Protokoll der Sitzung vom 15.06.2018

Damit hat der Kollege das Wort.

Vielen Dank - auch wenn meine erste Frage nicht beantwortet ist. Wären dann 20 Plätze für Schleswig-Holstein in einer Abschiebehaftanstalt in Mecklenburg-Vorpommern aus Ihrer Sicht angemessen?

Sehr geehrter Herr Kollege Koch, Sie fragen hier allmählich wie Staatsanwälte. Das ist auch in Ordnung, weil Sie mich mit so etwas nicht erschrecken. Sie bringen mich nämlich nicht zu dem Punkt, zu rechtfertigen, dass die Grünen hier ihre Position verändert haben

(Tobias Koch [CDU]: Nur darum geht es al- so! - Volker Schnurrbusch [AfD]: Jetzt kommt es raus! - Weitere Zurufe: Ach, komm!)

oder Ihnen zu erleichtern - wenn Sie mir das noch gestatten, Herr Kollege Koch -,

(Zurufe CDU)

dafür eine Rechtfertigung zu finden, dass sich Schleswig-Holstein meldet, um gemeinsam mit anderen eine Einrichtung zu schaffen, nachdem man die eigene vorher aus einer Überzeugung heraus, die wir zu dritt hatten, geschlossen hat. Das ist das Faktum, das wir hier vortragen. Dass war nicht die Position von CDU und FDP - das werfe ich Ihnen auch nicht vor -, aber es war die Position von SPD, Grünen und SSW. Die hat sich offenbar bei den Grünen geändert.

(Beifall SPD und Lars Harms [SSW])

Herr Kollege, der Herr Abgeordnete Nobis hat sich auch zu einer Zwischenfrage gemeldet. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten?

Ich nehme das zur Kenntnis und fahre mit meiner Rede fort, Herr Präsident.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Musterdemokrat! - Volker Schnurrbusch [AfD]: Sie brauchen Demokratieerziehung!)

Ich sage noch einmal: Für die wenigen Ausnahmefälle - da reden wir gewiss nicht über Familien mit Kindern - braucht es maßgeschneiderte Lösungen in Absprache mit anderen Bundesländern. Das war zum Beispiel bei der Regelung über den Abschiebegewahrsam in Fuhlsbüttel der Fall, und es war bis zum Regierungswechsel im vergangenen Jahr die Linie. Jetzt plant die Landesregierung einen drastischen Kurswechsel. Sie treibt die Planung für einen Superabschiebeknast in Glückstadt für ganz Norddeutschland voran,

(Widerspruch CDU - Volker Schnurrbusch [AfD]: Das ist ja peinlich!)

und sie legt gleichzeitig den Entwurf für ein Abschiebehaftgesetz vor, der an Restriktivität deutschlandweit selbst das übertrifft, was wir in Sachsen oder in Bayern an Regelungen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD - Zuruf: Die bösen Sachsen!)

Wir hören die Relativierungen der Koalition, die Haftanstalt wolle man zwar bauen, aber doch eigentlich gar nicht nutzen. Die Bedingungen wären klasse, und es sei doch eigentlich Wohnen minus Freiheit. Na super: Da werden sich bald Freiwillige melden, die da einziehen wollen, kann ich nur sagen, wenn man das so formuliert.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Das würden Sie ja begrüßen!)

Liebe Grünenfraktion, glauben Sie allen Ernstes, dass in Glückstadt ein millionenschweres Prestigeobjekt eröffnet werden soll, um es anschließend leer stehen zu lassen? - Das wird nicht einmal Ihre Finanzministerin gut finden. Im Übrigen ist es eine einschneidende Veränderung der schleswig-holsteinischen Flüchtlingspolitik, auch wenn Sie das hier wegreden.

Was die Haftbedingungen angeht, zeigt der seit gestern vorliegende Gesetzentwurf erschreckend

(Dr. Ralf Stegner)

deutlich, in welche Richtung das geht. Wenn man grünen Presseerklärungen glaubt, sollen Frauen und Kinder dort möglichst nicht untergebracht werden im Zweifelsfall aber schon.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist, was Sie beschlossen haben! Sie haben das beschlossen!)

Und dann gilt: Ob Eltern gemeinsam mit ihren Kindern untergebracht werden, bestimmt sich künftig nach dem Aufwand, der der Anstalt daraus entsteht. Einen Anspruch haben die Familien nicht. Sie eröffnen damit die Tür für getrennte Unterbringung von Familien mit minderjährigen Kindern. Das ist doch irre, und inhuman ist es auch, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall SPD und SSW - Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist keine gesetzliche Regelung für die Einschlusszeiten vorgesehen - das wird den Betreibern der Anstalt überlassen. Offensichtliches Handyverbot und Reglementierung der Außenkontakte, unabhängig vom Unterbringungszweck - auch das lässt der Gesetzentwurf zu. Konkretisierung der Grundrechtseinschränkung durch simple Verwaltungsvorschriften - das ist übrigens verfassungsrechtlich ein großes Problem.

Wohnen minus Freiheit - liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich möchte wirklich nicht spekulieren, wie einige der hier Anwesenden offenbar wohnen, wenn sie sich zu solchen Beschönigungen hinreißen lassen.

(Beifall SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so etwas zu machen, ist wirklich unter allem Niveau. Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen.

Herr Kollege Dr. Stegner, da Sie gerade so gut in Form sind: Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten von Kalben?

Aber selbstverständlich.

Sehr geehrter Herr Stegner, ich glaube, ich brauche nicht deutlich zu machen, dass es mir natürlich nicht gefällt, dass wir eine neue Abschiebehaftanstalt bauen. Aber wir sind in einer Koalition, und vor allen

Dingen, lieber Herr Stegner, müssen wir Bundesgesetze umsetzen, die eine Große Koalition - nicht unter Beteiligung der Grünen, sondern unter Beteiligung der SPD - beschlossen hat. Deshalb finde ich ehrlich gesagt Ihre Überheblichkeit, mit der Sie sich uns gegenüber äußern, nicht angemessen und kritisiere das scharf.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

- Liebe Frau Kollegin von Kalben, von Überheblichkeit kann gar keine Rede sein, weil mich das wirklich betrübt.

(Widerspruch CDU und FDP)

Darf ich Sie darauf hinweisen, dass das Bundesrecht auch schon galt, als wir miteinander regiert haben? Sich auf eine Koalition rauszureden! Die hatten Sie mit uns auch, aber wir mit Ihnen wollten keine Abschiebehaftanstalt. Das war der Unterschied zwischen uns und den Kollegen von der anderen Seite, Frau Kollegin von Kalben.

(Beifall SPD und SSW)

Dass Sie ein schlechtes Gewissen haben, verstehe ich ja, aber dann stellen Sie sich nicht hin und sagen: „Wir würden ja gerne, wir möchten ja gerne“, und: „Die SPD ist überheblich.“ - Nein, wir haben nur unsere Position beibehalten. Das ist der Unterschied zwischen uns und Ihnen, liebe Frau Kollegin von Kalben.

(Beifall SPD und SSW)

Das Verrutschen dieser Debatte in dem Umfeld, das wir momentan haben, ist, finde ich, nichts, worüber man Scherze machen darf - ganz ehrlich nicht -; denn von solchen Diskursen, die in Deutschland nach rechts rücken, profitieren die, bei denen ich das überhaupt nicht möchte.

Ich kann Ihnen nur sagen: Mit der SPD hätte es keine neue Abschiebehaftanstalt gegeben. Mit uns gäbe es kein Abschiebehaftgesetz in dieser Art und Weise. Uns überrascht es nicht bei CDU und FDP die haben ihre Position nicht verändert -, aber hätte hier die Kollegin Amtsberg noch gesessen, hätte es eine solche Vereinbarung möglicherweise nicht gegeben.

(Beifall SPD)

Also hat sich doch etwas verändert. Ich sage Ihnen noch eins: Ich kenne die Bedingungen des deutschen Rechts. Ich habe mich auch als Innenminister

(Dr. Ralf Stegner)

damals durchaus mit Herrn Schily und einigen anderen angelegt.

(Christopher Vogt [FDP]: Beim Polizeige- setz!)

- Wir reden über Flüchtlingspolitik. - Ich war immer der Meinung: Schleswig-Holstein muss der Vorreiter einer humanitären Flüchtlingspolitik wirklich der, bei der das Standard ist - sein. Das war immer meine Überzeugung. Das ist immer noch die Überzeugung, die meine Partei und meine Fraktion haben. Daran halten wir fest - egal, was Sie hier vortragen. - Vielen herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall SPD und Lars Harms [SSW])

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Barbara Ostmeier das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Sehr geehrter Herr Schmidt und sehr geehrter Herr Döhring! Ich hatte schon fast gedacht, ich komme gar nicht mehr zu Wort und kann meine Rede beiseitelegen. Aber ich kann vielleicht noch einmal zusammenfassen, was hier gerade zutage getreten ist.

Dieser Antrag der SPD hat mich schon sehr befremdet. Ich bedauere es sehr, dass die Kollegin Serpil Midyatli heute nicht hier dabei sein kann.