Protokoll der Sitzung vom 05.09.2018

Eine weitere Komponente zeigt sich, wenn man als junger Abgeordneter mit anderen jungen Abgeordneten - nicht nur mit der FDP - spricht:

(Christopher Vogt [FDP]: So jung bist du auch nicht mehr!)

Es ist hier und da auch ein bisschen spannend, mit welcher Selbstverständlichkeit gefordert wird, sich zwangsweise ein Jahr öffentlichen Aufgaben zur Verfügung zu stellen, und - wiederum in Anbetracht der sinkenden Generationengerechtigkeit mit der gleichen Selbstverständlichkeit meist auch von dem gleichen Personenkreis ein beispielsweise ein Jahr späterer Renteneintritt als absolut indiskutabel bezeichnet wird.

(Zuruf Tobias Loose [CDU])

Das Gesetz zur Förderung des Jugendfreiwilligendienstes ist ein Bundesgesetz und deckt natürlich einiges ab. Jedoch könnten sowohl das Land als auch die Kommunen und auch die jeweiligen Träger in einigen Punkten unterstützender tätig werden. Die Freiwilligendienste müssen für junge Menschen dauerhaft attraktiv bleiben. Wir müssen uns bewusst sein, dass ein bodenständig anmutender Freiwilligendienst in der Nähe des Heimatortes in den sozialen Medien - sei es bei Instagram oder wo auch immer - mit schillernd ausgeschmückten Work-and-Travel- und Au-pair-Aufenthalten oftmals irgendwie konkurriert. Das erweckt den Eindruck, dass ein Jahr bei der Otteraufzuchtstation im Nachbarort, im Sportverein oder Essen für Senioren auszufahren im Vergleich zum Fruit-Picking nahe dem Great Barrier Reef ein eher angestaubtes Unterfangen sein könnte. Allerdings ist das nur ein Eindruck, da die Bewerberzahl auf die Plätze der Freiwilligendienste stets sehr hoch ist. Das ist wirklich erfreulich. Wir haben eine wirklich hohe Anzahl an Bewerbern auf die FSJ- und FÖJ-Plätze.

Insofern müssen wir uns ein Stück weit fragen, welchen Zweck die Forderung im SSW-Antrag zum Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit verfolgt. Wenn wir lediglich dafür sorgen, dass wir noch mehr Bewerber auf die gleiche Anzahl von Stellen haben, haben wir im Endeffekt Geld dafür ausgegeben,

dass wir junge Menschen unglücklich machen. Ich glaube, dass wird es in dem Fall nicht sein. Darüber müssen wir weiter sprechen. Wenn wir ein Marketing wollen, welches generell auf die Vielfältigkeit und die Chancenfülle der Freiwilligendienste hinweist - auch um das Engagement in der Öffentlichkeit wertzuschätzen -, wäre das, glaube ich, der richtige Weg. Das wäre dann auch etwas anderes.

Ein Freiwilligendienst, der auf ehrenamtlichem Engagement fußt, kann von der Entlohnung und der Entschädigung natürlich nicht mit einem regulären Job oder einem Ausbildungsverhältnis mithalten. Das muss er aber auch nicht, da ein FSJ nicht zur Absicherung des Lebensunterhalts gedacht ist. Ob aber die derzeitige Maximalhöhe des Taschengeldes von 390 € exakt die richtige ist oder ob man sich beispielsweise eher an der Minijobgrenze orientiert, darüber sollten wir gern noch diskutieren.

(Beifall FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Bei dem Antrag sind in den vielen Punkten wirklich viele Akteure angesprochen. Es sind der Bund, das Land, die Kommunen und auch die Privaten angesprochen. Teilweise kann es sein, dass die Forderungen sogar schon ein Stück weit umgesetzt werden, beispielsweise Vergünstigungen im ÖPNV. Ich denke, es macht daher Sinn, dass wir uns zum konkreteren Sachstand, wie es derzeit um die Freiwilligendienste in Schleswig-Holstein bestellt ist, einen Bericht geben lassen, beispielsweise im Sozialausschuss. Daher schließe ich mich dem bisherigen Wunsch an, das im Sozialausschuss weiter zu besprechen. Das ist ein gutes Ansinnen. Ich freue mich auf die weitere Debatte zum Thema Freiwilligendienste. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, SSW, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Seit über 50 Jahren gibt es Freiwilligendienste in Deutschland. Die Zahl der Träger und die Einsatzmöglichkeiten sind stetig gewachsen. Das Interesse gerade bei jungen Menschen ist überaus begrüßenswert. Das unterstützen auch wir. Bis 2011 - das klang vorhin schon an - war der Zivildienst die Ersatzform des Wehrdienstes. Mit dem Aussetzen der Wehrpflicht ent

(Dennys Bornhöft)

fiel aber auch dieser. An seine Stelle rückten Bundesfreiwilligendienst sowie zahlreiche weitere Tätigkeitsfelder. Auch die wurden hier schon aufgezählt, die Wiederholung erspare ich Ihnen.

Der Freiwilligendienst ergänzte unter anderem auch das Freiwillige Soziale Jahr. Die jungen Menschen, die darin engagiert sind, werden liebevoll als FSJler bezeichnet, und ein FSJ nehme ich einmal hier stellvertretend für die Thematik. Das FSJ oder generell die Freiwilligendienste, also das ehrenamtliche Engagement, kann sinnstiftend sein, wenn es um die spätere Berufswahl geht, sowohl im positiven Sinn, wenn man sich nach ersten Erfahrungen dann tatsächlich auch für dieses Arbeitsfeld entscheidet, aber auch negativ, wenn die Erfahrungen aus dem FSJ beispielsweise erkennen lassen, dass man in diesem Bereich eben nicht glücklich werden wird. In jedem Fall wird also ein junger Mensch etwas für sein eigenes Leben und seine Identifikation in der Gesellschaft und mit der Gesellschaft erlangen.

Für eine befristete Zeit wird von den zumeist jungen Menschen Verantwortung für gesellschaftliche Belange übernommen, und das zum Beispiel in den Bereichen der Pflege, des Naturschutzes oder auch der Betreuung von Kindern, um hier nur einige Felder zu nennen. FSJler sind dabei zu einer gern gesehenen Unterstützung geworden, aber eben auch zu einer festen Größe, bei der hier und dort auch eine Personalplanung unter wirtschaftlichen Aspekten minimiert wird. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Wenn wir also hören, dass der Betrieb in Altenpflegeeinrichtungen oder auch Kindergärten ohne FSJler stellenweise nicht aufrechterhalten werden kann, dann sind wir hier auf einem falschen Weg.

FSJler sind eben keine billigen Arbeitskräfte, sie sind als solche auch nicht einzuplanen. Sie leisten freiwillig einen enorm wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Das müssen wir durch Unterstützung wertschätzen.

Das aktuelle Vorhaben zielt darauf ab, eben diese Freiwilligkeit zu honorieren und den jungen Menschen daraus auch einen Vorteil zu generieren. Von schlicht finanziellen Erleichterungen bis hin zur Anerkennung von Warte- oder Praktikumszeiten für Studium und Beruf sind in der Umsetzung verschiedenste Wege denkbar.

Selbst wenn derartige Dinge zwar denkbar, aber auf Landesebene nicht umsetzbar sind, so sind wir doch in der Lage, hier Diskussionen anzustoßen, die dann gegebenenfalls auch bundesweit zu führen sind. Insofern werden wir von der AfD-Fraktion

dieses Vorhaben selbstverständlich unterstützen. Wie es schon anklang, wird der Sozialausschuss dafür der richtige Ort sein.

Aber es gibt noch einen anderen Aspekt, der eingangs auch schon anklang. In großen Teilen der Gesellschaft besteht der Wunsch, wieder eine Dienstpflicht für Männer und Frauen einzuführen, und zwar für alle jungen Erwachsenen. Dies könnte nach unserer Vorstellung bei der Bundeswehr, aber auch bei Feuerwehren, im Gesundheitswesen, in Pflegeeinrichtungen und in vielen anderen Bereichen umgesetzt werden. Die Freiwilligkeit bliebe dadurch erhalten, dass sich junge Menschen nicht erst über eine Gewissensfrage zwischen dem sogenannten Dienst an der Waffe oder dem Bereich dessen, was früher Zivildienst hieß, entscheiden müssten. Junge Menschen würden nach ihrer Schulausbildung in die Lage versetzt werden, sich eben näher mit jener Gesellschaft auseinanderzusetzen, die ihnen die Schulzeit ermöglicht hat und ihnen die weitere Ausbildung ermöglichen wird.

Es entstünde nach unserer Auffassung eine tiefe Bindung zwischen den jungen Erwachsenen und der Gesellschaft, die in dieser wünschenswerten Intensität leider nicht mehr bei allen jungen Menschen vorhanden ist. Wir halten diese Idee eines Dienstes an der Gesellschaft für diskussionsfähig, wenn auch nicht hier und heute. Aber die Unterstützung des Freiwilligendienstes werden wir sehr gern und konstruktiv begleiten.

(Beifall AfD)

Für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Abgeordnete RathjeHoffmann hat zu den einzelnen Punkten der vorliegenden Initiative aus meiner Sicht alles Notwendige gesagt. Deswegen lassen Sie mich ein paar Punkte aus der Debatte aufgreifen, zunächst einmal die Debatte, die den Sommer ein bisschen bestimmt hat, die ich doch - mitunter jedenfalls - nicht nur merkwürdig, sondern auch bedenklich fand, die Idee, die jedenfalls hinter mancher Formulierung stand - das haben wir auch gerade eben wieder gehört -, mit einem sozialen Jahr könne man irgend

(Claus Schaffer)

wie examinierte Altenpflegerinnen und Altenpfleger ersetzen. - Die ist schlicht falsch.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dahinter steht nämlich die wenig wertschätzende Idee, Pflege könne ja jeder. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will Ihnen deutlich sagen: Ich möchte von niemandem gepflegt werden, der dazu gezwungen wird - von niemandem!

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

Das Ehrenamt kann und darf in keinem Bereich Ersatz für Professionalität sein. Vor allem kann und darf das Ehrenamt nicht ausgenutzt werden, und das Ehrenamt darf sich auch nicht ausgenutzt fühlen.

Ich hatte während meiner politischen Sommertour, die mir wirklich viel Freude gemacht hat, zwei Wochen lang das Glück, unglaublich engagierte Menschen kennenzulernen - in ganz verschiedenen Ecken Schleswig-Holsteins -, die sich zupackend mit ganz viel Herz für andere Menschen eingesetzt haben.

Das habe ich nicht nur in tiefer Dankbarkeit zur Kenntnis genommen, sondern da gibt es auch immer die Gelegenheit, mit diesen Menschen darüber zu sprechen, was sie sich eigentlich von der Politik wünschen. Das hat die Kollegin von Kalben in einem Satz so schön auf den Punkt gebracht. Sie möchten nämlich vor allem ihr Ehrenamt weitgehend unabhängig und mit möglichst wenig Bürokratie einfach für den Nächsten ausüben können einfach machen, einfach anpacken und zupacken.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein paar von Ihnen waren ja gestern da, als der Ministerpräsident gemeinsam mit mir stellvertretend für Hunderttausende von Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern 87 junge Menschen für ihr freiwilliges Engagement in diesem Land ausgezeichnet hat - was ich übrigens ganz besonders schön fand: Es waren ganz viele Menschen mit Migrationshintergrund dabei, die sich ehrenamtlich in diese Gesellschaft einbringen, die diesem Land, das sie aufgenommen hat, etwas zurückgeben. Das Engagement und die Begeisterung dieser Menschen müssen wir unterstützen, und wir müssen darüber diskutieren, wie wir die Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement besser aufstellen, wo es Optimierungsbedarf gibt.

In diesem Zusammenhang das Wort Vergütung in den Mund zu nehmen, finde ich gefährlich. Denn ehrenamtliches Engagement lebt gerade ohne den Anreiz, für jede Stunde vergütet zu werden, man möchte sich einfach für die Gesellschaft engagieren. Da sollten wir bei der Wortwahl und der Diskussion vorsichtig sein, damit wir das Engagement, das diese Frauen und Männer mitbringen, nicht kaputt machen.

Die Landesregierung wird - wie mit den Koalitionspartnern vereinbart - das bürgerschaftliche Engagement für den Einzelnen fördern und stärken. Wir legen derzeit eine neue Engagement-Strategie für Schleswig-Holstein auf. Wir erarbeiten gerade ein langfristig angelegtes, Ministerien und gesellschaftliche Teilbereiche übergreifendes Konzept. Der Ausgangspunkt für freiwilliges Engagement ist die persönliche Motivation des oder der Engagierten. Nach meiner Überzeugung trägt gerade die individuelle Entscheidung zum Wert des Engagements bei, dass sich jemand freiwillig entscheidet, sich für diese Gesellschaft einzusetzen.

Liebe Frau Abgeordnete Waldinger-Thiering, ich glaube, wir müssen uns vor allem fragen: Ist das, was wir bisher an Engagementmöglichkeiten haben, für alle Generationen passgenau, ist das genau richtig? Dass der Bundesfreiwilligendienst, die sogenannten Bufdis, ein generationenübergreifendes Projekt ist, finde ich richtig.

In unserem Bundesland bringen sich 43 % der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner - das ist die höchste Engagementquote aller Bundesländer - für unsere Gesellschaft ein. Sie weiter zu unterstützen, zu motivieren und die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, darüber sollten wir diskutieren. Den Menschen, die sich für andere Menschen engagieren - fast die Hälfte der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner -, sage ich nicht nur im Namen der Landesregierung von Herzen Dank, sondern ich sage auch: Die haben es auch nicht verdient, dass man sich darüber Gedanken macht, sie alle zu verpflichten. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag, Drucksache 19/885 (neu), dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.

(Minister Dr. Heiner Garg)

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir wollen das mitberatend an den Umwelt- und Bildungsausschuss überweisen! - Martin Habersaat [SPD]: Die schließen sich eh nur dem Votum an! - Weitere Zurufe)

- Bleiben wir dabei, dass wir den Antrag an den Sozialausschuss überweisen. Die anderen Ausschüsse können sich ja im Wege der Selbstbefassung mit dem Thema beschäftigen.

(Beifall)

Dann haben wir das jetzt so miteinander beschlossen.

Wir haben bei diesem Tagesordnungspunkt viel über Bedeutung und Wert des Ehrenamts gesprochen. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen und die Besucher und Abgeordneten an die acht Gesundheitsselbsthilfegruppen erinnern, die im ersten Stock des Landeshauses ihre wertvolle Arbeit vorstellen.

(Beifall)

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 32 auf:

Statuserhebung zur Arbeitsfähigkeit und Gesundheit aus der Sicht von Lehrkräften