Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

- die berechtigte Ablehnung!

„ihres #Asylantrags klagen, endet zugunsten der #Asylbewerber! Die #AfD will dieses absurde Klagerecht abschaffen!“

Das können Sie auf Twitter nachlesen.

Solche Äußerungen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, offenbaren ein sehr zweifelhaftes Verhältnis zu unserem Rechtsstaat. Dem werden wir hier gemeinsam entgegentreten.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Mit solchen Äußerungen erheben Sie sich über die Judikative, die Verwaltungshandeln überprüft. Sie äußern sich in einer Art und Weise, die wirklich erschütternd ist.

Kommen wir zum sachlichen Teil dieses Themas.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP] - Heiterkeit)

Das Rechtsstaatsprinzip gilt - das muss in dieser Diskussion ebenfalls gesagt werden - auch für die Kirchen. Deshalb kann es im Staat neben Legislative, Exekutive und Judikative keine vierte Gewalt geben. Auch darauf muss man hinweisen.

Die Kirchen und sonstigen Glaubensgemeinschaften stehen auch in der Frage der Asylpolitik nicht über den Gewalten unseres Staates, sondern haben sich in unseren Rechtsstaat, wie jeder andere auch, einzuordnen. Sie haben Recht und Gesetz zu achten und zu befolgen und sind nicht berechtigt, sich über Gesetze oder rechtskräftige Entscheidungen von

(Aminata Touré)

deutschen Behörden oder Gerichten hinwegzusetzen.

Sonderrechte, die die Gewaltenteilung in unserem Land infrage stellen - das ist meine ganz persönliche Meinung -, sind abzulehnen und können nicht geduldet werden. Das gilt gleichermaßen für Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften, die in unserem Land wirken wollen.

Der Staat und seine Institutionen dürfen aber - und das ist der entscheidende Punkt - keinen Anlass geben, dass sich in der Bevölkerung das Gefühl breitmacht, ohne den Schutz der Kirchen, ohne das Kirchenasyl würde Menschen in Not nicht der ihnen gebührende Schutz gewährt werden. Das ist ein Zustand, den wir ändern müssen.

Ein solcher Eindruck aber, ein solches Gefühl wird natürlich genährt durch Fälle wie den aus Kirchbarkau, als eine albanische Familie trotz eines laufenden Härtefallverfahrens abgeschoben wurde, bevor dieses Verfahren abgeschlossen war.

Solche Fälle beschädigen das Vertrauen in den Rechtsstaat. Es ist auch niemandem verständlich zu machen, dass eine Familie einen Härtefallantrag gestellt hat und gegen die sonst übliche Praxis abgeschoben wird, bevor dieses Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt und abgeschlossen worden ist.

Das Land Schleswig-Holstein hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Härtefallkommission einzurichten. Dann aber müssen die Behörden in diesem Land auch die Entscheidung der Landesregierung beachten, dass das Verfahren über Härtefallersuchen geordnet durchgeführt werden kann. Eine Missachtung dieses Verfahrens ist ja quasi eine willkommene Rechtfertigung für die Befürworter des Kirchenasyls.

Aus diesem Grund fordert die FDP, dass in einem ersten Schritt bitte nicht die Kirchen zum Gegenstand einer Überprüfung gemacht werden, wie Sie das wünschen, sondern dass wir zuerst dafür sorgen, dass die Verwaltungs- und Gerichtsverfahren einschließlich der Härtefallverfahren durchgeführt werden, wie wir das alle von einem Rechtsstaat erwarten dürfen.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Es ist eben für einen Rechtsstaat nicht akzeptabel, wenn 44 % der Entscheidungen des BAMF durch die Verwaltungsgerichte in der Sache aufgehoben werden. Eine solche Erfolgsquote ist eben nichts anderes als eine Aufforderung, behördliche Entscheidungen nicht mehr zu akzeptieren, sondern je

de behördliche Entscheidung auf dem Gerichtswege anzugreifen.

Die Erfolgsquote der Anfechtungsklagen hat aber auch einen weiteren negativen Aspekt; denn sie erweckt den Eindruck, dass das BAMF hier einen politischen Auftrag verfolgt, möglichst viele Anträge abzulehnen, ohne die Rechtslage mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft zu haben.

(Beifall FDP und SPD)

Einem solchen Eindruck wollen und müssen wir entgegenwirken, und zwar auch, um dem Ruf nach einem Kirchenasyl schlicht den Boden zu entziehen. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, darauf hinzuwirken, dass das BAMF seinen Aufgaben ordnungsgemäß nachkommt.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dazu gehört auch, dass die Verwaltungsentscheidungen so getroffen werden, dass sie wenigstens den Hauch einer Chance haben, in der überwiegenden Zahl der Fälle einer gerichtlichen Überprüfung standzuhalten.

Herr Abgeordneter Rossa, Sie müssen zum Schluss kommen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir wollen nicht Kirchen überprüfen, sondern die Verwaltungspraxis stärken. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall FDP, CDU, SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für einige mag das Kirchenasyl nur ein Relikt der Vergangenheit sein. Wir als SSW sind aber der Meinung, dass der Schutz von Menschen, denen Gefahr für Leib und Leben droht, ein wesentlicher Bestandteil des Wertefundaments ist, auf dem unsere Gesellschaft gebaut wurde. Wir stehen zum Kirchenasyl als Grundprinzip der Barmherzigkeit. Wir werfen es den Menschen nicht vor, dass sie für sich und für ihre Familie einen Ausweg aus der Bedro

(Jan Marcus Rossa)

hungslage suchen und für sich und ihre Familien Zuflucht suchen und die Hoffnung auf ein besseres Leben haben. Wir werfen es auch den Kirchen nicht vor, diesen Ort der Zuflucht zeitbefristet bieten zu wollen.

Dabei betone ich nochmals deutlich, dass das Kirchenasyl genau wie die anderen Verfahren an vertragliche Regelungen gebunden ist. Die beiden großen christlichen Kirchen und nur diese haben sich mit dem BAMF im Februar 2015 auf einen besonders sensiblen Umgang mit dem Instrument des Kirchenasyls verständigt. Diese Regelungen verstärken nicht nur die Zusammenarbeit, sondern stellen auch ein zusätzliches Element in der Rechtsfindung dar.

Dabei ist völlig klar: Eine Entscheidung über das Kirchenasyl ist immer eine Einzelfallentscheidung. Diese wird von den Kirchengemeinderäten getroffen. Die Beratung, die die Räte dabei bekommen, ist ausführlich. Jeder Schritt wird genauestens geprüft. Dabei werden sowohl die kleinen Schritte als auch der weitere Verfahrensweg als Ganzes beleuchtet.

Ich persönlich habe größten Respekt vor den Kirchengemeinderäten, die eine so hochsensible Entscheidung treffen müssen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir sehen keinen Grund anzuzweifeln, dass sich die örtlichen Kirchengemeinderäte der besonderen Bedeutung dieser Möglichkeit bewusst sind und entsprechend gewissenhaft damit umgehen. Solange diese Entscheidungen auch gänzlich vor dem Hintergrund der geltenden Vereinbarungen und der geltenden Rechtslage getroffen werden, gibt es an dieser Stelle für uns als SSW auch keinen Grund einzuschreiten. Vielmehr gilt es, diese Entscheidung grundsätzlich zu respektieren.

Wer Schwierigkeiten damit hat, den kann vielleicht ein Blick auf die Zahlen etwas beruhigen. Es handelt sich ganz konkret um circa 100 Fälle pro Jahr. Große Menschenmassen sind das meines Erachtens nicht. Im Gegenteil handelt es sich um eine Anzahl, die in der Tat sehr überschaubar ist und in diesem Zusammenhang eher eine absolute Ausnahme darstellt.

In enger Abstimmung mit dem BAMF wird dabei geprüft, ob die Betroffenen doch eine Chance habe hierzubleiben. Somit besteht kein rechtsfreier Raum, sondern eine enge Zusammenarbeit mit den

zuständigen Behörden. Diese Zusammenarbeit gibt es ausschließlich mit den beiden großen christlichen Kirchen. Das zeitbefristete Kirchenasyl kann den Rechtsstaat davor bewahren, in einem Grenzfall ungerecht zu handeln oder zu urteilen, und ihn zudem davor bewahren, seine eigenen Prinzipien zu verletzen. Auch das ist schon geschehen. Es ist ja nicht so, dass es nicht auch Fehlentscheidungen gegeben hat, die man durch ein Kirchenasyl hätte verhindern können. Ich denke, das ist ein sehr wichtiges Zusatzinstrument, auch im Interesse unserer Behördenentscheidungen. Das Kirchenasyl kann nämlich in solchen Grenzfällen dazu verhelfen, ein gerechteres Urteil in diesen oft so komplexen Asylverfahren herbeizuführen, sei es auch nur durch ein wenig mehr Zeit, um ganz banal die richtigen Dokumente an die richtige Stelle leiten zu können.

Das Kirchenasyl steht dabei keinesfalls in Konkurrenz zum rechtsstaatlichen Verfahren. Im Gegenteil: Das Kirchenasyl kann das Verfahren ergänzen und bietet jenen Zuflucht, die möglicherweise doch eine Chance haben, nach unseren eigenen Rechtsmaßstäben bleiben zu können. Diese Chance wird nach Vorabprüfung gemeinsam von der Kirchengemeinde und den Behörden gewährt. Sie entscheiden das zusammen. Es gibt Richtlinien darüber, wie man als Kirchengemeinderat damit umzugehen hat. Das tut man dort sehr verantwortungsvoll. Ich bin froh, dass es diese Möglichkeit gibt.

(Beifall SSW, CDU, SPD und Dennys Born- höft [FDP])

Wir als SSW stehen daher heute wie auch in Zukunft ganz klar zum Kirchenasyl und möchten uns bei allen bedanken, die helfen, bei den Kirchen, den Kirchengemeinderäten, den vielen Helferinnen und Helfern, aber auch den Behörden, die eine schwierige Arbeit leisten, und dies gemeinsam mit den Kirchen und den Kirchengemeinderäten. Das ist wirklich klasse. Daran sieht man, dass deren Werte, dass unsere gesellschaftlichen Werte auf Humanität, auf Barmherzigkeit, aber auch auf Rechtsstaatlichkeit beruhen.

Das, was Sie als AfD machen, ist wirklich eine gnadenlose Politik auf Kosten kleiner Gruppen. Es ist eine Politik, die auf Ausgrenzung basiert. Das ist genau das, was christliche Kirchen nicht wollen. Ausgrenzung ist unchristlich. Deshalb werden wir Ihren Antrag natürlich ablehnen.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Hans-Jörn Arp [CDU])

(Lars Harms)

Für die Landesregierung hat der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schaffer, ich bin entsetzt, dass Sie ein Beispiel aus Großbarkau zitieren. Ich darf über die Details hier nicht berichten. - Es ist nicht Kirchbarkau, der Fall, der durch die Medien gegangen ist. Aber Sie wissen genau wie ich, dass es nicht richtig ist, den Zusammenhang so herzustellen, wie Sie ihn hergestellt haben. Dies sei aber einmal völlig außen vor.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Kirchenasyl steht in der christlich-humanitären Tradition unseres Landes und unseres Staates. Es ist kein staatliches Instrument, kein rechtliches Instrument, und doch erkennen wir es in Deutschland als letztes Mittel, das in Härtefällen Betroffenen durch die Institution der Kirche gewährt wird, an. Diese Tradition gehört zu unserem Weltbild und zu unserer Kultur, und wir stellen sie nicht infrage.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)