Außerdem können Sie auch mit Ihren Zwischenrufen nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir auch bei medizinischen Altersfeststellungen eine Toleranz von plus/minus ungefähr ein bis zwei Jahren haben. Was soll es denn also? Da haben Sie doch ein Scheinproblem aufgebaut. Das Einzige, was Sie mit Ihrem Antrag wollen, ist nämlich etwas ganz anderes. Sie wollen kein effizientes Verwaltungshandeln, sondern Sie wollen Pauschalverdächtigungen gegen Flüchtlinge aussprechen.
Sie wollen Zweifel an unserem Rechtsstaat säen, und Sie wollen Zweifel an dem Handeln unserer Behörden säen.
Sie haben doch gestern davon gesprochen, dass es Vertrauen in einen robusten Rechtsstaat geben muss. Dann darf man auch nicht so tun, als ob die notwendigen Grundlagen nicht da wären. Sie zerstören mit Ihrem Handeln genau dieses Vertrauen in den robusten Rechtsstaat, das wir brauchen.
Das machen Sie einzig und allein, und hier wird das Ganze aus meiner Sicht verwerflich, um sich selbst vermeintliche politische Vorteile - ich will einmal sagen - zu ergaunern. Ihnen ist die Wahrheit schietegal, wenn Sie sich mit Unwahrheiten, mit Lüge und Hetze Vorteile versprechen.
Deshalb, nicht weil der Antrag von Ihnen stammt, sondern weil Sie damit einen ganz anderen Zweck befolgen, lehnen wir Ihren Antrag ab. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Jamaika-Antrag. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Überschrift Ihres Antrags ist etwa so sinnvoll wie die Frage: Wie lange dauerte der 30jährige Krieg? Wenn die Flüchtlinge minderjährig sind, dann dürfte sich die Altersfeststellung erübri
gen. Mit einem Mindestmaß an Logik müsste die Altersfeststellung bei angeblich minderjährigen Ausländern oder mutmaßlich minderjährigen Ausländern gefordert werden. Das ist aber nicht Ihre Schuld, weil Sie wieder einmal im Sinne des Müllrecyclings, das wir ja alle eigentlich aus umweltpolitischen Gründen wärmstens empfehlen, Vorlagen anderer AfD-Fraktionen in den anderen Landtagen genutzt haben.
Ihre Bundestagsfraktion hatte bereits im Januar die Bundesregierung aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, der falsche Altersangaben der Flüchtlinge unter Strafe stellt. Dass Ihr Antrag im Bundestag auf keine Mehrheit hoffen darf, ist selbstverständlich. Weil damit klar ist, dass kein Bundesgesetz zu erwarten ist, formulieren Sie hier einen ewig langen Maßnahmenkatalog, den die Landesregierung den Jugendämtern aufgeben soll. Ich frage mich, wie die Jugendämter in der Lage sein sollen, all diese geforderten Maßnahmen zusammen mit medizinischen Institutionen durchzuführen, ohne die Einrichtungen bei einem solchen Maßnahmenkonzept, das sie umsetzen sollen, mit zusätzlichem Personal und mit zusätzlichen Ressourcen auszustatten.
Darauf hat unter anderem der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Montgomery, der aus konservativer Sicht vielleicht jemand ist, auf den man hören könnte, hingewiesen. Er sieht mit Recht in einem Röntgen ohne medizinische Indikation einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, die nur im Rahmen eines Strafprozesses zulässigerweise angeordnet werden könne. Der Antrag der AfD ist auch deswegen rechtsstaatswidrig, weil er grundsätzlich von der Option ausgeht, die für den Asylsuchenden die ungünstigste ist. Wenn in anderen Bundesländern ohne das von Ihnen geforderte medizinische Inquisitionsverfahren eine Minderjährigkeit festgestellt wurde, so soll dies dann von den schleswigholsteinischen Behörden ignoriert werden. Das setzt dem Ganzen natürlich noch die Krone auf. Wenn der Test ein niedrigeres Alter ergibt, als der Asylsuchende selbst angegeben hat, soll in diesem Fall der Angabe des Asylbewerbers gefolgt werden, nicht dem für ihn günstigeren Ergebnis der medizinischen Untersuchung. Das ist wirklich schräg.
Sie selbst räumen ein, dass die medizinischen Methoden das Alter nur nahezu zweifelsfrei feststellen können. Das ist im Rechtsstaat nicht wirklich zielführend. Zum Beispiel weist das Handröntgenverfahren eine Standardabweichung von 14 Monaten auf. Wie soll man damit eine Volljährigkeit nachweisen? Darauf hat der Kollege Claussen schon
richtig hingewiesen. Was soll man denn mit einem Gutachten konkret anfangen, das besagt, der Asylbewerber sei irgendetwas zwischen 16 Jahren und 10 Monaten und 19 Jahren und 2 Monaten alt? Sie werden natürlich antworten: Dann gehen wir davon aus, dass er mindestens 18 ist. - Wir nicht.
Dass dieser Antrag gegen internationales Recht verstößt, das verlangt, Flüchtlingen den gleichen Grundrechtsschutz wie Inländern zu gewähren, sei nur am Rande erwähnt. Solche Kleinigkeiten kümmern Sie ja nicht. Die AfD nutzt einmal mehr skrupellos Verbrechen mit großer Medienwirksamkeit aus. Der Zwischenruf von Herrn Nobis spricht Bände. Es geht nicht um den Vorfall in Kandel und andere. Diesen Fall hier noch einmal zu erwähnen, ist unterirdisch. Anträge anderer AfD-Fraktionen benennen diese Vorfälle ausdrücklich als Motiv für ihre Anträge. Herr Schaffer war so geschickt, das hier zu verschweigen.
Sie werden nicht im Ernst erwarten, dass wir diesem Antrag zustimmen. Er ist ein weiterer billiger Versuch, hier Vorurteile zu schüren. Deshalb werden wir heute dem Koalitionsantrag zustimmen und Ihren Antrag in der Versenkung verschwinden lassen.
Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Eka von Kalben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke der Koalition und auch der SPD für die Ankündigung, diesem Alternativantrag, auf den wir uns hier geeinigt haben, zuzustimmen. Ich glaube, und Lars Harms nickt schon, das ist ein starkes Signal, das wir hier deutlich machen: Wir brauchen keine neuen rechtlichen Regelungen zur Frage der Altersfeststellung.
Ich denke, das ist auch ein gutes Zeichen in Richtung Berlin, und ich hoffe, dass dieses Signal dort gehört wird. Wir vertrauen auf die Ämter vor Ort, die sehr genau wissen, wie sie die Regeln anwenden müssen und welche Maßnahmen getroffen werden müssen.
Dass das im Einzelfall schwierig ist, ist gar keine Frage. Dass dabei auch Fehleinschätzungen passieren, ist auch keine Frage. Trotzdem glaube ich, dass wir uns hier weitgehend darin einig sind, dass diese jungen Menschen, die ohne Familie in dieses Land kommen, die die Sprache nicht können, die teilweise traumatisiert sind, deren Zukunftsträume zum Teil geplatzt sind und die keine Zukunftsperspektive haben, unsere Unterstützung brauchen. Sie brauchen sie häufig eben auch über das 18. Lebensjahr hinaus.
Meine Damen und Herren, wenn wir ehrlich sind, dann geht es bei diesem Antrag auch nicht um dieses Problem, nämlich um die Fragen: Wie schätzen wir was ein? Wann tritt Jugendhilfe ein? Wann die Hilfe für junge Erwachsene? Es geht vielmehr hierbei nur darum, mit alternativen Fakten eine Provokation herzustellen und den Leuten das Gefühl zu geben, dass durch Altersfeststellung Morde verhindert werden können. Es wird ein Fall zum Anlass genommen, bei dem junge Frauen gestorben sind. Das ist schrecklich. Das hat viel Entsetzen ausgelöst und viel Leid unter die Leute gebracht. Dann wird dies mit der Frage der Altersfeststellung vermixt. Wenn das Alter dieses Menschen, der junge Frauen ermordet hat, festgestellt worden wäre, dann hätte er auch gemordet. Sie können durch eine Altersfeststellung keine Morde verhindern; weder bei Deutschen noch bei Migranten.
- Natürlich ist das strafbar. Daher wird das auch von der Staatsanwaltschaft verfolgt. Aber das ist kein Grund, zu Demonstrationen aufzurufen und an Demonstrationen teilzunehmen, zu denen die NPD aufruft. Das sind Pseudofrauenmärsche, die nichts mit Feminismus zu tun haben. Feminismus ist nämlich auch Antirassismus.
Das ist Teil des Strategiepapiers der AfD. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidiums: Vor sorgfältig geplanten Provokationen dürfe die AfD nicht zurückschrecken. Deutsche Frauen sind die Opfer, muslimische Männer sind die Täter. Und diese Männer sind auch noch viel älter als angegeben.
Das steckt dahinter. Diese Welt wollen Sie uns hier nahebringen. Ich bin froh, dass dieser Landtag diese Einschätzung zurückweist.
Meine Damen und Herren, diese Frauenmärsche, Ihre Aufrufe und Ihre Postings in sozialen Medien sind es nämlich, die Hass und Hetze schüren. Die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Anne Spiegel, die die bestehende Rechtslage zur Altersfeststellung - wie wir - als ausreichend verteidigt, steht mittlerweile mitsamt ihrer Familie und drei kleinen Kindern unter besonderem Polizeischutz. Ich frage mich: Wäre die Tat nicht passiert, wenn es eine zwangsweise Altersfeststellung gegeben hätte? - Nein, mitnichten. Das Gutachten aus dem Strafprozess bescheinigt mittlerweile dem mutmaßlichen Täter, noch unter das Jugendstrafrecht zu fallen. Damit unterliegt er auch dem besonderen Abschiebungsschutz.
Meine Damen und Herren von der AfD, Sie schreiben in Ihrem Antrag, Sie wollen Haushaltsmittel sparen und gerecht einsetzen. Das wollen wir auch. Sie wollen weniger Haushaltsmittel für Geflüchtete ausgeben. Das wollen wir nicht. Wir meinen: Migration findet statt, ob Sie das wollen oder nicht, und auch ob wir das wollen oder nicht. Sie findet statt. Ja, die Betreuung von Minderjährigen ist teuer und bindet viel Personal, aber ich bin mir sicher: Jeder Euro für die Integration zahlt sich für Deutschland doppelt und dreifach aus.
Sie fordern stattdessen für jeden Geflüchteten ein kostenaufwendiges Verfahren, dessen Wirkung völlig unklar ist. Morde verhindert es auf jeden Fall nicht. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin meinem Kollegen Claussen dankbar dafür, dass er die rechtlichen Rahmenbedingungen einmal geschildert hat, weil dies deutlich macht, was Ihre wahre Absicht ist. Wieder einmal dürfen wir uns im Landtag mit einem Antrag der AfD auseinandersetzen, mit dem diese versucht, ihre krude und wirklich menschenverachtende Ausländerpolitik in die Öffentlichkeit zu tragen.
Sie fordern eine einheitliche Regelung zur medizinischen Altersfeststellung bei minderjährigen Flüchtlingen und verkennen, dass unsere gesetzlichen Regelungen schon heute ausreichen.
Ihr Ziel ist es, bei jedem Ausländer, der sich als minderjährig ausgibt, eine medizinische Altersfeststellung durchzuführen. Dabei ignorieren Sie bewusst, dass diese Forderung offenkundig verfassungswidrig ist.
Bei der Befassung mit Ihrem Antrag müssen wir auch penibel auseinanderhalten, ob es um die Gestaltung gesetzlicher Vorschriften - so Ihr Eingangstext - oder um das Verwaltungshandeln der zuständigen Behörden geht.