In Schleswig-Holstein existieren - sei es zum Erwerb von Kenntnissen oder auch in der Phase der Orientierung - verschiedene Möglichkeiten der Freiwilligendienste, und sie alle haben unterschiedliche Rahmenbedingungen. Viele engagieren sich, indem sie sich für einen Zeitraum verpflichten. Sie entscheiden sich freiwillig und leisten damit ihren ganz konkreten Beitrag für die Gesellschaft.
Rund 100.000 vor allem junge Menschen leisten Jahr für Jahr einen Freiwilligendienst. Hierbei stehen für uns - da spreche ich insbesondere für meine Fraktion, aber auch wahrscheinlich für alle anderen - das Freiwillige Soziale Jahr, das Freiwillige Ökologische Jahr, das Freiwillige Politische Jahr, aber auch der Bundesfreiwilligendienst und natürlich auch der Europäische Freiwilligendienst - das sind sozusagen die Facetten des Bereiches - gleichberechtigt nebeneinander.
Die Freiwilligendienste haben sich zu einer echten Erfolgsgeschichte entwickelt. Rund 320.000 Freiwillige - da ist das Sonderkontingent für die Flüchtlingsbezüge noch nicht enthalten - haben sich seit
dem 1. Juli 2011 engagiert in diesem Bereich eingesetzt beziehungsweise wurden eingesetzt. Die Tendenz ist steigend. Wir wissen, dass wir mehr Plätze brauchen, weil es mehr Nachfrage gibt. Da ist noch deutlich Luft nach oben, wie Katja Rathje-Hoffmann eben noch einmal betont hat. 39.000 Männer und Frauen sind - wie bereits erwähnt - freiwillig im Einsatz. Das ist der Stand von Juli. Während wir im Jahr 2012 - einige Zahlen habe ich noch mitgebracht - noch bei einem Jahresdurchschnitt von etwa 34.000 waren, sind wir im Jahr 2017 inzwischen schon bei knapp 42.000 Freiwilligen. Das unterstreicht, wie bedeutsam, wie hip und angesagt Freiwilligendienste sind.
Mit Blick auf die Zukunft der Freiwilligendienste halten wir es deshalb aber auch für unabdingbar, sich die Rahmenbedingungen genau anzuschauen. Ich werde jetzt nicht noch einmal die Punkte wiederholen, die meine Vorrednerinnen dezidiert aufgeführt haben. Die finden Sie im Antrag wieder. Natürlich ist das nicht abschließend. Es gibt Bundesländer, die viel weitreichendere Rahmenbedingungen haben - bis hin zu einer Art Mindestlohn. Es gibt aber auch die Überlegung, ob man nicht eine Freigabe bei Menschen erteilt, die Leistungsbezieher sind.
Wichtig ist in dem ganzen Kontext, dass wir insgesamt eine stärkere und vor allem wahrnehmbare Form der gesellschaftlichen Wertschätzung entwickeln. Die gesellschaftliche Akzeptanz, von der du auch gesprochen hast, liebe Jette, muss sich in konkreten Anerkennungsformen wiederfinden. Das ist ein erster Aufschlag, den wir vorlegen. Es gibt in der Tat viele Punkte, die wir noch aufführen können.
Mir ist in dem Zusammenhang auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir in vielen Freiwilligendiensten einen extrem hohen Verwaltungsaufwand haben. Den müssen wir deutlich reduzieren. Das ist ebenfalls ein wichtiger Punkt, den man in dem Zusammenhang aufführen muss.
In den Arbeitsgrundsätzen der Freiwilligendienste wird viel Wert darauf gelegt, dass das Engagement nicht nur als Dienst an der Gemeinschaft, sondern auch als Möglichkeit wahrgenommen wird, sich ohne gesellschaftlichen Leistungsdruck zu engagieren. Die Träger der Freiwilligendienste fordern zu Recht eine klare Absage an jegliche Versuche, gesellschaftliche Pflichtdienste in die Diskussion zu brin
Wir sagen ganz klar: Statt Zwangsdienste einzuführen, sollten wir darüber nachdenken, wie wir diesen freiwilligen Einsatz in sozialen, ökologischen oder kulturellen Projekten stärker ausbauen und die Mittel besser zur Steigerung der Attraktivität der Freiwilligendienste einsetzen, und eben nicht über Zwangsverpflichtungen und andere Dinge diskutieren, weil wir natürlich auch sagen, die Antwort auf Anerkennung kann nicht heißen: verpflichtend und fremdbestimmt statt freiwillig und selbstbestimmt.
Abschließend kann ich nur sagen, dass es wichtig ist, zuzuhören, Ideen aufzunehmen und den ehrenamtlichen Tatendrang so zu würdigen, wie er es verdient. Das wollen wir tun. Deshalb bitten wir um Zustimmung und um eine breite Diskussion über dieses Thema. - Vielen Dank.
Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende, die Abgeordnete Eka von Kalben, das Wort.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natürlich - ich kann mich hier nur meinen Vorrednerinnen anschließen - spielt das Ehrenamt für uns alle in Schleswig-Holstein und in der Bundesrepublik eine große Rolle. Von der Freiwilligen Feuerwehr bis hin zu den Grünen Damen - wenn das Ehrenamt nicht will, stehen viele Räder still.
Wenn ich mit Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern spreche, dann sagen sie ganz oft, das, was sie in erster Linie wollen, ist die Möglichkeit, ihr Ehrenamt möglichst ungestört von behördlichen Auflagen und ohne Störung durch marode Geräte oder Ähnliches wahrnehmen zu können. Wenn man dann sagt, man möchte dem Ehrenamt eigentlich mehr Anerkennung entgegenbringen, dann sagen zumindest jene, mit denen man spricht: Ach, das brauche ich gar nicht. - Es mag aber auch sein, dass das falsche Bescheidenheit ist.
In der letzten Zeit ist auch wieder die Debatte um einen verpflichtenden einjährigen Freiwilligendienst aufgeflammt. Das verpflichtende Jahr war jedoch an den Wehrdienst gekoppelt, was heute aus verschiedenen Gründen unsinnig wäre. Letzten Endes zeigt schon die Formulierung „verpflichtender Freiwilligendienst“, wie widersprüchlich und absurd so etwas wäre.
Extrem wichtig ist es jedoch, dass jedem und jeder ein freiwilliges Jahr ermöglicht wird. Ich glaube tatsächlich, dass dieses Freiwilligenjahr, das insbesondere junge Leute, oft nach der Schule, machen, für alle eine Win-win-Situation ist, für die Gesellschaft, die davon einen Nutzen hat, aber gerade auch für die jungen Leute, die vielleicht noch in der Berufsfindungsphase sind und diese Chance nutzen, fernab vom Wettbewerb etwas tun und sich ausprobieren zu können.
Solange es allerdings mehr Interessierte als Plätze gibt, sollte erst einmal diese Baustelle bearbeitet werden. Sonst geht es uns wie mit der Forderung nach verpflichtenden Sprachkursen: Wir fordern etwas verpflichtend ein, können aber gar nicht genug Plätze anbieten. Deshalb müssen wir Anreize schaffen und genügend Plätze zur Verfügung stellen.
Ich danke euch dafür, dass ihr diese Debatte wieder aufgemacht habt. Ich finde, das ist ein fabelhafter Antrag.
Ein paar Punkte möchte ich inhaltlich dazu sagen, auch wenn ich davon ausgehe, dass wir den Antrag im Ausschuss noch sehr intensiv beraten werden und schauen werden, welche Punkte wir gemeinsam beschließen können.
Bei der höheren Vergütung habe ich auch eher meine Zweifel. Sicherlich muss man sich das im Ländervergleich anschauen, aber es geht eben um Freiwilligendienste. Da ist eine Vergütung, die man normalerweise für eine erwerbsmäßige Arbeit zahlt, meiner Meinung nach nicht das Richtige. Wir müssen aber schauen, dass sie wirklich allen gesellschaftlichen Gruppen offenstehen. Jetzt sehen wir, dass sehr viele Gymnasiasten, sehr viele Menschen mit Abitur in das Freiwillige Jahr gehen. Ich würde
mir wünschen, dass wir noch mehr dafür sorgen, dass Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten, zum Beispiel auch mehr Menschen mit Migrationshintergrund, das Freiwilligenjahr annehmen können. Das hat durchaus auch etwas damit zu tun, ob man seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Aber die Anzahl der Plätze ist sowieso das limitierende Maß. Deswegen müssen wir an dieses Problem herangehen.
Die diversen Ermäßigungen, die vorgeschlagen werden, muss man sich tatsächlich anschauen. Einen Teil kann man ja schon mit der Ehrenamtskarte, die wir haben, der Juleica, verbinden und schauen, was man noch an Schwimmhallen, Theatern und so weiter mit draufpackt. Ich glaube, es wäre sowieso gut, sich das insgesamt anzuschauen, nicht nur für den Freiwilligendienst.
Hinsichtlich der Öffentlichkeitsarbeit habe ich auch meine Zweifel. Wenn wir noch einmal Plakate „Freiwilligendienst forever“ aufhängen und sagen, das sei unglaublich gut - ich glaube nicht, dass das die Art ist, wie wir junge Leute erreichen, die sich vielleicht noch nicht angesprochen fühlen. Meiner Meinung nach muss so etwas durch Erfahrung passieren. Deshalb wünsche ich mir - das geht an Frau Prien -, dass wir schon den Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit geben, Ehrenamt wirklich auszuprobieren, zu erfahren, so ähnlich wie beim Sozialen Tag, wobei dieser nicht immer im Ehrenamt stattfindet.
In Kanada gibt es sogar ein Modell, dass man Punkte sammeln muss, um einen High-School-Abschluss zu bekommen. Das heißt, man muss in seiner Zeit als Jugendlicher Gemeinwohlarbeit geleistet haben. Das ist vielleicht ein sehr weiter Weg, zumindest einmal den Gedanken aufnehmen. Dass diese Erfahrungen im Schulalltag gesucht werden, finde ich sehr reizvoll. Auch das möchte ich in die Debatte einspeisen.
Ganz wichtig ist natürlich - auch das wurde schon gesagt - die Anerkennungspraxis der Hochschulen. Ich habe eine junge Dame getroffen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht hatte und hinterher Soziale Arbeit studieren wollte. Dieses Jahr ist ihr nicht angerechnet worden, um ihren Numerus clausus zu senken. Ein Abiturient mit einem besseren Zeugnis bekommt dann sozusagen einen Studienplatz, und sie, die schon ein Jahr in der Sozialarbeit tätig war, hat den Studienplatz nicht bekommen. Darüber müssen wir diskutieren. Das halte ich nicht für gerecht.
- Ich hoffe, nicht meine Zeit, sondern nur die Redezeit. - Ich danke für diesen Antrag. Ich freue mich auf die Beratung. Danke für die Debatte.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein freiwilliges Engagement zwischen zwei Lebensabschnitten, sei es im sozialen, kulturellen, sportlichen oder auch ökologischen Bereich, kann für junge Menschen viele Türen öffnen. So mancher sieht sich in seinem Berufswunsch bestätigt, während andere völlig neue Talente entdecken oder auch weiterentwickeln. In dieser Zeit erlernte Kompetenzen können ein Grundstein für einen selbstbewussteren Schritt in das Studium oder in die Ausbildungszeit oder auch in andere Geschichten im Leben sein.
Jugendliche und junge Erwachsene, die sich nach der Schulzeit engagieren, bewegen sich oft zum ersten Mal für längere Zeit außerhalb des gewohnten eigenen Lebensumfeldes. Darüber hinaus wird ein gesellschaftlicher Beitrag geleistet, dem unser aller Respekt gebührt. Dieses freiwillige Engagement muss deshalb durch adäquate Rahmenbedingungen unterstützt werden, was der SSW mit seinem Antrag voranbringen will.
Einen anderen Blickwinkel gibt es beim Engagement, zu dem man verpflichtet werden soll. Die Sommerlochdebatte um die Dienstpflicht war wenig förderlich, um Engagement zu würdigen.
Während zunächst der angebliche Bedarf junger wehrfähiger Personen für die Bundeswehr vorgeschoben wurde, kam im Nachgang sehr schnell die Forderung nach Dienstpflichtigen, die in Pflegeheimen zum Einsatz kämen, um dort Engpässe in der Pflege zu reduzieren. Den Fachkräftemangel kön
nen wir so sicherlich nicht beheben. Zum einen sagen selbst die Spitzen der Bundewehr, dass man dort keine Zwangsdienstler brauche, sondern Willige und willig ausgebildete Fachkräfte. Sich nun, anstatt sich wirklich einmal konkrete Gedanken um die Besserstellung des Pflegeberufs zu machen, finanziell wie organisatorisch die alten Zivis wieder herbeizuwünschen, zeigt, wie wenig einige den examinierten Pflegeberuf wertschätzen.
Eine weitere Komponente zeigt sich, wenn man als junger Abgeordneter mit anderen jungen Abgeordneten - nicht nur mit der FDP - spricht: