Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

mit für die nächsten Jahre sichern will. - Hier ist das gewünschte Lob. Vielen Dank dafür.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und Beifall Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Die Kollegin Röttger hat schon darauf hingewiesen: Bibliotheken wandeln sich. Die Bibliothek als reine Ausleihstelle hat sich inzwischen überlebt. Die Bibliothek wird als dritter Ort neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz oder der Schule immer wichtiger. Es braucht eine angenehme Aufenthaltsatmosphäre, etwa mit bequemen Sitzmöglichkeiten oder kostenfreiem WLAN. Auch die Veranstaltungsarbeit wird immer wichtiger, um die Bibliothek als Treffpunkt für alle Altersgruppen zu präsentieren. Es ist also an der Zeit, sich nicht nur über die künftigen Aufgaben, sondern auch über die künftige Finanzierung der öffentlichen Bibliotheken Gedanken zu machen. Der Gesetzentwurf des SSW bildet hier einen guten Ansatz.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich sind wir auch mit dem SSW einer Meinung, dass der Zugang zu Bildung, Kultur und Forschung nicht am finanziellen Status des Einzelnen scheitern darf. Wir sollten uns bei der Beratung des Gesetzentwurfs einen Überblick darüber verschaffen, ob die Satzung der örtlichen Bibliotheken dem Gesichtspunkt der sozialen Inklusion Rechnung tragen, indem sie für Menschen in entsprechenden Bedarfslagen die Beiträge ermäßigen beziehungsweise auf Beiträge verzichten. Wir müssen klären, ob durch die Gebührenregelung Menschen von der Nutzung der Bibliotheken ausgeschlossen werden, weil sie es sich nicht leisten können. Wenn wir dort Defizite feststellen, müssen wir prüfen, ob sie in erster Linie durch die kommunale Selbstverwaltung zu beheben sind, der ja laut Verfassung auch ein Auftrag bei der kulturellen Entwicklung im Land zukommt, oder ob wir ein Leistungsgesetz des Landes brauchen, um den Zugang zu unseren öffentlichen Bibliotheken barrierefrei zu gestalten.

(Tobias Loose [CDU]: Genau!)

Herr Innenminister, vielleicht würde es als erster Schritt schon genügen, den Runderlass zur Haushaltskonsolidierung zu überarbeiten. Dieser Erlass enthält unter der aktuellen Nummer II.6 nämlich den Hinweis auf die Höhe der Gebühren der öffentlichen Bibliotheken, schlägt aktuell sogar vor, eine zusätzliche Gebühr für die Ausleihe elektronischer Medien zu erheben. Finanzschwache Kommunen haben derzeit also gar keine andere Möglichkeit, als Gebühren zu erheben. Mit Schrecken stelle ich mir

vor - dieser Schreckgedanke sei mir gestattet -, dass Gemeindevertretungen künftig Gebühren für die Bibliothek erhöhen, um die wegfallenden Straßenausbaubeiträge zu kompensieren. Ich finde, das darf nicht sein.

(Beifall SPD, SSW und Dr. Frank Brodehl [AfD])

Es gibt eine Menge zu besprechen. Wir sollten den Gesetzentwurf deshalb federführend dem Bildungsausschuss und mitberatend in die für Finanzen und die Kommunen zuständigen Ausschüsse überweisen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, SSW, Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Frank Brodehl [AfD])

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Bevor wir nun zum nächsten Redebeitrag kommen, begrüßen Sie mit mir neue Gäste auf der Besucherinnen- und Besuchertribüne, zum einen Schülerinnen und Schüler des Friedrich-Schiller-Gymnasiums aus Preetz, dann Schülerinnen und Schüler vom IsarnwohldGymnasium aus Gettorf und unseren Flüchtlings-, Asylund Zuwanderungsbeauftragten, Stefan Schmidt. - Herzlich willkommen Ihnen allen hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich erteile nun der Abgeordneten Marlies Fritzen für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Kultur ist nicht die Sahnetorte, sondern das Schwarzbrot.“ - Das ist ein wunderschönes Zitat der lieben Kollegin Jette Waldinger-Thiering, und ich finde, sie hat absolut recht damit.

(Vereinzelter Beifall SPD, SSW und Beifall Dennys Bornhöft [FDP] - Zuruf Birte Pauls [SPD])

- Was?

(Birte Pauls [SPD]: Sozialpolitik ist das Schwarzbrot!)

Die Kultur ist das Schwarzbrot. Die Sahnetorte ist zwar manchmal auch nicht zu verachten, aber das Schwarzbrot ist für eine gesunde Ernährung essenziell. Lesen ist für eine gute Bildung ebenso essenziell. Der Zugang und Umgang mit der gedruckten

Schrift, aber auch den elektronischen Bild- und Tonmedien ist sowohl für die persönliche Bildung als auch für die gesellschaftliche Teilhabe eine wesentliche Voraussetzung. Kulturelle Bildung ist sozusagen das kleine Einmaleins für diese Teilhabe.

So weit, so gut. So weit ist es auch folgerichtig, dass der SSW nun Gebührenfreiheit für die Nutzung unserer Büchereien im Land wünscht. In einigen wenigen Büchereien gibt es diese bereits. In den meisten werden allerdings moderate Gebühren erhoben, die pro Jahr ungefähr so teuer sind, liebe Jette Waldinger-Thiering, wie drei Stücke Sahnetorte oder zwei Schwarzbrote. Auch Ermäßigungen für Auszubildende oder Arbeitslose, Schülerinnen und Schüler und so weiter gibt es vielerorts.

Die finanzielle Hürde, Leserin oder Leser einer Bücherei zu werden, ist also nicht besonders hoch. Dennoch tragen die Gebühren zwischen 5 % und in sehr seltenen Fällen bis zu 10 % zur Kostendeckung bei. Immerhin machen sie zusammengenommen - ihr habt es ja in eurem Antrag formuliert - 2 Millionen bis 2,5 Millionen € aus, die den Betreibern fehlten, untersagte das Land die Gebührenerhebung. Das hässliche K-Wort ist schon mehrfach angesprochen worden: Es löste selbstverständlich Konnexität aus, beschlössen wir dieses so.

Für mich ist es trotzdem eine Frage, die wir ernsthaft miteinander und mit den Kommunen diskutieren sollten. Ich bin da ganz bei der Kollegin Raudies, die sagt, dass auch die Kommunen gefragt werden müssen. Es müssen bei unserer Anhörung aber auch die Büchereien gefragt werden, denn für mich stellen sich noch weitere Fragen.

Das Bibliotheksgesetz ist mehrfach angesprochen worden: Wir haben keine Möglichkeit gefunden, das auch mit Geld zu unterlegen, aber wir haben erste kleine Ansätze für Büchereien geschaffen auch Projekte zur Digitalisierung wurden angesprochen -, die nicht mit sehr viel, aber wenigstens ein bisschen Geld unterlegt sind. In diesem Zusammenhang würde ich mich freuen, wenn wir die Anhörung, die wir im Ausschuss haben, ein bisschen umfangreicher machten, denn es stellt sich mir tatsächlich die Frage, ob sich Büchereien im Zeitalter der elektronischen Medien nicht neu aufstellen müssen. Digitalisierung und Onleihe sind zwei Schlagwörter, die da vielleicht passen. Mir stellt sich auch die Frage, ob Bibliotheken an der Stelle vielleicht eher Unterstützung brauchen als bei der Frage der Gebührenfreiheit.

Ich will nicht sagen, dass es keine Gebührenfreiheit geben sollte; man kann von verschiedenen Perspek

(Beate Raudies)

tiven darauf blicken. Ich würde mich aber freuen, wenn wir bei der Gelegenheit diese Frage mit erörtern würden, weil wir auf diese Weise dann vielleicht etwas umfassender auch über die Frage der Unterstützung von Büchereien durch das Land diskutieren könnten. Der Büchereiverein als wichtige Instanz wurde auch angesprochen.

Insgesamt danke ich für diesen Gesetzentwurf. Ich danke dafür, dass wir hier im Landtag mal wieder eine Debatte über Kultur und Bibliotheken haben. Das ist wichtig. Ich hoffe, dass wir in den inhaltlichen Fragen eine umfängliche Anhörung im Bildungsausschuss, dann aber auch in den Ausschüssen, die für Kommunen und für Finanzen zuständig sind, darüber durchführen werden, wie wir mit diesem Gesetzentwurf umgehen.

Ich will zum Schluss sagen - aber das soll jetzt kein Wasser sein, das ich in den Wein gieße -: Natürlich müssen wir auch immer, wenn wir mit strukturellen Erhöhungen im Landeshaushalt arbeiten, bedenken, dass diese dann auch über Jahre gelten müssen. Daran schließt für mich auch die Frage an, an welcher Stelle wir vielleicht eher mit investiven Mitteln arbeiten sollten.

Das sind viele Punkte, und ich würde mich freuen, wenn wir diesen Gesetzentwurf zum Anlass nähmen, intensiv darüber zu diskutieren. Ich hoffe, dass es uns gemeinsam gelingen wird, etwas für unsere Bibliotheken im Land zu tun und damit tatsächlich kulturelle Bildung für jedermann noch stärker zu ermöglichen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat nun die Abgeordnete Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass Bibliotheken heute nicht mehr als reine Sammlung von Schriftgut wirken, ist hier eindrücklich beschrieben worden. Ich möchte deutlich machen: Die Bibliotheken haben sich an vielen Stellen ganz stark darauf eingelassen, mehr einen werbenden Charakter zu haben, dass die Buchpräsentation ähnlich wie in einem Ladengeschäft sein muss, damit sie für Nutzerinnen und Nutzer interessant sind. Sie gehen weit hinein in die digitalen Medien, und das nicht erst seit heute.

Bibliotheken entwickeln sich seit Jahren vom reinen Lernort zum Veranstaltungsort und Treffpunkt,

nehmen damit eine wichtige Funktion vor Ort ein. Auch das ist hier schon ausführlich beschrieben worden.

Ich möchte gezielt auf den Gesetzentwurf eingehen. Er wirft neben der reinen Änderung des § 7 Absatz 3, der kostenlosen Nutzung und Entleihung, weitere Fragen auf. Im Unterschied zu Deutschland sind in Dänemark Bibliotheken keine Kultur-, sondern Bildungseinrichtungen und werden seit 1920 als öffentliche Pflichtaufgabe durch den Staat finanziert. Damit ist vorgeschrieben worden, dass die dänischen Gemeinden und Städte Bibliotheken vorhalten müssen. Seit Kurzem hat Dänemark neben der traditionellen kostenlosen Nutzung auch die Entleihung kostenfrei gestellt. Meine Damen und Herren, Sie alle wissen, dass dies nur möglich ist, weil der Staat Dänemark dies durch eine höhere Belastung des Steuerzahlers, also mit höheren Steuereinnahmen, machen kann.

Betrachten wir also die Begründung zur Gesetzesänderung aufmerksam. Dort heißt es:

„Die Bibliotheken … sollen nach skandinavischem Vorbild weiterentwickelt … werden.“

Das heißt im Klartext, dass der SSW unseren Kommunen die Freiheit nehmen möchte, im Rahmen der Selbstverwaltung darüber zu entscheiden, ob vor Ort eine Bibliothek oder eine Fahrbücherei oder vielleicht gar nichts sein soll. Diese Forderung beinhaltet eine hoheitliche Standortvorgabe, die sich dann vielleicht an Einwohnerzahlen orientiert, nicht aber an tatsächlichen regionalen Bedarfen und Strukturen. Daraus könnte resultieren, dass es zukünftig vielleicht mehr als die bislang 160 vorhandenen Büchereien und 13 Fahrbüchereien gibt. Dann gäbe es aber auch einen deutlich höheren strukturellen Finanzbedarf als die genannten 2,5 Millionen € jährlich.

Es könnte allerdings auch passieren, dass durch solche regulierenden Vorgaben gerade kleinere Bibliotheken schließen müssen. Das wiederum würde zu einem regionalen Standortnachteil führen. Wollen wir das?

Nach skandinavischem Vorbild weiterentwickeln bedeutet aber auch, dass zukünftig die Bibliotheken nur noch in sogenannten Kernzeiten personell besetzt sind. Auch diese wurden in Dänemark aus Kostengründen gerade reduziert. Eine nutzerorientierte Inanspruchnahme kann zwar mit technischen Hilfsmitteln gewährleistet werden, aber die Frage ist: In welchem Umfang, und entspricht das unserem Bild einer Bibliothek?

(Marlies Fritzen)

Ich will damit gar nicht in Abrede stellen, dass die automatisierten Ausleihsysteme gut funktionieren und auch bei uns schon heute kostensparend eingesetzt werden. Ich stelle die Frage: Ist das kundenorientiert? Ist das unsere Zielvorstellung?

Eine weitere wichtige Frage, die wir im Gesetzgebungsverfahren klären müssen, ist, welche Auswirkungen Gebühren generell auf eine Bibliotheksnutzung haben und ob eine Nutzung nicht auch wesentlich vom sozialen Umfeld, der Qualität und der Quantität des Medienbestands, der Leistungsfähigkeit und der Öffentlichkeitsarbeit einer Bibliothek abhängig sind.

In § 17 Absatz 1 der Schleswig-Holsteinischen Gemeindeordnung heißt es:

„Die Gemeinde schafft in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die öffentlichen Einrichtungen, die für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Betreuung ihrer Einwohnerinnen und Einwohner erforderlich sind.“

Nach § 75 sind die Gemeinden verpflichtet, ihre Haushaltswirtschaft „nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu führen“, sodass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Daraus folgt für die Bibliotheken, die als kommunale öffentliche kulturelle Einrichtung gelten, dass es keine verbindlichen Vorgaben zur finanziellen Ausstattung gibt.

Ja, Frau Jette Waldinger-Thiering, ich erinnere mich gut an Ihr Bibliotheksgesetz. Ich frage Sie, ob Sie sich auch an unsere Kritik aus der letzten Legislaturperiode erinnern.

(Serpil Midyatli [SPD]: Bestimmt!)

Sie haben nämlich in Ihrem Bibliotheksgesetz genau solche Regelungen nicht getroffen. Wir haben Ihnen gesagt: Sie tun das nicht, weil Sie das nicht finanzieren können.

Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf versuchen Sie nun, das zu reparieren. Es scheint dem kommenden Kommunalwahlkampf geschuldet zu sein, dies mit der Reform des kommunalen Finanzausgleichs zu verbinden. Ehrlicher wäre aufzuzeigen, wenn das Bibliotheksgesetz nach skandinavischem Vorbild weiterentwickelt werden soll, welche Konnexitätsfolgen es gibt und welche Finanzierung Sie vorschlagen.

(Beifall FDP)