Protokoll der Sitzung vom 15.06.2018

Am Freitag der vorigen Woche überraschte der Schulleiter der Stiftung Louisenlund, Herr Dr. Peter Rösner, auf dem Schlei-Forum mit der Nachricht, dass die hauseigene Schule im Rahmen der eigenen Meeresforschung viele Monate vor der medialen Welle bereits Plastikteile in der Schlei gefunden habe.

Die Kollegen hätten nur nicht gewusst, wie man dieses Plastik zuordnen sollte.

Wie sich nun herausstellt, gelangten Plastikreste als Schreddergemisch mit Lebensmittelresten in den Faulschlammprozess der nahen Kläranlage. Von dort gelangte das Plastik dann irgendwie in das Gewässer. Sehr geehrter Minister Dr. Habeck, Sie sprachen sich vor rund drei Monaten in einer Talkshow für die konsequente Trennung von Lebensmitteln und Plastik aus. Das ist, glaube ich, auch hier Konsens. Sie blieben aber bezüglich des Plastikmüllskandals in der Schlei noch stumm. Mit einer Stellungnahme haben Sie recht lange auf sich warten lassen. Frau Kabel aus Ihrem Ministerium sagte anlässlich eines ähnlichen Vorfalls in Mecklenburg-Vorpommern vor drei Jahren, der hiesigen Landesregierung seien keine Kontaminationsfälle bekannt. - Jetzt haben wir einen solchen Fall, und

man fragt sich, ob und inwiefern die Regierung zwischen 2015 und 2018 Vorsorgemaßnahmen ergriffen hat, um so etwas zu verhindern. Wie es aussieht, hat das Umweltministerium das Kind erst in den Brunnen fallen lassen, statt vorzusorgen.

Bereits im November letzten Jahres haben wir hier in diesem Hohen Haus eine Debatte zu einem europaweiten Verbot von mikroplastikhaltigen Kosmetika, Wasch-, Reinigungs- und sonstigen Verbrauchsmitteln geführt. Die AfD-Fraktion hat diesen Antrag unterstützt, und im Sinne eines vorsorgenden Umweltschutzes unterstützt die AfD-Fraktion auch diesen Antrag mit dem Ziel einer konsequenten Trennung von Kunststoffen von Lebensmittelabfällen. Die weiteren in diesem Antrag genannten Ziele - die Vermeidung von Abfall, die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung generell - unterstützen wir ebenso gern. Wir freuen uns auf die Beratung im Ausschuss.

(Beifall AfD - Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen heute in der Sache abstimmen!)

War das ein formeller Antrag auf Ausschussüberweisung, Herr Schnurrbusch? Es ist eigentlich beantragt worden, in der Sache abzustimmen.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Das habe ich nicht gehört, dann gern in der Sache abstim- men!)

- In Ordnung.

(Christopher Vogt [FDP]: Nicht mit der Prä- sidentin anlegen! Die Präsidentin schläft nie! - Volker Schnurrbusch [AfD]: Das habe ich jetzt gelernt!)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Verunreinigung und Vermüllung der Schlei durch Plastikteilchen hat in SchleswigHolstein eine alte Debatte neu in Gang gesetzt. Alt ist die Debatte, weil Plastikmüll oder die Vermeidung vom Plastikmüll kein neues Thema ist. Neu hingegen ist, dass wir guten Glaubens waren, dass in den Bioabfall auch nur Abfälle tierischer oder pflanzlicher Herkunft gehören. Seit den Funden in der Schlei wissen wir, dass dies nicht so ist. Es gibt nämlich eine Lücke im System, die es zulässt, dass

(Volker Schnurrbusch)

Bioabfälle mit bis zu 0,5 % der Trockensubstanz Fremdstoffe aufweisen dürfen - so steht es in der Bioabfallverordnung. Gleiches gilt nach der Düngeverordnung für Gärreste und Komposte. Was seinerzeit zum Schutz der Wirtschaft gedacht war - also um Betriebe zu schützen, die Fremdstoffe versehentlich beigemengt haben -, wird nun ausgenutzt und ausgereizt. Sortiermaßnahmen werden auf das Notwendigste reduziert. Heute stellen wir fest: Das ist ein Fehler im System.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diesen Fehler will Jamaika nun beheben. So verstehe ich den vorliegenden Antrag mit den beiden Punkten zur Bioabfall- und Düngeverordnung.

Richtig ist, dass etwas geändert werden muss. Ich sehe aber die Gefahr und möchte darauf aufmerksam machen, dass wieder Lücken entstehen können, die wir heute noch gar nicht erahnen können. Damit meine ich die unter Punkt 1 geschaffene Ausnahmeregelung, denn die Beimengung von Kunststoffen soll nur untersagt werden, wenn organische Abfälle dem Stoffkreislauf zugeführt werden. Im Umkehrschluss heißt das: Organische Abfälle, die nicht dem Stoffkreislauf zugeführt werden, können weiterhin mit Fremdstoffen vermengt werden. Hier schaffen wir vielleicht eine neue, unnötige Lücke, die eventuell ausgenutzt werden kann.

Punkt 2 des Antrages lässt auch einen Spielraum zu. Der Kunststoffanteil soll demnach „auf das technisch mögliche Minimum und somit gegen null reduziert werden“. Ich halte diese Formulierung für zu schwammig, denn was ist mit „gegen null“ gemeint? Wieviel weniger als 0,5 % Kunststoffanteile dürften demnach in den Gärresten und Komposten drin sein? Nach den bisherigen Erfahrungen, die wir mit Plastikteilchen in der Schlei gemacht haben, hätte ich mir hier eigentlich eine deutlichere Aussage gewünscht, die keinen Spielraum für Interpretationen zulässt. Bioabfall ist Bioabfall Schluss, aus und nichts anderes!

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dennys Bornhöft [FDP])

Gleichwohl ist die Zielsetzung des Antrags absolut richtig. Es muss darum gehen, Plastikeinträge in die Umwelt zu vermeiden. Ein erster wichtiger Schritt dahin wurde jüngst bei der Umweltministerkonferenz in Bremen gemacht. Das ist auch gut so, denn bisher waren die Signale aus Berlin zu diesem Thema eher sehr verhalten. Auch ich möchte mich

beim Umweltminister für seinen Einsatz bedanken. Es ist gut, dass hier endlich etwas geschieht.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt FDP)

Mit dem letzten Absatz des Antrags greift die Koalition einen weiteren Punkt auf, der im Zusammenhang mit verpackten Lebensmitteln steht. Es geht schlicht darum, dass immer mehr abgelaufene Lebensmittel mit ihren Plastikverpackungen weggeschmissen werden. Das ist ein großes Rad, an dem gedreht werden muss. Zum einen hat der Handel als Anbieter eine Verantwortung, der er sich vielleicht auch bewusst ist. Er ist aber auch bestrebt, alle Produkte bis kurz vor Ladenschluss vorzuhalten, damit auch der späte Kunde das Geschäft zufrieden verlässt. Darum kann letztendlich nur ein Erfolg erzielt werden, wenn sich auch das Bewusstsein und Kaufverhalten der Verbraucher - also von uns allen - ändert.

Die Ursachen zu ergründen ist wichtig. Wichtiger ist jedoch, Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, die einer solchen Lebensmittelverschwendung entgegenwirken. Bund und Länder sind gemeinsam gefordert, das Problem der Lebensmittelverschwendung ernsthaft anzugehen. Richtig ist: Es gibt eine nationale Strategie zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung. Das langfristige Ziel dieser Strategie ist, bis 2030 die Verschwendung um 50 % zu reduzieren. Die Frage ist aber doch: Wer weiß davon? Wenn man es mit einer solchen Strategie ernst meint, die als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen ist, muss man sie auch entsprechend bewerben. Ich glaube, hier gibt es weiß Gott noch viel zu tun. - Jo tak.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, FDP und Volker Schnurr- busch [AfD])

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Dr. Robert Habeck.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich ausdrücklich für die solidarische und konstruktive Debatte. Man könnte hier auf die Idee kommen: Wenn sich hier alle einig sind, warum diskutieren wir das? - Das wäre aber falsch, denn die Geschlossenheit in diesem Hohen Haus

(Flemming Meyer)

entspricht nicht der politischen Gefechtslage auf Bundesebene und auch nicht der auf europäischer Ebene. Insofern hat Schleswig-Holstein in der Tradition, die Sandra Redmann angesprochen hat, als Land zwischen den Meeren und als Land, das die Vermüllung und Plastikverseuchung - so muss man es eigentlich nennen - der Meere immer adressiert hat, jetzt auch vor dem Hintergrund der Schlei eine besondere Rolle und nimmt diese besondere Rolle auch wahr.

Da hilft fraktionsübergreifend artikulierte Unterstützung bei den Diskussionen auf Bundesebene. Deshalb danke ich dem Haus, dass es diesen Antrag gibt, und ich danke auch für die Art, wie hier darüber diskutiert wird.

(Beifall)

Erlauben Sie mir kurz einige Anmerkungen, denn mehr ist in dieser Sache vielleicht gar nicht notwendig, weil hier das Einvernehmen sehr groß war.

Lieber Flemming Meyer, ich verstehe den Antrag so, dass das, was Sie intendieren, gemeint und eigentlich auch beinhaltet ist. Wir haben viel darüber diskutiert, dass wir die Klärschlammausbringung untersagen wollen. Bei der Verbrennung ist es okay, da ist es nicht wichtig, ob da noch Fremdbestandteile dabei sind.

Auch die Formulierungen in Punkt 2 „auf das technisch mögliche Minimum und somit gegen null“ ist meiner Meinung nach sehr weitgehend, denn - und darauf hat Herr Bornhöft hingewiesen - wir werden es wahrscheinlich nicht erreichen können - das zeigt im Grunde die ganze Problematik -, völlig auf null zu kommen, weil Plastik eben überall zu finden ist. Selbst wenn man wirklich auf null gehen will, wird es immer Restbestandteile geben. Ich allerdings hätte in der Formulierung Null gesagt, wissend, dass man dann in der Genehmigung immer mit einer Restunsicherheit wird leben müssen. Ich lese aber auch den Antrag so, dass die strengstmöglichen Regelungen gefordert werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW - Zuruf: So ist es!)

Ich will kurz auf das Problem, das an der Schlei deutlich geworden ist, eingehen: Es ist meiner Ansicht nach ein politischer Fortschritt, dass sich die Umweltministerkonferenz - die entscheidet immer einstimmig - dieser Problemsicht angeschlossen hat und damit in gewissem Sinne der Bundesregierung widerspricht. So ist es folgendermaßen aufzulösen: Es gibt keine Trennungsvorschrift am Anfang der Kette. Organische Materialien - also verarbeitete

Lebensmittel, die verpackt sind - müssen nicht von der Verpackung getrennt werden. Es gibt ein Gebot, das ist aber - deshalb ist die Formulierung hier wieder aufgetaucht - daran gebunden, dass es wirtschaftlich zumutbar und technisch möglich sein soll. Das heißt - so wird es von der Firma REMONDIS und den anderen Verarbeitern interpretiert -, dass das wirtschaftlich günstigste Instrument, das anfängliche Vermengen und das hydraulische Trennen zulässig ist. Es ist genau, wie Heiner Rickers es gesagt hat, wer sich das einmal bei Youtube ansehen will, muss das entsprechende Stichwort nur eingeben, es ist schon ziemlich widerlich und unverständlich, wenn man das sieht, aber das ist jedenfalls das, was offensichtlich unter diese Formulierung „wirtschaftlich zumutbar und technisch geboten“ fällt. Jedenfalls gibt es keine klare Rechtsvorschrift, die es am Anfang der Kette untersagt, diese Lebensmittel mit den Plastikbestandteilen zu vermengen. Da setzen wir an.

Allerdings gibt es eine wahrscheinlich sehr gut gemeinte, aber völlig unzureichende Vorschrift bei der Ausbringung von organischem Material, nämlich dass der Fremdstoffgehalt 0,5 % der Gewichtstrockenmasse betragen kann. In dem Zusammenspiel von beiden Rechtsnormen, der zu schwachen am Anfang und der zu großen Interpretationsmöglichkeit am Ende, ergibt sich das Problem bei der Ausbringung der Lebensmittel. Wahrscheinlich hat der Gesetzgeber, als er das einmal formuliert hat, gedacht: Na ja, irgendein Restbestandteil wird es immer geben. - Aber er hat nicht damit gerechnet und vielleicht auch nicht damit rechnen können, dass es zur technischen Normalität wird, erst Plastik unterzumengen - im Vertrauen darauf, dass am Ende alles herausgefiltert wird -, um die Rechtsnorm völlig auszuschöpfen.

Um einmal Zahlen zu nennen, was das eigentlich bedeutet: Wir haben in Schleswig-Holstein ungefähr - das ist Wirtschaftsgut, deswegen gibt es keine klare Erfassung - 150.000 t organisches Material, das ausgebracht wird, was unter die Düngeverordnung und die Bioabfallverordnung fällt, und damit 0,1 % verformbares Plastik oder 0,5 % Reststoffe, nämlich Fremdstoffe, enthalten könnte, die legalerweise ausgebracht werden können. Das sind in Summe für das verformbare Plastik 150 t, die jährlich rausgehen können und - bezogen auf die 0,5 % - 750 t Plastikgranulat, das legal in Schleswig-Holstein ausgebracht werden kann. Der Antrag sagt: Das kann nicht richtig sein. Das muss unterbunden werden. - Er sagt zu Recht: Schließt die Lücke am Anfang, sorgt dafür, dass es ein strenges Gebot gibt; organisches Material muss von den Ver

(Minister Dr. Robert Habeck)

packungsmaterialien getrennt werden, und sorgt dafür, dass am Ende die Richtwerte strenger werden so streng, wie es geht. Das sind die richtigen Ansätze.

Ich freue mich über die Unterstützung und werde jetzt die Bundesratsinitiative starten, die die Umweltministerkonferenzbeschlüsse versucht, in eine Rechtsnorm auf Bundesebene zu gießen. - Vielen Dank.

(Beifall im ganzen Haus)

Der Minister hat die vorgesehene Redezeit im Großen und Ganzen eingehalten.

(Heiterkeit)

- Sie runden auch nicht anders.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, über den Antrag Drucksache 19/740 (neu) in der Sache abzustimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 19/740 (neu) einstimmig angenommen.

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Haltungskennzeichnung für Fleisch- und Milchprodukte einführen