Der Reformationstag eignet sich ganz besonders dazu, auch Kritik an Religion und Kirche zu üben. Das ist es, womit Luther begonnen hat. Er hat sich
ja gerade die herrschenden Verhältnisse kritisch angeguckt. Natürlich muss man seine Äußerungen zu Juden infrage stellen, und natürlich ist da etwas, was uns sehr besorgt gemacht hat - auch die Kritik der Jüdischen Gemeinde. Trotzdem kann man es positiv drehen und sagen: Genau diese Kritik wollen auch wir an herrschenden Gesellschaften weiter üben. Wir wollen jedes Jahr neue 95 Thesen entwickeln, wie wir diese Gesellschaft noch besser machen können. Die müssen überhaupt nicht christlich, jüdisch, muslimisch oder säkular sein, sondern einfach Thesen, mit denen wir versuchen, diese Gesellschaft besser zu machen. Wenn wir das als Anlass nehmen, kann das ein super Tag werden.
Einen letzten Punkt, den ich richtig gut fand, möchte ich am Beispiel meiner Kirchengemeinde erwähnen: Wir alle wissen, dass die Menschen sich am 31. Oktober noch viel mehr als für den Reformationstag für ein anderes Ereignis interessieren. Das mag man doof oder gut finden: Die Menschen interessieren sich am 31. Oktober mehrheitlich für Halloween, dafür, dass man sich verkleidet und dass man Partys feiert und sonst was. In meiner Kirchengemeinde hat die Pastorin das zum Anlass genommen und die Konfirmandinnen und Konfirmanden eingeladen, mal eine Nacht in der Kirche zu übernachten, unter der Überschrift: Hab keine Angst, sei mutig. Trau dich, dich gegen bestehende Dinge zu wehren. Trau dich, dich für das Gemeinwohl einzusetzen. - Wenn dies das Zeichen des Reformationstages ist, dann freue ich mich jetzt schon auf den 31. Oktober dieses Jahres. - Danke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Lars Harms! Die schon etwas länger laufende Diskussion um die Einführung eines weiteren Feiertags in Schleswig-Holstein hat im Laufe des vergangenen Jahres eine durchaus interessante Dynamik entwickelt. Wir haben dieses Thema bekanntermaßen stets mit einer - so will ich einmal sagen - eher verhaltenen Begeisterung begleitet, weil wir offensichtlich eine etwas andere Schwerpunktsetzung haben als unsere geschätzten Mitbewerber.
Über viele Jahre hat bei uns im Norden eigentlich kaum jemand - jedenfalls für mich nicht wahrnehmbar - von der dringenden Notwendigkeit eines neuen Feiertags gesprochen. Noch Mitte der 90er-Jahre wurde mit Verweis auf die Pflegeversicherung mit dem Buß- und Bettag sogar ein Feiertag abgeschafft - bis auf Sachsen, die einen höheren Beitrag haben.
Als das 500. Reformationsjubiläum näher rückte und der 31. Oktober 2017 zum einmaligen bundesweiten Feiertag erklärt wurde - selbst das tiefkatholische Bayern machte mit; sie sind in dem Bereich der Zahl der Feiertage eh führend -, hat sich die Diskussion ein Stück weit verändert. Viele Menschen haben im vergangenen Jahr diesen freien Tag genossen. Ob die meisten wirklich die Grundlagen ihres Glaubens reflektiert oder die vielfältigen Folgen der Reformation überdacht haben, sei dahingestellt. Seitdem wurde jedenfalls plötzlich recht intensiv die Diskussion darüber geführt, ob es in Schleswig-Holstein einen weiteren gesetzlichen Feiertag geben soll.
Das wichtigste Argument, das von den leidenschaftlichen Befürwortern ins Feld geführt wurde wie zum Beispiel Lars Harms -, war der Unterschied der Zahl der Feiertage zwischen SchleswigHolstein und dem Süden der Republik. SchleswigHolstein hat bisher nur neun gesetzliche Feiertage, in Bayern sind es 13, regional sogar bis zu 15 Feiertage. Das Ganze wurde als eine Art Gerechtigkeitsdebatte geführt.
Ich räume ein, auch ich persönlich schaue manchmal etwas neidisch in Richtung Süden der Republik. Allerdings sollten wir uns vor allem darum kümmern, dass wir in der Bildungspolitik und der Wirtschaftskraft mit Bayern gleichziehen. Ich glaube, das wäre die bessere Prioritätensetzung. Aber sei’s drum.
Darum kümmert sich die Jamaika-Koalition auch. Darum bin ich an dieser Stelle ganz entspannt, wir werden hier ganz schnell aufholen.
Bei aller Freude über einen weiteren Feiertag sollten wir nicht diejenigen vergessen, die dies im Wesentlichen bezahlen müssen. Das sind im Kern die kleinen und mittleren Unternehmer. Der Tourismusbereich, der bei uns sehr stark ist, wird vermutlich von einem weiteren Feiertag profitieren. Das kann man wohl relativ einfach vorhersagen. Das produzierende Gewerbe und viele kleine Selbstän
dige mit vielleicht zwei oder drei Angestellten werden vermutlich weniger begeistert von unserem heutigen Beschluss sein. Deshalb möchte ich an dieser Stelle betonen, dass wir weiter konsequent daran arbeiten werden, Schleswig-Holstein zum mittelstandsfreundlichsten Bundesland zu machen. Damit werden wir das hoffentlich sehr schnell überkompensieren.
Bezüglich des Anlasses für einen neuen Feiertag gab es eine ganze Reihe von durchaus respektablen Vorschlägen. Es waren am Ende so viele, dass ich sie nicht mehr alle zusammenbekommen würde; es war eine Reihe von klugen Vorschlägen dabei.
Ich möchte kurz darauf eingehen, warum wir in der Diskussion den 23. Mai, an dem im Jahr 1949 das Grundgesetz verkündet wurde, als Termin vorgeschlagen haben. Wir halten es für sinnvoll, sich immer wieder und verstärkt auf die grandiosen Grundrechte und die damit verbundenen Werte unseres Grundgesetzes zu besinnen.
Wir haben mit unserem Grundgesetz eine der liberalsten und modernsten Verfassungen auf der Welt. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben nur wenige Jahre nach dem furchtbaren Zweiten Weltkrieg, der weite Teile Europas verwüstet hat, dem Völkermord der Nazis an den Juden Europas und der Befreiung Deutschlands die Grundlage dafür geschaffen, dass die zweite Demokratie auf deutschem Boden eine sehr stabile wurde. Wir haben das große Glück, in einer der freiesten Gesellschaften der Welt leben zu dürfen.
Dass sich unser Land in den letzten Jahrzehnten so positiv entwickelt hat, ist alles andere als selbstverständlich. Daran sollten wir immer wieder erinnern. Das Grundgesetz ist das Fundament für unsere funktionierende Demokratie und unsere freie Gesellschaft. Gerade in diesen bewegten Zeiten lohnt es sich, immer wieder darauf hinzuweisen. Das muss nicht zwingend im Rahmen eines gesetzlichen Feiertags passieren, aber das sollten wir gemeinsam als Demokraten machen, weil das ein Tag ist, an dem sich alle Demokraten versammeln können.
Der Reformationstag ist - offen gestanden - nur unsere zweite Wahl gewesen. Ich fand den Wettlauf zwischen den Fraktionen interessant, wer am ehesten und vehementesten für den Reformationstag war. Ich sage ganz offen: Wir waren es nicht. Wir waren die Letzten. Deswegen sind wir bei diesem Wettlauf raus.
- Entschuldigung, Lars Harms, das passiert mir selten, aber ich habe den SSW gerade vergessen, das stimmt. Ihr habt ja noch ein paar Minuten Zeit, euch umzuentscheiden.
Wir haben einen christlichen Feiertag nicht präferiert, damit aber als säkulare Partei auch kein grundsätzliches Problem. Am Ende war für uns das wichtigste Kriterium, dass man sich auf einen gemeinsamen norddeutschen Feiertag einigt. Der Reformationstag ist zurzeit der einzig realistische Tag. Es wäre den Familien und Betrieben, insbesondere im Hamburger Umland, aber auch in anderen Teilen des Landes nicht zu vermitteln gewesen, wenn die Bundesländer im Norden quasi zeitgleich einen weiteren Feiertag einführen, aber verschiedene Termine wählen würden. Lars Harms, es war den Hamburgern schwer zu vermitteln, den Tag der Landesverfassung Schleswig-Holsteins zu nehmen.
- Die wollen ja lieber mit Dänemark fusionieren. Mit dem Reformationstag haben wir einen respektablen Termin genommen. Der Reformationstag sollte nicht nur als Feier-, sondern als Gedenktag begangen werden. Die Reformation hat neben religiösen auch zu gewaltigen politischen, kulturellen und ideengeschichtlichen Veränderungen geführt. Manche waren positiv, andere dagegen eindeutig negativ. Das sollte man sich an diesem Tag vergegenwärtigen. Es lohnt sich allemal.
Herr Dr. Tietze, ich hoffe dass sich die Nordkirche, aber auch andere wichtige gesellschaftliche Institutionen an diesem Tag engagieren werden, diesen Tag vernünftig zu begehen. Wer sich nicht jedes Jahr mit der Reformation beschäftigen möchte, macht sich eben einen entspannten freien Tag, feiert Halloween oder, Frau von Kalben, kauft vielleicht im Internet ein, am besten bei regionalen Anbietern. Das ist in unserer freien Gesellschaft das gute Recht eines jeden.
Wir finden es gut, dass wir heute einen so breiten Beschluss hinbekommen und freuen uns auf den 31. Oktober 2018. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Gäste! Im zurückliegenden Jahr 2017 haben wir in SchleswigHolstein 500 Jahre Reformation gefeiert. Wir haben die Luther-Dekade mit dem Reformationstag in einem angemessenen Rahmen gewürdigt und mit dem außerordentlichen Feiertag den Menschen in Schleswig-Holstein etwas zurückgegeben.
Jetzt bin ich doch bei dem Wettlauf. Die AfD-Fraktion hat bereits im Juni 2017 den Antrag auf Einführung des Reformationstags als dauerhaften Feiertag gestellt. Ich selbst habe an dieser Stelle im August 2017 als Einziger diesen Antrag und Reformationstag vertreten.
Herr Harms, ich danke Ihnen dafür, dass Sie mit dem Antrag des SSW zur Einführung eines zusätzlichen Feiertags eine Initialzündung erzeugt haben. Was dann aber passierte, ist eine echte Parlamentsposse. Das Hin und Her allein bei der Findung eines solchen Feiertags förderte eindrucksvoll zutage, dass Sie mit keiner Ihrer Vorstellungen die Gesellschaft wirklich erreicht haben. Die hier vertretenen Parteien konnten sich bis zuletzt weder auf einen gemeinsamen Feiertag noch auf eine gemeinsame Begründung eines solchen Feiertags einigen. Einig waren und sind Sie hingegen, als es darum ging, mit Ihren Auffassungen als Demokraten dafür zu sorgen, dass die AfD keinen Fuß an Deck bekommt, wie der SSW gestern in der Presse zu vernehmen war. - Herr Harms, wir sind bereits an Deck. Nehmen Sie das gern zur Kenntnis!
Wenn ich hier nun in die Runde der Demokraten sehe und dabei die zufriedenen Gesichtsausdrücke erkenne, kann ich Sie alle nur beglückwünschen. Ihnen ist hier wahrlich eine große parlamentarische Leistung geglückt.
Sie lehnen einen Antrag der AfD-Fraktion für den Reformationstag ab, nur um dann einen eigenen Antrag für den Reformationstag durchsetzen zu können. Eine Sternstunde im Kieler Landtag! Vielen Dank dafür!
Mit etwas mehr Ernst betrachtet dürfte dabei aber auffallen, dass zwischen dem Antrag der AfD und dem heutigen Ergebnis knapp ein Dreivierteljahr liegt, in dem niemand außer der AfD den Reformationstag wirklich wollte. Mit etwas mehr Sachlichkeit betrachtet muss dabei auffallen, dass es Ihnen nicht gelungen ist, den Feierlichkeiten der Reformation und dem Abschluss der Luther-Dekade einen wahrhaft würdigen Schlusspunkt zu verleihen. Sie haben es schlicht versäumt, in einem über Parteigrenzen hinweg einigen Landtag den Reformationstag als Feiertag bereits im Jahr 2017 einzuführen. Gelegenheit haben Sie dazu gehabt.
Mit etwas mehr Nähe zur Gesellschaft - exakt diese Nähe erwarte ich von Demokraten - hätte Ihnen aufgehen müssen, dass es für eine Demokratie nicht von Bedeutung ist und auch nicht sein kann und darf, von wem eine politische Initiative ausgeht, sondern für wen sie wirkt.