Protokoll der Sitzung vom 29.06.2017

Und doch gibt es Bereiche, in denen ganz klar der Staat die Regeln setzt und durchsetzt, in denen die Menschen das auch erwarten. Das Land hat die Aufgabe, seine Bürger bestmöglich zu schützen. Der liberale Rechtsstaat muss seinen Bürgerinnen und Bürgern Freiheit und Sicherheit bieten.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Polizei werden wir deshalb mit 500 zusätzlichen Stellen stärken und konsequent von vollzugsfremden Aufgaben entlasten - mit rechtlichen Rahmenbedingungen, die unseren Beamten Handlungssicherheit geben.

Schleswig-Holstein bekennt sich zu seiner neuen und zu seiner gewachsenen Vielfalt. Wir wollen die kulturelle Vielfalt bewahren und die Minderheiten im bewährten Konsens dieses Hohen Hauses schützen. Generell gehört die Vielfalt von Lebensformen in einer freien Gesellschaft dazu. Darum treten wir für die gleichgeschlechtliche Ehe, die Ehe für alle, ein. Es ist dringend geboten, sie endlich gesetzlich durchzusetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir wollen, dass sich alle Menschen bei uns wohlfühlen, dass Schleswig-Holstein für uns alle Heimat ist, für alle, die schon eine Weile hier leben, und für alle, die neu sind und sich hier integrieren wollen und sollen. Darum helfen wir den Kommunen weiterhin bei der Integration.

Ja, eine humane Flüchtlingspolitik bleibt die Leitlinie auch dieser Koalition, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Deshalb werden wir 500 besonders schutzbedürftige Geflüchtete im Land aufnehmen. Wir werden für eine verbesserte Bleibeperspektive von Langzeitgeduldeten und eine deutliche Erleichterung des Familiennachzugs werben.

Neben der konsequenten Hilfe für schutzbedürftige Menschen werden wir auch verantwortungsvoll mit denjenigen umgehen, die nach dem Abschluss rechtsstaatlicher Verfahren kein Bleiberecht in Deutschland erhalten. Zu einer konsequenten Rückführungspolitik gehört für uns aber auch: Wenn die Bemühungen zu einer freiwilligen Ausreise scheitern, müssen die gesetzlich bestehenden Instrumente zur Sicherung der Ausreise angewendet werden. Aber Vorrang vor einer zwangsweisen Rückführung muss in allen Fällen die freiwillige Ausreise haben.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Dr. Frank Brodehl [AfD])

Schleswig-Holstein hat seinen Platz in einer immer enger zusammenwachsenden Welt. Wir nehmen es ernst, wenn sich Menschen als Verlierer der Globalisierung und vielleicht auch der Digitalisierung fühlen. Diesen Ängsten begegnen wir mit Optimismus. Denn in Schleswig-Holstein erleben wir schon heute die Vorzüge einer solchen Welt. Schließlich haben wir diese Vorzüge vor der Haustür: mit dem Hamburger Hafen, der für uns Tor zur Welt ist, mit globalen Trends, die gut für unser Land sind, mit unseren Partnerregionen in Europa und Fernost, mit der gelebten Freundschaft zwischen SchleswigHolstein und Dänemark und in einem enger zusammenwachsenden Europa - trotz aller Querelen und Rückschritte.

Aus dieser geografischen Lage, als Scharnier zwischen Skandinavien und Mitteleuropa, wollen und werden wir noch mehr Vorteile für die Menschen hier herausholen. Wir werden die Zusammenarbeit mit Dänemark, Hamburg, der Metropolregion und den anderen norddeutschen Ländern vertiefen. Gerade in den Clustern erneuerbarer Energien und Digitalwirtschaft sehen wir gutes Potenzial. Mit Hamburg werden wir Gemeinsamkeiten suchen und dabei wieder mehr Elan in die Zusammenarbeit bringen. Hamburg und Dänemark laden wir zu einer Allianz für den Norden ein, ganz im Sinne einer ko

(Ministerpräsident Daniel Günther)

operierenden Wirtschaftsregion, die für Weitsicht und Zukunft steht.

Und im Sinne guter Nachbarschaft werde ich rasch einen Antrittsbesuch in Kopenhagen machen. Ich habe gestern bereits mit dem dänischen Botschafter telefonisch darüber gesprochen. Im Sinne von Kontinuität und Konsens würde ich mich sehr freuen, lieber Lars Harms, wenn du gleich bei dieser Reise mit dabei sein könntest.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Das Mikrofon am Redner- pult fällt aus)

- Aber du hast mich verstanden, Lars? Du sollst mit!

(Heiterkeit CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, FDP und SSW)

Diese Koalition hat den Mut zur Verantwortung. Sie traut sich mehr als den kleinsten gemeinsamen Nenner. Unser Land hat es verdient, dass ein breit getragenes politisches Bündnis zum Wohle unseres Landes anpackt, damit Tempo in die Dinge kommt. Unser Land braucht ordentliche Schulen, eine bessere Infrastruktur, finanziell gesunde und sichere Kommunen und einen Wohlstand, den wir nicht auf Kosten der Umwelt erwirtschaften.

In diesem Land steckt so viel kreatives Potenzial. Ich will, dass es sich entfalten kann. Darum führe ich eine Koalition der Möglichmacher, eine Koalition der Brückenbauer. Wir arbeiten für ein modernes, dynamisches und weltoffenes Schleswig-Holstein. - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP)

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags unseren ehemaligen Kollegen, den ehemaligen Ministerpräsidenten dieses Landes, Peter Harry Carstensen. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort hat der Herr Oppositionsführer, der Fraktionsvorsitzende der SPD, der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

(Zurufe SPD: Der ehemalige Finanzminister ist auch hier!)

- Vielen Dank für die Hinweise. - Gestatten Sie mir, Herr Abgeordneter, dass ich zunächst auch den ehe

maligen Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein, Herrn Möller, ganz herzlich bei uns begrüße. Ich habe ihn eben nicht gesehen. Es tut mir leid.

(Beifall)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, im Namen der SPD-Fraktion gratuliere ich Ihnen zu Ihrer Wahl.

Sie haben in diesem Haus wie auch bei den Bürgerinnen und Bürgern hohe Erwartungen geweckt. Sie haben sehr viel versprochen. Jetzt kommt es darauf an. Jetzt müssen Sie beweisen, dass Sie tatsächlich anpacken. Ab heute sind keine markigen Sprüche mehr gefragt, sondern konkretes Regierungshandeln. Im Sinne der Menschen und im Interesse unseres schönen Landes wünsche ich Ihnen dafür eine glückliche Hand.

Im Interesse der Demokratie werden wir als Oppositionsfraktion Ihre Fehler aufzeigen und eigene Ideen entwickeln.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Vier Jahre Zeit!)

Das ist unser Verfassungsauftrag. Diesen erfüllen wir selbstbewusst und ohne Larmoyanz.

Bevor ich auf Ihre Regierungserklärung in der Sache antworte, gestatten Sie mir ein paar wenige Vorbemerkungen, auch zum Zustandekommen dieser Regierungskoalition, die zu Beginn dieser neuen Legislaturperiode angebracht sind.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie waren doch gar nicht dabei!)

Wir werden die Landesregierung konstruktiv-kritisch und, wo nötig, auch hart in der Sache, aber im persönlichen Stil fair begleiten. Wir werden sie kontrollieren, kritisieren und seriöse Alternativen aufzeigen. In unserer Demokratie hat nicht nur die Regierung, sondern auch die Opposition eine wichtige Funktion.

Das gilt umso mehr, wenn auch Demokratieverächter im Parlament vertreten sind. Deshalb möchte ich zu Beginn unserer Arbeit eines deutlich klarstellen: Egal wie hart die Sozialdemokratie politisch mit der Regierungskoalition streiten mag, egal wie wir in Zukunft bei Anträgen und Gesetzentwürfen abstimmen werden - in jedem einzelnen Punkt werden wir immer näher bei der Regierungskoalition stehen als der Fraktion rechts außen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Ministerpräsident Daniel Günther)

Was uns trennt, ist größer als jede politische Meinungsverschiedenheit unter Demokraten. Wer unsere Werte und Grundvorstellungen von Demokratie und Freiheit, Teilhabe und Menschenwürde, Gerechtigkeit und Solidarität, Toleranz und Weltoffenheit nicht teilt, ist keine Alternative für Deutschland, sondern eine Schande für dieses Land. Damit wollen wir nichts gemein haben. Das werden wir auch deutlich machen.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Flemming Meyer [SSW])

Die neue Regierungskoalition übernimmt ihre Verantwortung für das Land Schleswig-Holstein zu einem glücklichen Zeitpunkt und in bester Verfassung. Bei Ihrer kurzen Antrittsrede, Herr Ministerpräsident, konnten Sie beim Ausdruck dieses Glücksgefühls gestern ein wenig weitergehen, als Ihnen das vor dem 7. Mai 2017 möglich gewesen ist. Im Übrigen war Ihre Würdigung für den scheidenden Ministerpräsidenten Torsten Albig guter Stil. Dafür bedanke ich mich.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Doch zurück zu Ihrem Glück: Der Haushalt ist saniert und eröffnet Ihnen Handlungsspielräume. Die soziale Infrastruktur gewährleistet den Zusammenhalt, und die Menschen leben eine humanitäre Grundhaltung. Das Land hat wieder ein geordnetes Verhältnis zu den Kommunen. Die tolerante und liberale Gesellschaft ist stolz auf ihre Vielfalt. Das Land ist Vorreiter bei der Umsetzung der Energiewende. Die Wirtschaft wächst und bietet gute Arbeitsbedingungen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Die Chancen auf bestmögliche Bildung für jedes Kind sind größer geworden, und erste Schritte für die Beitragsfreiheit von der Krippe bis zur Uni wurden gemacht. Das ist das Land Schleswig-Holstein, das Sie heute vorfinden. Das alles gehört zur Erfolgsbilanz der Küstenkoalition. Darauf sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stolz, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, SSW und Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Selbstverständlich hätten wir diese Koalition mit unserem Ministerpräsidenten Torsten Albig an der Spitze gern fortgesetzt. Leider haben die Wählerinnen und Wähler uns dafür keine Mehrheit in diesem Haus gegeben. Als Demokrat hat man dies zu respektieren. Ich danke Torsten Albig ausdrücklich

für die vertrauensvolle Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren. Der dritte sozialdemokratische Ministerpräsident nach Björn Engholm und Heide Simonis in der jüngeren Geschichte unseres Landes wird eine feste Größe bleiben - ein Ministerpräsident, der einen Politikstil wagte, der Menschen beteiligte und Lösungen im Dialog entwickelte, ein Ministerpräsident mit klarer Haltung, gerade dann, wenn so große Herausforderungen wie bei der Flüchtlingsbewegung zu bewältigen waren, ein Ministerpräsident, der wie kaum ein anderer für die humanitäre Ausrichtung unserer Politik stand, der den Zusammenhalt in den Mittelpunkt seiner Politik rückte. Vielen Dank an Torsten Albig und sein Regierungsteam. Diese Küstenkoalition hat weit über Schleswig-Holstein hinaus Anerkennung gefunden, auch wegen der Minderheitenbeteiligung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)