Protokoll der Sitzung vom 13.06.2018

betrachten und entsprechend einordnen. Ganz offensichtlich versucht die SPD hier, den Schwarzen Peter anderen zuzuschieben, um von der eigenen Verantwortung in dieser Sache abzulenken. Das war auch in Ihrer Rede, Herr Dr. Stegner, deutlich zu merken.

Wenn es tatsächlich am Ende in Kiel diese Fahrverbote geben sollte - diese Gefahr lässt sich leider nicht hundertprozentig ausschließen, wie in der letzten Woche das Beispiel der Stadt Aachen gezeigt hat, wo aufgrund einer Klage der Deutschen Umwelthilfe jetzt per Gerichtsbeschluss zum 1. Januar 2019 Dieselfahrverbote angeordnet werden, weil die von der Stadt Aachen ergriffenen Maßnahmen dem Gericht als nicht ausreichend erschienen -, ist mit Sicherheit nicht Umweltminister Robert Habeck daran schuld. Es ist mit Sicherheit auch nicht die Jamaika-Koalition daran schuld, die jetzt hier seit einem Jahr in Schleswig-Holstein regiert.

(Vereinzelter Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielmehr müssen wir uns die Frage stellen: Welche Verantwortung tragen in den letzten Jahren die SPD-Oberbürgermeister in Kiel? - Das Gleiche gilt auch für die SPD-Ratsfraktion in Kiel, die seit 2008 durchgängig stärkste politische Kraft in der Kieler Ratsversammlung ist. Im Rahmen der Kommunalwahl in diesem Frühjahr in Kiel flächendeckend zu plakatieren, dass man als SPD gegen Fahrverbote sei, macht die Versäumnisse der letzten Jahre - im Grund genommen muss man von einem Jahrzehnt sprechen - leider nicht wett.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Stickstoffdioxidgrenzwert von 40 µg/m3 gilt ja nicht erst seit gestern oder seit ein paar Wochen oder Monaten. Vielleicht haben Sie jetzt erst davon erfahren, Herr Dr. Stegner. Tatsächlich ist er bereits seit dem 1. Januar 2010 in Kraft. Der SPD-Oberbürgermeister zu damaligen Zeit war übrigens ein gewisser Torsten Albig.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Wer ist das? Den kennen wir nicht!)

Seit über acht Jahren wäre also Gelegenheit dazu gewesen, diesem Problem wirksam zu begegnen. Leider ist aber in diesen acht Jahren viel zu wenig und auch viel zu spät geschehen.

(Der Redner hält inne - Beate Raudies [SPD]: Eine Denkpause?)

(Tobias Koch)

- Ja, vielen Dank.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Die würde Ihnen guttun!)

Bei der Frage der Standorte der Luftmessstationen bin ich durchaus der gleichen Auffassung wie Oberbürgermeister Kämpfer, das habe hier bereits im März in der Landtagsdebatte deutlich gemacht. Diese kritischen Fragen aber zum jetzigen Zeitpunkt zu stellen, kommt leider viel zu spät, denn nun sind ja bereits die Klagen bei Gericht anhängig. Die Fragen hätten richtigerweise im Mai 2011 gestellt werden müssen. Damals ist nämlich diese Luftmessstation direkt auf dem Gehweg des Theodor-Heuss-Rings, unmittelbar an der Gebäudefront, aufgestellt worden. Im Jahr 2011, Herr Dr. Stegner, hätte man also fragen müssen. Oberbürgermeister der Stadt Kiel war auch damals Torsten Albig.

Die Jamaika-Landesregierung sorgt jetzt dafür, dass Kreuzfahrtschiffe in Kiel endlich einen Landstromanschluss bekommen.

(Beifall CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gleiche hätte doch in den letzten fünf Jahren während einer SPD-Regierungszeit geschehen können, Herr Dr. Stegner. Auch zu den von Ihnen angemahnten Förderprogrammen für E-Mobilität und Radfahrer: All das hätten Sie doch in eigener Regierungsverantwortung als heimlicher Regierungschef machen können. Das Tragische daran ist, dass es nach den Versäumnissen als Oberbürgermeister wiederum Torsten Albig als Ministerpräsident war, der in dieser Hinsicht überhaupt nicht tätig geworden ist.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

In den letzten Jahren seit 2010 wäre dazu ausreichend Zeit gewesen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Der Kollege hat schwach begonnen und wird immer schlech- ter!)

- Vielen Dank für diese aufmunternden Worte, Herr Kollege. Ich setze gern fort.

(Beifall FDP)

Ich will noch darauf hinweisen, dass Ulf Kämpfer mittlerweile seit vier Jahren Oberbürgermeister in Kiel ist. Erst mit Beginn dieses Jahres haben die Kieler Verkehrsbetriebe angefangen, ihren Fahrzeugpark auf Elektrohybridfahrzeuge umzurüsten und das anfänglich mit ganzen zehn Bussen, die angeschafft werden. Auf diese Weise wird es nicht

gelingen, Diesel-Fahrverbote in Kiel zu vermeiden. Deshalb sage ich: Es ist jetzt originäre Aufgabe des Oberbürgermeisters und der Ratsfraktionen, weitere Maßnahmen zu benennen, mit denen die Stickstoffdioxidbelastung reduziert werden kann, die Anwohner geschützt werden können und Dieselfahrverbote vermieden werden können.

(Unruhe SPD)

Alle sachdienlichen Vorschläge, die dazu von der Stadt gemacht werden, können in den Luftreinhalteplan des Umweltministeriums eingearbeitet werden. Ich bin mir sicher, dass die Landesregierung ihr Möglichstes tun wird, um die Stadt Kiel dabei zu unterstützen. Aktuelle Stunden zu angeblichen Drohungen helfen dagegen überhaupt nicht weiter. Was die SPD-Fraktion hier betreibt, ist nichts anderes als Spiegelfechterei. Der Lösung des Problems kommen wir damit keinen einzigen Schritt näher. Deshalb sage ich noch einmal ganz deutlich: Sie versuchen nur, von Ihrer eigenen Verantwortung abzulenken. Mit jedem Finger, mit dem Sie auf die Landesregierung zeigen, zeigen mindestens drei Finger auf Sie zurück. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Fraktionsvorsitzende, die Frau Abgeordnete Eka von Kalben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir gerade einmal vorgestellt, ich wäre Anwohnerin oder Anwohner am Theodor-Heuss-Ring und würde heute Morgen ParlaTV anmachen - was sehr unwahrscheinlich ist, weil das so wenige machen. Ich würde es zu diesem Zeitpunkt auch nicht vorschlagen wollen. Ich wäre, ehrlich gesagt, total genervt von dieser Debatte.

(Beifall Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Allein schon der Titel „Keine Drohung mit Fahrverboten durch die Landesregierung!“ ist wahrlich martialisch. Ich würde einmal sagen: In den letzten Tagen zu viel „Tagesschau“ geguckt.

(Zuruf CDU: „Bild“-Zeitung!)

Es geht hier nicht um Drohungen, liebe SPD, sondern darum, wie wir ein ernsthaftes Problem in den Griff bekommen. SO2 ist ein gesundheitsschädli

(Tobias Koch)

ches Reizgas. Die Anwohnerinnen und Anwohner haben ein Recht auf saubere Luft.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Hans- Jörn Arp [CDU])

Die Industrie hat die Autofahrer und die Anwohner betrogen. Die Bundesregierung ist indifferent und kommt nicht aus dem Quark. Das ist das Problem.

(Beifall Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Die Länder und Kommunen haben jetzt den Schwarzen Peter. Sie haben die Aufgabe, das geltende Recht umzusetzen - übrigens Recht, das vom Gesetzgeber zum Schutz der Bevölkerung geschaffen wurde und das wir als europafreundliche Parteien auch umsetzen wollen. - Ich gehe zumindest davon aus.

Wo kämen wir denn hin, wenn sich dann die Exekutive einen schlanken Fuß machte und sagte: „Na ja, das ist ja so schwierig, das Recht umzusetzen, und es ist unpopulär, wir machen einmal nichts und können abwarten, bis die Gerichte entscheiden“? Das tun sie ja zurzeit schon. Ja, das Umweltministerium hat frühzeitig ein Arbeitspapier vorgelegt, das erste Optionen aufzeigt. Ja, eine davon, wenn alles andere nicht greift, wäre auch ein Fahrverbot nicht mehr und nicht weniger. Das ist angesichts der Lage sicherlich nicht zu früh.

Man kann nicht jetzt Transparenz fordern und sagen, die Akteure müssten frühzeitig eingebunden werden. Von frühzeitig kann man - wir haben davon schon gesprochen - in dieser Situation nicht sprechen. Wir alle - auch wir als Grüne, auch wir in der Küstenkoalition - haben gewusst, dass die Messwerte zu hoch sind.

Auch wir wussten in dieser schwierigen Lage letztendlich nicht, wie wir damit umgehen sollten; denn ein Fahrverbot würde dazu führen, dass die Leute Umwege fahren. Das hilft der Umwelt und dem Klima insgesamt überhaupt nicht, außer dass es den Anwohnerinnen und Anwohnern dazu verhilft, dass sie nicht allzu gesundheitsschädliche Emissionen haben.

Das ist in der Tat ein ernsthaftes Problem. Natürlich müssen wir noch viel mehr in Sachen Elektromobilität, in Sachen ÖPNV machen. Aber insoweit sind nun wirklich nicht die Grünen die Bremser gewesen, weder in der vorherigen noch in der jetzigen Regierung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es verunsichert, wenn Sie hier von Drohungen und von Verunsicherung sprechen. Verunsichert, lieber Herr Stegner, sind die Menschen, seit deutlich geworden ist, dass sie von der Automobilindustrie veräppelt werden, egal ob in Niedersachsen oder in anderen Bundesländern. Verunsichert sind die Menschen, weil die Bundesregierung - hier spreche ich auch unseren Koalitionspartner an - nicht dafür sorgt, dass die Nachrüstung der betroffenen Fahrzeuge finanziert wird. Das verunsichert doch die Dieselfahrerinnen und Dieselfahrer.

Verunsichert sind die Menschen auch, wenn hier gerechnet wird, wie viel verunreinigte Luft noch zumutbar ist. Meine Damen und Herren, es geht nicht um Mathe oder um Statistik, es geht auch nicht nur um Grenzwerte, es geht um Menschen und deren Gesundheit. Deshalb dürfen wir die Grenzwerte auch nicht den Bedürfnissen der Automobilindustrie anpassen, sondern wir müssen die Verkehrspolitik und die Mobilität den Bedürfnissen der Menschen und der Umwelt anpassen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, ich habe es schon gesagt: Fahrverbote können ökologisch von Nachteil sein, aber trotzdem gilt EU-Recht. Wir hier im Landtag wollen dieses Recht umsetzen.

Die Politik muss die Industrie an die Kandare nehmen und Hardware-Nachrüstungen verlangen. Wenn wir das Thema Hardware-Nachrüstung aussitzen und Fahrverbote drohen und den Gerichten das Heft des Handelns überlassen, dann, meine Damen und Herren, ist das ein Konjunkturprogramm für Populisten, weil dann nämlich nicht mehr die Politik das Heft des Handelns in der Hand hat, sondern wir das den Gerichten überlassen. Und das ist falsch, meine Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Herr Habeck hat gehandelt. Das MELUND hat der Stadt Kiel ein Arbeitspapier übermittelt und Vorschläge unterbreitet, Vorschläge, die zum Beispiel auch die Gutachter in Kiel in ihre Untersuchungen einbeziehen können. Wer kritisiert, dass das vorschnell gewesen sei, hat, glaube ich, echt die Zeichen der Zeit nicht verstanden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)