Protokoll der Sitzung vom 14.12.2018

Wenn Sie sich dann in die Lage derer versetzen, die dort wohnen, dann würden Sie sich garantiert auch Gedanken machen, ob nicht die Grenzwerte, die der Gesetzgeber festgelegt hat - ob nun EU-weit, weltweit oder deutschlandweit -, in irgendeiner Form für die Betroffenen am Ende auch Sinn machen. Wenn Sie über 40 µg oder 100 µg diskutieren, vergessen Sie die Sorgen und Nöte derer, die dort vor Ort belastet sind und dieser Belastung jeden Tag 24 Stunden lang, wenn sie dort wohnen und nicht außer Haus gehen, ausgesetzt sind. Da sind wir uns einig: Das kann auf Dauer nicht so weitergehen.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Nobis?

Ja, natürlich. Sehr gern.

Herr Rickers, Sie haben eben von dem Verkehrsaufkommen am Theodor-Heuss-Ring gesprochen über 100.000 Fahrzeuge jeden Tag.

- Bis zu.

- Bis zu. - Glauben Sie denn, dass es besser wird, wenn wir dort ein Fahrverbot aussprechen und sich die Fahrzeuge einen anderen Weg durch die Stadt suchen? Glauben Sie, dass es dann an anderer Stelle besser wird?

- Nein, im Gegenteil. Ich will versuchen, mit meiner Rede darzustellen, dass am Ende nicht die Fahrverbote die Lösung sein können, sondern andere Dinge. Darauf werde ich hoffentlich noch eingehen können.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

- Vielen Dank. - Wir sind uns also einig. Es gibt dort am Theodor-Heuss-Ring bis zu 100.000 Fahrzeuge täglich, was mit einer großen Belastung verbunden ist. Wir zweifeln die Grenzwerte nicht an. Wir zweifeln auch nicht an, dass die dortigen Messstationen nicht aus irgendeinem unsinnigen Grund dort platziert wurden, sondern dass es tatsächlich eine fachlich-sachliche Begründung dafür

Schleswig-Holsteinischer Landtag (19. WP) - 46. Sitzung - Freitag, 14. Dezember 2018 3443

(Volker Schnurrbusch)

gibt, die Messstationen dort aufzustellen, wo die Belastung entsteht. Auch da sind wir uns hier hoffentlich einig.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dort stehen die Messstationen also goldrichtig. Diese Messstationen und die Standorte werden dort regelmäßig überprüft. Das werden Sie vom Minister auch noch hören.

Wir sind uns hoffentlich auch einig, dass nicht nur der Gesundheitsschutz oberstes Gebot ist, sondern dass wir am Ende alle keine Fahrverbote am Theodor-Heuss-Ring wollen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Volker Schnurrbusch [AfD])

Nun ist die spannende Frage, ob es am Ende kein Fahrverbot gibt, wenn wir die Messstationen ein bisschen höher hängen, ein bisschen weiter auf die Straße rücken oder ein bisschen mehr aus diesem belasteten Bereich herausnehmen. Dann wäre das eine ganz einfache Lösung. Dann müssten wir einfach die Messstationen umstellen. Damit wäre aber natürlich - damit wiederhole ich mich - den Anwohnern dort nicht geholfen. Deswegen ist die Empfehlung, erst einmal die Messstationen dort zu lassen und andere Lösungen zu suchen.

Herr Abgeordneter gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Nobis?

Ja, sehr gern.

Herr Rickers, Ihr Fraktionsvorsitzender Herr Koch hatte hier im Haus einmal gesagt - wenn ich das richtig in Erinnerung habe -, dass nach den EU-Vorgaben so eine Messstation in einem Umkreis von 270° frei stehen sollte. Nur wir Deutschen haben uns das quasi bei der Umsetzung in nationales Recht auferlegt, dass es 180° sein dürfen. Nur aus diesem Grund dürfen diese Messstationen dann überhaupt in diesen Häuserschluchten, in diesen eng bebauten Straßen stehen. - Ist das richtig? Ich habe das nie nachgeschaut. Stimmt das, was Herr Koch gesagt hat?

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Na ja - richtig oder falsch -, es gibt eine Vorgabe. Es gibt auch eine EU-Vorgabe. Sie erlaubt einen gewissen Ermessensspielraum - da will ich Ihnen ja recht geben. Das ist auch in Ordnung. Die Frage ist ja auch, ob man ihn immer komplett ausnutzen muss und man damit am Ende der Gesundheit derer, die dort belastet sind, auf keinen Fall gerecht wird. Das kann ja nicht unser Ansatz sein. Wir müssen eine Lösung finden.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt SPD)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Nobis?

Immer gern.

Dann bleibt die Frage: Warum haben wir das im deutschen Recht denn viel strikter umgesetzt als im EURecht? Warum haben wir uns in Deutschland denn selber Probleme geschaffen, die wir sonst in Deutschland eigentlich gar nicht hätten?

- Das ist ja eine Frage der Sichtweise. Sie sehen das als Problem. Wir sehen es nicht als Problem, weil wir ja auch die Lösung präsentieren wollen. Probleme sind ja da, um sie zu lösen.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Jörg Nobis [AfD]: Ich weiß nicht, was die Lösung sein soll!)

- Sie können auf die Lösung gespannt sein. - Wir sind uns einig: Gesundheitsschutz ist das oberste Gebot, und die Messstationen stehen nicht ohne Grund dort, wo sie heute stehen. Sie führen laufend zu Grenzwertüberschreitungen, und wir müssen dieses Problem lösen. Wir sind uns alle einig: Wir wollen keine Fahrverbote. Hoffen wir also, dass in den nächsten Jahren technische Lösungen bei den Autos ein Stück weit Entlastungen bringen. Es werden garantiert nicht weniger Fahrzeuge am Theodor-Heuss-Ring werden. Das kann aber mehrere Jahre dauern.

Sie kennen natürlich auch die Ansätze der Stadt Kiel. Wir sind gespannt auf den Maßnahmeplan, der am Montag bei Herrn Albrecht im Umweltministerium auf dem Tisch liegen wird. Er wird garantiert auch Hinweise bringen, wie man die Situation dort entschärfen kann, ohne ein Fahrverbot zu for

(Heiner Rickers)

dern. Sie kennen es alle: Der ÖPNV wird zum Teil mit Elektro- oder Hybridfahrzeugen versehen. Es gibt Busse in Kiel, die anders - sauber oder gar nicht - verbrennen, weil sie mit einem Elektromotor angetrieben werden. Es gibt aber auch in der Tendenz mehr E-Autos. Es gibt auch Leute, die mit dem Fahrrad fahren, oder, oder, oder. Am Ende wird das natürlich langfristig auch die Grenzwertüberschreitung ein Stück weit entlasten beziehungsweise keine Grenzwertüberschreitung mehr hervorbringen.

In der Übergangsphase - bis das erreicht ist - brauchen wir andere Lösungen. Da ist natürlich in erster Linie die Stadt Kiel gefordert. Der Maßnahmenkatalog, der am Montag bekannt und öffentlich wird, gibt hoffentlich einen Teil dieser Lösungen wieder, sodass wir am Ende nicht zu einem Fahrverbot kommen müssen. Wir sind uns einig - das habe ich auch angesprochen –, dass wir diese technischen Lösungen mit begleiten, unterstützen oder auch neu eruieren wollen.

Wir haben - das haben Sie der Presse entnehmen können - gestern versucht, über die CDU-Fraktion eine eventuelle Möglichkeit für die Lösung der zukünftigen Probleme zu präsentieren. Es gibt nämlich Filteranlagen - mobil oder vielleicht auch einmal im Probebetrieb -, die die Spitzen der Belastung ein Stück weit in dieser Übergangsphase brechen könnten, die ich genannt habe. Wenn wir gemeinsam in diese Richtung gehen - ich hoffe, dass auch das Ministerium das am Ende so unterstützt, wie wir das fordern -, werden wir auch in der Übergangsphase, in der die Belastungen verbleiben, Lösungen finden, ohne dass Fahrverbote ausgesprochen werden

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

und ohne dass am Ende die dauerhafte Belastung der Anlieger vor Ort so weiter bestehen wird. Deswegen danke ich Ihnen in diesem Sinne für das uns entgegengebrachte Vertrauen. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Volker Schnurrbusch [AfD])

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Kai Vogel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wer zur Verhinderung

von Fahrverboten das Versetzen von Messstationen in den Vordergrund schiebt, vermittelt den Eindruck, sich vor den eigentlichen Problemen wegducken zu wollen.

(Beifall SPD und Dr. Marret Bohn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Es steht außer Frage, dass es nachgeprüft werden muss, wenn - wie am Theodor-Heuss-Ring - die Messstation dort auf einer zu niedrigen Höhe misst, wie es zumindest der Presse zu entnehmen war. Es ist aber doch naiv, davon auszugehen, dass bei einer neuen Messung ein Wunder zu vermuten wäre, wenn der Messschlauch statt in einer Höhe von 1,20 m ein Stück höher - so um 30 oder 40 cm platziert werden würde.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Die Fakten müssen stimmen, das ist alles!)

Genauso naiv ist die Diskussion vonseiten der Union über die Deutsche Umwelthilfe. Davon auszugehen, dass man ein Problem löst, wenn man ein Institut durch finanzielles Abstrafen ins Abseits stellt, bedeutet nur, den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, dass dann alles gut wird.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bemerkenswert finden wir auch, wenn ein offener Konflikt in der Landesregierung und Koalition nur noch vor Gericht entschieden werden kann, wie die Zeitung berichtet. Trotz stetiger Treuebekundungen scheint es um die Harmonie nicht mehr zum Besten bestellt.

(Zurufe: Oh!)

Für uns Sozialdemokraten ist auch weiterhin klar, dass Fahrverbote unbedingt vermieden werden müssen. Fahrverbote schädigen insbesondere Pendlerinnen und Pendler, Handwerker und Fahrer von Lieferfahrzeugen, die auf ein Funktionieren von Fahrten dringend angewiesen sind.

Entscheidend werden die Maßnahmen sein, die kurz- und langfristig dazu beitragen, dass der Schadstoffausstoß mit seinen negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und Umwelt verringert wird. Die Stadt Kiel hat sich bereits auf den Weg gemacht und wird - darauf ist vorhin in der Rede von Herrn Rickers hingewiesen worden noch im Dezember ein Maßnahmekonzept beim Umweltministerium vorstellen. Außerdem arbeitet Kiel mit der Region Kiel an einem regionalen Mobilitätsmanagement und setzt mittelfristig zum Beispiel durch das Umsteuern vom Auto auf den

(Heiner Rickers)