz schreiben Sie in Ihre Gesetzentwürfe, und dann setzen Sie das in Ihrem eigenen Krankenhaus nicht um?
Sie wollen das Hochschulgesetz novellieren und verzichten auch dort auf die Stärkung der Pflege. Diese Entscheidungen reihen sich ein in viele andere negative Botschaften, die diese Landesregierung gegenüber der professionellen Pflege sendet. Beim versprochenen Pflegebonus für alle gibt es immer noch keine Richtlinie, Sie spalten die Berufsgruppen. Handlungsempfehlungen der Pflegeberufekammer ignorieren Sie. Sie blockieren und stören deren Arbeit, wo Sie nur können.
Die Helferinnenausbildung befindet sich weiter in der Sackgasse. Die Praxisanleitung für die Auszubildenden wird in vielen Häusern nicht umgesetzt. Eine regelmäßige Testung von Pflegefachpersonen auf Covid-19 lehnen Sie als zu teuer und zu ineffektiv ab. Mit dem Entlastungsvertrag für das UKSH
hätten Sie mutig vorangehen können. Aber da brauchte es Streiks und den Druck von ver.di. Sie haben nicht verstanden, was da eigentlich im Haus los war.
Sie wollen nicht begreifen, dass die professionelle Leistung der Pflegenden ein wesentlicher Bestandteil des Erfolgs des UKSH, aber auch in allen anderen Häusern ist.Wir konstatieren: Auch Pflegepolitik kann diese Landesregierung nicht. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, auf den Minister ist Verlass, wenn es um die Redezeit geht. Ich hatte mich schon darauf eingestellt, dass es etwas länger dauern wird, weil ja auch tatsächlich viel zu berichten war.
Vorab möchte ich mich, so wie es auch der Herr Minister getan hat, bei allen zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Sozialministerium,
aber auch beim Herrn Minister persönlich ganz herzlich bedanken - weniger für den heutigen Bericht. Vielmehr haben wir in den vergangenen Wochen oft miteinander telefoniert oder im Sozialausschuss zusammengesessen und haben so laufend berichtet bekommen. Das war gut und richtig so.
Gleich Anfang März, als es losging, haben wir gesagt: Selbstverständlich stehen wir parat und bringen uns konstruktiv ein, schauen auf die Problematik und versuchen zu helfen, wo wir es können.
Bedanken möchte ich mich also für den Arbeitseinsatz der Kolleginnen und Kollegen des Sozialministeriums und bei Herrn Badenhop. Wir wissen, dass Sie über Wochen rund um die Uhr und ohne freie Tage gearbeitet haben. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Vieles ist wirklich gut gelaufen, und wir freuen uns, wie gesagt, dass wir an der einen oder anderen Stelle helfen konnten.
Den Dank möchte ich aber auch auf die Gesundheitsämter und Kommunen ausweiten. Auch dort ist rund um die Uhr gearbeitet worden, auch dort hat man zu Anfang händeringend nach Personal gesucht, weil die Aufgaben so plötzlich kamen und nicht genug Leute da waren. Ihnen hätte die Landesregierung allerdings durch eine wesentlich bessere Kommunikation helfen können. Oft genug ist es so gewesen, dass das Kabinett am Freitagabend oder am Sonnabend getagt und Dinge auf den Weg gebracht hat, die montags umgesetzt werden sollten. Das ist für alle Beteiligten, sowohl für die Kreisverwaltungen, die das entsprechend formulieren mussten, als auch für jene, die es umsetzen mussten, eine enorme Herausforderung gewesen und hat an sehr vielen Stellen für Frust gesorgt.
Wir haben uns konstruktiv eingebracht, aber nicht alles, was wir vorgeschlagen haben, ist angenommen worden. So haben wir uns schon sehr früh über die Situation in den Altenheimen ausgetauscht. Tatsächlich hätten wir uns eine frühere Öffnung der Altenheime gewünscht. Wir haben mehrmals darüber diskutiert. In den Hospiz- und Palliativstationen war es von Anfang an möglich, ein bis zwei Bezugspersonen zu benennen, die ihre Angehörigen hätten besuchen können. Das Ergebnis ist: Es gab keinerlei Infektionen. Hätten wir das nicht vielleicht auch früher in den Altersheimen so machen können und sollen? Denn das, was dort passiert ist, hat zu viel Elend, Traurigkeit und Einsamkeit geführt.
An dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank an die Pflegeeinrichtungen, die sich unglaublich bemüht
haben, ihren Bewohnerinnen und Bewohnern einen tollen und guten Tag zu organisieren und die Einsamkeit ein bisschen wettzumachen. Auch das ist eine zusätzliche Belastung gewesen und keine Selbstverständlichkeit.
Unserer Meinung nach hätten auch die Kitas und Spielplätze früher wieder geöffnet werden können. Es gab für mich kein gutes und hinreichendes Argument, zu sagen, dass 22 erwachsene Männer einem Ball hinterherlaufen können, die Spielplätze aber nicht aufgemacht werden dürfen. Das fand ich etwas schwierig, aber da bin ich auch mit meiner Fraktion nicht einig.
- Ich wollte es doch noch einmal gesagt haben.
Verkehrt fanden wir auch, dass die Einrichtungen der Langzeitpflege denen der Eingliederungshilfe gleichgestellt worden sind. Menschen mit Handicap sind nicht automatisch krank. Dort gab es ganz viele Probleme, dass Angehörige ihre behinderten Kinder nicht besuchen konnten. Das hat auf beiden Seiten zu unglaublich viel Elend geführt. Den älteren Bewohnern im Pflegeheim konnte man erzählen, warum es so ist, auch wenn man es bei Demenzerkrankten 20-mal pro Stunde wiederholen muss.
Bei den Menschen mit Behinderung zu erklären, warum Mama und Papa nicht kommen dürfen, war wirklich schwierig. Da hätte es individuellere Lösungen geben müssen. Der gesamte Bereich der Eingliederungshilfe fühlte sich oft allein gelassen.
Das gilt auch bei der Beschaffung von Schutzmaterial. Das war für alle eine Herausforderung - nicht nur organisatorisch, sondern ganz besonders finanziell. Im Nachhinein müssen wir einmal gucken, was das bei den Trägern der Einrichtungen an zusätzlichen Kosten verursacht hat. Es hat uns jedenfalls gezeigt, dass man dem freien internationalen Markt nicht die ganze Verantwortung überlassen darf.
Das bringt uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dazu, staatliche und kommunale Daseinsvorsorge erneut zu diskutieren. Die Belastung der Beschäftigten in den Gesundheitsberufen, in der ambulanten und stationären Pflege, in der Eingliederungshilfe, im Rettungsdienst und anderen sozialen Berufen war und ist enorm. Auch die Familien, die plötzlich ihre Angehörigen allein versorgen mussten - sei es in der Pflege, oder das Kind mit Handicap -, sind an die Grenzen ihrer Belastungsfä
higkeit gekommen. Dazu kommt die ständige Sorge um die eigene Gesundheit.
Das hat uns dazu bewegt, unseren Antrag zu stellen. Wir haben in den vergangenen Wochen viel von der Wertschätzung der Pflegekräfte und Menschen in anderen sozialen Berufen gehört. Das ist gut so, sie verdienen diese Bonuszahlung. Das ist alles prima. Das Ziel muss aber natürlich eine dauerhafte Erhöhung des Lohnniveaus sein und nicht eine Einmalzahlung, und dann ist wieder alles gut. - So darf es nicht kommen.
Sie verdienen aber unbedingt auch Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Viele Beschäftigte in den sozialen Bereichen können auf Körperkontakt während ihrer Tätigkeiten nicht verzichten und sind dadurch einem deutlich höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Gleichzeitig birgt eine unentdeckte Infektion Gefahr für die von ihnen zu betreuenden Menschen. Mir ist natürlich klar, dass ein negatives Testergebnis, das ich heute bekomme, selbstverständlich keine vollständige Sicherheit bringt.
Ein Antikörpertest gibt laut der Studie aus Lübeck auch keine Sicherheit: Ein Drittel der Infizierten wiesen keine Antikörper auf. Das war ein sehr erschreckendes Studienergebnis, wie ich finde. Trotzdem ist eine regelmäßige Testung all derer, deren Tätigkeit ohne Körperkontakt nicht möglich ist, sinnvoll.
Überproportional viele, nämlich 13.542 - Stand gestern - der mit COVID-19 Infizierten stammen aus den Arbeitsbereichen Krankenhaus, Arztpraxen, Dialysepraxen und Rettungsdienst. Davon sind 20 mittlerweile verstorben. Die Anzahl der Infizierten, die in den in § 36 des Infektionsschutzgesetzes aufgeführten Einrichtungen wie zum Beispiel Pflegeheimen, JVA und Asylheimen tätig sind, beträgt 9.691. Über 17.000 infizierte Personen leben in diesen Einrichtungen. Die Fallzahlen stehen im Einklang mit vielen Berichten über Ausbrüche in Pflegeeinrichtungen wie gestern in Burg, Sie haben es gesagt.
Die Anzahl der Infizierten, die in Kitas, Schulen und Horten tätig sind, ist dagegen relativ gering. Das ist logisch, weil diese Einrichtungen ja geschlossen waren. Nach unseren Berechnungen sind somit mindestens 12 % der bestätigten Infizierten in Pflegeeinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen tätig gewesen. Insgesamt treten 26 % aller bestätigten Coronainfektionen in den sozialen Ein
richtungen und bei Berufsgruppen auf, die wir in unserem Antrag genannt haben.
Die Dunkelziffer dürfte allerdings weitaus höher liegen, da nur für zwei Drittel aller vorliegenden Coronainfektionen entsprechend aufgeschlüsselte Daten vorliegen. Zahlen für Schleswig-Holstein kann ich Ihnen leider noch nicht liefern, weil das Sozialministerium meine Kleine Anfrage hierzu noch nicht beantwortet hat.
- Das ist auf dem Weg, das weiß ich. Wir haben uns ja auch darauf verständigt, dass die Antwortfrist in dieser Zeit nicht nur zwei Wochen, sondern vier Wochen beträgt. Das ist auch gut und richtig so. Aber die Antwort kommt dann ja irgendwann.
- Das ist gut.
Die Unsicherheit in diesen Berufen wächst. Viele reduzieren tatsächlich ihre Wege. Ich kenne viele Kollegen aus der Pflege, die sagen: Ich treffe mich nur mit ganz wenigen Menschen, gehe kaum einkaufen und mache auch ansonsten eigentlich nichts. Sie haben schlichtweg Angst, den Virus zu ihrem Arbeitsplatz zu tragen. Das kann irgendwie auch nicht angehen.
Die Landesregierung scheint diese Fakten und Sorgen der Beschäftigten zu ignorieren. Anders kann ich mir nicht erklären, warum Sie - entsprechend der Pressemitteilung in der letzten Woche - nur in zwei Pflegeheimen im Land aus wissenschaftlichen Gründen regelmäßig und ohne Anlass testen wollen. Um das Risiko einer zweiten Infektionswelle zu minimieren, gehört es selbstverständlich dazu, dass Infektionen vor allem bei asymptomatischen Krankheitsverläufen rechtzeitig festgestellt und Infektionsketten dadurch schnellstmöglich unterbrochen werden können.
Ein weiterer wichtiger Beitrag wäre es, die Beschäftigten in den sozialen Berufen nicht in Unkenntnis über ihren eigenen Gesundheitszustand zu lassen. Schwerpunkttests für die Gastronomie zu reservieren, aber in den sozialen Berufen nach dem Prinzip Hoffnung zu verfahren, kann zu einer wahrlich gefährlichen Prioritätensetzung werden. Diese regelmäßigen Tests von Personen, die ihre Tätigkeit ohne Körperkontakt nicht ausführen können, ist für uns Sozialdemokraten Wertschätzung, Arbeits- und Gesundheitsschutz zugleich.
Das ist unterscheidet uns von der Jamaika-Koalition. Deswegen beantragen wir, unseren Antrag in den Sozialausschuss zu überweisen. Wir würden gern - auch mit den Betroffenen - noch einmal ausführlich darüber sprechen. Das ist, wie gesagt, nicht nur Wertschätzung, sondern für das ganze Land wichtig. - Ich bedanke mich ganz herzlich.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich jetzt noch einmal zu Wort gemeldet. Ich möchte Sie bitten, sich noch einmal an die März-Tagung zu erinnern. Da hat der Ministerpräsident uns zu einer ziemlich schlecht inszenierten Standing-Ovation-Aktion eingeladen. Ich wäre tatsächlich am liebsten sitzen geblieben. Warum? Es war nicht, weil ich den Pflegenden und allen, die da gelobt worden sind, nicht jeglichen Applaus gönne. Ich gönne ihnen diesen von Herzen.
Meine Befürchtung war nur, dass dann, wenn diese Phase vorbei ist, alles an Wertschätzung wieder vergessen wird, dass dann all das, was gesagt worden ist - die Pflege muss besser aufgestellt werden, die Pflege muss besser in die Zukunft geleitet werden, sie muss mehr Kompetenzen kriegen, dieses und jenes und mehr Lohn und ach herrje! -, wieder vergessen wird. Das war meine Befürchtung. Der Beitrag des Kollegen Neve hat genau das bestätigt.
Hier geht es darum, Infektionsketten in einem sehr sensiblen Bereich zu unterbrechen, frühzeitig zu erkennen. Darum geht es uns in unserem Antrag. Es geht uns darum, die Pflegenden in Sicherheit zu bringen und natürlich auch die von ihnen zu Pflegenden, was im zweiten Schritt mitgedacht ist. Ihre Frage daraufhin, was das denn kostet, ist genau die Haltung, von der ich in der März-Tagung schon befürchtet hatte, dass sich so etwas wieder sehr schnell einspielt. Was kostet das denn?
Wenn Sie sich überhaupt die Mühe machen, dann schauen Sie sich doch einmal auf den Seiten der Berufsverbände der Pflege um. Schauen Sie sich doch einmal bei der von Ihnen so sehr verteufelten Pflegekammer um. Überall, wo Pflege organisiert ist, auch in den Gewerkschaften, wird genau das gefordert: Gebt uns eine Sicherheit, und gebt uns die Möglichkeit einer konsequenten Durchtestung. Das ist das, was gefordert wird. Ihre Frage darauf war aber lediglich: Was kostet das denn?
Genau deshalb sollten die Pflegenden jetzt ganz stark zusammenstehen; denn das ist jetzt die Stunde, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen und den Leuten das zu geben, was sie eigentlich verdient haben. Das ist nicht nur Wertschätzung, und das sind nicht nur Standing Ovations, sondern das sind anständiger Lohn, anständige Rahmenbedingungen, Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz. - Danke schön.
Vielen Dank. - Ich möchte mich sehr dagegen verwahren, dass ich hier - laut Ihrer Aussage - Ängste geschürt habe. Was habe ich gemacht? Ich habe die Seite des Robert-Koch-Instituts, also die Wissenschaft, zitiert. Diese Zahlen - sie sind öffentlich; Sie können gleich nachgucken sagen mir, dass 26 % aller Infizierten aus den Berufsgruppen kommen, die wir in unserem Antrag aufführen. 26 % aller Infizierten plus die Dunkelziffer, die daraus resultiert, dass noch nicht alle Daten ausgewertet sind. Angesichts dessen bezeichnen Sie das, was ich hier gesagt habe, als das Schüren von Ängsten? - Es tut mir leid, aber ich finde, das ist eine ungeheure Unterstellung. Man sollte sich auch an dieser Stelle sehr wohl an der Wissenschaft orientieren; dort wurden die Zahlen schließlich errechnet. Aber wenn die Zahlen vorliegen, muss man auch reagieren. Genau das tun Sie an dieser Stelle nicht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fällt mir etwas schwer, das vorige Thema komplett zu verlassen und in eine ganz andere Thematik einzusteigen.
Unsere Seniorinnen und Senioren sind alt genug, um selber zu bestimmen, wo und wie sie leben wollen. Sie dabei zu unterstützen, muss unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein. Fakt ist, dass die meisten älteren Menschen so lange wie möglich unabhängig, selbstbestimmt und aktiv in ihrer eigenen Wohnung, in ihrem eigenen Zuhause bleiben möchten. Wie können wir sie also in ihrem besten Sinne unterstützen? - Der präventive Hausbesuch ist dafür ein freiwilliges Angebot und ein sehr gutes Instru
ment. Die Beratung findet durch geschultes Personal niedrigschwellig zu Hause statt. Es geht darum, Risiken im Alltag zu verringern, das eigene Gesundheitsbewusstsein zu schärfen, Einsamkeit zu verhindern und Pflegebedürftigkeit durch die eigenen Stärken hinauszuzögern. Denn wer weiß schon, wo es welche Angebote gibt?
Einige Beispiele: Essen auf Rädern ist eine wirklich gute Sache. Da ist das Essen gesichert. Noch besser ist aber doch: auf Rädern zum Essen. Aber wo gibt es das? - Die Beratung kann lokale gemeinschaftliche Angebote aufzeigen, Besuchsdienste anbieten oder Begleitung organisieren. Es trägt zur Sicherung von gesellschaftlicher Teilhabe bei und wirkt so gegen Einsamkeit, unter der sehr viele Menschen im Alter leiden.
Ein anderes Beispiel: Der Teppich oder die Türschwellen, die im Alter zur Stolperfalle werden. Das Ausrutschen in der Dusche: Immer wieder kommt es bei älteren Menschen in ihren Wohnungen zu Unfällen. Die Beratung hilft, eine Wohnraumanpassung zu organisieren und zeigt Möglichkeiten der Finanzierung auf.
Der präventive Hausbesuch soll natürlich nicht den mobilen Einsatz der Pflegestützpunkte ersetzen. Es geht beim präventiven Hausbesuch genau darum, das Thema Pflege so weit wie möglich hinauszuzögern.
Für alle, die bei sozialen Themen gern auf das Geld schauen: Das spart uns in der Pflegeversicherung viel Geld, denn Prävention lohnt sich.
Viele Seniorinnen und Senioren sind auch im Alter von 75 Jahren noch topfit, und immer mehr von ihnen werden immer älter. Wenn es einem gut geht, ist die Bereitschaft für ein Gespräch über Pflege sehr gering. Damit beschäftigt man sich eigentlich erst gern, wenn es so weit ist, und dann ist es immer kompliziert.
Wenn es aber um individuelle Sicherheit, Gesundheitserhaltung, Mobilität, Teilhabe und Selbstständigkeit geht, dann ist die Bereitschaft hoch. Das zeigen die Erkenntnisse aus Dänemark, wo der präventive Hausbesuch seit Jahrzehnten eine kommunale Aufgabe ist und sehr gerne angenommen wird. Seit 20 Jahren laufen in verschiedenen Bundesländern Modellprojekte, die wissenschaftlich begleitet werden. Diese Modellprojekte finden sich auch in Schleswig-Holstein. So hat die Stadt Flensburg schon früh im Rahmen eines INTERREG-Projektes
gemeinsam mit der Syddansk Universitet Odense und der Europauniversität Flensburg ein Konzept für die Hausbesuche, angelehnt an das dänische Modell, entwickelt. Auch die Stadt Lübeck bietet Entsprechendes an. Das Programm „Gemeindeschwester plus“ in Rheinland-Pfalz und das Projekt PräSenZ in Baden-Württemberg sind weitere gute Beispiele.
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass der präventive Hausbesuch gut geeignet ist, ältere Menschen frühzeitig zu erreichen, sie zu sensibilisieren, zu befähigen und zu unterstützen, auch, damit sie sich mit dem eigenen Risiko einer möglichen Pflegebedürftigkeit beschäftigen. Dann ist die Hemmung, Hilfe in Anspruch zu nehmen, auch nicht mehr so hoch. Das ist auch der Grund, warum sich die Koalition im Bund auf dieses Angebot verständigt hat. Eigentlich müsste die CDU unserem Antrag applaudieren.
Unser Sozialleistungssystem setzt sehr auf die Selbsthilfe der Menschen. Die Leistungen greifen erst, wenn der eigentliche Hilfebedarf besteht. Dass wir uns dann aber auf die Hilfe verlassen können, das zeichnet unseren Sozialstaat aus.
Im Jahre 2030 werden 21 % der deutschen Bevölkerung 60 Jahre und älter sein. Mit Blick auf unsere immer älter werdende Gesellschaft kommt es genau darauf an, diese Selbsthilfe und die Eigenverantwortung zu stärken. Das haben auch die Krankenkassen erkannt, die all diese Projekte unterstützen.
Der vorliegende Alternativantrag der Koalition blendet den Präventivgedanken komplett aus und ist überhaupt keine Alternative zu unserem Vorschlag. Digitalisierung ersetzt keine persönliche Begegnung - das haben wir jetzt gerade in dieser Coronazeit ganz deutlich gemerkt - und hilft nicht, Pflegebedürftigkeit zu verhindern. Für uns Sozialdemokraten gilt das alte Sprichwort: Vorbeugen ist besser als heilen - nicht nur finanziell. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. Vorab möchte ich sagen, dass die Zahl 75 tatsächlich eine gegriffene Zahl ist. Das ist sehr unterschiedlich ausgestaltet. Auch in den Bundesländern wird sie mal bei 70 Jahren und auch mal individuell festgelegt. An der Stelle bin ich sehr gern gesprächsbereit.
Danke schön, Frau -
Das war natürlich keine Kritik am MDK, von dem ich weiß, dass er sehr gute Arbeit leistet. Ich verweise da auf das Empfinden der Menschen, die besucht werden. Da ist es so - ich bin ja viele Jahre quasi als Gemeindeschwester tätig gewesen -, dass es das Empfinden vieler Menschen ist: Wenn der MDK kommt, dann ist das eine Kontrolle. Davon wollten wir weg. Das ist nicht gleichzusetzen mit dem, was ein freiwilliges Serviceangebot ist.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich kann dem Vorschlag von Jette Waldinger-Thiering nur zustimmen. Wenn ich in die Gesichter schaue, dann könnte ich mir vorstellen, dass es unmöglich ist, diese
beiden Anträge heute an den Sozialausschuss zu überweisen. Ich könnte mir vorstellen, dass dies für einige ein bisschen schwierig wäre. Aber ich habe mich sehr gefreut, dass noch viele Impulse dazugekommen sind. Unter dem Strich sind wir uns doch alle einig, dass wir hier - auch zukunftsweisend gemeinsam etwas für die Seniorinnen und Senioren in diesem Land machen wollen.
Deswegen an dieser Stelle meine Bitte: Wenn ihr schon nicht überweisen wollt, dann lasst uns die Abstimmung heute vertagen und die Köpfe der pflegepolitischen Sprecherinnen und Sprecher der demokratischen Parteien zusammenstecken und für morgen einen gemeinsamen Text abstimmen. Das wäre mein Antrag. - Vielen Dank.
Verehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle im Gesundheitswesen Tätigen leisten zu allen Zeiten eine professionelle, hervorragende und für die Gesellschaft sehr wertvolle Arbeit. Ihnen gebühren großer Dank und Anerkennung, immer, zu jeder Zeit.
Die Wertschätzung, die Pflegende im Augenblick erfahren, ist enorm. Wir werden dafür sorgen, dass das keine kurzfristige und krisenbedingte Aufmerksamkeit ist, sondern dass jetzt endlich nachhaltig an allen Stellschrauben gedreht wird, um die Pflege im Land zukunfts- und krisensicher zu gestalten.
Wir hatten schon lange vor Corona einen Pflegenotstand. Seit Jahren wird vor Engpässen, Qualitäts
verlust, gefährdender Pflege gewarnt. Die Schere zwischen dem eigenen fachlichen Anspruch und der Arbeitsrealität klafft zu weit auseinander. Die meist wirtschaftlich geprägten Rahmenbedingungen führen zu einer dauerhaften Unzufriedenheit. Je höher die Unzufriedenheit, desto kürzer ist der Weg aus dem Beruf.
Neben der fachlichen Unzufriedenheit kommt ein Gehalt dazu, das die Zufriedenheit besonders in der Altenpflege nicht gerade steigert. Mit dem neuen Mindestlohngesetz, das seit April in Kraft ist, bekommt eine ungelernte Assistenz 11,35 € die Stunde, eine Assistenz mit einer einjährigen Pflegeausbildung 12,50 € und eine Fachkraft mit einer dreijährigen Ausbildung 15 € pro Stunde.
Wir müssen uns als Gesellschaft fragen, was uns gute Pflege wirklich wert ist. Die SPD setzt sich für eine Reform der Pflegeversicherung ein. Wir wollen, dass die Leistungen in der Pflegeversicherung erhöht und die Lasten solidarisch von der gesamten Gesellschaft getragen werden. Pflegebedürftige dürfen zusätzlich finanziell nicht weiter belastet werden, denn sonst wird Pflegebedürftigkeit zur Armutsfalle. - Und das alles haben wir ohne ein Zukunftslabor geschafft.
Gestern sind im Bundestag die Bonuszahlungen für die Mitarbeitenden in stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen diskutiert worden. Allerdings ist es Herrn Spahn leider nicht gelungen, die Länder zur Finanzierung der Krankenpflege mit an Bord zu holen. Da ist doch prima, dass die Jamaika-Koalition den Bonus von 1.500 € für alle Pflegekräfte in Schleswig-Holstein versprochen hat. Bonuszahlungen sind prima, aber eine nachhaltige Steigerung des Lohnniveaus und ein flächendeckender Tarifvertrag für alle Bereiche der Pflege wären der richtige Weg.
Pflege findet immer und zu allen Zeiten statt. Während es in der Metallbranche an einem Sonntag 50 % bis 70 % Zuschläge gibt, bekommt die Pflegefachperson, wenn die Einrichtung denn tarifgebunden ist, 25 %. Heiligabend bekommen Mitarbeitende in der Metallbranche 50 % bis 150 % Zuschläge, in der Pflege gerade einmal 35 %. Steuerfreie Zuschläge für familienungünstige Dienste wie Sonntags-, Feiertags- und Nachtdienste, wie in anderen Branchen üblich, würden die Belastung, die durch diese Schichten entsteht, erheblich abfedern. Eine 30-Stunden-Woche für diejenigen, die dauerhaft im
Dreischichtdienst tätig sind, wäre die richtige Antwort auf die gesundheitsbelastende Arbeit.
Geld ist allerdings bei dem Anspruch, den Pflegende an ihren Beruf haben, nicht alles. Es braucht bessere Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, dass Pflegende wieder so arbeiten können, wie es ihren berufsethischen Ansprüchen entspricht.
Zurzeit hört man aus den Krankenhäusern, die im Augenblick relativ wenig belastet sind, Pflegefachpersonen, die sagen: endlich einmal wieder so pflegen, wie es sich gehört.
Der Krankenstand war noch nie so niedrig wie jetzt, was für eine dauerhafte Entlastung der Pflegekräfte spricht. Die Lösung dafür ist ein gesetzlicher Personalbemessungsschlüssel. Solange das nicht umgesetzt ist, diktiert das Geld die Besetzung der Stationen und damit auch die Sicherheit von Patientinnen und Patienten.
Was die Pflege gerade nicht braucht, sind solche nichtssagenden Jubelanträge wie der vorliegende Antrag der Jamaika-Fraktionen. Es ist eine Wiederholung und eine Aufzählung von Änderungsanträgen, zumeist von SPD-Initiativen. Darin schieben Sie die Verantwortung immer wieder auf Bundesebene, was ja in dieser Koalition sehr einfach ist. FDP und Grüne sitzen im Bund in der Opposition, und die CDU macht das alles immer mit, als ob sie mit der Bundesregierung nichts zu tun hätte.
Ihre eigenen Ideen bleiben hingegen ziemlich überschaubar. Eine Imagekampagne, die mit der Pflegeberufereform auf den Weg gebracht werden sollte, lässt noch immer auf sich warten, obwohl am 1. April 2020 der Beginn des neuen Ausbildungsjahres war. Dann gibt es noch den durchgeführten Branchencheck, der keinerlei Auswirkungen auf den Pflegealltag gehabt hat. Na prima.
Ich freue mich sehr über die aktuelle Wertschätzung, die die Pflege bekommt, aber wir müssen den guten Worten jetzt auch endlich einmal Taten folgen lassen. Wenn nicht jetzt, wann dann? - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Als Erstes hätte ich die Kollegin Bohn vorhin fragen wollen, ob wir, weil Frau Rathje-Hoffmann das angeboten hat, beide Anträge an den Ausschuss überweisen können.
Wir alle haben gestern dem Corona-Artikelgesetz zugestimmt. Ist Ihnen bewusst, worüber Sie da abgestimmt haben? Es geht darum, dass wir von der Pflegeberufekammer die Daten der Mitglieder bekommen, um ihnen die Bonusse auszahlen zu können. Hätten wir in Schleswig-Holstein keine Pflegeberufekammer, wie hätten Sie dann die Daten der gesamten Pflegekräfte bekommen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich allen Pflegenden dieser Welt alles Gute wünsche, vor allem auch diese Bonuszahlungen, die jetzt im Raum steht. Ich hoffe inständig, dass die Ankündigungen für die Bonuszahlungen auch so umgesetzt werden, wie sie erfolgt sind. Das Allerletzte, was die Pflegenden in dieser Zeit und generell brauchen, sind leere Versprechungen.
Ich zitiere den finanzpolitischen Sprecher der Grünen, Lasse Petersdotter: