Protokoll der Sitzung vom 29.06.2017

(Kai Vogel)

Herr Kollege, das versammelte Publikum möchte sicherlich gern Ihre Ausführungen zur A 7 hören.

(Beifall Anita Klahn [FDP])

- Ja, das liegt jetzt aber an Ihren Nachfragen.

- Genau. Aber Sie haben sie provoziert.

(Heiterkeit)

Ich wollte nur noch einmal sagen, um die Grünen an der Stelle in Schutz zu nehmen: Sie müssen vielleicht beachten, dass wir zum einen ab 2018 jährlich 30 Millionen € mehr Regionalisierungsmittel vom Bund bekommen werden. Das ist der eine Punkt, den Sie bei Ihrer Betrachtung vielleicht noch nicht berücksichtigt haben. Das haben Sie nämlich gerade vergessen.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

Und ein zweiter Punkt ist, dass zudem weitere 50 Millionen € Landesmittel in das Sondervermögen MOIN.SH hineingegeben werden. Wenn Sie also die Grünen dafür kritisieren, dass sie den ÖPNV aufgegeben hätten, sollten Sie vielleicht einmal alle Zahlen im Koalitionsvertrag zum Thema ÖPNV anschauen, dann würden Sie merken, dass die Straße und der ÖPNV gestärkt werden. Das ist ein Erfolg für alle Seiten.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Vielen Dank, Herr Kollege Vogt, für den Hinweis. Ich muss allerdings sagen, dass ich ganz erstaunt darüber bin, dass Sie sich dieses Themas so intensiv annehmen, da die Fragen ausschließlich an die Grünen gerichtet waren. Ich war davon ausgegangen, dass der Kollege Tietze gegebenenfalls auch etwas dazu sagt.

(Zurufe FDP)

- Ja, es ist schön, dass Sie da in Einigkeit fungieren. Lieber Kollege Vogt, aber wenn Sie sich zu Themen äußern, bei denen Sie genau wissen, dass sie eine gewisse Brisanz bergen - das wollen wir doch nicht leugnen -, und in dem Moment den Grünen zur Seite springen, ohne dass sie sich im Vorwege äußern dürfen, finde ich das sehr spannend. Ich bin gespannt, wie man gegenseitig versucht, dem anderen eine Erklärung vorzugeben, damit die Grünen am Ende sich nicht so äußern, wie man sich das vielleicht gar nicht gewünscht hat.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber nun kommen wir - wie von Ihnen, und vielleicht vom Rest des Publikums auch, gewünscht zum Thema A 7. Der Kollege Meyer hat schon gesagt, dass jeder die Situation kennt, wenn man sich auf der Autobahn bewegt, man fährt dort entlang, hat es relativ eilig, möchte jemanden überholen, und mit einem Mal stockt der Verkehr, teilweise kommt er sogar zum Stillstand, weil ein Lkw auf der Überholspur zum Überholen angesetzt hat.

Ich nutze fast täglich die A 7, und die Zunahme des Verkehrs spürt man immer dann, wenn die wärmere Jahreszeit beginnt, so um und bei ab dem 1. Mai.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Und der Kollege Kalinka nicht auf der Straße ist, genau. Das ist die Zeit, wenn in kurzem Abstand die Feiertage aufeinanderfolgen, dann kommt es auf unseren Autobahnen zu einer Zunahme des PkwVerkehrs, sodass Staus kaum unterbleiben. Durch die immer flexibler werdenden Bettenwechsel haben sich die Urlauberverkehre deutlich in die Wochentage verlagert, an denen für uns ein zeitlich beschränktes Überholverbot zu rechtfertigen ist.

Wir finden den Vorstoß des SSW grundsätzlich richtig, denken aber, dass an vielen Tagen zwischen September und Mai ein generelles Überholverbot zu weit greift.

(Unruhe - Glocke Präsident)

Die Lkw zum Beispiel an einem Tag im Februar auf die rechte Spur zu verbannen, obwohl die linke, soweit man sehen kann, frei ist, halten wir für ein wenig zu weit gedacht und für zu unflexibel. Deswegen setzen wir auf das Prinzip der modernen elektronischen Verkehrsführung. Diese kann ich im Augenblick täglich auf der A 23 sehen und nutzen, zum Beispiel, wenn man sich Richtung Autobahndreieck Hamburg-Nordwest bewegt und sieht, dass die Geschwindigkeit kontinuierlich heruntergeregelt wird, damit man nicht so schnell auf den Stau auffährt. Ebenso gibt es Warnhinweise wegen möglichen Aquaplanings oder Nebel sowie zeitlich befristete Überholverbote.

Das Land kann diese zusätzlichen Aufbauten allerdings nicht eigenständig regeln. Deswegen bitte ich die Landesregierung, sich an den Bund zu wenden. Der Bund trägt die Ausgaben für Herstellung, die Erhaltung und den Betrieb. Das Land trägt die Personalkosten für die Operatoren in den Verkehrsrechenzentralen.

Darüber, ob ein generelles Lkw-Überholverbot immer spritsparender ist, wie du dich geäußert hast, lieber Lars Harms, lässt sich trefflich streiten. Wer

(Kai Vogel)

mit extrem hoher Geschwindigkeit auf einen Lkw auffährt und abbremsen muss, sollte sich fragen, ob er nicht zu schnell unterwegs war. Auch das lässt sich gut regulieren. Das belegen Studien über elektronische Verkehrsführung. Der Verkehrspsychologe Dr. Jens Schade von der TU Dresden sagte dazu übrigens, dass viele, statt ins Fitnessstudio zu gehen, ihren Dampf auf der Straße abließen.

Wir stimmen dem Vorschlag des SSW zu, beide Anträge an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Auch den Hinweis von Flemming Meyer, dieses Thema im Rahmen einer Anhörung zu besprechen, halten wir für sehr sinnvoll. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Dr. Andreas Tietze das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal danke ich dem Kollegen Vogel, dass er sich so mitfühlend geäußert hat und sich Gedanken gemacht hat, ob die Grünen beim Koalitionsvertrag über den Tisch gezogen worden seien. Ich kann Ihnen sagen: Das ist mitnichten der Fall. 84 % unserer Mitglieder haben diesem Koalitionsvertrag zugestimmt, so schlecht scheint er nicht verhandelt gewesen zu sein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Herr Kollege Vogel, gestatten Sie mir dazu einen Satz mit ein bisschen Rückschau: Wir hatten in unserer Koalition tatsächlich viel grüngefälligen Text und wenig Geld. Ich bin jetzt sehr froh, liebe Monika Heinold, dass wir viel Geld für den ÖPNV haben. Wir haben ein bisschen weniger Text. Ich kann aber aus grüner Perspektive durchaus zufrieden sein.

(Zuruf AfD)

Jetzt komme ich zum Überholverbot. Wir alle sitzen mitunter in einem Auto auf der Autobahn und sind in dieser Situation, dass sich zwei Lkw überholen. Der eine fährt 91 km/h, der andere 92 km/h. Es dauert ellenlang, bis der eine an dem anderen vorbeigefahren ist. Besonders intensiv erlebt man das tatsächlich auf der Strecke von Flensburg nach Kiel, da kann man es besonders gut beobachten.

Zunächst hatte ich für den Antrag des SSW eine große Sympathie, lieber Flemming Meyer. Doch ich muss sagen: Ich hatte Sympathie. Ich habe mich mit der Thematik etwas näher beschäftigt, und sie ist in der Tat komplex. Im Prinzip ist rechtswidrig, was dort auf der Autobahn passiert. Jeder Lkw, der mit 92 km/h einen Lkw mit 91 km/h überholt, begeht nach § 5 Absatz 2 der Straßenverkehrsordnung ein Ordnungswidrigkeitsverfahren und müsste mit 80 € bestraft werden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Zunächst einmal begeht er eine Ordnungswidrigkeit!)

- Ja genau, eine Ordnungswidrigkeit, wegen zu geringer Differenzgeschwindigkeit. Es ist eben eine Autobahn. Die Zeitspanne für einen Überholvorgang liegt bei maximal 45 Sekunden. Das heißt, dass ein Lkw eine Mindestgeschwindigkeitsdifferenz von 10 km/h haben muss. Wenn der eine jetzt aber 90 km/h fährt, müsste der andere mit 100 km/h überholen. Das heißt aber, dass es überhaupt nicht möglich sein wird, dass der Lkw rechtmäßig überholt.

Es geht auch um Mindestabstände. Auch das haben Sie sicherlich alle schon einmal gesehen: Wenn der Überholvorgang beendet ist, schert der Überholende ganz schnell ein. Der Kollege, der überholt worden ist, gibt ein Lichtzeichen, damit das möglichst gelingt. Auch dort kann man aber manchmal abenteuerliche Verkehrsmanöver sehen. Man fühlt sich nicht wohl, wenn man im Auto dahinter fährt.

Also ist die Frage nach einem generellen Überholverbot erst einmal nicht schlecht. Wir müssen aber fragen, ob es wirklich etwas bringt. Es ist schon angesprochen worden: Es gibt ein Vollzugsdefizit. Wir haben das Problem, dass wir nur unter 5 % des Lkw-Fernverkehrs überhaupt kontrollieren. Ich glaube daher, dass beim Überholverbot das Problem des Vollzugsdefizits diskutiert werden muss. Das ist eine vertiefende Frage.

Ich frage auch: Ist es eigentlich gefährlicher, ein Überholverbot zu haben oder nicht? Stellen Sie sich vor, wir sind in einer üblichen Montagmorgen-Situation und die Lkw kommen aus dem Logistikstandort Padborg, einer nach dem anderen, und fahren jetzt für 100 km alle hintereinander her. Was passiert denn da mit dem Pkw-Verkehr beim Einscheren auf die Autobahn?

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Dort können Unfallsituationen entstehen. Der Vordermann fährt hinter einer Wand. Sie müssen sich das einmal vorstellen: Wir provozieren durch die

(Kai Vogel)

gute Absicht, die wir mit diesem Überholverbot haben, Situationen, die den Verkehr beeinträchtigen können. Das würde ich gern einmal vertiefend betrachten.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Abgeordneten Dr. Dolgner?

Ja, Herr Dolgner wird jetzt sicherlich vortragen, warum das nicht geht, was ich vorgeschlagen habe.

(Heiterkeit)

Gestatten Sie die Zwischenfrage oder nicht?

Herr Dolgner, bitte.

Ich bin total neugierig. In Ihrem Kreis gibt es ja wenige Autobahnen. Vielleicht haben Sie daher nicht viel Erfahrung. Ich habe meine Erfahrungen auf der A 7 gemacht und hatte bisher nicht den Eindruck, dass die Lkw-Fahrer überholen, um den Pkw-Fahrern das Einscheren bei den Auffahrten zu erleichtern. Wäre es dann nicht sinnvoll, bevor eine Einfahrt kommt, ein Schild aufzustellen: Alle Lkw-Fahrer bitte nach links?

Herr Dolgner, ich kann Ihnen jetzt nicht folgen.