Protokoll der Sitzung vom 04.07.2018

schen in diesem Land geht und wenn wir gemeinsam gegen Rechtspopulismus arbeiten. Wenn wir uns dagegen wenden, was dort an Schmierenkomödie in der Unionsfamilie ausgetragen wird, dann sind wir zusammen. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Lars Harms [SSW])

Das Wort für die CDU-Fraktion hat deren Fraktionsvorsitzender, der Abgeordnete Tobias Koch.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss sagen: Herr Kollege Dr. Stegner, auf Ihre Rede war ich heute fast genauso gespannt wie auf die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Bei der hitzigen Debatte zur Abschiebehaft vor drei Wochen hier im Plenum konnten Sie, Herr Dr. Stegner, der Versuchung nicht widerstehen, aus rein parteipolitischem Kalkül die Grünen an dieser Stelle vorzuführen - bis hin zu dem Vorwurf, hier eine inhumane Flüchtlingspolitik zu betreiben.

Ich habe Ihnen damals entgegnet, dass ich diese bewusste Verschärfung der Diskussion mit den Anfeindungen, die wir damals im Parlament erlebt haben, angesichts der Sensibilität dieses Themas und angesichts der insgesamt großen Unsicherheit der gesamtpolitischen Situation in Deutschland, in Europa und in der Welt für fahrlässig halte. Ich habe an Sie appelliert, noch einmal in sich zu gehen, ob das wirklich der richtige Umgang untereinander im Schleswig-Holsteinischen Landtag ist. Ich hätte mir deshalb gewünscht, dass ich Ihnen heute hätte konstatieren können, dass Ihre Rede angemessener und ausgewogener aufgefallen wäre. Leider muss ich feststellen, dass Sie auch heute wieder ganz wesentlich auf Angriff und Konfrontation gesetzt haben.

(Martin Habersaat [SPD]: Das stand vorher im Manuskript! - Zuruf Regina Poersch [SPD] - Weitere Zurufe)

Für einen Oppositionsführer ist es in der Tat nicht leicht, die Landesregierung zu unterstützen und den Ministerpräsidenten vielleicht sogar einmal zu loben.

(Regina Poersch [SPD]: Hat er doch! - Zuruf Martin Habersaat [SPD])

Aber auch für einen Oppositionsführer darf es eben nicht nur die Abteilung Attacke geben, sondern

auch Opposition trägt Verantwortung, auch für Opposition gibt es so etwas wie Staatsräson.

(Zuruf Beate Raudies [SPD] - Martin Haber- saat [SPD]: Streich mal die Seite!)

In diesen krisenbelasteten letzten Wochen ist es, so glaube ich, schon ganz wichtig, dass wir uns noch einmal auf die Gemeinsamkeit besinnen, die wir trotz aller unterschiedlichen Auffassungen in politischen Sachfragen miteinander haben und die uns hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag miteinander verbindet. Wir haben viel mehr gemeinsam als die Protagonisten in München, London oder Washington. Ich finde, das hätten Sie heute deutlich machen können.

(Beate Raudies [SPD]: Hat er doch gesagt! - Martin Habersaat [SPD]: Das ist unredlich, das Manuskript nicht zu ändern! - Weitere Zurufe)

- Da gab es zwei, drei Einsprengsel zur Europapolitik und zu Grenzkontrollen.

Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Abgeordneter Tobias Koch.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Dort sind Sie hinter Ihren Möglichkeiten zurückgeblieben.

(Beate Raudies [SPD]: Sie auch!)

Wahrscheinlich ist aber das Ausbleiben von Kritik am Ministerpräsidenten für sein Verhalten in den letzten Wochen schon das höchste Lob, was wir von Ihnen erwarten können. Insofern will ich das durchaus anerkennen.

Umso mehr möchte ich Ihnen, Herr Ministerpräsident,

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

sowohl für Ihre Regierungserklärung als auch für Ihr Verhalten in den letzten Wochen meinen Glückwunsch aussprechen. Sie haben unserem Bundesland eine Stimme gegeben. Ich bin mir absolut sicher, dass sich die überwiegende Mehrheit der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner in dieser Position der letzten Wochen wiedergefunden hat. Sie haben mit deutlicher Positionsbestimmung all denjenigen Grenzen aufgezeigt, die mit ihren Forderungen und insbesondere auch mit

(Dr. Ralf Stegner)

der Art und Weise, wie sie politisch agiert haben, hier die Grundfesten unserer Republik ins Wanken und Deutschland an den Rand einer Regierungskrise gebracht haben.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Das geht noch weiter!)

Sie haben sich in beeindruckender Klarheit hinter den europapolitischen Kurs der Bundeskanzlerin gestellt und deshalb mit dazu beigetragen, dass Verwerfungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft mit ungeahnten Folgen vermieden werden konnten. Sie haben nicht nur Kritik geäußert, sondern Sie haben immer auch versucht, Lösungen aufzuzeigen. Ich kann deshalb nur sagen: Wir sind stolz und glücklich, dass Daniel Günther unser Ministerpräsident ist.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vor diesem Hintergrund hält Schleswig-Holstein Kurs, und das gleich in dreifacher Hinsicht.

Wir halten erstens Kurs, indem wir durchaus auch Beschlüsse aus der Regierungszeit von Torsten Albig fortsetzen und weiterführen. Bei aller Kritik am damaligen Regierungskurs: Die guten Ideen erkennen wir wahrlich an. In der Tat, beim IMPULSProgramm, bei der Förderung des Wohnungsbaus, bei der Polizeibeauftragten, beim Tourismuskonzept - und nicht zuletzt, ich gehe darauf noch später ein - bei der humanen Flüchtlingspolitik, um nur einige Beispiele zu nennen,

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Beifall Dennys Bornhöft [FDP] und Lars Harms [SSW])

setzen wir vieles von dem fort, was die Küstenkoalition entschieden hat. Wenn uns das gelegentlich von der SPD vorgehalten wird, empfinde ich das keineswegs als Vorwurf, auch wenn sich das bei Ihnen, Herr Kollege Dr. Stegner, immer ein wenig danach anhört.

Als Christdemokraten sind wir uns der Bedeutung von Stabilität, von Kontinuität und von Verlässlichkeit sehr wohl bewusst. Wir haben nach dem Regierungswechsel 2012 selbst schmerzlich miterleben müssen, wie die neue Koalition das erste Jahr fast ausschließlich damit zugebracht hat, Entscheidungen der FDP-CDU-Vorgängerregierung wieder rückgängig zu machen. Unser Politikverständnis sieht anders aus.

(Zuruf Thomas Hölck [SPD])

Demokratisch getroffene Mehrheitsentscheidungen gilt es zunächst einmal grundsätzlich zu respektieren, denn ständige Kurswechsel zerstören das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Demokratie. Wir leben heute ohnehin schon in unruhigen politischen Zeiten, in denen manche Gewissheit, auf die man früher fest bauen konnte, plötzlich Risse bekommt oder sogar ganz wegbricht. Das erleben wir derzeit beim Zusammenhalt in der Europäischen Union oder beim Zusammenhalt im transatlantischen Bündnis. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Schleswig-Holstein Kurs hält, indem wir eben nicht alles anders machen als die Regierung von Torsten Albig, aber hoffentlich vieles besser.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Oliver Kumbartzky [FDP])

Schleswig-Holstein hält zweitens Kurs, indem wir nach einem Jahr Jamaika-Koalition den eingeschlagenen Weg kraftvoll und dynamisch fortsetzen und weiter ausbauen. Das ist insbesondere an den Entscheidungen der Landesregierung in den letzten Tagen wieder deutlich geworden. Wir haben im ersten Regierungsjahr von Jamaika schon viel erreicht, um der Polizei den Rücken zu stärken und für mehr innere Sicherheit zu sorgen. Es werden keine Polizeidienststellen im Land mehr geschlossen. Polizei und Justiz erhalten zusätzliche Stellen, die Ausrüstung wird durch Schutzkleidung, Bewaffnung und digitale Endgeräte verbessert, höhere Erschwerniszulagen und geringere Arbeitszeiten bei Wechselschichtdiensten zeigen die Wertschätzung für die geleistete Arbeit.

(Beifall CDU und Oliver Kumbartzky [FDP])

Mit dem jetzt von der Landesregierung beschlossenen erweiterten Sicherheitspaket wird all das noch einmal übertroffen. Diese Entscheidung geht damit deutlich über die Vereinbarung des Koalitionsvertrages hinaus. Die von der Vorgängerregierung nur zeitlich befristet geschaffenen zusätzlichen Stellen werden jetzt dauerhaft erhalten bleiben. Beim Verfassungsschutz, bei der digitalen Spurensicherung, der Staatsanwaltschaft, den Verwaltungsgerichten und der Digitalisierung der Justiz kommen sogar Dutzende zusätzliche Stellen neu hinzu. So schaffen wir Sicherheit für Schleswig-Holstein und sorgen dafür, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in rechtsstaatliche Verfahren erhalten bleibt.

Meine Damen und Herren, den von Jamaika eingeschlagenen Kurs in der Bildungspolitik setzen wir ebenfalls konsequent fort. Wir wollen eine hundertprozentige Unterrichtsversorgung an den Schulen

(Tobias Koch)

und damit bestmögliche Bildungschancen für alle Kinder in unserem Land erreichen. Dafür haben wir bereits im ersten Jahr von Jamaika 895 Lehrerstellen über die bestehende Personalplanung hinaus beibehalten beziehungsweise neu geschaffen. Mit dem gestern beschlossenen Haushaltsentwurf wird auch 2019 keine einzige Lehrerstelle gestrichen, sondern stattdessen werden neue Stellen geschaffen. Das macht im kommenden Jahr noch einmal einen Unterschied von 743 Stellen aus.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Beate Raudies [SPD]: Ich denke, wir haben kein Geld!)

Noch nie zuvor ist vermutlich in so kurzer Zeit in einem solchen Umfang die Personalsituation an unseren Schulen verbessert worden. Unter Jamaika nimmt Schleswig-Holstein einen ganz klaren Kurs in Richtung erstklassiger Bildung.

Meine Damen und Herren, das Gleiche gilt bei den Investitionen. Auch dort erreichen wir bei dem eingeschlagenen Kurs neue Bestmarken. Hatten wir in diesem Jahr die Investitionen erstmals auf über 1 Milliarde € erhöht, so kommen auf diesen Spitzenwert im nächsten Jahr noch einmal 100 Millionen € oben drauf. Damit springt die Investitionsquote auf über 10 % und lässt die Talsohle der letzten Jahre hinter sich.

(Beifall CDU)

Jamaika hält mit der gestern vom Kabinett beschlossenen vorläufigen Gebietskulisse auch bei der Windenergieplanung Kurs. Wir machen genau das, was wir uns vorgenommen haben, nämlich die Energieziele mit größeren Abständen zur Wohnbebauung in Einklang bringen. Dabei sind wir jetzt weiter vorangekommen als zu jedem anderen Zeitpunkt in den letzten fünf Jahren. Die 6.500 Einwendungen zum ersten Planungsentwurf sind bearbeitet, und auf Basis dieser vorläufigen Gebietskulisse können jetzt neue Ausnahmegenehmigungen erteilt werden. Im Idealfall liegt nach Abschluss der zweiten Beteiligungsrunde Mitte 2019 wieder eine rechtssichere Gebietskulisse für den Windenergieausbau in Schleswig-Holstein vor.

Von der SPD werden wir dagegen einerseits dafür kritisiert, dass wir unsere Wahlversprechen nicht vollständig einhielten. Andererseits kritisiert die SPD; dass wir den Abstand zur Wohnbebauung überhaupt vergrößerten und nicht bei den von ihr präferierten 800 m blieben. Ich glaube, an der Stelle sollte die SPD sich noch einmal Gedanken über ihren eigenen Kurs machen.

Das gilt genauso für den Kita-Bereich: Eine kostenfreie Kita war auch nicht Bestandteil des SPDWahlprogramms für diese Legislaturperiode. Auch die SPD wollte nur schrittweise den Weg in Richtung Kostenfreiheit gehen. Nach ihrem eigenen Konzept hätte das vielleicht in 10 oder 15 Jahren erreicht werden können. Der Unterschied ist, dass wir als Jamaika-Koalition den Menschen offen und ehrlich sagen, dass wir die Elternbeiträge reduzieren werden, sie landesweit auf einer einheitlichen Höhe deckeln wollen, eine Kostenfreiheit innerhalb von nur fünf Jahren aber nicht realistisch ist.

(Zuruf Birte Pauls [SPD])

Der Unterschied besteht außerdem darin, dass wir neben der Entlastung der Eltern die Entlastung der Kommunen und vor allem auch die Qualität der Kinderbetreuung in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen. Die Bertelsmann-Studie aus dem Mai dieses Jahres macht deutlich: Eltern ist Qualität wichtiger als Beitragsfreiheit. Diese Aussage bestätigt doch eindeutig den Kurs von Jamaika, den wir eingeschlagen haben. Deshalb sollte die SPD ihren Kompass auch an dieser Stelle noch einmal neu justieren.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)