Protokoll der Sitzung vom 13.02.2019

Also, die einzige konkrete Maßnahme verkündet der Wirtschaftsminister, nämlich 1 Million € für die betroffenen Gemeinden, und eine Ostseestrategie. Fazit: Sie werden an irgendetwas arbeiten, und Sie werden uns irgendwann etwas präsentieren, vielleicht dann in einer Regierungserklärung? - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Klaus Jensen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Zunächst möchte ich mich bei Minister Albrecht für die inhaltsreiche Regierungserklärung bedanken, in der er die Grundzüge der Küstenschutzmaßnahmen in unserem Land und insbesondere die Belange der Ostseeküste skizziert hat.

Küstenschutz ist für Schleswig-Holstein, das Land zwischen den Meeren, nicht nur systemrelevant, wie es der Minister eben bezeichnete, Küstenschutz gehört zur DNA eines jeden Küstenbewohners. Ich selbst bin auf meiner Heimatinsel Pellworm geboren und aufgewachsen. Ich habe so manche schwere

Sturmflut mit Wasserständen bis heran zur Deichkrone miterlebt und diesen ehernen Grundsatz „Wer nich will dieken, mutt wieken“ total verinnerlicht.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

An der Westküste hat das Land 1971 - ich sage Gott sei Dank - die Verantwortung und damit die Sicherung und den Ausbau der Außendeiche übernommen. Das gilt fast für die gesamte Küstenlinie auf dem Festland und den Inseln. Zählt man die Bereiche mit Landesschutzdeichen an der Ostseeküste, maßgeblich auf Fehmarn, dazu, wird etwa ein Viertel der Landesfläche mit einer Bevölkerung von circa 350.000 Menschen vor Nord- und Ostsee geschützt. Dieser besonderen Herausforderung stellt sich das Land schon seit vielen Jahren, und weil das Land gar nicht in der Lage wäre, solche finanzielle Lasten allein zu tragen, beteiligen sich der Bund und auch die EU über die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz maßgeblich an der Finanzierung dieser lebenswichtigen Aufgabe.

Seit der Sturmflut von 1962 hat das Land mit der Aufstellung eines sogenannten Generalplans Küstenschutz immer sehr weitsichtig die notwendigen Maßnahmen für die Sicherheit von Deichen und Küstenschutzanlagen identifiziert und umgesetzt. Der letzte Generalplan datiert von 2012 und wird jetzt gerade wieder fortgeschrieben. Er berücksichtigt schon in den letzten 20 Jahren nicht allein die baulichen Maßnahmen, sondern integriert auch andere Ansprüche an das Küstengebiet frühzeitig und angemessen, zum Beispiel den Naturschutz, die Raumplanung und - last, but not least - den Klimawandel. So werden der zu erwartende Meeresspiegelanstieg, der zunächst für die nächsten 100 Jahre mit 50 cm angesetzt ist, Veränderungen im Wellenauflauf und auch eine sogenannte Klimareserve von 50 cm in die Planungen mit einbezogen. Diese Annahmen werden regelmäßig überprüft und nach neuesten Erkenntnissen auch neu bewertet.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle eine Lanze brechen für den LKN, den Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz, der mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diese umfangreichen Aufgaben meistert.

(Vereinzelter Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Dr. Oelerich ist hier. Er hat dieser Behörde zehn Jahre lang vorgestanden. Nachfolgerin ist Frau Matelski, also ist hier auch die Quote gesichert.

(Sandra Redmann)

Das Land hat vor gut zehn Jahren die Belange des Küstenschutzes unter anderem mit denen des Nationalparks Wattenmeer und des Meeresschutzes unter einem Dach organisiert. Das war eine gute Entscheidung, wie wir heute wissen. Im LKN werden die maßgeblichen Aufgaben in Angriff genommen. Neben dem Generalplan Küstenschutz werden hier spezielle Fachpläne entwickelt, zum Beispiel für Sylt oder Amrum, für das Wattenmeer oder auch für die Ostseeküste.

Damit schaffe ich den thematischen Übergang zu dem zweiten Thema der Regierungserklärung, einer Strategie für die Ostseeküste. Die Ausgangslage an der Ostseeküste unterscheidet sich grundlegend von den Verhältnissen im Westen; das hat der Minister schon gesagt. Die Küstenlinie der Ostsee umfasst nur 70 km Landesschutzdeiche - also in Landeszuständigkeit -, ferner 50 km Regionaldeiche, 120 km Steilufer und weitere sandige Küstenabschnitte. Letztere sind alle in der Verantwortung der Gemeinden beziehungsweise der Wasser- und Bodenverbände. Dies stellt die kommunale Ebene vor besondere Herausforderungen.

Die beiden Stürme Anfang des Jahres haben deutlich gezeigt, dass die Ostküste durchaus auch durch solche Ereignisse gefährdet ist. Die touristische Infrastruktur ist geschädigt, der Sandstrand ist teilweise weg, und Küstenschutzanlagen sind in Mitleidenschaft gezogen worden. Der Handlungsbedarf ist also unbestritten.

Meine Damen und Herren, ich habe schon vor drei Wochen von dieser Stelle aus berichtet, dass sich die von der kommunalen Ebene getragene Arbeitsgemeinschaft Küstenschutz Ostsee sehr konstruktiv in die Diskussion um mögliche Maßnahmen eingebracht hat. Ende Januar hatte ich noch einmal Gelegenheit, mir das Ausmaß der Sturmschäden vermitteln zu lassen. Die AG bekräftigte ihre Forderung, mit den Folgen dieser Stürme nicht alleingelassen zu werden. Ein sehr verständlicher Wunsch!

(Beifall CDU und FDP)

Im Ergebnis soll eine nachhaltige Küstensicherung zusammen mit dem Naturschutz und dem Tourismus entwickelt werden. Dazu wird der Sachverstand der Küstenschutzbehörde LKN benötigt - ein erster Schritt zu einem gemeinsam zu erarbeitenden Konzept, welches alle verschiedenen Interessen einbindet.

Hier bitte ich die Landesregierung, diesen Prozess aktiv zu begleiten, um langfristig zu guten Lösungen zu kommen. Ich beziehe mich auf die Ausführungen des Ministers, der die auch mit Landesmit

teln finanzierten Hochwasserschutzanlagen in den Gemeinden Scharbeutz, Timmendorfer Strand und Heiligenhafen angesprochen hat. Alle haben ihre Bewährungsprobe in den Jahren 2017 und 2019 bestanden und sind somit eine nachahmenswerte Erfolgsgeschichte.

Der Minister ist am Beispiel der Insel Sylt auf die unterschiedlichen Herangehensweisen bei Küstenschutzmaßnahmen an der Westküste im Vergleich zur Ostküste eingegangen. Ich möchte ausdrücklich unterstreichen, dass die jährlichen Sandvorspülungen vor Sylt die einzig wirksame Maßnahme sind, um die Insel in ihrer Substanz sowie in ihrer Funktion als Wellenbrecher für die Festlandsküste zu erhalten. Es sind viele andere Versuche gemacht worden; diese haben aber keinen Erfolg gebracht. Ich nenne hier nur das Beispiel Tetrapoden.

Gleichzeitig aber sollte zum Beispiel an den Steilufern der Ostseeküste geprüft werden, ob traditionelle Sicherungsmaßnahmen wie Buhnen - längs oder quer - oder auch Steinschüttungen mit Findlingen im Einzelfall einen positiven Effekt haben können. Diesen Hinweis aus der AG wollte ich hier gern angesprochen haben.

(Beifall CDU und FDP)

Der Minister hat zum Schluss seiner Rede die Verantwortung des Landes betont zu helfen, wo Not am Mann oder an der Frau ist. Diese Not ist durch die beiden Stürme im Januar bei vielen Tourismusgemeinden an der Ostsee angekommen. Die Soforthilfen - 1 Million € sind vorgesehen - sollen dazu beitragen, unter hälftiger Beteiligung der Betroffenen die größten Mängel zu beheben und so eine erfolgreiche Sommersaison 2019 abzusichern. Die CDU-Fraktion unterstützt dies voll und ganz.

Wenn die Kollegin Poersch jetzt meint, 1 Million € seien zu wenig und das dauere alles zu lange, dann sage ich: Auch an einer guten Sache kann man immer irgendetwas bemäkeln. Ich meine, es ist ein Wort, mit 1 Million € in diese Diskussion hineinzugehen. Wir hatten vor zwei Jahren den MeyerFonds, der 2 Millionen € umfasste; von diesem sind - in Anführungsstrichen - „nur“ 1,2 Millionen € in Anspruch genommen worden. Insofern sind wir mit diesem Angebot gut davor.

(Beifall CDU, FDP und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zum Schluss meiner Rede möchte ich noch ein paar persönliche Worte zu dem Thema Küstenschutz loswerden; ich habe noch ein bisschen Zeit. - Ich befasse mich seit vielen Jahren - als Anwohner, als In

(Klaus Jensen)

sulaner, als Pellwormer - mit Küstenschutz. Auch in meinen kommunalen Funktionen als Bürgermeister oder im Kreistag habe ich dieses Thema immer intensiv begleiten dürfen. Küstenschutz hat sich aber ein Stück weit verändert. Gerade im Zuge der Debatte über den Nationalpark Wattenmeer haben wir lernen müssen, dass gewisse Dinge im Küstenschutz anders gehen.

Die fachliche Diskussion mit der Küstenschutzbehörde, dem LKN, läuft hervorragend. Insofern darf ich hier sagen: Der Küstenschutz ist beim LKN, ist bei dieser Landesregierung in guten Händen.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen: Wir müssen auch den gesellschaftlichen Diskurs führen, insbesondere über die Fragen, was nötig und was wichtig ist. Insoweit müssen wir ein bisschen aufpassen. Der Begriff - zum Beispiel - des „flächenhaften Küstenschutzes“, das heißt, dass Küstenschutz auch vor den Deichen gemacht wird, im Vorland, im Watt oder an der Ostseeküste, darf nicht verloren gehen. Das Zulassen der natürlichen Dynamik allein, wie es im Nationalparkgesetz heißt, hat seine Grenzen.

Ja, mit der Natur denken, handeln und bauen, nicht gegen sie - so hat der Minister es vorhin gesagt. Aber auch: Ja, erste Aufgabe des Küstenschutzes ist es, Leib und Leben der Anwohner zu schützen. Das sollten wir nicht vergessen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es gibt keine Verpflichtung der Abgeordneten, die vereinbarte Redezeit vollständig auszuschöpfen.

(Heiterkeit)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Bernd Voß das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg ein herzliches Dankeschön an den Minister für den Bericht! Ein herzliches Dankeschön geht auch an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums. Besonders danken wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des LKN, die Tag für Tag die Sicherheitslage entlang unserer 1.100 km Küste sicherstellen.

Der Weltklimarat hat im Oktober letzten Jahres im Vorfeld des Weltklimagipfels einen Sonderbericht herausgegeben, in dem er darstellt, wie unsere Welt bei einer Erwärmung nur um 1,5 Grad aussehen

könnte. Die Botschaft war klar: Bis Ende des Jahrhunderts 26 bis 77 cm mehr! Ich glaube, es ist deutlich, was das bedeutet. Übrigens ist fragwürdig, ob das 1,5-Grad-Ziel nach den Beschlüssen von Kattowitz überhaupt noch gehalten werden kann.

Eine Verstärkung der Anstrengungen zur Vermeidung des Klimawandels ist dringend geboten. Wer meint, konkrete Maßnahmen gegen den Klimawandel wie den Umbau der Energiesysteme oder die Verkehrswende mit wirtschaftlichen Argumenten wie „Geht nicht!“, „Ist zu teuer!“ oder unter Hinweis auf angebliche volkswirtschaftliche Schäden hinausschieben zu müssen, bewirkt Schaden an den kommenden Generationen. Diese Denke ist falsch, sie ist nicht nachhaltig. Jeder Euro, den wir heute für den Klimaschutz ausgeben, macht sich vielfach bezahlt, wenn dadurch zukünftig Schäden vermieden werden können. Deshalb brauchen wir einen zügigen Ausstieg aus der Kohle, eine wirksame CO2-Bepreisung und ambitionierte Klimaziele auch in der EU.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dennys Bornhöft [FDP])

Wer wenn nicht wir als reiche Länder soll hier vorangehen? Wir müssen uns nicht nur leisten, immer höhere Deiche für unsere Sicherheit zu bauen, sondern wir müssen auch mit unseren politischen Instrumenten Energiewende und Klimaschutz schnell und zügig voranbringen. Wir zahlen bereits für Versäumnisse der Vergangenheit: alle paar Jahre ein Jahrhunderthochwasser, eine Sturmflut, schwere Sturmereignisse mit Schäden in Millionenhöhe. Wir wissen: Das ist erst der Anfang der Entwicklung. In Schleswig-Holstein sind wir in besonderer Weise vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen.

Seine Heimat zu entwickeln und das Land, in dem man lebt, gegen Wasser zu sichern, ist überhaupt nicht neu. Wenn ich etwas weiter in die Geschichte, zu den Anfängen zurückgehen darf: Ich komme aus der Elbmarsch. Die ersten überlieferten Berichte aus dieser Region sind in der Zeit um 50 nach Christi entstanden. Von wem? Von Plinius dem Älteren. Er war damals, glaube ich, auf Dienstreise mit Vespasian, dem späteren Kaiser, und berichtete von den nördlich der Elbe, also in Schleswig-Holstein, lebenden Menschen, dass sie zweimal am Tag auf Erdhaufen klettern müssten, teilweise auch auf Bäume, um sich in Sicherheit zu bringen. Die Quintessenz seiner Erzählung über diese armen Menschen war, dass selbst die Sklaven im Römischen Reich besser leben würden.

(Klaus Jensen)

Ich will in dieser Debatte jetzt nicht mit Begriffen wie Bruttoinlandsprodukt und Wohlstandsindex anfangen. Die Menschen sind jedenfalls geblieben und haben dieses Land entwickelt.

Ein Viertel der Landesfläche ist auf den Schutz durch die Deiche angewiesen. Ohne die Deiche würde bei schweren Sturmfluten alles unter Wasser stehen. Das Land Schleswig-Holstein wäre ohne diesen Schutz nicht lebensfähig. An der Küste leben 250.000 Menschen; das wurde bereits gesagt. Die Sachwerte betragen über 50 Milliarden €; man möchte bezweifeln, ob diese Summe überhaupt hoch genug angesetzt ist. Hier befinden sich sensibelste Infrastrukturen sowie ein Zwischenlager für Atommüll. Die Gebiete, vor allem aber Leib und Leben der Menschen zu schützen, ist eine vordringliche öffentliche Aufgabe.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Müssten wir, das Land, diese Aufgabe heute allein stemmen, wären wir bereits überfordert. Die Investitionen für den Küstenschutz werden mit EU-Mitteln und mit Bundesmitteln unterstützt. Die Verantwortung tragen aber auch die Gemeinden. Sie sind zusammen mit den Verbänden für die Regionaldeiche zuständig. Insbesondere die zweite Deichlinie wird im Zuge der Entwicklung und alternder Sperrwerke zukünftig erheblich mehr in den Sicherheitskonzepten Berücksichtigung finden müssen.

Wir sehen im aktuellen Infrastrukturbericht, der dieser Tage diskutiert wird, aber auch, dass es alles andere als einfach ist, den Generalplan Küstenschutz aus dem Jahr 2012 entsprechend umzusetzen. Bei den Maßnahmen hinken wir hinterher. Gegenüber den Kostenschätzungen von 2012 haben wir erhebliche Kostensteigerungen durch Personal, durch Grunderwerb und andere Preissteigerungen.

Der Bericht spricht von einer Finanzierungslücke in Höhe von 5 Millionen € bis 10 Millionen € jährlich. Ich glaube, es ist eine ziemliche Herausforderung, die Generalplanziele bis 2030 abzuarbeiten.