tag mit 16 Jahren. Ich persönlich finde es zwar konsequent, das aktive und das passive Wahlalter nicht voneinander zu trennen. Dies wirft aber neue rechtliche Problemlagen auf.
- Zum Beispiel! In Bayern allerdings nicht; dort muss man mindestens 40 Jahre alt sein, um Ministerpräsident werden zu können.
In rechtsstaatlicher Hinsicht stelle ich es mir schwierig vor, dass 16-jährige Bundestagsabgeordnete darüber entscheiden müssen, ob wir unsere Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan oder Mali schicken, wohingegen sie selbst sich nicht einmal bei der Bundeswehr einschreiben dürften.
- Mit 16 aber nicht. - Beim Bundestag gibt es einen Fahrerservice. Das aber zu später Stunde die oder der Abgeordnete von Mama oder Papa vom Reichstag abgeholt werden müsste oder einen Mutti-Zettel vorzulegen hätte, verdeutlicht die Problematik, die wir bei diesem Antrag sehen.
Daher bedarf der vorgelegte Antrag der SPD-Fraktion der weiteren Beratung - voraussichtlich auch der Veränderung - im Innen- und Rechtsausschuss, gern auch unter Hinzunahme des Sozialausschusses. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Das Wort für die AfD-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Sayn-Wittgenstein zu ihrer ersten Rede.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Winston Churchill sagte einmal: Wer mit 20 nicht Kommunist ist, hat kein Herz, und wer mit 40 noch Kommunist ist, keinen Verstand.
Der britische Staatsmann wusste genau, dass in Jugendjahren impulsive und teils irrationale Entscheidungen getroffen werden, auch in politischer Hinsicht.
Doch bevor ich auf die juristische Ebene zu sprechen komme, sei eine Studie der Universität Hohenheim genannt, die konstatiert, dass Jugendliche unter 18 Jahren ein signifikant geringeres Interesse an Politik und Wahlen aufweisen als junge Personen über besagter Altersgrenze.
Ich stimme hier dem Bundestagsabgeordneten Paul Lehrieder, CSU, zu, der in einer gleichlautenden Debatte im Bundestag im Jahr 2014 äußerte:
„Fakt ist: Wahlen sind kein Spiel. Ihr Ergebnis muss auf einen öffentlichen, nach Möglichkeit mit rationalen Argumenten zu führenden Diskurs zwischen Wählern und zu Wählenden zurückführbar sein. Das Wahlrecht setzt die Fähigkeit voraus, an einem solchen Kommunikationsprozess mit einigem Verständnis teilzunehmen. …
Ein solcher Grad an Verstandesreife kann typischerweise bei den über 18-Jährigen leichter vorausgesetzt werden, bei den 16- und 17-Jährigen noch nicht in demselben Umfang.“
Meine Damen und Herren, mir geht es gewiss nicht um die Angst, nach Herabsetzung des Wahlalters würden die Stimmen zu den linken Parteien wandern - ein Umstand, der von Wahlanalysen ohnehin nicht gestützt wird.
Aber zu dem entscheidenden Punkt: Juristen sprechen von der Notwendigkeit der Einheit der Rechtsordnung. Das heißt, die geltende Rechtsordnung darf sich in den Rechtsnormen und Gesetzen nicht widersprechen. Das Grundgesetz regelt in Artikel 38 Absatz 2 eindeutig, dass wahlberechtigt ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat.
Aus gutem Grund haben sowohl Bürgerliches Gesetzbuch als auch das Strafrecht jungen Staatsbürgern erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres die volle Verantwortung für ihr Handeln übertragen. Auch galt die - leider abgeschaffte - Wehr- oder Ersatzdienstpflicht ab 18 Jahren. Mit Vollendung des 18. Lebensjahres sind junge Menschen voll geschäftsfähig. Alle rechtlichen Beschränkungen, denen Minderjährige unterliegen, fallen weg. Auch das passive wie das aktive Wahlrecht werden erlangt.
Die Gewährung voller staatsbürgerlicher Rechte geht in unserer Rechtsordnung einher mit den genannten staatsbürgerlichen Pflichten. Die Wahlmündigkeit und die Vollmündigkeit stehen in engem Verhältnis zueinander.
In der verfassungsrechtlichen und auch der entwicklungspsychologischen Diskussion ist die fehlende Mündigkeit der unter 18-Jährigen ein wiederkehrendes Moment gegen eine Absenkung des Wahlalters. Gestützt wird diese Argumentation von der gerichtlichen Praxis. Aus der Auswertung der Verurteilungszahlen wird ersichtlich, dass ein Großteil der verurteilten Straftäter in der Altersgruppe der 18- bis 21-Jährigen, jener Altersgruppe also, der das Wahlrecht ohnehin zusteht, mangels sittlicher Reife nach Jugendstrafrecht verurteilt wird.
Der Verfassungsrechtler Reinhard Mußgnug hat über diese Herabsetzung des Wahlalters zu Recht geurteilt:
„Ein Wahlrecht, das auch die unmündige Jugend mitbestimmen lässt, wer das Volk repräsentieren soll, gibt der Legitimation der Staatsgewalt durch den Zufall Raum. Es degradiert die Wahlen zum Ringen um die Stimmen der Halbwüchsigen. Die Wahlen verkommen zum Infotainmentspiel, bei dem gewinnt, wer die beste Show abzieht.“
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vieles ist vorhin schon richtig gesagt worden - außer natürlich von meiner Vorrednerin. Aber in der Tat bedarf es einer Grundgesetzänderung, wollte man das Wahlrecht für Jugendliche unter 18 Jahren auf Bundesebene einführen. Das ist eine große Herausforderung; dennoch ist es in Ordnung, dass man sich dieser Herausforderung stellen will. Insofern bin ich dankbar für den Vorschlag der SPD-Fraktion; denn aus unserer Sicht haben wir mit dem Wahlrecht ab 16 Jahren auf Landesebene recht gute Erfahrungen gemacht.
Das meine ich jetzt nicht parteipolitisch; denn die Stimmen waren im gesamten politischen Spektrum sehr gut verteilt und sind weder nach links noch nach rechts gewandert. Das war ganz okay. Darum geht es auch gar nicht. Vielmehr geht es darum, dass wir Menschen beteiligen, von denen wir denken, dass sie in der Lage sind, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Ich weiß, dass Jugendliche im Regelfall schon mit 16 Jahren in der Lage sind, vernünftige politische Entscheidungen zu treffen. Vor diesem Hintergrund ist es dann auch politische Aufgabe, darüber nachzudenken, wie man dies ermöglichen kann.
Sehen wir uns die Wahlbeteiligung an. Bei unserer letzten Landtagswahl - sie ist noch nicht lange her sind 46 % der erstmals Wahlberechtigten Nichtwähler geblieben. Andersherum gesprochen: 54 % sind zur Wahl gegangen. Das ist eine kleine Mehrheit, natürlich kein so großer Part der Altersgruppe wie bei den ganz Alten - in dieser Gruppe gehen wesentlich mehr zur Wahl -, aber es ist immerhin ein Anfang. Und die Beteiligung der 16- bis 18-Jährigen war größer als die der 20- bis 25-Jährigen. Dies ist unsere Problemgruppe. Diese Gruppe bleibt zu Hause.
Insofern ist dies, wie ich finde, etwas Erfolgreiches. Aus anderen Bundesländern, aus Brandenburg und aus Bremen, hört man die gleichen Zahlen und erfährt von den gleichen Effekten. Vor diesem Hintergrund ist das meiner Meinung nach keine schlechte Idee.
Was spricht eigentlich dafür, meine Damen und Herren, und welche Erfahrungen haben wir gemacht? Bei der vorletzten Landtagswahl haben wir mit der Juniorwahl in ganz wenigen Schulen begonnen, haben dann allerdings Geld hineingesteckt, damit mehr möglich gemacht werden konnte. Die Diskussionen und die Veranstaltungen, die an den Schulen liefen, wurden insbesondere dadurch gepusht, dass es nunmehr Schüler gab - im Übrigen auch schon in den 10. Klassen -, die zum ersten Mal das echte Recht hatten, zur Wahl zu gehen. Das führte automatisch dazu, dass auch die jüngeren Jahrgänge bei den Juniorwahlen entsprechend motiviert mitgemacht haben, weil sie gesehen haben: Es dauert nicht mehr lange, dann darf ich auch! Das ist, finde ich, ein schöner Effekt.
Ich denke - auch das ist wichtig -, wenn wir über Demografie und Generationengerechtigkeit reden, dann geht es auch um die Beteiligung der Generationen. Meine Generation ist super beteiligt. Ich darf alles mitmachen. Ich bin überall dabei und beim Wahlrecht sowieso. Menschen, die etwas jün
ger sind als ich und die ich, wenn ich 16-jährig wäre, inzwischen auch als alt bezeichnen würde, dürfen das auch alles. Aber jene, für die wir eigentlich Politik machen, jene, über dessen Zukunft wir jetzt entscheiden müssen, dürfen nicht mitreden. Das kann es eigentlich nicht sein.
Wir müssen vielmehr eine Balance zwischen der älteren und der jüngeren Generation finden, was die Einflussmöglichkeiten angeht. Wenn es nur immer darum geht, dass ich die Älteren davon überzeugen muss, etwas für die Jüngeren zu tun, dann ist das nicht richtig. Die Jüngeren müssen auch eine relevante Gruppe sein. Sie müssen eine Gruppe sein, für die es sich „politisch“ lohnt zu kämpfen. - Für uns überzeugte Demokraten lohnt es sich sowieso. Aber manchmal muss eine Partei auch einen Sinn darin sehen, dort noch Stimmen fischen zu können, um auch in diesem Bereich richtig Gas zu geben.
Das spricht auch dafür, dass wir auf Bundesebene und bei Europawahlen das Wahlrecht mit 16 einführen.
Es gibt noch ein, wie ich finde, sehr skandinavisches Argument. In Skandinavien argumentiert man immer mit den Steuern. Man sagt immer: Derjenige, der Steuern zahlt, soll auch darüber mitbestimmen können, was mit dem Geld passiert.
Meine Damen und Herren, auch Jugendliche zahlen schon Steuern. Sie dürfen als Lehrlinge die Kohle abdrücken, aber nicht im Mindesten mitreden, was mit diesem Geld geschieht. Auch das ist für mich ein schwerwiegendes Argument dafür, dass auch Jugendliche mitmachen können sollten.
Ein Letztes. Das ist eigentlich das wichtigste Argument und kann fast schon ohne irgendetwas stehen bleiben: Junge Menschen müssen sich auch mit der Demokratie identifizieren können - wie im Übrigen jeder Mensch. Aber die Grundlage für diese Identifikation ist, dass man mitmachen darf. Und mitmachen ab 16 wäre eine tolle Sache.
Bevor wir zu den Dreiminutenbeiträgen kommen, begrüßen Sie ganz herzlich mit mir auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der PoulDue-Jensen-Schule aus Wahlstedt. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!