Protokoll der Sitzung vom 23.03.2018

Liebe Abgeordnete vom SSW, Herr Harms, Sie hätten längst und spätestens vor wenigen Wochen im Rahmen der Haushaltsberatungen einen Antrag stellen können. Darauf haben Sie verzichtet.

(Anita Klahn [FDP]: Stimmt allerdings! - Weitere Zurufe)

Sie kommen damit erst heute, und das verstehe ich an dieser Stelle wirklich nicht.

(Beifall CDU und Anita Klahn [FDP] - Hans-Jörn Arp [CDU]: Ich auch nicht!)

Sicher ist es naheliegend, die Deckungslücke nun schließen zu wollen und beim Land dafür 7,5 Millionen € einzufordern, damit die Umsetzung gelingen kann. Aber bleiben wir an dieser Stelle ehrlich miteinander: Die Eiderstedter Kirchen sind eine große Chance für den Auftrag der Kirche in dieser Zeit. Wir wollen, dass Kirchen als Gotteshäuser erhalten bleiben, und wir wollen diese mit Leben füllen. Nicht nur der Reformationstag ist eine gute Gelegenheit dafür, Herr Harms. Es ist unser gemeinsames Anliegen, historisch-kulturelle Schätze in Schleswig-Holstein auch für die nachfolgende Generation dauerhaft zu sichern.

(Vereinzelter Beifall CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP)

Ob sich das Land an dieser Stelle überhaupt einbringen sollte und wenn ja, in welcher Form, kann erst dann entschieden werden, wenn vor Ort die finanziellen Voraussetzungen geschaffen werden.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Genau!)

Ich verweise dazu auf die deutliche Antwort durch das Bildungsministerium auf die Kleine Anfrage des SSW.

Wir müssen beachten, dass unser Land neben diesem einzigartigen Kirchenensemble auf Eiderstedt über ein weites und reiches kulturelles Erbe ver

fügt, und es ist klar, wie schnell weitere Begehrlichkeiten geweckt werden.

Ich beantrage daher die Überweisung in die Ausschüsse für Bildung und Kultur, Wirtschaft und Tourismus sowie Finanzen, um dort gemeinsam mit den Vertretern der Nordkirche die aktuelle Situation fachlich zu erörtern.

Ich schließe mit dem Slogan der Tourismuszentrale Eiderstedt: 18 historische Kirchen für etwa 14.000 Christen sind ein besonderes Kulturerbe, eine besondere Verantwortung und manchmal eine große Herausforderung. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Martin Habersaat.

Vielen Dank, Herr Präsident! - Meine Damen und Herren! Frau Kollegin, das war ja ein sehr langer Slogan. Damit werben die wirklich auf Plakaten?

(Zurufe)

16.000 Einwohner, 18 Kirchen, 300 km² - das sind die Zahlen, das lässt einige Rückschlüsse zu. Der erste an die Kollegen meiner Fraktion, die vorgeschlagen haben, wir sollten das einmal per Fahrrad erkunden, 300 km² Quadratkilometer!

(Zurufe)

- Das dauert länger. Zweitens ist das eine Dichte von Kirchen, die schon besonders ist, zumal die meisten Kirchen aus dem späten Mittelalter, meist aus dem 12. Jahrhundert stammen. Diese Überversorgung mit Kirchen liegt ja nicht an der weitsichtigen Vorausplanung der damaligen Kirchenbaumeister für die Bedürfnisse des heutigen Kulturtourismus oder für Menschen, die einmal abschalten wollen - wovon auch immer -,

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Arbeit!)

sondern an der ursprünglich völlig zerklüfteten Topografie in einer Reihe von Inseln und Halligen, aus denen sich erst später die heutige Halbinsel gebildet hat. Angesichts des Alters der Kirchen kann es nicht verwundern, dass nur für zwei der 18 Kirchen aktuell kein Sanierungsbedarf festgestellt wird und er für die übrigen 16 Kirchen zwischen 300.000 und 3,7 Millionen € liegt. Der Gesamtbe

(Anette Röttger)

darf - das wurde erwähnt - wird auf 18,7 Millionen € beziffert. Allerdings stammt diese Zahl aus dem Jahr 2016. Es ist zu befürchten, da die Grundsätze kostenstabilen Bauens nur in Hamburg eingerechnet werden und in Schleswig-Holstein noch nicht, dass die Zahl inzwischen größer geworden ist.

Ich möchte ein zusätzliches Problem anführen: Das ist die ehemalige Kirche Sankt Knud in Friedrichstadt, die denkmalgeschützt ist und einen Sanierungsbedarf von 800.000 € hat. Dafür kommt die Evangelische Kirche nicht einmal teilweise auf, weil das eine katholische Kirche war.

(Zurufe)

Trotz der Profanierung hat die Katholische Kirche ein Interesse am Erhalt des Baudenkmals, aber die Finanzierung ist völlig offen, wenngleich es auch da die Zusage des Bundes gäbe, sich zu beteiligen. Insofern gehört das mit in den Problemkreis, den wir besprechen.

Wie das Kulturministerium auf die Kleine Anfrage des Kollegen Harms mitgeteilt hat, hat der Haushaltsausschuss des Bundestags bereits vor drei Jahren beschlossen, die Hälfte des Sanierungsbedarfs zu finanzieren. Die Evangelische Kirche, genauer gesagt der Kirchenkreis Nordfriesland, kann aus zweckgebundenen Rücklagen der Kirchengemeinschaften nur etwa 300.000 € beisteuern und will den Rest über Spenden, Sammlungen und Kreditaufnahmen absichern. Das ist sehr ambitioniert, zumal das vorliegende Konzept davon ausgeht, dass es der bauliche Zustand der Kirchen schwierig macht, die Sanierungsarbeiten auf mehrere Jahrzehnte zu strecken. Ein Abschluss der Arbeiten an allen betroffenen Kirchen soll dem Gutachten zufolge innerhalb der nächsten sechs Jahre erfolgen.

Dennoch ist es für mich nicht unbedingt gesagt, dass an allen 16 Kirchen gleichzeitig gearbeitet werden muss. Ich glaube, der Sanierungsbedarf wird nicht überall gleich hoch sein. Es wird möglich sein, bestimmte Kirchen gegenüber anderen zu priorisieren. Das würde den Gesamtbetrag, auch mögliche Belastungen des Landes, wenn es sich denn zu einer Beteiligung entschließen könnte, eher begrenzen, als es jetzt der Fall ist.

Der SSW beantragt nun, die Finanzierungslücke teilweise mit Landesmitteln zu schließen. Wir haben herausgearbeitet: Im Haushalt ist das noch nicht vorgesehen. Die Kirche würde sich wünschen, dass das Land ein Viertel des Gesamtbetrages, also etwa 4,7 Millionen €, übernimmt. Das ist kein kleiner Betrag. Wir haben eben über künftige Genera

tionen gesprochen, die einerseits mit Sicherheit Interesse daran haben, historische Bauten auf Eiderstedt zu besichtigen, andererseits aber auch einen Schuldenberg vorzufinden, der beherrschbar ist - so formuliere ich es einmal. Die nächsten fünf Generationen werden sicherlich noch keinen abgeschafften Schuldenberg sehen können.

Wir müssen auch einräumen, dass die Kirchen in Eiderstedt zwar regional von einer wahnsinnig großen Bedeutung sind, diese Bedeutung aber landespolitisch einzuordnen ist, zumal - wir haben recherchiert - da nicht einmal richtige Hexenverfolgungen stattgefunden haben, anders als zum Beispiel in Schleswig.

(Zurufe)

Angesichts der Auswirkungen des HSH-Verkaufs auf den Landeshaushalt ist das aus meiner Sicht keine Summe, über die wir eben schnell verfügen sollten. Deswegen sind wir dafür, das in den zuständigen Ausschüssen zu beraten. Wir bitten darum, den Problemfall Sankt Knud mitzuberaten, wenn wir schon dabei sind. - Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Marlies Fritzen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es heißt, man könne von jedem Ort auf Eiderstedt mindestens drei Kirchen in unmittelbarer Nähe sehen - und das nicht, weil es dort keine Berge gibt, die den Blick verstellen, sondern weil es eben so viele Kirchen sind. Diese Weitsicht hat die Kirche möglicherweise fehlen lassen, als sie davon ausging, dass 50 % der Kosten, die der Bund nicht für die Sanierung bezahlt, vom Land zu bezahlen seien. Ich glaube - das ist hier schon in den Reden angeklungen -, dass dies etwas ist, was nicht ohne Weiteres funktionieren kann.

Martin Habersaat, ich habe es unter anderem auch immer so verstanden, dass es eben nicht geht, einzelne Kirchen herauszunehmen. Die Zusage des Bundes ist eben erfolgt, weil es sich um diesen Ensemble-Charakter handelt. Der ist als erhaltenswert und denkmalgeschützt angesehen. Deshalb wird es nicht möglich sein, einzelne Kirchen vorzuziehen

(Martin Habersaat)

und sozusagen sukzessive eine Finanzierung zu bekommen.

Es ist davon gesprochen worden, Lars Harms, dass es eine besondere Situation ist. - Ja, wir haben eine besondere Situation. Diese ist euch und Ihnen im SSW nur zu gut bekannt. Wir tragen die Rote Laterne innerhalb der Kulturförderung in ganz Deutschland. Wir haben nicht genügend Geld, um kulturelle Bildung auskömmlich zu finanzieren. Ihr wollt gern die Leihgebühr in Bibliotheken abschaffen. Auch dafür gibt es eigentlich keine wirkliche Gegenfinanzierung. Wir haben Situationen im Kulturbereich, in denen Kulturschaffende oder Kulturarbeitende in den Institutionen prekäre Einkommensverhältnisse und Selbstausbeutung hinnehmen, weil sie ein hohes Interesse daran haben, in diesem Bereich zu arbeiten und Dinge zu gestalten, aber die Gegenfinanzierung nicht anständig auf den Weg kommt.

Wir haben Riesenbaustellen bei der Schulsanierung, wir haben Riesenbaustellen bei der Theaterförderung. Für die drei Theater im Land können wir nicht annähernd auskömmliche Finanzzusagen machen. Das sind in der Tat besondere Situationen, nicht zu schweigen von den 120 Jahren, die wir, wie Monika Heinold aufgerechnet hat, brauchen, bis wir unsere Altschulden getilgt haben. Insofern finde ich das, liebe Kolleginnen und Kollegen vom SSW, einen wohlfeilen Antrag. Während wir uns in der letzten Legislaturperiode noch darüber einig waren, dass Geld nur einmal ausgegeben werden kann und wir dieses Geld für die Eiderstedter Kirchen nicht auch nur ansatzweise im Kulturhaushalt hätten irgendwo finden oder unterbringen können, zeigt Ihr jetziger Antrag, dass Opposition doch nicht nur Mist sein kann, weil man hier fröhlich Anträge stellen und sagen kann, man wolle 3 Millionen € für die kostenlose Ausleihe und jetzt auch noch 7,5 Millionen € oder vielleicht einen Teil davon für die Rettung der Eiderstedter Kirchen.

Um hier nicht falsch verstanden zu werden: Natürlich ist das ein besonderes Merkmal auf Eiderstedt, und natürlich ist es ein besonderes Ensemble, das schützenswert ist. Ich glaube, das stellt hier niemand infrage. So habe ich auch den Kollegen Martin Habersaat gerade nicht verstanden. Aber es ist am Ende das Geld, das fehlt. Was auch noch wichtig war zu betonen - das habt ihr in eurer Rede auch gesagt -, ist, dass der weit überwiegende Teil dieser Kirchen überhaupt nicht mehr als Gotteshäuser genutzt wird. Die Kirche selbst sagt, in der Hauptsaison sind es fast 100 % Touristen, in der Nebensaison noch immer 75 %, die diese Orte wegen ihrer

Besonderheit besuchen, aber auch wegen der Veranstaltungen, die dort stattfinden. Das ist schön, und das soll auch gern so bleiben. Das wünsche ich mir auch.

Aber noch einmal: Wir haben keine oder kaum Möglichkeiten, dies zu finanzieren. Ich sehe überhaupt nicht, wie das aus dem Kulturetat kommen soll. Deshalb finde ich es richtig, wenn wir das drei Ausschüssen überweisen und darüber nachdenken, wo es sonst Mittel geben könnte. Mir würden da Mittel einfallen wie zum Beispiel die für die Gemeinschaftsaufgabe für die regionale Wirtschaftsstruktur, weil es eigentlich regionale Wertschöpfung ist, die dort in diesen Kirchen stattfindet, wenn man an diese Verbindung mit dem Tourismus denkt, die ihr gerade aufgezeigt habt.

(Zuruf Thomas Rother [SPD])

- Da wäre ich sehr vorsichtig. Ich wäre sehr vorsichtig, weil - das sage ich noch einmal - ich finde, so erhaltenswert es ist und so nachdenkenswert es ist, ob man Mittel findet, es steht - jedenfalls in der jetzt vorgelegten Finanzierungsstruktur - in keinem - ich betone: wirklich in nicht annähernd irgendeinem! - Verhältnis zu dem, was wir ansonsten in der Kulturförderung in Schleswig-Holstein machen. Das gilt es, am Ende doch auch zu bedenken und mit irgendwelchen Zusagen vorsichtig zu sein.

Ich bin im Übrigen - das als letzter Satz - auch damit einverstanden und finde es wichtig, wenn wir darüber nachdenken, was wir mit den Eiderstedter Kirchen machen, dass wir die Kirche in Friedrichstadt auch im Blick behalten. Auch da gibt es - aus ganz anderen Gründen - besondere Notwendigkeiten, vielleicht zu unterstützen.

Insofern schließe ich mich der Bitte um Überweisung in drei Ausschüsse an und glaube, dass wir noch eine Menge Aufgaben haben, darüber nachzudenken, wie wir helfen können, wenn wir das denn überhaupt als Land tun wollten. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und Kai Vogel [SPD])

Für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Anita Klahn das Wort.