Protokoll der Sitzung vom 23.02.2018

(Wortmeldung Doris Fürstin von Sayn-Witt- genstein [AfD])

- Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

(Dr. Ralf Stegner)

Zu einem Dreiminutenbeitrag hat jetzt der Kollege Rossa aus der FDP-Fraktion das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was man Ihnen vorwerfen muss, ist, dass Sie juristisch argumentieren, aber ganz offenbar ein Rechtsverständnis haben, das mit unserem Rechtsstaat nur sehr wenig zu tun hat.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich zitiere einmal die aktuelle Rechtslage zum Thema medizinische Altersuntersuchung aus einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Bayern, der sich mit Bundesrecht auseinandersetzt, das gilt also auch in Schleswig-Holstein:

„Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen … Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig.“

Das allein zeigt, dass Sie gar keine neue Regelung schaffen wollen, dass Sie Stimmungen produzieren möchten, die Sie auf Ihrem Weg zu Rassismus und Diskriminierung unterstützen. Das muss so deutlich gesagt werden, auch wenn Sie jetzt an die Decke gucken; da wird für Sie keine Erhellung vom Himmel fallen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich habe Ihnen bei anderer Gelegenheit gesagt, wenn Sie mit uns juristisch argumentieren wollen, bereiten Sie sich entsprechend vor. Wenn Sie bemängeln, dass unsere Regeln, unsere gesetzlichen Vorschriften nicht ausreichend sind, dann begründen Sie das hier. Aber Sie schweifen sofort in Verwaltungspraxis ab,

(Jörg Nobis [AfD]: Zeitung lesen! - Zurufe)

Sie schweifen sofort ab in Verwaltungspraxis anderer Bundesländer. Wir reden hier über die Verwaltungspraxis in Schleswig-Holstein. Die müssen wir nicht fürchten. Wir wenden die Gesetze an, die gelten. Wir brauchen keine Verschärfung. Unsere Gesetze sind scharf genug vor dem Hintergrund des

sen, was verfassungsrechtlich zulässig ist. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort hat nun die Abgeordnete von Sayn-Wittgenstein zu einem Dreiminutenbeitrag.

Herr Präsident! Liebe Kollegen! In diesem Haus wird immer anständig gesprochen, und ich erinnere mich an unseren ersten Tag hier, wo man uns gesagt hat, wie man sich benimmt. Frau von Kalben hat eben ein Beispiel geliefert, wie man jemanden mit Halbwahrheiten und Erfindungen

(Lachen Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- da können Sie gern lachen - in die rechte Ecke drücken möchte.

(Zurufe: Da stehen Sie schon selbst!)

Bitte Faktencheck: Wann, bei welcher Gelegenheit, wo und in welchem Zusammenhang habe ich mit der NPD demonstriert? Das hätte ich gern gewusst.

(Lukas Kilian [CDU]: In Kandel!)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Lasse Petersdotter aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu einem Dreiminutenbeitrag.

Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Es wird immer wieder die Forderung gestellt, Rassismus zu benennen, weil Sie ihn selbst offenbar aus Blindheit nicht erkennen können und es aus Gewohnheit als normal empfinden. Ich möchte das an einigen Beispielen deutlich machen. Sie haben die Familie in Pinneberg genannt, wo Sie ganz genau wissen, dass das, wie Sie es beschrieben haben, als würde ein Mensch zwei Familien nachziehen, nicht stimmt. Das ist Ihnen aber völlig egal, weil es in Ihr Weltbild hineinpasst.

Herr Nobis, Sie nehmen in Ihrer Rede die Bezifferung von Menschenwürde, die Bezifferung von Grundwerten und Grundrechten vor und geben dem einen Preis. Das machen Sie bei Weißen nicht, das

machen Sie bei Deutschen nicht, das machen Sie nur bei Geflüchteten.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Die Zahlen stehen da, aber Ihre Abwägung steht da nicht.

(Jörg Nobis [AfD]: Ich zitiere die Webseite des Finanzministeriums!)

Es ist Ihre rassistische Abwägung zu sagen, diese Menschen seien das Geld nicht wert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Genau dieser Unterschied ist der Rassismus, der Ihre Partei prägt. Das ist auch der Rassismus, der Ihr Auftreten prägt, Frau von Sayn-Wittgenstein, wenn Sie sich in Kandel an einem Donnerstag - nicht an einem Dienstag, da ist ja Fraktionssitzung, ich weiß nicht, ob Sie da waren -, am Tag der Beerdigung vor dem Rathaus mit einem Plakat hinstellen und sagen: Mit unseren Kindern stirbt unsere Zukunft. Das machen Sie bei weißen Tätern bei einer Vergewaltigung, bei weißen Tätern bei einem Mord nicht. Das machen Sie nur bei anderen Herkünften. Das ist Rassismus.

Wenn Sie das benannt haben wollen, gibt es viele Beispiele darüber hinaus. Ich bin nicht für Ihre Nachhilfe zuständig, weise aber immer wieder gern darauf hin, was für ein Bild Sie hier zeichnen wollen und mit welcher Motivation Sie Politik machen, und es ist genau diese Motivation.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Ich erteile nun für die Landesregierung dem Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das war eine bemerkenswerte Debatte, jedenfalls in weiten Teilen. Da war zunächst einmal die Einbringung des Antrags durch den Abgeordneten der AfD-Fraktion, Herrn Schaffer, der bei seiner Rede so getan hat, als ob er einen konstruktiven Beitrag zur Verbesserung eines gesellschaftlichen Problems leistet. Ich weiß nicht, ob Sie den Antrag, den Sie selbst gestellt haben, auch gelesen haben; er kommt ja ursprünglich aus Sach

sen-Anhalt. Ihre Rede hatte mit dem Inhalt des Antrags herzlich wenig zu tun.

Ich bedanke mich aber ausdrücklich bei Ihrem Fraktionsvorsitzenden, der mit seinem Redebeitrag unmissverständlich klargemacht hat, worum es Ihnen in Wahrheit geht, nämlich Ihr Politikmodell in wunderbarer Art und Weise zu skizzieren.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es geht Ihnen mitnichten darum, irgendetwas konstruktiv für die Menschen in Schleswig-Holstein oder Deutschland lösen zu wollen. Sie setzen auf Spaltung, Sie setzen auf Hetze, Sie setzen auf Rassismus, Sie setzen auf Menschenverachtung und hoffen, davon zu profitieren. Machen Sie das ruhig weiter so. Menschen werden erleben, dass dieses Politikmodell ihre Alltagsprobleme nicht löst. Menschen werden erleben, dass Sie zur Spaltung dieser Gesellschaft beitragen wollen. Es gibt genügend Demokraten, die sich dagegenstellen, und das ist gut und richtig so.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn Sie - das hat der Kollege Rossa Ihnen gerade wunderbar dargelegt - wirklich in einen Diskurs mit uns eintreten wollen, wenn Sie tatsächlich einen Mangel, den Sie feststellen, beseitigen wollen oder einen Sachverhalt für verbesserungswürdig halten, dann beleidigen Sie doch diesen Landtag nicht mit fachlich gotterbärmlichen Anträgen, die zur Verbesserung der Situation nicht beitragen, sondern zum Teil schlicht und ergreifend verfassungswidrig sind.

So werden Sie doch eine Situation, die Sie selbst beklagen, nicht ändern, Herr Fraktionsvorsitzender. Ich will Ihnen das an dieser Stelle noch mal sehr deutlich sagen: Sie wollen, dass die Landesregierung die Kommunen anweist, die Altersfeststellung in einer bestimmten Weise durchzuführen. Dazu stelle ich sehr deutlich fest: Die Landesregierung hat gar keine Handhabe, dies zu tun. Die Altersfeststellung im Rahmen der Inobhutnahme ist Aufgabe der örtlichen Jugendämter und unterliegt damit strikt der kommunalen Selbstverwaltung. Das könnten Sie, Herr Schaffer und Herr Nobis, nach neun Monaten Zugehörigkeit zu diesem Parlament wissen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Folgte die Landesregierung Ihnen und versuchte sie, den Kommunen im Bereich ihrer Selbstverwal

(Lasse Petersdotter)

tung verbindliche Vorgaben zu machen, dann überschritte sie schlicht ihre Kompetenz.

(Zuruf AfD - Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verfassungswidrig!)

Es ist wichtig, noch einmal auf die Funktionsweise des Rechtsstaates hinzuweisen, damit Begriffe wie Steuerung, verbindliche Vorgaben, Empfehlungen sowie Fach- und Rechtsaufsicht nicht wild in einer Debatte durcheinandergewürfelt werden. Jenseits der Ebenenverantwortung im Land widerspräche die Inaugenscheinnahme zur Altersfeststellung als regelmäßige amtsärztliche Begutachtung den bundesrechtlichen Vorgaben aus dem § 42 f des Sozialgesetzbuches XIII und wäre unter diesem Aspekt schlicht rechtswidrig. Ich gehe zu Ihren Gunsten einfach mal davon aus, dass Sie das in Wahrheit auch wissen; umso schlimmer finde ich es, dass Sie es schlicht ignorieren.

Der vorliegende Antrag ist noch aus weiteren Gründen schlicht und ergreifend rechtlich nicht umsetzbar. So soll die Landesregierung dazu aufgefordert werden, sicherzustellen, dass bei allen minderjährigen Ausländern, die in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Beschuldigte sind, eine medizinische Altersfeststellung vorgenommen wird. Das Alter eines Beschuldigten ist in der Tat sowohl für die Frage der materiellen Strafbarkeit als auch für das Verfahrensrecht von exorbitanter Bedeutung. Deshalb gehen Staatsanwaltschaft und Gerichte begründeten Zweifeln über das behauptete oder vorläufig festgestellte Alter eines Beschuldigten von Amts wegen nach, Herr Nobis - auch wenn Sie da so ungläubig gucken. Hierzu bedarf es mitnichten einer Aufforderung durch die Landesregierung oder durch den Landtag. Ich will festhalten, dass unsere Justiz das geltende Recht schlicht und ergreifend anwendet.