Protokoll der Sitzung vom 06.03.2019

Statt mit Nachdruck für die eigene Position zu werben und für die eigene Überzeugung zu kämpfen, beantragen CDU und FDP deshalb heute also gemeinsam mit den Grünen eine Anhörung zum Thema Gesichtsschleier. So kann man das machen. Auf diese Weise lässt sich der koalitionsinterne Streit zum Verschleierungsverbot bis auf Weiteres vertagen, frei nach dem Motto: Wer nicht mehr anders weiter weiß, der gründet einen Arbeitskreis.

(Zurufe)

- Genau, Sie sagen es ja, Frau von Kalben, eine Anhörung hätte es so oder so gegeben.

Wenn es also nach Jamaika geht, soll die Frage eines gesetzlichen Verschleierungsverbots am besten

so lange hinausgeschoben werden, bis sie von ganz anderer Seite entschieden wird, etwa durch ein Bundesgesetz oder durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. So ließe sich der Koalitionsstreit zwischen CDU, FDP und Grünen für alle gesichtswahrend lösen.

Alternativ hofft die Jamaika-Koalition indes vielleicht aber auch einfach nur darauf, dass die von ihr beantragte Anhörung zum Thema Gesichtsschleier tatsächlich irgendwelche neuen Erkenntnisse liefert; hoffentlich solche, die den Grünen dann gesichtswahrend erlauben, die eigene Position noch einmal zu überdenken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber welche Erkenntnisse sollten das eigentlich sein? Eine rechtliche Bewertung, namentlich eine verfassungsrechtliche, bleibt so oder so dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten, ganz egal, wer sich vorher im Rahmen einer Anhörung zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit wie auch immer äußert. Auch die Diskussion zu den gesellschaftspolitischen Aspekten des Gesichtsschleiers, die Jamaika im Rahmen der Anhörung führen möchte, wird doch keine neuen Erkenntnisse bringen. Zum einen liegen alle Fakten, die für das gesetzliche Verschleierungsverbot an Hochschulen relevant sind, schon jetzt offen auf dem Tisch. Das zeigt sich insbesondere daran, dass in Bayern ein solches gesetzliches Verbot bereits seit 2017 in Kraft ist. Zum anderen geht es bei den gesellschaftlichen Aspekten allein darum, wie die Verschleierung in unserer Gesellschaft bewertet wird. Und hier lässt sich doch bereits ohne Anhörung sagen, dass es Menschen gibt, die das Tragen von Burka und Niqab befürworten, dass es andere gibt, die dies ablehnen, und wiederum andere, denen das egal ist.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Anmerkung oder eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten von Kalben?

Ich habe nur eine ganz kurze Frage. Sie haben eben die ganze Zeit darüber gesprochen, was an der Anhörung falsch ist. Möchten Sie, dass wir eine Anhörung zu Ihrem Gesetz ablehnen?

- Nein. In dem Augenblick, in dem wir einen Gesetzentwurf einbringen, ist das Prozedere doch voll

(Dr. Frank Brodehl)

kommen klar, nämlich dass es selbstverständlich eine Anhörung gibt. Von daher wäre meine Gegenfrage, und ich hoffe, dass Sie die beantworten können: Warum haben Sie denn auch noch eine Anhörung beantragt, wenn dies doch sowieso schon auf dem Tisch liegt?

Gestatten Sie eine weitere Anmerkung oder eine Zwischenfrage?

Erstens ist Ihr Gesetzentwurf auf unserer Sicht nicht ausreichend, um alle Aspekte anzuhören. Zweitens verstehe ich dies überhaupt nicht. Wenn Sie sagen, eine Anhörung bringt überhaupt keinen Erkenntnisgewinn, dann weiß ich nicht, warum wir ein wie Sie es nennen - Prozedere zu Gesetzesanhörungen haben sollen. Das erscheint mir total unlogisch. Deshalb kann ich überhaupt nicht verstehen, warum Sie hier die ganze Zeit gegen eine Anhörung reden.

- Ich rede nicht gegen eine Anhörung. Ich rede darüber, was für alle offensichtlich ist, nämlich dass Sie sich jetzt gerettet haben, indem Sie einen Antrag auf Anhörung einbringen, weil Sie in der Sache keine Stellung beziehen wollten, weil Sie es nicht konnten. Das ist ja auch kein Wunder in der Jamaika-Koalition.

(Beifall AfD - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Nein, das ist kein Schwachsinn.

Ich habe gesagt, dass es natürlich mehrere Meinungen gibt. Welche dieser drei Meinungen in unserer Gesellschaft am weitesten verbreitet ist, lässt sich möglicherweise durch eine repräsentative Umfrage ermitteln, durch eine nun ins Spiel gebrachte Verlegenheitsanhörung aber definitiv nicht.

Auch, wie es in Ihrem Antrag heißt, die verschiedenen Auswirkungen einer Zugangsbeschränkung an staatlichen Bildungseinrichtungen zu erörtern und die unterschiedlichen Blickwinkel in der Gleichstellungsarbeit zu beleuchten, ist nicht zweckdienlich. Denn zum einen sind die Auswirkungen doch schon bekannt. Wer mit einer Gesichtsverschleierung an Hochschulen nicht zu Lehr- und Prüfungsveranstaltungen zugelassen wird, kann schlicht keinen Hochschulabschluss erwerben. Ebenso offenkundig ist,

dass die Gesichtsverschleierung von Frauen mit der im Grundgesetz verankerten Gleichberechtigung von Mann und Frau unvereinbar ist.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Für diese Frage bräuchten wir tatsächlich keine Anhörung; das ist offensichtlich. Trotz alledem die unterschiedlichen Blickwinkel der Gleichstellungsarbeit zu diesem Thema beleuchten zu wollen, ist genauso sinnlos wie die unterschiedlichen Blickwinkel auf die Frage, ob die Erde eine Scheibe oder eine Kugel ist, beleuchten zu wollen.

Zusammengefasst bedeutet dies: Für die von CDU, FDP und Grünen beantragte Anhörung zu dem Thema Gesichtsverschleierung gibt es nur einen Grund - den kennen Sie auch alle -: den koalitionsinternen Streit über ein Verschleierungsverbot an Hochschulen für eine möglichst lange Zeit auszusitzen und eine Entscheidung in der Sache ebenso lange zu umgehen.

(Beifall Jörg Nobis [AfD])

Das mag im Interesse des Fortbestands von Jamaika sein. Im Interesse der Hochschulen unseres Landes ist es definitiv nicht.

(Beifall AfD)

Es ist übrigens auch nicht im Interesse der Frauen, die sich schon lange ein klares Zeichen in Richtung einer eindeutigen Ächtung der Vollverschleierung in Deutschland gewünscht hätten.

(Beate Raudies [SPD]: Wow! Die AfD als Vorkämpfer des Feminismus! Das höre ich mit Freude!)

- Was Sie unter Frauenrechten verstehen, habe ich der Presse entnommen.

Leidtragende dieser Strategie des Aussitzens - mehr ist es doch nicht - wird als Erstes die Uni Kiel sein. Gegen das von ihr erlassene Verschleierungsverbot hat die davon betroffene Studentin bereits Klage angekündigt. Wir müssen davon ausgehen: Ohne eine gesetzliche Grundlage wird das von der Uni als Richtlinie erlassene Verbot voraussichtlich keinen Bestand haben.

Genau deshalb hat die Uni Kiel ja die Landespolitik um Rückendeckung gebeten - bisher leider vergeblich, zumindest was Jamaika betrifft. Allein wir - es ist nun einmal so; die Fakten liegen auf dem Tisch als AfD-Fraktion haben den Hilferuf der Uni Kiel wirklich ernst genommen und entsprechend gehandelt.

(Dr. Frank Brodehl)

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: So schlecht geht es der Uni nicht, dass sie Ihre Hilfe brauchen würde!)

Unser Gesetzentwurf schafft genau die gesetzliche Grundlage, die die Hochschulen in Schleswig-Holstein brauchen, um ein Verschleierungsverbot für den Lehr- und Prüfungsbetrieb rechtssicher erlassen zu können.

(Beifall AfD)

Liebe Kollegen von der CDU und der FDP, bitte nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr, die Sie nicht nur als Abgeordnete, sondern auch und gerade als die Landesregierung tragende Fraktionen gegenüber den Hochschulen in Schleswig-Holstein haben, und stimmen Sie für den Gesetzentwurf der AfD-Fraktion! Lassen Sie es nicht zu, dass die Grünen hier einmal mehr - sei es aus Ideologie, sei es aus falsch verstandener Toleranz - ein Gesetz verhindern, das richtig und für Schleswig-Holstein notwendig ist! Haben Sie den Mut, zeigen Sie Gesicht und treten Sie für die Interessen unserer Hochschulen ein!

(Beifall Jörg Nobis [AfD])

Ich bitte um Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss und in den Bildungsausschuss. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Tobias Loose das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Besuchertribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brodehl, Sie haben einen Gesetzestext abgeschrieben. Es ist keine große parlamentarische Leistung, einfach irgendetwas zu kopieren.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Aber eine An- hörung zu beantragen, ist eine Leistung?)

Im Übrigen hätte ich mir von Ihnen gewünscht, dass Sie hier tatsächlich eine Debatte anfangen.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Ich habe gesagt: Haben Sie mehr Mut!)

Darum geht es ja bei dem, was wir hier im Parlament tun. Deshalb gibt es übrigens auch Anhörungen; man will die Argumente hören, die für und die gegen eine Regelung sprechen. Ich habe von Ihnen nur gehört, dass die Koalition irgendwie doof sei, weil sie sich nicht einig ist. Das ist in der Sachfrage

der Vollverschleierung nicht besonders zielführend. Es geht doch darum, dass wir hier im Parlament eine Debatte führen. Ich glaube, das hat dieses Haus auch zu diesem Thema verdient.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wenn es um das Thema Vollverschleierung geht, fragen viele, warum wir überhaupt dazu reden; denn bisher geht es nur um Einzelfälle. Ich habe dieses Argument auch von einigen Abgeordneten gehört. Sie haben gesagt, hier sei eigentlich gar nicht der richtige Ort, darüber zu reden, weil es nur Einzelfälle sind.

Ich finde es richtig, dass wir hier darüber reden. Denn auch die Antidiskriminierungsstelle hat festgestellt: Wenn wir Regeln zum Umgang mit Vollverschleierung haben wollen, dann brauchen wir am Ende eine gesetzliche Grundlage. - Es ist unsere Aufgabe als Gesetzgeber, uns auch mit dieser Frage umfassend zu beschäftigen. Deshalb ist die große Expertenanhörung, die wir vorschlagen - zahlreiche Aspekte von Fragestellungen finden sich schon in unserem Antrag wieder -, genau der richtige Weg. Das sollten wir auch beschließen.