Protokoll der Sitzung vom 13.02.2019

Der Klimaschutz leistet dabei einen maßgeblichen Beitrag zur Gewährleistung der Sicherheit an unseren Küsten. Man kann im Grunde genommen sagen: Aktiver Klimaschutz ist auf lange Sicht der beste Küstenschutz, den wir bieten können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und FDP)

Klar ist aber auch: Völlig unabhängig davon holen uns schon jetzt die Folgen der Erderwärmung ein. Bereits seit der Fortschreibung des Generalplans Küstenschutz im Jahr 2001 werden bei der Bemessung von Deichverstärkungen steigende Klimaschutzzuschläge aufgenommen. Damit ist Schleswig-Holstein schon lange Vorreiter in der Berücksichtigung des Klimawandels beim Küstenschutz.

Meine Damen und Herren, die wichtigste Aufgabe des Küstenschutzes ist und bleibt, Leib und Leben der Bewohner unseres Landes nachhaltig vor Überflutungen durch Sturmfluten zu schützen. Auf den gut 1.100 km Küstenlinie erstrecken sich daher 433 km Landesschutzdeiche. Von diesen werden durch mein Haus im aktuellen Generalplan 93 km sukzessive verstärkt.

Zahlreiche dieser Maßnahmen betreffen auch die Ostküste. So wurden zum Beispiel bei der Deichverstärkung in der Lübecker Bucht auf über 5 km Länge mehr als 20 Millionen € investiert. Zusätzlich zu den im Generalplan Küstenschutz vorgesehenen Verstärkungen von den Landesdeichen an der Ostküste wurde der bei der Sturmflut 2017 beschädigte Regionaldeich Wallnau auf Fehmarn vom Land mit mehr als 3 Millionen € verstärkt. Die Pla

nungen für den Bau eines Landesschutzdeiches auf über 10 km im Norden Fehmarns laufen.

Die von den Gemeinden Scharbeutz, Timmendorfer Strand und Heiligenhafen mit Landesmitteln von knapp 32 Millionen € errichteten Hochwasserschutzanlagen haben ihre Bewährungsproben bei den Sturmfluten von 2017 und jetzt 2019 bestanden.

Mindestens so wichtig wie die Herstellung und Anpassung der Deiche ist die laufende Unterhaltung aller Schutzanlagen. Der im Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz angesiedelte Regiebetrieb ist dabei Garant für die Erhaltung der Sturmflutsicherheit der Anlagen des Landes.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für diese Unterhaltung der in der Verantwortung des Landes stehenden Anlagen an der Ost- und an der Westküste werden jährlich rund 23 Millionen € aufgewendet. Die gelegentlich aufkommende Diskussion einer angeblich vorhandenen Ungleichbehandlung der Ost- und Westküste bei all diesen Küstenschutzmaßnahmen trifft dabei übrigens nicht zu. Es werden exakt dieselben Vorsorgeprinzipien angelegt. Ein unterschiedliches Handeln ergibt sich dabei allein aus den unterschiedlichen Rahmenbedingungen beider Küsten, denn unsere Westküste ist durch die seit Jahrtausende anhaltende Sedimentzufuhr aus der Nordsee geprägt; demgegenüber handelt es sich bei der Ostküste um eine sogenannte Ausgleichsküste. Es ist keine Entscheidung, die wir getroffen haben, sondern Natur der Sache. Hier findet eine natürliche Sedimentzufuhr von seewärts grundsätzlich nicht statt. Stattdessen findet ein küstenparalleler Ausgleich zwischen exponierten Steilufern und wellenberuhigten Buchten statt, der durch Sturmfluten befördert wird.

Die für die Entwicklung als Badeort so wichtige Strandzone zum Beispiel in Eckernförde oder in Timmendorfer Strand würde ohne Abbrüche von naheliegenden Steilufern in dieser Form also gar nicht existieren. Sehr viele der hier Anwesenden besuchen im Sommer diese Strandorte sehr gern, auch ich bin dort sehr gern. Ich war als Urlauber auch schon in Hohwacht. Ich kenne die Situation an beiden Orten. Wir können die Herausforderungen, die sich daraus ergeben, nur im Zusammenhang beantworten. Wir müssen die Befürchtungen der Betroffenen sehr ernst nehmen und ihnen erklären, dass es diesen Zusammenhang gibt. Wir brauchen unterschiedliche passgenaue Lösungen sowohl für

(Minister Jan Philipp Albrecht)

die Nord- wie auch für die Ostseeküste als auch für die unterschiedlichen Orte an der Ostseeküste, wo diese Zusammenhänge existieren. Genau an diesen passgenauen Lösungen arbeiten wir als Landesregierung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, da die Steilufer, aber auch die Dünen als wesentliche Sedimentlieferanten deshalb grundsätzlich nicht zu befestigen sind, kommt hier der Flächenvorsorge auch im Rahmen der Raumordnung eine wachsende Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr angesichts der zunehmenden Risiken durch den Klimawandel. An den durch Sturmfluten gefährdeten Küsten sind Strategien für eine nachhaltige Nutzung erforderlich. Die Vermeidung neuer, nicht hinnehmbarer Risiken muss dabei an oberster Stelle stehen. So wurden die Ausweisung von Vorranggebieten für den Küstenschutz und die Klimafolgeanpassung bereits in dem Entwurf der Fortschreibung des Landesentwicklungsplans vorgenommen. In diesen Gebieten sollen auch keine weiteren baulichen Anlagen entstehen. Im Übrigen ist eine anderweitige Nutzung nicht ausgeschlossen. Auch dort, wo sich Tourismus und Erholung mit Küstenschutzmaßnahmen überschneiden, ist eine touristische Entwicklung möglich. Sie muss allerdings den besonderen Risiken Rechnung tragen. Dies bedeutet vor allem, hochwasserangepasst zu bauen und bereits jetzt auch für den Fall von Überflutungen und Landabbrüchen Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Die Kommunen, die Investoren, die Küstenanwohnerinnen und -anwohner sind hierbei wichtige Partner im Küstenrisikomanagement.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Wir dürfen die Gefahren und natürlichen Effekte nicht unterschätzen. Alle Beteiligten - auch das Land - müssen ihre Verantwortung erkennen und risikobewusst handeln. Diese Notwendigkeit wird durch die Sturmfluten vom Januar dieses Jahres nochmals unterstrichen. Wir nehmen die Sorgen in den Tourismusgemeinden sehr ernst und werden den Gesamtkontext betrachten, um die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Die Auswirkungen vergangener Sturmfluten und statistische Erhebungen zeigen: Mit ihrem Auftreten ist unregelmäßig, aber wiederkehrend und in unterschiedlichem Ausmaß zu rechnen. Was wir also brauchen, sind langfristige Strategien mit Rücksicht auf die durchaus sehr verschieden ausfallenden Sturmflutereignisse

und die Veränderungen, die durch den fortschreitenden Klimawandel eintreten.

Meine Damen und Herren, immer wieder wird hierbei auf die Sandaufspülungen vor Sylt verwiesen. Manch einer fragt sich, warum dies dort, aber nicht an der Ostküste geleistet wird. Ich möchte das noch einmal einordnen, denn es bedient natürlich das Klischee von der Insel der Schönen und Reichen, für die der Staat besonders tief in die Tasche greift. Für Küstenschützer ist Sylt allerdings vor allem eine Insel, auf der Menschen zu schützen sind, und ein natürlicher Wellenbrecher. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Der vor Sylt aufgespülte Sand schützt eben nicht nur Sylt, sondern verstärkt vor allen Dingen die Wellenbrecherfunktion und kommt durch natürlichen Sandtransport der gesamten nordfriesischen Küste zugute.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Auch das Wattenmeer gewinnt dabei, denn der ansteigende Meeresspiegel fordert schon jetzt, dass das Watt mit dem Meeresspiegel aufwachsen muss. Das heißt, wir versorgen das Watt mit den notwendigen Sedimenten. Anderenfalls würde unser einmaliges Weltnaturerbe, das in diesem Jahr seit zehn Jahren anerkannt ist, schlicht im Meer versinken. Die Sandaufspülungen vor Sylt sind damit eine echte Küstenschutzmaßnahme für die gesamte nordfriesische Küste und helfen unserem Watt, mitzuwachsen.

Meine Damen und Herren, an der Ostküste und im Küstenvorfeld fehlen aber ausreichend Sedimente für diese langfristigen Anpassungsmaßnahmen. Eine nachhaltige Sicherung durch Sandaufspülungen ist deswegen hier kaum möglich. Feste Bauwerke wiederum wie etwa Buhnen führen häufig dazu, dass an anderen Stellen der Küste sogar negative Effekte durch Erosion stattfinden. Deshalb bedarf es Strategien, die die zunehmenden Belastungen an der Ostküste - insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel - in eine Gesamtbetrachtung bringen. Hierfür hat die Landesregierung als ersten Schritt den Fachplan Küstenschutz Osteeküste entwickelt.

Hierauf aufbauend werden derzeit in einem Kooperationsvorhaben mit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel verbesserte Grundlagen zum Sedimenthaushalt an der Ostküste erarbeitet. Diese Grundlagen wollen wir nun als Landesregierung heranziehen, um vergleichbar mit der Strategie für das Wattenmeer 2100 eine nachhaltige Anpassungsstra

(Minister Jan Philipp Albrecht)

tegie für die schleswig-holsteinische Ostseeküste zu entwickeln.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Um dabei den verschiedenen, völlig berechtigten Interessenlagen und Belangen bestmöglich Rechnung tragen zu können, werden wir hierfür in gemeinsamer Verantwortung der unterschiedlichen Ressorts eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe einrichten. Ziel ist es, unter Einbeziehung der verschiedenen Anliegen des Küsten- und des Naturschutzes, des Tourismus und der Landesplanung eine Anpassungsstrategie zu erarbeiten, die unter Wahrung naturräumlicher Bedingungen Möglichkeiten zu einer nachhaltigen Nutzung der Ostseeküste aufzeigt.

Konkret bedeutet dies zum Beispiel, dass Maßnahmen - auch zur Stabilisierung der Küstenlinie - nur im Einklang mit den die Küste gestaltenden physikalischen Prozessen durchgeführt werden können. Ein Bauen gegen diese grundlegenden Prozesse wäre auch bei einem erheblichen finanziellen Mehreinsatz letztlich zum Scheitern verurteilt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um dem zu entgehen, wird sich eine ökologisch wie ökonomisch nachhaltige Strategie vorrangig auf eine ökosystembasierte Anpassung fokussieren müssen. Dieser etwas sperrige Begriff bedeutet im Klartext lediglich: Wir müssen mit der Natur bauen, statt gegen sie.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, der Küstenschutz hat für uns und unser Land eine herausragende Priorität und ist die Grundvoraussetzung für die Nutzung von Küsten und Niederungen. Den Herausforderungen können wir nur begegnen, wenn wir uns der Risiken bewusst sind und sachgerecht reagieren, und genau dies tut die Landesregierung.

Klar ist für uns aber auch: Wenn in den Tourismusregionen Not am Mann ist, dann helfen wir schnell und unkompliziert. Deshalb hat sich die Landesregierung gleichzeitig auf Soforthilfen in Höhe von 1 Million € geeinigt, die neben den zuvor ausgeführten Küstenschutzmaßnahmen und der Strategie für die Ostseeküste 2100 den Übergang zu nachhaltigen Lösungen abfedern und eine erfolgreiche Sommersaison 2019 sichern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Im Namen der gesamten Landesregierung bedanke mich daher auch für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, wir begrüßen auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Schülerinnen und Schüler der Friedrich-PaulsenSchule aus Niebüll. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPDFraktion hat die Abgeordnete Sandra Redmann.

Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, erst einmal vielen Dank für Ihren Bericht, auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses. Natürlich geht auch ein ganz besonderes Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesbetriebs für Küstenschutz, die jeden Tag einen verdammt guten Job bei uns in Schleswig-Holstein machen.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der letzten Landtagstagung hat Minister Buchholz auf Antrag der SPD einen Bericht über die Auswirkungen der Stürme an der Ostseeküste gehalten. Herr Minister, dabei haben Sie nachhaltige Konzepte für die Sicherung der Küste und der Strände angekündigt; durchaus sinnvoll. Da waren wir jetzt natürlich sehr gespannt, was wir präsentiert bekommen, wenn eine Regierungserklärung des Umweltministers angekündigt wird.

Wir haben also gelernt: Es gibt Nord- und Ostsee, es gibt unterschiedliche Maßnahmen an Nord- und Ostsee. Wir wissen jetzt, welche Maßnahmen zum Deichschutz getroffen werden, dass die Küstenkoalition viele Maßnahmen bereits angeschoben hat, dass der Klimawandel zu Veränderungen an der Küste führt und dass schon 2001 das Land die Deichverstärkung darauf ausgerichtet hat. Wir haben natürlich auch gelernt, welche Projekte es gibt und dass die Sorgen der Tourismusgemeinden ernst genommen werden und dass Sylt eben nicht Scharbeutz ist. Das hat der Wirtschaftsminister in der letzten Tagung ebenso gesagt. Herr Albrecht, der einzige Unterschied ist, dass Sie etwas ausführli

(Minister Jan Philipp Albrecht)

cher die Auswirkungen des Klimawandels und einen nachhaltigen Küstenschutz beschrieben haben. Für einen Fachvortrag ist das recht spannend, für eine Regierungserklärung ist das recht schwach.

(Beifall SPD)

Auch wenn wir viele Punkte inhaltlich teilen, ein wenig hat man den Eindruck, Sie müssen eher Ihren Koalitionspartner auf eine nachhaltige Linie bringen, denn ich habe Sie nicht klatschen sehen, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD - Zurufe)

Einen konkreten Punkt benennen Sie dann allerdings doch. Sie wollen jetzt in gemeinsamer Verantwortung von Umwelt- und Wirtschaftsministerium eine Arbeitsgruppe einrichten. - Super, das hätten Sie auch schon vorher machen können. Ich dachte, Sie arbeiten in der Regierung eigentlich sowieso ressortübergreifend. Dass das bisher allerdings nicht so optimal läuft, kann man daran erkennen, dass Minister Buchholz einen Tag vor der Regierungserklärung eine Pressemitteilung herausgibt, in der er die Hauptpunkte der Regierungserklärung im Grunde bereits verkündet.

(Beifall SPD)

Also, die einzige konkrete Maßnahme verkündet der Wirtschaftsminister, nämlich 1 Million € für die betroffenen Gemeinden, und eine Ostseestrategie. Fazit: Sie werden an irgendetwas arbeiten, und Sie werden uns irgendwann etwas präsentieren, vielleicht dann in einer Regierungserklärung? - Vielen Dank.