Protokoll der Sitzung vom 08.03.2019

Herr Minister, zunächst einmal vielen Dank für Ihren Bericht. Kreativer Forschergeist ist der Schlüssel für eine nachhaltige Gesellschaft. Das war schon immer so. Akademische, institutionelle und unternehmerische Energieforschung haben SchleswigHolstein zum Energiewendeland Nummer eins gemacht. Ihnen gebührt unsere Wertschätzung. Worte allein reichen hierfür aber nicht. Innovatives Potenzial finanziell zu fördern, Kompetenzen zu bündeln und den Austausch zwischen den Disziplinen zu stärken, muss für die Förderung der Energieforschung in unserem Land ganz oben auf der Agenda stehen.

Die Ausgangssituation in unserem Land ist denkbar gut. Schleswig-Holsteins Energieforschungslandschaft ist geprägt von Vielfalt. Hier auf alles einzugehen, ist schier unmöglich. Daher möchte ich einen wichtigen Aspekt herausheben: Die Speicherung von nicht genutzter erneuerbarer Energie ist vor allem für Schleswig-Holstein entscheidend. Hier zukünftig Forschungserfolge zur Marktreife zu bringen, ist wichtig und wird die Zukunft der Energiewende prägen.

Im Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie in Itzehoe wird Batterieforschung auf Spitzenniveau betrieben. Davon konnten wir uns neulich überzeu

(Andreas Hein)

gen. 2004 wurde die Arbeit der Wissenschaftler durch den Deutschen Zukunftspreis gewürdigt. Geplant ist eine neue Forschungsfabrik, die sich unter anderem mit der Erforschung der Lithium-Schwefel-Batterien befassen soll. Ob das Institut den 500Millionen-€-Zuschlag aus Berlin vom Bundesforschungsministerium erhält, entscheidet sich im kommenden August.

Dass die Energiespeicherung aber auch unerwartete Wege gehen kann, beweist das Projekt KEROSyN100. Unter akademischer Leitung der Universität Bremen arbeiten die Raffinerie Heide und fünf weitere Kooperationspartner an der Entwicklung und Herstellung von strombasierten Kraftstoffen. Konkret wird über grünen Wasserstoff synthetisches Kerosin hergestellt. Die Produktion allein reicht aber nicht. Es braucht Abnehmer. So haben im letzten Monat die Raffinerie Heide und der Flughafen Hamburg eine Absichtserklärung unterzeichnet. Hier, meine Damen und Herren, wird Pionierarbeit geleistet und in einen Energieträger der Zukunft investiert.

(Beifall SPD und Oliver Kumbartzky [FDP])

Es muss uns natürlich auch darum gehen, den in Schleswig-Holstein erzeugten Ökostrom in Wasserstoff zu veredeln. Heide in Dithmarschen ist prädestiniert für diese Zukunftsaufgabe. Es gibt genügend erneuerbaren Strom, es gibt Kavernen zur Speicherung von Wasserstoff, und es gibt ein Pipeline-Verteilungsnetz. In diesem Bereich muss ein Forschungsschwerpunkt gesetzt werden.

Neue Ideen kommen von klugen Köpfen. Die Ideenfinder von morgen für die sechs Hochschulstandorte in Schleswig-Holstein zu fördern, muss dabei in den Fokus gerückt werden. Die Förderung des Interesses an MINT-Studiengängen zum Beispiel zählt dazu.

Forschungsförderung betrifft also auch bildungspolitische Aspekte. Das Green

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Entrepreneurship Center!)

- genau, ich kann das einfach nicht aussprechen - in Flensburg beweist genau dies. Es berät Hochschulen dabei, neues grünes Gründerpotenzial zu fördern. Grüne Gründer sind Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer mit besonderem Bezug zu erneuerbaren Energien. Spannend ist, dass nahezu jede fünfte Gründung in Schleswig-Holstein bereits heute ein Unternehmen ist, das mit seinen Produkten, Technologien und Dienstleistungen einen Bei

trag zu den ökologischen Zielen der Green Economy leistet.

Gezielte Forschungsimpulse können wir durch die Projektförderung gestalten. Also, welchen Weg wollen wir im Bereich der Forschungsförderung gemeinsam gehen? Ziel und Mittel müssen passen, vor allem bei der zumeist projektgeförderten Spitzenforschung. Wir entscheiden, was wir zur Spitzenforschung machen. Ich meine: Forschung, die am besten zu unseren politischen Zielen passt. Unser Umwelt- und Klimaschutzgesetz steckt diese Ziele klar ab und verpflichtet zum Handeln.

Was wir nicht brauchen und ablehnen: Forschung im Bereich CCS und Fracking.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Kay Richert [FDP])

Wir wollen kein CCS und kein Fracking in Schleswig-Holstein. Wir wollen nachhaltige erneuerbare Energien fördern, und das ist gut so. - Vielen Dank, auch im Namen von Thomas Hölck.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Bernd Voß das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Forschung für Energiewende ist in Schleswig-Holstein überhaupt nicht neu. Mit dem legendären Growian, der Großwindanlage, wurde in den 70-er und 80-er Jahren des letzten Jahrhunderts in Trägerschaft der Atomkonzerne und bezahlt mit sehr vielen Forschungsmitteln des Bundes eine Windkraftanlage im Kaiser-Wilhelm-Koog erstellt. Die theoretische Leistung: 3 MW.

Die Anlage ist ganze 420 Stunden gelaufen, bis sie abgerissen wurde; ein Feigenblatt für die damalige Elektrizitätswirtschaft. Der damalige RWE-Vorstand Günther Klette und auch der damalige Bundesfinanz- und Forschungsminister Matthöfer bekundeten öffentlich, dass man das nur mache, um zu beweisen, dass das alles nicht gehe. Es war also ein pädagogisches Modell, um zur Abkehr vom Glauben an die erneuerbaren Energien zu bewegen.

Das hat zum Glück alles nicht geklappt. Bei uns im Norden haben sich erneuerbare Energien mit viel mittelständischem Forscher- und Pioniergeist aus kleinen Anlagen heraus zu Leistung und Effizienz entwickelt, wie wir sie heute kennen. Die Energie

(Sandra Redmann)

wende ist auch für uns im Land die zentrale Herausforderung für Forschung und Wissenschaft geworden, und ich danke der Landesregierung und dem Minister für den heutigen Bericht zur Energieforschung, aber auch den vielen, die sich engagieren, um die Innovationstreiber in die Netzwerke und auf den Weg zu bringen und auch dabei zu unterstützen, an Forschungsmittel heranzukommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt FDP)

Energieforschung in Schleswig-Holstein ist getragen von über 90 führenden Köpfen und vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Forschungsprojekten, in den Universitäten und in den Hochschulen. Über 150 Forschungs- und Entwicklungsprojekte gibt es hier ebenso wie 50 Kompetenzzentren, Großprojekte und 29 Studiengänge mit Energiebezug. Ich glaube, das macht deutlich, welche Bedeutung dieser Bereich hier im Land und in der Forschung hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Großprojekte wie SintecNEW 4.0 sind hinzugekommen. Die Vielfalt der Forschungsprojekte macht aber auch deutlich: Ob Strom, Wärme, Mobilität oder Industrie - eine erfolgreiche Energiewende setzt sich aus sehr vielen Bausteinen zusammen, die laufend auf hohem Niveau erforscht, weiterentwickelt und dann aber auch zügig eingesetzt werden müssen.

Die Bewerbung um das siebte Energieforschungsprogramm des Bundes, das Reallabor, das hoffentlich nach Heide kommt, ist bereits dargestellt worden, ebenso wie die großen Herausforderungen, die damit verbunden sind. In Itzehoe wird in Zusammenarbeit mit der Stadt, der regionalen Wirtschaftsförderung, besonders aber auch der Landesregierung daran gearbeitet, Fraunhofer-Forschungseinrichtungen für Batterietechnik zu gewinnen. Der Umfang dieses Projektes ist bereits von der Kollegin Sandra Redmann genannt worden.

Was zeichnet den Standort Schleswig-Holstein hierfür aus? - Einmal ist es die Nähe zu dem vorhandenen Fraunhofer ISIT und dem IZET-Technologiezentum, die sich bereits sehr intensiv mit erneuerbaren Energien beschäftigen. Der Clustereffekt ist schon groß. Es fehlen aber Batterien, die nicht nur erneuerbare Energien speichern, sondern die auch mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt sind, und den gibt es in diesem Umfang nur hier in Schleswig-Holstein sicher zu beziehen. Daher gehören Forschung und Produktion nach Schleswig-Holstein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Tobi- as Koch [CDU] und Oliver Kumbartzky [FDP])

Es sind immer wieder mittelständische Unternehmen, die zu wichtigen Teilfragen mit viel Engagement und Forschungsgeist die Lösungen liefern. Ich denke nur an das störende nächtliche Blinken der WKA, das wir seit circa zehn Jahren haben. Für dieses Problem wurde von mittelständischen Unternehmen eine Lösung präsentiert, die sich hier auf den Weg gemacht haben. Jetzt endlich hat der Bundesgesetzgeber nachgezogen, damit auch hier Bewegung reinkommt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Oliver Kumbartzky [FDP])

Wenn aber der energie- und klimapolitische Rahmen der Abgaben und Steuern in die falsche Richtung zeigt, wird die flächendeckende Umsetzung der Energiewende in allen Sektoren viel zu langsam vorankommen. Dabei helfen im Grunde auch keine Forschungsmittel. Daher kann man nur immer wieder darauf hinweisen, wie wichtig unsere Bundesratsinitiative aus dem letzten Monat war, die ganz klar eine CO2-Bepreisung einfordert.

(Beifall Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nur mit einem Preis, der die externen Kosten für fossile Energieträger berücksichtigt und damit zukunftsorientierte Konzepte begünstigt, kann die Energiewende in Schleswig-Holstein und anderswo erfolgreich umgesetzt werden. Die Zeit drängt. In Deutschland sind noch 85 % der Primärenergie fossil und nuklear. In Europa sind es über 90 %. Ab 2050, also in 30 Jahren, müssen Kohle, Öl und Gas in der Erde bleiben. Bei allem Forschen nach Wegen der Veredelung von erneuerbaren Energien bei uns und in der Region darf nicht übersehen werden: Wer zukünftig erneuerbare Energien für seine Produkte ernten will, der muss sie auch zeitig sähen. Energiewende geht eben nur mit einem zügigen kontinuierlichen Ausbau der erneuerbaren Energien. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt SPD)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Oliver Kumbartzky das Wort.

Sehr geehrte, liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Schleswig-Holstein hat die Wind

(Bernd Voß)

energie ihre ersten Schritte gemacht und wurde zum Exportschlager. Der echte Norden war und ist in Sachen Energiewende und diesbezüglichen Projekten immer vorn dabei. Wir müssen natürlich auch dranbleiben. In der Energieforschung brauchen wir jetzt die richtigen Ideen, um nicht abgehängt zu werden oder nur mitzuhalten, sondern um führend zu bleiben. Wir wollen, dass Schleswig-Holstein wieder ein Land der großen Schritte wird, ein Innovationsland.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Energiewende bietet nun einmal riesige Chancen, die es natürlich zu nutzen gilt. Zeigen wir Mut zur Zukunft. Der Klimaschutz gelingt nur durch Innovationen und Wettbewerb. Ein ganz wichtiges Element ist die Sektorenkopplung. Sie ist schon erwähnt worden. Dafür sind neue Wandlungs- und Speichertechnologien genauso notwendig wie die Digitalisierung unseres Energienetzes.

Meine Damen und Herren, Modellregionen für die Energiewende bieten dabei Chancen, Technologien zu testen, eine stabile Energieversorgung mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien modellhaft zu erproben und die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Sektorenkopplung zu demonstrieren.

Ein neues Energiesystem benötigt aber auch neue Speichertechnologien. Im Bereich der Batterien muss eine von der Anwendung inspirierte Grundlagenforschung neue Materialsysteme liefern, die dann zügig zur Entwicklung von neuen Batteriesystemen für die industrielle Fertigung führen. Auch Power-to-X-Anwendungen bieten zum Beispiel im Zusammenhang mit Brennstoffzellen Chancen für ein modernes Energiesystem.

Wir wollen die Energieforschung technologieoffen ausgestalten, von den Grundlagen bis in die Anwendung stärken und konsequent auf das Ziel ausrichten, das Energiesystem der Zukunft zu entwickeln.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Danke. - Meine Damen und Herren, im siebten Energieforschungsprogramm der Bundesregierung soll ein Fokus auf den Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis gelegt werden. Was erforscht wurde, soll den Test in der Praxis dann bestehen. Es ist schließlich nicht selbstverständlich, dass jede Idee, die auf dem Papier funktioniert, auch in der Praxis funktioniert. Wir setzen dabei auf Technologie und Fortschritt. Wir wollen Rahmen

bedingungen schaffen für mutige Versuche, die Energiewende mit Innovationen wirtschaftlich tragbar voranzubringen.

Gern hätten wir uns so etwas wie die Reallabore, die jetzt ausgeschrieben werden, schon früher gewünscht, aber es ist gut, dass dies jetzt geschieht. Reallabore sind Testräume für Innovation und die passende Regulierung. Sie sind ergebnisoffen gestaltet und dienen der Erprobung von digitalen Innovationen sowie der Entwicklung eines intelligenten Regulierungsrahmens. Konkret bedeutet das eine Chance, aus unserem sehr starren Regulierungsrahmen freizukommen, um neue Dinge auszuprobieren, zumindest im Rahmen der Reallabore. Wir brauchen dringend eine stärkere Kultur des Ausprobierens und weniger Warten auf große Planentwürfe. Wir brauchen mehr Freiheit für innovative Initiativen von gut ausgebildeten, wagemutigen Leuten aus der freien Wirtschaft. Dazu geben die Reallabore eine Chance.

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)