Protokoll der Sitzung vom 15.02.2019

Es ist auch kein Geheimnis, dass wir uns als CDU, ob im Bund oder im Land, gegen eine Aufweichung im Wahlprogramm ausgesprochen haben. Warum haben wir das? Ich nenne vier wesentliche Punkte:

Die Cannabis-Sucht wird legalisiert. Cannabis ist kein harmloser Konsumartikel, sondern eine Einstiegsdroge.

(Beifall CDU)

Cannabis zum Freizeitkonsum ebnet den Weg zu sogenannten harten Drogen. Je früher der Erstkonsum, desto höher die Wahrscheinlichkeit der Suchtentstehung.

(Zuruf Lars Harms [SSW])

Die Legalisierung von Cannabis würde, so wie es auch bei Tabak und Alkohol der Fall ist, Herr Harms, den Konsum bei Jugendlichen erleichtern. Wir wissen, dass sich der THC-Gehalt in den letzten Jahren vervielfacht hat. Wir sind uns, so denke ich, einig darin, dass Cannabis weitreichende Folgen auf die Entwicklung eines Menschen hat. Ich empfehle hierzu, sich einmal mit den Suchtberatungsstellen und den psychiatrischen Krankenhäusern auszutauschen, wo Fachpersonal tagtäglich mit diesen Schäden und Folgen konfrontiert ist.

Ich habe in meiner beruflichen Tätigkeit im Jobcenter immer wieder die Erfahrung mit Menschen gemacht, die mit Psychosen infolge von Drogenkonsum eben nicht mehr in der Lage waren, einer geregelten Arbeit nachzugehen.

Das, meine Damen und Herren, sind sicherlich Extrembeispiele; aber es sind eben auch Wahrheiten, die genannt werden müssen. Ich sage auch ganz klar und deutlich: Kiffen und anschließend Autofahren sind tabu.

(Beifall CDU und Dennys Bornhöft [FDP])

Die erheblichen Bedenken, die hinsichtlich einer Freigabe seitens der CDU-Landtagsfraktion bestehen, habe ich hinreichend dargelegt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir prüfen gemeinsam, welche Möglichkeiten bestehen, ein Modellprojekt zur kontrollierten Freigabe von Cannabis an Volljährige in Schleswig-Holstein umzusetzen. So haben wir es

(Flemming Meyer)

im Koalitionsvertrag vereinbart, und daran halten wir uns.

(Beifall CDU, FDP und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Unser Fokus als CDU ist und bleibt aber die Nulltoleranz zum Gebrauch von Drogen an Schulen, Kindertagesstätten sowie Spiel- und Sportstätten.

(Beifall CDU - Unruhe)

Wir als CDU vertreten den Standpunkt - Herr Harms, hören Sie gut zu -, einen besonderen Schwerpunkt bei Prävention, Aufklärung und Beratung sowie Therapiebehandlung von Suchtkrankheiten zu setzen, vor allem bei jungen Menschen.

(Anhaltende Unruhe - Glocke Präsidentin)

- Danke, Frau Präsidentin.

Daher plädieren wir für eine Weiterentwicklung der bestehenden Präventions- und Beratungsprogramme. Dies beinhaltet die frühzeitige Aufklärung über die Gefahren im Umgang mit Drogen, so auch mit der sogenannten weichen Droge Cannabis.

Lassen Sie mich abschließend feststellen: Helge Schneider und Stefan Raab sind manchmal eben auch hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag allgegenwärtig. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist augenscheinlich, dass gerade heute Morgen alle Mitglieder des Parlaments besonders fröhlich sind. Ich wünsche mir aber trotzdem, dass den Rednern wieder ein bisschen mehr Aufmerksamkeit gezollt wird.

Bevor wir mit der Rednerliste fortfahren, begrüßen Sie bitte mit mir Schülerinnen und Schüler des Förderzentrums und der Gemeinschaftsschule Schönberg auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Bernd Heinemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Seit über 20 Jahren bemühen wir uns, die Auswirkungen der Illegalität von Cannabis in den Griff zu bekommen. Nicht nur die Gesundheitsexperten der Sozialdemo

kraten fordern seit vielen Jahren eine Neuausrichtung der Cannabis-Politik. Die Kriminalisierung hat jedenfalls keinerlei präventive Wirkung entfalten können, bis heute nicht.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Konsum steigt weiter und ist über den illegalen und aggressiven Dealermarkt oft der Einstieg in sehr gefährliche und lebensbedrohende Suchtmittel von Kokain bis Crystal Meth.

Im Vordergrund der Diskussion stehen immer wieder Modellprojekte, die die regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene möglich machen. Der SSW hat den Ball aufgenommen, und auch der Koalitionsvertrag sieht eine Prüfung eines geeigneten Modellprojektes mit wissenschaftlicher Begleitung vor.

(Unruhe)

Der SSW hat dies also auf den Weg gebracht.

Herr Heinemann, warten Sie bitte einen Moment! Ich weiß nicht, ob ich das heute noch öfter sagen muss. Aber wenn Sie Gespräche führen, dann legen Sie diese bitte außerhalb des Plenarsaals. Es ist unglaublich laut hier. Ich glaube auch, der Abgeordnete Heinemann hat das Recht, jetzt gehört zu werden.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

(Vereinzelter Beifall)

Das ist auch ein wichtiges Thema.

Seit 1996, als Sozialministerin Heide Moser in Schleswig-Holstein erstmals versuchte, die Cannabiskonsumenten aus dem Teufelskreis der kriminalisierten Konsumenten herauszuführen, hat sich manches geändert. Der Konsum hat zugenommen. Knapp 15.000 Patientinnen und Patienten nehmen in Deutschland Cannabis aus der Apotheke als Medikament zu sich - 15.000! -, und es werden immer mehr.

Eine verantwortungsvolle Drogenpolitik muss sich in erster Linie daran messen lassen, ob sie tatsächlich einen wirksamen Gesundheits-, Verbraucherund Jugendschutz ermöglichen will. Aber die bisherige Cannabisverbotspolitik ist ganz offensichtlich gescheitert. Cannabiskonsum gehört heute wie Alkoholkonsum zur Lebensrealität in unserer Gesellschaft. Der Konsum von Cannabis lässt sich prak

(Andrea Tschacher)

tisch genauso wenig verhindern wie der Konsum von Alkohol. Im Gegensatz zum Alkohol ist es bei Cannabis aufgrund der Verbotspolitik derzeit, abgesehen von medizinischer Verordnung, nicht möglich, Qualität, Wirkstoffgehalt oder auch andere Merkmale zu kontrollieren.

(Flemming Meyer [SSW]: Wie beim Glücks- spiel!)

- Kollege Meyer hat das eben deutlich gemacht.

Eine bundeseinheitliche Entkriminalisierung des Cannabiskonsums würden Polizei und Justiz erheblich entlasten. Sie laufen nämlich den kriminellen Cannabiskonsumenten hinterher, und die Gesellschaft sagt: Die armen Menschen! Lasst sie doch laufen! Und das tun Polizei und Justiz dann auch und sind dann doppelt gefrustet. Für nichts und wieder nichts sind sie auf der Straße und kümmern sich um die armen Cannabiskonsumenten.

Es ist für die Polizei eine Zumutung, Cannabiskonsumenten zu verfolgen - denen die Gesellschaft ja eigentlich eher helfen will. Staatsanwaltschaften und Gerichte haben bei ihnen kein gesellschaftsschädigendes Verhalten erkennen können; sie tun das, was sie tun müssen - und müssen sie dann wieder nach Hause schicken. Das ist alles Quatsch. Die Entlastung an dieser Stelle würde Ressourcen für wirksame Prävention, für Aufklärung und für einen konzentrierten Kampf gegen den illegalen Drogenhandel frei machen.

Dass eine liberalere Drogenpolitik erfolgreich sein kann - Kollege Meyer hat es ebenfalls gesagt -, können wir in Portugal erkennen. Denn dort ist vor 17 Jahren die Wende vollzogen worden; der Konsum wurde entkriminalisiert. Der Konsum von Cannabis ist seitdem besonders bei jungen Menschen massiv zurückgegangen. Frau Tschacher, in Portugal und Holland ist Cannabis eben keine Einstiegsdroge mehr, weil man sich auf den Weg gemacht hat. Das ist das richtige Ergebnis.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Aber, meine Damen und Herren, Entkriminalisierung allein ist nicht zielführend. So ist es auch in Portugal. Aufklärung und Prävention sind wichtige Bestandteile - da haben Sie recht; da gebe ich Ihnen vollkommen recht - einer erfolgreichen Drogenpolitik. Hier müssen wir noch stärker ansetzen, auch, um die Jugendlichen zu schützen.

Der Widerstand gegen die Legalisierung von Cannabis im Modellversuch bröckelt in diesen Tagen massiv. Am deutlichsten ist dies im Moment im Ge

sundheitsausschuss des Deutschen Bundestags zu erkennen. Der Vorsitzende und CDU-Politiker Erwin Rüddel hat erklärt, dass er sich Cannabis-Modellprojekte vorstellen könne. Er schlägt vor - ich zitiere -, „in einem kontrollierten Versuch Cannabis in Apotheken an registrierte Nutzer über 18 Jahren abzugeben“.

(Zuruf Werner Kalinka [CDU] - Lars Harms [SSW]: Sehr gut!)

Das ist die Idee der CDU, jedenfalls im Deutschen Bundestag, im dortigen Gesundheitsausschuss. Damit ist der Vorschlag, den Heide Moser 1996 gemacht hat, jetzt auch bei der CDU im Bundestag angekommen. Meine Damen und Herren, darüber freuen wir uns. Die Widerstände in seiner Fraktion hält der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Übrigen für überwindbar. - Wir auch, meine Damen und Herren, wir auch!