Gut 60 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge und 55 Jahre nach dem Élysée-Vertrag steht Europa vor großen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Europa braucht nicht weniger, sondern mehr Solidarität unter den Mitgliedstaaten. Durch das Arbeitsprogramm 2018 der Europäischen Kommission zieht sich diese Idee eines stärker vereinten und solidarischeren Europas wie ein roter Faden. Viele dieser Vorhaben haben einen direkten Bezug zu unserem Land. Deshalb beraten wir das Programm heute: Wir wollen uns einbringen, wir wollen einen europäischen Mehrwert für Schleswig-Holstein und die Menschen in unserem Land erzielen.
Ich bedanke mich für den schriftlichen Bericht der Europaministerin und möchte mit dem Antrag Drucksache 19/411 (neu), den wir zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen des SSW vorgelegt haben, ein paar parlamentarische Akzente setzen. Beides, den Bericht und den Antrag, sollten wir im Europaausschuss vertiefend beraten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Europäische Kommission plant ein Paket zur sozialen Gerechtigkeit. Dabei geht es um faire Rahmenbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und eine bessere Koordinierung der Arbeitsmarktpolitik. Wir brauchen einen Rahmen für Mindestlohnregelungen sowie für nationale Grundsicherungssysteme in den EU-Staaten. Nur wenn wir konsequent gegen Lohndumping und soziale Ungleichheiten in wirtschaftlich schwächeren Regionen in Europa kämpfen, sichern wir den Sozialstaat und die soziale Marktwirtschaft in Deutschland.
Ich habe das hier schon oft gesagt, aber ich betone es noch einmal: Lohndumping verzerrt Wettbewerb, verhindert fairen Wettbewerb und schadet damit den Betrieben vor Ort in Schleswig-Holstein. Es ist wichtig, diese Punkte europäisch anzugehen.
Zu dem Sozialpaket gehören auch bereits anhängige Vorschläge wie die Koordinierung der sozialen Sicherheit, die für Menschen in Grenzregionen bedeutsam sind und die wir auf unsere Initiative hin auch schon im Europaausschuss diskutiert haben. Wir brauchen einen Rahmen für faire Mobilität.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch darauf ist die Ministerin schon eingegangen: Für das zweite Quartal erwarten wir einen umfassenden Vorschlag für den mehrjährigen Finanzrahmen und Vorschläge zu den künftigen EU-Eigenmitteln. Die amtierende Bundeskanzlerin und mein Parteivorsitzender sind sich einig:
„Wir wollen die EU finanziell stärken, damit sie ihre Aufgaben besser wahrnehmen kann: Dafür werden wir bei der Erstellung des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens Sorge tragen. Dabei befürworten wir auch spezifische Haushaltsmittel für wirtschaftliche Stabilisierung und soziale Konvergenz und für die Unterstützung von Strukturreformen in der Eurozone, die Ausgangspunkt für einen künftigen Investivhaushalt für die Eurozone sein können. Wir sind auch zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Beratung des Arbeitsprogramms heute möchte ich noch sagen: Früh vorbereitet zu sein, heißt auch, über das ein oder andere Vorhaben der Europäischen Kommission im Laufe eines Jahres nicht sonderlich überrascht zu werden.
Ja, sehr geehrte Landesregierung, wir Abgeordnete lesen Ihre Frühwarndokumente tatsächlich. Kürzlich war im Europaausschuss ein Vertreter des MELUND etwas erstaunt darüber. Wir lesen das, und wir möchten über die Frühwarndokumente auch über den Fortgang einer Angelegenheit informiert werden. Vorbildlich machen das das Wirtschaftsministerium und das Europaministerium. Andere Ressorts können sich daran gern ein Beispiel nehmen.
Noch einmal: Der Blick in das jährliche Arbeitsprogramm ist keine lästige Pflicht, sondern darin stecken wichtige Vorhaben für unser Land. Was wir wichtig finden, sehen Sie in unserem Antrag. Weitere Vorschläge und den Bericht der Europa
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, herzlichen Dank für den umfassenden Bericht zum Arbeitsprogramm der EU-Kommission. Er hat uns einiges an Erhellung gebracht, auch wenn wir jetzt natürlich noch keine sicheren Prognosen über die kommenden Jahre erwarten können. Der Brexit wirft seine Schatten voraus, damit werden wir noch lange zu tun haben.
Auch der SPD-Fraktion und dem SSW danke ich für den von Ihnen vorgelegten Antrag. Ich freue mich darüber, dass wir ihn auch an den Ausschuss überweisen. Dort werden wir möglicherweise einen gemeinsamen Antrag hinbekommen. Ich sehe da keine Probleme oder Schwierigkeiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Europa wird nicht anhand der neu erlassenen Richtlinien und Verordnungen beurteilt, sondern anhand der konkreten Ergebnisse, die unsere Politik für die Bürgerinnen und Bürger bringt. - Das ist nicht mein Satz, sondern das ist ein Zitat, nämlich die Übersetzung des vorletzten Satzes der Einführung der EUKommission zum Arbeitsprogramm der Kommission Jahr 2018. Diesen Satz können wir sicher alle hier im Haus unterstreichen. Er bekommt in diesen europapolitisch turbulenten Zeiten und angesichts der großen Anzahl europakritischer Geister innerhalb der Europäischen Union einen noch höheren Stellenwert. Gleichzeitig beschreibt er den hohen Anspruch, den die EU-Kommission mit ihrem Arbeitsprogramm 2018 als Ziel setzt. Das ist auch gut so.
Die EU-Kommission erkennt, dass die derzeitige Situation in Europa und der Welt Möglichkeiten eröffnet, die Arbeit der EU jetzt unter neuen Aspekten neu zu gestalten. Dazu gehört leider die Veränderung durch den Brexit ebenso wie die Verände
rung der Politik der Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch der Druck, den wachsende nationale Kräfte in den Mitgliedstaaten gegen Europa erzeugen. Die ungelöste Frage des Umgangs mit Flüchtlingen sowie die Herausforderungen an die Integration fordern zum Handeln auf.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die EU-Kommission hat unter diesen Voraussetzungen ihr Arbeitsprogramm entwickelt. Die Rede zur Lage der Union und das Weißbuch der Kommission - beides haben wir hier schon diskutiert - sind wichtige Leitplanken für das Arbeitsprogramm. Wie in den letzten Jahren sind die Vorschläge schwerpunktmäßig in die Anlagen ,,Neue Initiativen“, ,,REFIT-Initiativen“, die eine rechtliche Überprüfung bestehender Richtlinien beinhalten, und ,,Vorrangige anhängige Vorschläge“ unterteilt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Aufgabe in Schleswig-Holstein ist es, alljährlich aus dem umfangreichen Bündel der Initiativen die Maßnahmen herauszufiltern, die für unser Land von besonderer Bedeutung sind. Hierzu soll die Landesregierung in besonderer Weise aktiv werden und dem Landtag berichten. Zur besseren Koordinierung hat der Landtag ein Verfahren eingerichtet, bei dem frühzeitig die Europapolitiker und Vertreter der Landesregierung mit dem Landtagsdirektor zusammenkommen, um ein geordnetes Abstimmungsverfahren zu gewährleisten. Hilfestellung gibt zudem unser Brüsseler Hanse-Office, das eine erste Selektierung der Kommissionsvorschläge aus norddeutscher Sicht vornimmt.
Frau Ministerin Sütterlin-Waack, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie als Europaministerin in Ihrem Bericht zum Arbeitsprogramm der EU-Kommission eine klare Beschränkung auf einige wenige Kernpunkte vorgenommen haben. Das ist nicht ganz einfach. Zum einen möchte sich natürlich jeder Fachbereich inhaltlich gern in dieser Auflistung der Schwerpunkte wiederfinden, zum anderen steht eine Vielzahl wirklich wichtiger Vorhaben in der Arbeitsplanung. Wer möchte die Weiterentwicklung der Umwelt- und Klimaziele, die wirtschaftliche Stärkung, die Fortentwicklung eines sozialen Europas, steuerliche Handhabungen, Migrations- und Asylfragen, Integrationsaufgaben, Digitalisierung, Rechtsaustausch und vieles mehr als unwichtig abtun?
Auch wird - wie Sie es selber eingestehen - nicht bei jedem Punkt der Liste auf Anhieb deutlich, was detailliert alles hinter den geplanten Maßnahmen steckt. Dennoch haben Sie es geschafft, die aus meiner Sicht wesentlichen Arbeitsschwerpunkte für
Schleswig-Holstein herauszufiltern. Beim ersten Punkt war es sicher am einfachsten. Er ist die beginnende mehrjährige Finanzplanung der EU bis 2025 und betrifft direkt unzählige Förderprogramme der Europäischen Union.
Wir alle kennen die Bedeutung dieser Programme für Schleswig-Holstein und diskutieren sie in den Ausschüssen und im Plenum regelmäßig. Es geht dabei um die Summe von annähernd 900 Millionen € für Schleswig-Holstein. Durch Umschichtungen besteht die reale Gefahr, dass etliche uns lieb gewordene Projektförderungen leiden könnten, Stichwort: INTERREG. Bereits in der DezemberTagung war dies Thema, und es wird uns gerade in diesem Jahr intensiv beschäftigen. Der EU-Finanzrahmen ist für die Europäische Union und für uns das Topthema.
Uns berühren aber auch direkt die Zukunft der Energie- und Klimapolitik, die Verbesserung der Lebensmittelversorgungskette, die Umsetzung der Strategie ,,Handel für alle“ und die Umsetzung der Migrationsagenda - um nur einige Punkte zu nennen.
Da ich meine Redezeit schon 20 Sekunden überzogen habe, freue ich mich auf die weitere Beratung im Europaausschuss und beantrage die Überweisung des Antrags der SPD und des SSW und die Selbstbefassung mit dem Bericht der Europaministerin. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Titel des Arbeitsprogramms der EU-Kommission für dieses Jahr, ,,Agenda für ein enger vereintes, stärkeres und demokratischeres Europa“, deckt sich mit den Zielsetzungen, die wir Grüne für Europa haben. Die Europäische Union hat ihre Krise noch nicht überwunden. Die Fliehkräfte sind weiterhin stark. Das zeigt sich nicht nur durch den Brexit. Nationale Alleingänge, wo Zusammenhalt nottäte, gibt es in vielen Politikbereichen und immer mal wieder vonseiten unterschiedlicher Mitgliedstaaten. Ich möchte hier keine Aufzählung vornehmen, denn auch Deutsch
land gehört in diese Reihe und stellt leider allzu oft kurzfristige innenpolitische Erwägungen über gemeinsame Interessen und die mittel- und langfristigen Ziele der gemeinsamen Politik der EU.
Wir erleben aber auch - und das ist gut so -, dass wieder verstärkt über diese mittel- und langfristigen Ziele und über eine konkrete Reformagenda debattiert wird. Dies findet seinen Ausdruck zum Beispiel in den Vorschlägen, die die Kommission zur Zukunft Europas mit Blick auf das Jahr 2025 vorgelegt hat.
In diesem Sinn sollten wir auch über unsere Schwerpunktsetzung zum Arbeitsprogramm diskutieren. Im Großen sind es Fragen wie die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und der UNEntwicklungsziele oder - die Kollegin der SPD hat es angesprochen - Fragen zur sozialen Dimension Europas oder auch die Vorschläge zur Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion, der konkrete Vorschlag für eine europäische Wirtschafts- und Finanzministerin oder einen europäischen Wirtschafts- und Finanzminister. Auch das ist eine Debatte, die wir führen sollten. Wir Grüne glauben, dass wir mehr Kompetenzen an die EU geben sollten, dass dies aber gleichzeitig mit einer Demokratisierung der Strukturen der Europäischen Union einhergehen muss.
Das betrifft vor allem das Europäische Parlament, das genauso viele Kompetenzen haben sollte, wie die nationalen Parlamente in ihrem Bereich haben.
Grundlage für alle Diskussionen bei uns im Land und in der gesamten EU ist die Debatte zu den EUFinanzen. Das haben wir im Plenum und Ausschuss mehrfach beraten, und wir werden das sicher weiter tun. Wir Grüne wollen einen auskömmlich finanzierten EU-Haushalt. Das betrifft die EU-Strukturmittel, von denen alle Regionen in der Europäischen Union profitieren, auch Schleswig-Holstein. Das geht auch darüber hinaus. Ich bin der Kollegin Poersch sehr dankbar, dass sie das hier angesprochen hat.
Bei all dem GroKo-Bashing und der Kritik der letzten Tage, die auch von Grünen formuliert wurde, möchte ich hier ein Lob an die Verhandlerinnen und Verhandler der SPD loswerden, die eine Stärkung des EU-Haushalts erreicht haben. Das ist ein sehr gutes Signal. Wir wissen, dass es in der CDU progressive Menschen wie Hartmut Hamerich wahrscheinlich teilen, aber nicht alle von Anfang an davon überzeugt waren. Deshalb ist das ein Er
Wir sollten nicht nur isoliert auf Fördermittel schauen und sagen: „Der Rest ist uns egal“, sondern wir müssen insgesamt zu einer Stärkung der EU kommen.
Wenn wir über die konkreten Punkte reden, die hier von der SPD zum Teil beantragt worden sind, ist es uns wichtig, dass wir im Ausschuss gemeinsam versuchen, die unterschiedlichen Listen und Vorschläge, die bereits im Umlauf sind - da gibt es einmal die Vorschläge aus dem Antrag von SPD und SSW, es gab ein Arbeitstreffen der europapolitischen Sprecher beim Landtagsdirektor, es gibt den Bericht der Landesregierung, es gibt unterschiedliche Vorstellungen - zusammenzuführen und einen gemeinsamen Vorschlag zu erarbeiten.
Wir unterstützen alle Punkte, die im Antrag von SPD und SSW genannt werden und würden im Rahmen der Ausschussberatungen weitere Punkte ergänzen. Als Beispiel seien genannt die Kreislaufwirtschaft, die Fischereipolitik oder auch der Klimapakt. Da geht es aus unserer Sicht nicht nur um die Energiepolitik, sondern um den Klimaschutz insgesamt. Ich glaube nicht, dass wir da einen Dissens haben. Das sind konkrete Vorschläge, die wir im Verfahren einbringen werden.