Protokoll der Sitzung vom 04.07.2018

(Zuruf SPD)

Wir tun das aber auf Augenhöhe und mit Respekt voreinander, übrigens nicht nur in der Regierungskoalition. Ich finde, uns zeichnet hier im Parlament gemeinsam aus, dass dies immer in gegenseitigem Respekt passiert. Darauf können wir in SchleswigHolstein verdammt stolz sein.

(Anhaltender Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Volker Schnurrbusch [AfD])

Wir haben diese Sorgen auf dem Plan. Wir kümmern uns um das Desaster Marschbahn. Bernd Buchholz ist dort in Gesprächen mit der Bahn unterwegs. Wir erreichen dort übrigens gerade etwas: In der letzten Woche hat die Bahn angekündigt, dass sie dort ein Rieseninvestitionsprogramm in Höhe von weit über 100 Millionen € durchführen wird - endlich! -, weil wir so viel Druck gemacht haben.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt AfD)

Auch in der Energiepolitik kommen wir voran: Wir ermöglichen wieder Windkraft in Schleswig-Holstein. Diesen konsequenten Weg haben wir fortgesetzt, weil Energiepolitik für uns wichtig ist und auch Wertschöpfung bedeutet.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Wir setzen uns deswegen auf Bundesebene dafür ein, dass unsinnige gesetzliche Bestimmungen gelockert werden. Wir haben in Schleswig-Holstein ein Riesenproblem mit Überschussstrom. Das ist aber doch nicht unser Versäumnis, sondern liegt daran, dass es im Netzausbau Versäumnisse gibt. Sie sind nicht in der Lage, das EEG so zu formulieren, dass wir den Strom auch nutzen können. Jetzt kommen wir endlich einmal dazu, hier in Kiel über Landstrom zu reden. Da haben wir eine Vereinbarung getroffen.

(Zuruf Volker Schnurrbusch [AfD])

Das sind moderne Wege, um diese großen Herausforderungen zu lösen. Darauf sind wir sehr stolz.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich könnte eine lange Palette aufzählen. Wenn ein Jahr Regierungszeit um ist, ist man immer geneigt, lange Bilanz zu ziehen. Ich will darauf ausdrücklich verzichten.

(Lachen Dr. Ralf Stegner [SPD] - Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU] - Weitere Zurufe)

Es ist viel darüber geschrieben worden. Natürlich ist das auch Bestandteil der Debatte. Ich weiß auch, dass wir im Parlament unterschiedlicher Auffassung darüber sind, welchen Weg wir gehen sollen. Bei dieser grundsätzlichen Ausrichtung aber sollten wir beieinander stehen. Das ist mir in diesen Tagen wirklich enorm wichtig, weil ich nicht glaube, dass auf Bundesebene jetzt alles auf der richtigen Bahn ist. Es ist eine Scheinlösung, die dort gefunden wurde. Das Thema Migration stellt uns noch vor ganz andere Herausforderungen, die wir miteinander lösen müssen.

Endlich kommen wir auf Bundesebene auch dazu, dass man in einer Koalition solche Fragen löst und nicht nur zwischen Parteien. Das ist ein neuer Weg. Immerhin kommen wir jetzt dazu, dass wir über die Pläne, über die wir jetzt seit Wochen streiten, einmal vernünftig reden können, weil wir sie auf dem Tisch liegen haben. Das sind mittlerweile Skurrilitäten in der Politik, die ich nicht länger bereit bin zu akzeptieren. So kann man in der Politik nicht zusammenarbeiten.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt SPD)

Mein Aufruf und meine herzliche Bitte ist deswegen, dass wir diesen Weg fortsetzen. Ich will dabei nicht alle vereinnahmen; wir haben in der Sache in vielen Punkten unterschiedliche Auffassungen, und das wird auch so bleiben. Ich bin aber schon stolz darauf, dass wir in vielen Bereichen auf Bundesebene Hand in Hand gearbeitet haben, übrigens auch Oppositionsführer und Regierungschef. Ich will das sehr deutlich sagen: In den letzten Tagen haben wir miteinander Telefonate geführt, weil wir uns beide Sorgen um das gemacht haben, was dort in Berlin passiert.

Deswegen ist mein Angebot und meine herzliche Bitte, diesen Weg gemeinsam fortzusetzen. Ich kann Ihnen fest zusagen: Schleswig-Holstein und diese Landesregierung wird an diesem Kurs festhal

(Ministerpräsident Daniel Günther)

ten. Dafür bitte ich herzlich um Ihre Unterstützung. - Danke schön.

(Anhaltender Beifall CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt SPD)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Herr Oppositionsführer, der Herr Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

(Zurufe Christopher Vogt [FDP] und Beate Raudies [SPD])

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den vergangenen Wochen haben wir ein beispielloses Schauspiel erlebt, das mich auch nach mehr als 25 Jahren in der Politik ziemlich erschreckt hat. Getrieben von der Angst des Ausgangs der bayerischen Landtagswahl hat die CSU nicht nur eine Koalition, sondern ein ganzes Land in Geiselhaft genommen und eine Debatte losgetreten, die losgelöst von Fakten und Realitäten darauf ausgerichtet war, Ängste zu schüren, Vorurteile zu wecken und Miteinander zu zerstören. Es war eine Debatte zwischen Schwesterparteien mit öffentlichen Ultimaten, Drohungen und Erpressungen, ausgetragen im Stil von Wirtshausschlägereien.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Das würde die SPD nie machen! Niemals!)

Das Schauspiel ging so weit, die CSU-Mehrheit im Bayerischen Landtag über einen streng geheimen, sogenannten Masterplan abstimmen zu lassen, dessen Inhalt selbst den abstimmenden CSU-Landtagsabgeordneten unbekannt war. Es ist übrigens eher ein Desaster-Plan, wenn man hereinguckt. Was für eine Farce! Das erinnert eher an andere Regierungssysteme, nicht an demokratische. Was für eine Respektlosigkeit gegenüber den Abgeordneten - und auch von den Abgeordneten, so mit ihrem Mandat umzugehen. Meine Damen und Herren, ich hoffe inständig, dass uns solche Dinge in diesem Haus erspart bleiben.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Volker Schnurrbusch [AfD]: Verfal- lende Demokratie!)

Die Krönung übrigens ist, dass auch noch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums für CSU-Parteipolitik missbraucht werden. Um das zu kaschieren, reicht es nicht, vor

Pressekonferenzen schnell das Deckblatt auszutauschen.

Mit ihrem absurden Schmierentheater ist der CSU unter dem Strich nur eines gelungen: Sie hat ein gigantisches Konjunkturpaket für den Rechtspopulismus geschnürt. Die gesamte Union hat mit ihrem traurigen Familienstreit auf offener Bühne Vertrauen in die Politik verspielt, weit über die Reihen der Unionswähler hinaus. Da ist mehr Porzellan zerdeppert worden, als für deutschnationale Polterabende und Freudenfeste der Rechtspopulisten verbraucht werden kann. Die freuen sich auch, wenn auf Titelseiten der Boulevardzeitungen über einzelne schreckliche Mordtaten immer dann berichtet wird, wenn der Täter kein Deutscher ist. Auch diese Instrumentalisierung trägt dazu bei, die Menschen verrückt zu machen und aufzuhetzen, anstatt über die Dinge zu reden, über die eigentlich geredet werden müsste.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Und das in einer Zeit, in der eine deutsche Regierungskrise just da ausgelöst wird, in der Europa von außen durch Handelskriege von Trump, durch Herrn Putin und Herrn Erdogan und durch rechtsnationale Regierungen in Polen, Ungarn, Italien und Österreich bedroht wird.

Ich freue mich über Ihr Bekenntnis zu Europa. Das teilen wir ausdrücklich. Dass Sie hier etwas zu den Grenzkontrollen in Dänemark gesagt haben, freut mich auch. Sie waren ein bisschen zurückhaltender, als Sie ausweislich der Zeitungsberichte in Dänemark gewesen sind, aber ich finde es gut, dass Sie das hier im Landtag gesagt haben. Das ist ausdrücklich auch unsere Auffassung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Heute geht es darum, Wohlstand und Frieden in Europa, den wir für Jahrzehnte als selbstverständlich genommen haben, neu zu verteidigen. Was machen stattdessen die Mini-Trumps Seehofer, Dobrindt und Söder? Sie versuchen, Frau Merkel kaputtzuschießen. Kleiner geht es nicht, verantwortungsloser geht es nicht - das sage ich als Sozialdemokrat in diesem Hause.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Dennys Bornhöft [FDP])

Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Unionsparteien in Berlin jetzt zaghaft auf die Sachebene zurückkehren wollen. Wir heißen sie dort herzlich will

(Ministerpräsident Daniel Günther)

kommen, denn der sozialdemokratische Teil der Bundesregierung ist da ständig geblieben. Wir haben einen Fünf-Punkte-Plan zur europäischen Migrationspolitik vorgelegt, der dem Koalitionsvertrag entspricht, europäische Einigung ermöglicht, humanitäre und rechtsstaatliche Verfahren sichert und keine Menschen schikaniert. Vor allem aber haben wir uns gekümmert um bezahlbares Wohnen, gute Arbeit, menschenwürdige Pflege, sichere Rente Antworten auf die wirklichen Unsicherheiten in diesem Land. Die wollen die Menschen bekommen. Es ist doch absurd zu glauben, dass in Quarnbek oder Süderlügum oder Borstel-Hohenraden die Menschen Angst vor der Islamisierung ihres Dorfes haben. Sie wollen, dass die Rente reicht, sie die Miete bezahlen können, die Arbeitsplätze sicher sind, die Ausbildung ihrer Kinder vorankommt und die Pflege ihrer Eltern funktioniert. Alles andere sind doch rechte Hirngespinste!

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Darüber müssen wir reden, wenn wir Vertrauen zurückgewinnen wollen.

Herr Ministerpräsident, ich will ausdrücklich anerkennen, dass wir in den letzten Tagen zumeist auf der gleichen Seite argumentiert haben. Aber ich teile Ihre Erleichterung über den sogenannten Unionskompromiss, die Sie gestern zum Ausdruck gebracht haben, überhaupt nicht. Es ist sehr interessant, dass Ihr ehemaliger Stellvertreter, Herr Habeck, und Sie sich unterschiedlich dazu geäußert haben. Es ist vor allen Dingen absurd, etwas Kompromiss zu nennen, was das Ergebnis von öffentlichen Ultimaten, Drohungen und Erpressungsversuchen ist. Was soll daran ein Kompromiss ein, wenn das am Ende dabei herauskommt?

Noch auf dem Weg zur Einigung im Kanzleramt hat Herr Seehofer via „Süddeutscher Zeitung“ mitteilen lassen, er lasse sich doch nicht von einer Frau entlassen, die er selbst zur Kanzlerin gemacht habe. Das ist die Abteilung Größenwahn.

(Beifall SPD)

Aus der CSU-Sitzung von Sonntag kursieren Protokolle, dass dieser famose sogenannte Kompromiss von Seehofer selbst als untauglich und unwirksam bezeichnet wird. Diesen Eindruck hatten auch wir, als wir diesen kryptischen, kurzen Waschzettel gesehen haben, der uns Montag übermittelt worden ist.

Letztlich ist dieser sogenannte Kompromiss das traurige Ergebnis einer Phantomdebatte und auch

eine Kapitulation vor postfaktischer Politik und eine Niederlage für alle diejenigen, die davon ausgehen, dass Koalitionsverträge auch nach 100 Tagen noch gelten. Der Koalitionsvertrag wurde ja nicht nur von Frau Merkel, Herrn Günther und mir unterschrieben, sondern auch von den Herren Söder, Seehofer und Dobrindt. Franz Josef Strauß hat den Satz „pacta sunt servanda“ noch verstanden, heute verstehen ihn offenbar nur noch Sozialdemokraten, jedenfalls in der Koalition.

(Zurufe)

- Ich komme noch auf Schleswig-Holstein, Herr Kollege, das eine hat mit dem anderen zu tun. - Wir werden prüfen, was von den Unionsforderungen vereinbar mit deutschem und europäischem Recht, mit rechtsstaatlichen und humanitären Verfahren für die Schutzsuchenden ist. Schikanen machen wir nicht mit. Wir wollen wissen, was Sie mit Ihren Kampfbegriffen ,,Transitzentren“ oder ,,Transitzonen“ meinen. Herr Söder sprach gestern im „heute journal“ von Residenzpflicht. Was für ein Quatsch! Sachverstand null. Bei der Residenzpflicht geht es um Leute, die hierbleiben wollen, und nicht um solche, die wir außer Landes halten. Nicht einmal darüber weiß der bayerische Ministerpräsident mit Verstand zu reden. Was ist das für ein Unfug!

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Eines ist für mich unumstößlich: Geschlossene Massenlager an der Grenze, wie sie sich die CSU erträumt, wird es mit der SPD nicht geben.