Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

(Beifall SPD und SSW)

Es ist heute ein schwarzer Tag für die Arbeitnehmer in diesem Land, weil Sie das schlechteste Vergabegesetz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschließen wollen, das schlechteste in ganz Deutschland.

(Beifall SPD und SSW)

Dieses Gesetz fördert Lohndumping. Dieses Gesetz untergräbt den globalen Kampf gegen die Einhaltung von Menschenrechten. Dieses Gesetz ist eine Schande für unser Bundesland.

(Beifall SPD und SSW - Zurufe CDU - Wort- meldung Christopher Vogt [FDP])

- Sie brauchen sich keine Mühe zu geben. Meine Stimme ist schon schlecht genug. Ich muss meine Rede durchbringen.

(Zurufe)

Der Gipfel der Ungerechtigkeit dabei ist der Verzicht auf die umfassende Koppelung der Vergabe an die Tariftreue. Es kann doch niemandem gleich sein, dass man die Tariftreue nur für den ÖPNV, den SPNV, festschreibt, und alle anderen fallen raus. Das ist ungerecht, was Sie gemacht haben. Das ist ungerecht, und das gehört sich nicht. Das ist unanständig!

(Beifall SPD und SSW)

Wir sind hier in Schleswig-Holstein im Lohnkeller der westdeutschen Bundesländer, das bestreitet nicht einmal Minister Buchholz. Das Gesetz, das Sie beschließen wollen, verfestigt diese Entwicklung. Das Niveau ist weiter abgesackt, und deshalb ist dieses Gesetz ein Schlag in das Gesicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(Beifall SPD und SSW)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des -

Nein, gestatte ich nicht. - Sie wollen mit diesem Gesetz den Reichen geben und den Arbeitnehmern

nehmen, das ist Ihre Politik. Das ist Politik der FDP, der Partei der Reichen.

(Vereinzelter Beifall SPD - Widerspruch CDU - Christopher Vogt [FDP]: Sie haben doch eine Meise!)

Eines kann ich Ihnen versprechen -

Augenblick, Herr Kollege!

Ich habe vielleicht einen dicken Bauch, aber ich habe keine Meise, Herr Kollege! Eines will ich Ihnen versprechen: Wenn wir wieder regieren, und wir werden bald wieder regieren,

(Beifall SPD - Lachen CDU und FDP)

dann werden wir das wieder korrigieren.

(Unruhe - Glocke Präsidentin)

- Lachen Sie ruhig. - Wir hingegen fordern mit unserem Änderungsantrag, das bestehende Gesetz weiterzuentwickeln. Wir wollen die Tarifbindung als Vergabekriterium im Allgemeinen und insbesondere für den ÖPNV, den SPNV, die Freistellungsverkehre und die Abfallwirtschaft festschreiben.

(Beifall SPD und SSW)

Außerdem wollen wir, dass bei einem Anbieterwechsel niemand gefeuert wird. Deshalb wollen wir die verpflichtende Personalübernahme in diesen Wirtschaftszweigen.

(Beifall SPD und SSW - Zuruf Lukas Kilian [CDU])

Wir stehen für sozialen Zusammenhalt, Sie nicht.

Circa 14 Milliarden € werden jährlich ausgeschrieben. Davon sind 60, 70, 80 % Lohnkosten. Kein anderes Gesetz hat einen direkteren Einfluss auf die Arbeitsbedingungen und auf die Tariftreue als das Vergabegesetz, und Sie schleifen dieses Gesetz in einer Art und Weise, die unerträglich ist.

(Beifall SPD und SSW)

Es ist zutiefst ungerecht, Tariftreue nur für den ÖPNV und den SPNV festzuschreiben. Wir wollen das für alle Branchen. Das ist unanständig, was Sie tun. Wo bleibt der Respekt vor der Arbeit der Beschäftigten?

(Beifall SPD und SSW - Zuruf Lukas Kilian [CDU])

Man stellt sich ja die Frage: Was haben eigentlich die Grünen in dieser ganzen Diskussion gemacht? Um das zu beurteilen, sollten Sie einmal einen Blick in das Plenarprotokoll vom 5. September 2018 werfen. Der Kollege Rasmus Andresen hat dort ausgeführt - ich zitiere -:

„Ich weiß von unseren grünen Kommunalpolitikern, dass sie das Thema sehr ernst nehmen und sehr stark daran arbeiten, aus den Kommunen heraus soziale und ökologische Standards nach vorn zu stellen.“

Was ist die Realität? In Nordfriesland haben Ihre Parteikollegen gegen den Erhalt des TV-L-Gesetzes gestimmt, im zuständigen Ausschuss in Ostholstein ebenso. Am Schluss seiner Rede erklärt der Kollege Rasmus Andresen:

„Ich glaube, dass wir uns über die Vorschläge des SSW im Ausschuss unterhalten können.“

Und weiter:

„Ich freue mich auf die Beratung und glaube, dass das Gesetz noch besser werden kann.“

Die Realität ist, Sie haben sehr wenig erreicht. Sie haben nicht einmal einen weiteren Bindestrich hineinverhandeln können. Sie haben - und das ist eigentlich noch viel schlimmer - in der finalen Ausschussberatung des Wirtschaftsausschusses nicht einmal das Wort ergriffen. Sie haben dazu geschwiegen, und das ist einfach peinlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD und SSW)

Wir verraten nicht die Arbeitnehmerinteressen. Das will ich einmal sagen.

(Zurufe FDP)

Es geht heute um sehr, sehr viel. Es geht darum, verbindliche, ökologische und soziale Standards zu sichern. Es geht darum, Nachhaltigkeit bei der Beschaffung zu sichern, ob wir uns am globalen Kampf gegen Kinderarbeit beteiligen und gute Arbeit sichern oder ob Sie das arbeitnehmerfeindlichste Vergabegesetz in Deutschland beschließen.

(Zuruf Lukas Kilian [CDU])

Wir beantragen namentliche Abstimmung für unseren Änderungsantrag. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und SSW)

Herr Abgeordneter Vogt, Ihr Zwischenruf „Sie haben eine Meise“ ist der Parlamentsdebatte in diesem Haus nicht angemessen.

(Beifall SPD und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf wird der Jamaika-Koalitionsvertrag in einem Punkt umgesetzt. Es bleibt festzustellen, dass CDU und FDP von der Vergabepolitik hier im Land ein grundsätzlich anderes Verständnis haben als SPD, SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Das hat sich auch im Rahmen der parlamentarischen Anhörung nicht geändert. Das Vergabegesetz ist ein Kompromiss. Gerade aus Sicht meiner Fraktion gilt dies ganz besonders. Wir haben deshalb Verständnis dafür, wenn es sachliche Kritik aus Verbänden, von Gewerkschaften gibt. Wofür wir aber kein Verständnis haben, ist Weltuntergangsstimmung oder billige Polemik, die auch Sie, Herr Hölck, immer wieder an den Tag gelegt haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Weder setzt das Vergaberecht - der Kollege Kilian ist darauf eingegangen - internationale Abkommen beispielsweise gegen Kinderarbeit außer Kraft, noch untergräbt es bundes- und europarechtliche Bestimmungen. Diese gelten auch hier bei uns in Schleswig-Holstein. Das ändert unser Gesetz auch nach dem heutigen Tag nicht.

Kommunen wird auch nicht untersagt, soziale und ökologische Nachhaltigkeit bei Ausschreibungen stärker zu berücksichtigen. Genau darauf wird es ankommen. Es wird auf die Ausgestaltung ankommen. Dass wir Grüne - auch wenn die Kollegin Heinold gerade nicht hier ist - nachhaltige Beschaffung sehr ernst nehmen, haben wir zunächst in der Küstenkoalition und jetzt ohne Kurswechsel durch das Finanzministerium immer bewiesen. Das gilt beispielsweise für die Beschaffung und Umstellung auf Recycling-Papier. Das gilt für PVC-freie Büromöbel. Überall dort, wo Grüne konkret in der Verantwortung sind und für Nachhaltigkeit sorgen können, tun sie das, auch wenn Sie etwas anderes behaupten.