Protokoll der Sitzung vom 06.03.2019

(Christopher Vogt [FDP]: Du hast noch was vergessen!)

- Bestimmt. - Da frage ich mich doch, weshalb die SPD nicht allen diesen Anträgen zugestimmt hat. Wenn die Landesregierung auf diesen Anträgen aufbauend auf Bundesebene aktiv wird, sei es, um die Ausbauziele der Windenergie auf See anzuheben, sei es, um die Energie-Abgaben zukunftweisend neu zu regeln, indem eine CO2-Besteuerung eingeführt wird, stellen wir erstaunt und überrascht fest, dass die SPD hiergegen Kritik äußert und dies nur gegen den Widerstand der SPD geschehen kann. Dabei macht die Landesregierung nichts anderes, als den einstimmigen Landtagsbeschluss von Dezember 2017 umzusetzen, mit dem sich der Landtag insgesamt für eine CO2-Bepreisung eingesetzt hatte. Das war einer der wenigen Anträge, dem die SPD in diesem Haus zugestimmt hat. Und genau dafür kritisieren Sie jetzt die Landesregierung? Wer hier als SPD eine Verfassungsänderung einbringt, der sollte sein eigenes Handeln an diesem Maßstab ausrichten. Alles andere ist maximal unglaubwürdig.

(Beifall CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, ganz aktuell geht es um zwei entscheidende Projekte für das Gelingen der Energiewende, zum einen um den Einsatz von grünem Strom zur Erzeugung von Wasserstoff, um daraus Energieträger für den Verkehrs- und Wärmesektor zu gewinnen. Um Technologien wie diese im industriellen Maßstab zu erproben, hat das Bundeswirtschaftsministerium Anfang Februar die „Reallabore der Energiewende“ ausgeschrieben. 100 Millionen € stehen dafür jährlich bis 2022 als Fördermittel bereit. In Schleswig-Holstein bewirbt sich die Raffinerie Heide zusammen mit der Entwicklungsagentur Heide und weiteren Partnern um den Zuschlag für ein solches Reallabor.

Zum anderen geht es um das Thema Energiespeicherung. Um erneuerbare Energien stärker nutzbar zu machen, braucht es Speicherlösungen, die die Abhängigkeit der Stromerzeugung von Wind und Sonne ausgleichen. Im Falle der Ansiedlung einer Forschungsfabrik für Batteriespeicher beim Fraunhofer-Institut in Itzehoe winken hierfür sogar Fördergelder von 500 Millionen €. Es versteht sich von selbst, dass sich unsere Landesregierung für beide Vorhaben in Berlin starkmacht.

Auch wir als CDU-Landtagsfraktion tun dies mit aller Kraft. Das haben wir Montag bei unserem Förderforum zum Thema Wasserstofftechnologie mit über 250 Teilnehmern im Schleswig-Holstein-Saal

des Landeshauses eindrucksvoll unter Beweis gestellt Wir konnten dazu den neuen Energiestaatssekretär Andreas Feicht begrüßen und werden das nächste Woche mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier weiter besprechen, wenn er an unserer Klausurtagung in Schleswig-Holstein teilnimmt.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist beendet.

Ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident. Vielen Dank für den Hinweis. - Meine Damen und Herren, das alles sind konkrete Beispiele für politisches Handeln. Lassen Sie uns unsere ganze Kraft und Energie darauf verwenden, das gemeinsam zu erreichen. Mit einer Verfassungsänderung, die nur auf dem Papier steht, ist niemandem gedient. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir Schülerinnen und Schüler der Grundund Gemeinschaftsschule Boostedt sowie Auszubildende der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung aus Eutin. - Herzlich willkommen im SchleswigHolsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende, die Abgeordnete Eka von Kalben.

(Zuruf Thomas Rother [SPD])

Wir brauchen keine Doppelspitze, wir haben ja mich.

(Zurufe)

- Zum Glück war das Mikro noch aus.

(Weitere Zurufe)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Erde ist es relativ egal, ob und wie schnell sich das Klima wandelt. Für die Erde ist es auch egal, ob die Menschheit ausstirbt oder nicht. Erdgeschichtlich gesehen sind wir eh nur ganz schön kurz hier. Wem unsere Zukunft aber nicht egal sein sollte, das sind wir selbst. Wir haben es aufgrund unseres sehr leistungsstarken Gehirns - jedenfalls im Durchschnitt an die Spitze der Nahrungskette geschafft. Dieses

(Tobias Koch)

Gehirn sollten wir nutzen, um vor allem langfristig zu denken und für zukünftige Generationen zu denken.

Wir haben - das wurde schon gesagt - nicht erst gestern angefangen, uns unsere Lebensgrundlagen zu zerstören; das hat schon lange vor der Industrialisierung begonnen. Im Gegensatz zu den Menschen von damals haben wir heute aber ein ganz anderes Wissen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Mojib Latif - wir müssen nur einmal rausgucken; er arbeitet dort drüben - haben uns in den letzten Jahrzehnten eine fundierte Kenntnis über die Folgen unseres Handelns und Nichthandelns geliefert. Deshalb sollte Klimaschutz für uns alle an erster Stelle stehen.

Klimaschutz ist die zentrale Aufgabe der Politik. Er verhindert Kriege um Lebensgrundlagen, er bekämpft eine der Hauptursachen der Flucht. Klimaschutz verlängert die Geschichte der Menschheit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bedeutung von Klimaschütz müsste also eigentlich allen klar sein - ich sage bewusst: eigentlich. Die Demonstrationen der Schülerinnen und Schüler von Fridays for Future draußen vor der Tür zeigen doch, dass an vielen Stellen ein Weckruf immer noch nötig ist, dass wir mitnichten schon so weit sind anzuerkennen, dass uns die Klimaziele davonrennen, dass wir hinterherlaufen und in vielen Fällen schon ahnen, dass wir sie nicht einhalten werden, sondern sie erst dann erreichen, wenn es zu spät ist und irreversible Schäden entstanden sind.

Ich höre von manchen, das sei alles Angstmache, in Zukunft hätten wir ganz tolle Technologien, die alles retten würden. In meiner Jugend war die große Frage das Waldsterben, und die Wälder sind nicht alle gestorben. Nun könnte man meinen, dass das mit dem Klimawandel genauso geht und wir das schaffen. Da frage ich mich: Wenn die Arktis abgeschmolzen ist, schaffen wir das wirklich, und was passiert auf dem Weg dahin?

Weiter wird gesagt, die Erde habe auch das Aussterben der Dinosaurier überlebt. Wie schon gesagt, die Erde wird auch das Aussterben des Homo Sapiens überleben. Die Frage ist: Wollen wir das?

Wer den Schülerinnen und Schülern zugehört hat, weiß, dass sich ihre Sorgen auf wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse stützen und nicht auf Angstmache. Der Klimawandel bedroht zukünftig die wirtschaftliche und politische Stabilität und damit den Fortbestand ganzer Staaten.

Er treibt viele Menschen in extreme Armut und in Migration. Auf der Weltklimakonferenz im Dezember letzten Jahres wurde der Klimarisikoindex vorgestellt. Daraus geht hervor, dass das Jahr 2017 mit mehr als 11.500 Todesopfern und Schäden in Höhe von über 375 Milliarden USD das bisher verheerendste Extremwetterjahr war. Die Weltbank sagt 140 Millionen Klimaflüchtlinge bis 2025 voraus, die aufgrund von Dürren, Missernten, Sturmfluten und so weiter ihre Heimat verlieren.

Manchmal höre ich das Argument: In SchleswigHolstein werden die Folgen des Klimawandels gar nicht so schlimm sein. Es wird manchmal sogar gewitzelt, dass wir dann endlich Wein herstellen und vielleicht sogar schöne Sommer genießen könnten. Dazu möchte ich Folgendes sagen: Erstens. Es ist schlicht unsolidarisch, so zu denken. Zweitens wohnen wir hier im Land zwischen den Meeren. Das ist eine Floskel, die wir immer wieder benutzen. Sie ist vielleicht schon ein bisschen abgedroschen, aber in diesem Fall - sie stimmt sowieso - beschreibt sie, was passiert, wenn uns das Wasser - bildlich gesprochen - bis zum Hals steht. Mit der Nordsee auf der einen und der Ostsee auf der anderen Seite ist es also alles andere als unwichtig, wie hoch der Wasserspiegel steigt, und ich spreche hier nicht von vollgelaufenen Kellern.

In den vergangenen zwei Jahren haben wir auch gesehen, wie sich die Verschiebungen der Niederschlagsverteilung auswirken können. Wir hatten den Dürresommer, der sich massiv auf die Landwirtschaft ausgewirkt hat. Ich habe jetzt schon gehört, dass der Niederschlag in diesem Jahr die Dürre im Sommer vielleicht nicht verhindern kann, weil der Grundwasserspiegel noch nicht genügend gestiegen ist. Diese Dinge müssen wir ernst nehmen. Die einen sprechen von normalen Wetterunterschieden in den Jahren, aber die Expertinnen und Experten sagen, das sind genau die Vorläufer des Klimawandels.

Meine Damen und Herren, ein weiteres Argument lautet: Was sollen wir denn hier machen? Das nützt doch eh nichts, wenn wir hier in Schleswig-Holstein Klimaziele einhalten, weil alle anderen das nicht machen.

(Zuruf: In Bayern schon!)

- Es wird nicht auf Bayern verwiesen, sondern auf Indien und China.

Auch das ist nicht richtig. China emittiert seit 2013 Jahr für Jahr weniger CO2. Im Jahr 2016 gingen die Emissionen trotz eines hohen Wirtschaftswachstums von 6,7 % um 4,3 % zurück. Im gleichen Jahr

(Eka von Kalben)

hat China drei Viertel so viel Solaranlagen gebaut wie Deutschland insgesamt in den letzten 25 Jahren. Der Vergleich ist - statistisch gesehen - vielleicht etwas schwierig, weil China viel größer ist, aber bereits jetzt ist dort Solarenergie günstiger als Strom aus Kohlekraft. Auch in Indien ist Solarstrom die günstigste Stromquelle, weshalb dort bis 2022 der Anteil der erneuerbaren Energien vervierfacht wird und - man höre und staune - bis 2026 alle Kohlekraftwerke abgeschaltet werden sollen. Jetzt müssen wir überlegen: Wer muss sich hier eigentlich wen zum Vorbild nehmen?

Ein weiterer Punkt: Selbst wenn der Fortschritt dort geringer wäre: Wir sind eines der reichsten Länder der Welt und hatten bereits in Sachen Industrialisierung eine Vorreiterfunktion. Wir sind auch die Hauptverursacher der Klimakrise. Insofern haben wir auch eine Hauptverantwortung im Klimaschutz.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein übernimmt diese Hauptverantwortung mit einer guten Tradition. Im ganzen Haus stehen wir hier für eine Energiewende, und wir haben diese - so finde ich - im Bundesvergleich auch vorbildlich durchgeführt. Deswegen komme ich jetzt noch einmal zu dem Antrag und zu der Frage: Wenn wir uns alle einig sind, dass der Klimaschutz Vorrang hat - die meisten sind sich hier einig -, und wenn die meisten von uns sich einig sind, dass wir vorankommen und mehr unternehmen müssen, um die Energieziele zu erreichen, warum schreiben wir das dann nicht in die Verfassung?

Es ist kein Geheimnis, unser Landesvorsitzender Steffen Regis hat vor einiger Zeit genau diesen Vorschlag in der Presse geäußert und gesagt, dass wir Grüne den Klimaschutz gern in die Verfassung aufnehmen wollen. Wir danken der SPD ausdrücklich, dass sie dies zu Papier gebracht hat.

(Zuruf SPD)

- Ja, aber wir hätten diesen Antrag nicht einbringen können, weil wir uns in der Koalition in dieser Frage nicht einig sind. Insofern ist das für uns kein Problem.

Ich sage aber eines - lieber Herr Koch, hier knüpfe ich an die bayerischen Grünen an, die hier ja immer zitiert werden; sie werden übrigens nur halb zitiert, wie das manchmal so ist -: Die Grünen haben sich in Bayern deshalb gegen den Vorstoß der CSU in Bayern, Ihrer Schwesterpartei, gewehrt, den Klimaschutz in die Verfassung aufzunehmen, weil die

CSU nicht bereit war, gleichzeitig konkrete Maßnahmen zu verabschieden und ein Klimaschutzgesetz, das wir ja haben, auf den Weg zu bringen. Insofern ist es eigentlich andersherum. Wir tun schon etwas. Deshalb kann man das in die Verfassung schreiben, oder man kann es lassen. Dazu gibt es verfassungsrechtlich unterschiedliche Positionen.

(Tobias Koch [CDU]: Auf das Handeln kommt es an!)

- Genau, das ist richtig, auf das Handeln kommt es an. Wir tun das. Deswegen ist es nicht ganz so dramatisch, wenn dies nicht aufgenommen wird. Trotzdem sprechen Aspekte, die Herr Stegner genannt hat, dafür. Zum Beispiel spricht aus meiner Sicht dafür, dass man dies für die Zukunft festschreibt, falls eine Regierung einmal weniger dafür tut.

Ja, es kommt in erster Linie auf das Handeln an, und zwar so schnell wie möglich. Das ist genau der Punkt, denn die CSU in Bayern wollte gerade das nicht mitmachen. Man hat gesagt: Wir stellen keine Forderung, wir wollen es nur in die Verfassung aufnehmen. Das ist dann Symbolpolitik, und deshalb haben die Grünen das abgelehnt. Hier wollen wir das aber ergänzend zu dem in die Verfassung aufnehmen, was wir in Schleswig-Holstein schon alles Tolles machen. Deswegen würde das eigentlich dafür sprechen, sich dafür auszusprechen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW] - Martin Habersaat [SPD]: Schachmatt!)

- Ich weiß nicht, ob das Schachmatt bedeutet. Liebe Koalitionspartner, wir sind uns in einer Sache völlig einig, da gibt es kein Vertun, und das steht auch glasklar im Koalitionsvertrag. Das steht dort nicht nur niedergeschrieben, sondern wir sind gerade nach dem Gespräch mit den Demonstrierenden dabei, noch einmal genau aufzuschreiben, an welcher Stelle wir vielleicht noch nachlegen müssen, weil wir uns ganz klar zu den Klimazielen bekennen und uns sehr einig darüber sind, dass wir diese in Schleswig-Holstein einhalten wollen, und zwar unabhängig davon, ob der Klimaschutz in der Verfassung stehen wird. - Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt CDU)