- Herr Kollege Dr. Stegner, wenn die Elternbeiträge bundesweit am höchsten sind und wenn gleichzeitig die Kommunen den größten Anteil an der Kita-Finanzierung aufbringen, dann gibt es daraus nur eine einzige Schlussfolgerung - darum kommen Sie bei allem, was Sie sagen, nicht herum -: Das Land hat in der Vergangenheit zu wenig getan. Das hätte man längst ändern können. Dazu hatten Sie 30 Jahre in eigener Regierungsverantwortung Zeit. Wir tun das jetzt. - Vielen Dank für Ihre Zwischenfrage.
Meine Damen und Herren, das ist auch notwendig, denn es zeichnet sich schon heute ab, dass der Bedarf weiter ansteigen wird. Im U-3-Bereich ist der Platzbedarf gegenüber den angepeilten 35 % mit Werten von 50 bis 60 % vielerorts bereits überschritten. Bei den über Dreijährigen geht der Trend hin zur Ganztagsbetreuung. Der Wunsch nach Angeboten für Früh- und Spätzeiten steigt ebenso wie der nach Betreuung über Nacht und in den Ferien.
Mit den zunehmenden Betreuungszeiten in der Kita steigt zugleich die Erwartung an die Qualität der Kinderbetreuung. Immer stärker rückt der Aspekt der frühkindlichen Bildung in den Mittelpunkt. Mit dieser Entwicklung können und dürfen wir unsere Kommunen nicht alleinlassen. Deshalb - ich sagte es gerade - ist jetzt Zeit für eine große Kita-Reform in Schleswig-Holstein. Genau das haben wir uns als Jamaika-Koalition vorgenommen, und genau das setzen wir jetzt um. Wir halten unsere Versprechungen, Frau Kollegin Midyatli. Nur weil Sie das nicht verstehen, heißt das nicht, dass wir unsere Versprechen nicht erfüllen.
- Nein, alle anderen beklagen nicht, dass wir unsere Versprechen nicht einhalten, alle anderen würden sich noch mehr wünschen. Alle anderen würden sich noch mehr Geld für noch geringere Elternbeiträge, für noch stärkere Entlastung der Kommunen und für noch mehr Qualität wünschen. Die Frage, die Sie unbeantwortet gelassen haben, ist, ob Sie sich als SPD all diese Forderungen zu eigen machen. Wir werden in der November- beziehungsweise Dezember-Tagung sehen, welche Anträge wir von Ihnen bekommen. So lange lassen Sie das ja im Unklaren. Wir setzen das um, was wir angekündigt
haben, das ist ganz klar und auch zahlenmäßig im Koalitionsvertrag nachzulesen. Insofern ist es für niemanden eine Überraschung, was hier jetzt gemeinsam vorgelegt wird.
Es gilt der Dreiklang aus Qualitätsverbesserung, Deckelung der Elternbeiträge und Entlastung der Kommunen. Stattdessen habe ich bei der SPD bislang einzig und allein die Forderung nach kostenfreien Kitas vernommen. Das ist kein kluges Konzept, meine Damen und Herren. Alle drei Aspekte gehören nämlich untrennbar zusammen, ein isoliertes Vorgehen auf nur einer Seite führt nämlich unweigerlich zu großen Verwerfungen in den beiden anderen Bereichen. Wie das läuft, sieht man in den anderen Bundesländern, die einseitig auf kostenfreie Kitas gesetzt haben. Dort geht es nämlich zulasten der Qualität, weil dafür am Ende kein Geld mehr vorhanden ist.
Damit dieser Dreiklang gelingt, nehmen wir in dieser Legislaturperiode 1 Milliarde € zusätzlich in die Hand. Und nur der kleinste Teil davon, weniger als 200 Millionen €, wird vom Bund beigesteuert. Das gehört zur Wahrheit auch dazu.
Pro Jahr bedeutet das, dass sich die Landesausgaben von 216 Millionen € im Jahr 2017 auf rund 470 Millionen € am Ende der Wahlperiode mehr als verdoppeln werden. Das ist wirklich eine gewaltige Anstrengung, meine Damen und Herren, die den Landeshaushalt an die Grenzen seiner Belastungsfähigkeit bringt. Um der regelmäßigen Forderung der SPD nach kostenfreien Kitas nachzukommen, müssten wir in der Tat pro Jahr weitere 250 Millionen € bis 260 Millionen € zur Verfügung stellen. Das macht also im Lauf einer einzigen Wahlperiode stolze 1,3 Milliarden € zusätzlich aus. Dieser finanzielle Mehraufwand, den Sie uns als Antrag in den Haushaltsberatungen vorlegen werden, sprengt in der Tat alle politisch vorstellbaren Dimensionen. Zum jetzigen Zeitpunkt brauchen wir darüber eigentlich gar nicht ernsthaft zu diskutieren, nicht, weil wir es nicht wollen, sondern weil es sich Schleswig-Holstein schlichtweg nicht leisten kann, das in einem Schritt zu machen.
der Eltern. Der Minister hat einige Beispiele genannt. Ich möchte an dieser Stelle einmal das Beispiel meiner eigenen Heimatstadt Ahrensburg anführen. Dort kostet ein Ganztagskrippenplatz derzeit 516 € monatlich, immerhin nicht ganz so viel wie in Ammersbek, da bin ich schon mal ein Stück weit beruhigt. Mit dem zukünftigen Deckel reduziert sich aber die Zahlung in jedem Monat pro Kind und Familie um 228 €. Das setzt sich dann in der Kita-Zeit fort. Der monatliche Beitrag liegt hier derzeit bei 322 € und damit 89 € höher als der zukünftige Deckelbetrag. Selbst wenn man jetzt den Wegfall des Krippengeldes in diesen zwei Krippenjahren natürlich fairerweise einrechnet, resultiert für die Ahrensburger Familien daraus eine Ersparnis von sage und schreibe 6.276 € aus der Kita-Reform. Das muss man sich einmal vorstellen.
Natürlich ist diese Entlastung nicht überall gleich, sondern sie hängt von der Höhe der heutigen Elternbeiträge vor Ort ab, das ist doch ganz logisch. Ausgehend vom Landesdurchschnitt gibt es immer noch eine Ersparnis von rund 2.000 € pro Kind.
Ich komme jetzt zu Ihrer Fehlannahme, Frau Kollegin Midyatli. Selbst in den Städten und Gemeinden, in denen die Elternbeiträge bereits heute unterhalb des Deckels liegen, haben die Eltern die Aussicht auf weitere finanzielle Entlastung.
- Nein, niemand ist gezwungen, die Elternbeiträge auf den Deckelbetrag anzuheben. Im Gegenteil, auch die Kommunen, die heute schon unterhalb des Deckels liegen, werden finanziell entlastet; denn das Land kommt ja für die Vorgabe des Deckels auf, und die zur Verfügung gestellten Mittel werden allen Kommunen gewährt, unabhängig davon, ob die Elternbeiträge heute oberhalb oder unterhalb des Deckels liegen. Auch diese Kommunen bekommen einen Landeszuschuss für die Einführung des gedeckelten Elternbeitrags. Und mit diesen zusätzlichen Mitteln kann die Gemeinde genauso wie bisher freiwillig die Elternbeiträge weiter absenken.
Frau Midyatli, im Übrigen müsste man eine Vergleichsregelung für den vollen Fünfjahreszyklus von Krippe und Kita berechnen und nicht nur ein einzelnes Krippenjahr herausgreifen. Dann werden Sie feststellen, dass es in allen Fällen zur Entlastung der Eltern kommt.
Deswegen macht es sich die Kollegin Midyatli einfach viel zu mit ihrer Oppositionsrechnung, wenn sie diese Entlastungswirkungen einfach unter den Tisch fallen lässt.
(Martin Habersaat [SPD]: Das ist ein Ver- sprechen, das Sie nicht einhalten können! - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Das wird meine El- tern sehr interessieren!)
Die Eltern profitieren aber nicht nur finanziell: Die Verbesserung der Wahlmöglichkeit für freie Plätze außerhalb der eigenen Gemeinde, die Reduzierung der Schließzeiten in den Ferien und das vollständige Verzeichnis aller freien Plätze in der verbindlichen Kita-Datenbank sind weitere Vorteile, die das Leben für die Eltern leichter machen.
Meine Damen und Herren, kommen wir zu den Qualitätsverbesserungen und damit zum Personalbereich. Nicht weil es dem bisherigen Personal an Qualität mangelt, sondern weil wir davon zu wenig haben und weil das vorhandene Personal mehr Zeit braucht, um seinen Bildungsauftrag erfüllen zu können. Mit der Anhebung des Fachkraft-KindSchlüssels von 1,5 auf 2, mit der Reduzierung der Gruppengröße auf maximal 22 Kinder, mit mehr Verfügungszeiten zur Vorbereitung und der Freistellung der Kita-Leitung tragen wir dem Rechnung.
Ja, natürlich kommt jetzt oft der Einwand, dass es die dafür benötigten Erzieher und sozialpädagogischen Assistenten am Arbeitsmarkt überhaupt nicht geben würde. Aber ohne dass wir uns auf den Weg machen, ohne dass wir diesen ersten Schritt machen und dieses Signal geben und ohne dass wir dafür mehr Geld in die Hand nehmen, wird es auch zukünftig nicht mehr Erzieherinnen und sozialpädagogische Assistenten geben. Wir müssen dafür werben, dass wir die Arbeitsbedingungen verbessern, damit sich künftig mehr Menschen finden, die diese Arbeit in der Kinderbetreuung leisten wollen.
Zu guter Letzt werfen wir einen Blick auf die Kommunen. Sicherlich hätten sich viele kommunale Vertreter noch deutlich höhere Zuschüsse des Landes gewünscht, keine Frage. Sie hätten sich gewünscht, dass sie in absoluten Beträgen künftig weniger zahlen müssten als im letzten Jahr. Das kann man sich als kommunaler Vertreter auch absolut wünschen.
Ihnen gern auf, wie das erfolgt. Wenn das in absoluten Beträgen nicht der Fall ist, liegt das nicht an der Kita-Reform selbst. Es liegt daran, dass die jährlichen Tarifsteigerungen hinzukommen, und es liegt an dem dargestellten Aufwuchs des Bedarfs. Das hat nichts mit der Kita-Reform selber zu tun.
Alles, was das Land beauftragt, nämlich Qualitätsverbesserung und Deckelung der Elternbeiträge, wird auch vom Land mitbezahlt. Diese Kostensteigerung von Tariferhöhung und Bedarfsauswuchs deckt das Land mit mindestens 50 Millionen €, um den die Kommunen im Jahr 2021 entlastet werden, da es ansonsten Ausgaben gewesen wären, die die Kommunen selber zu tragen hätten. Das wären zusätzliche Steigerungen gewesen, die auf die Kommunen zugekommen wären. Von diesen zusätzlichen Steigerungen entlasten wir die Kommunen. Das Ergebnis ist, dass der prozentuale Anteil der Kommunen von bislang deutlich über 50 % auf 46 % sinkt und sich der Landesanteil auf 37 % erhöht. Landesseitig sind wir dann schon deutlich über dem einen Drittel, was hier immer gefordert wird.
Hinzu kommt, dass wir auch das Finanzierungssystem wechseln. Es geht nicht mehr darum, dass wir einen Festbetrag als Zuschuss geben, der anschließend jahrelang unverändert gedeckelt bleibt, sondern wir haben künftig einen dynamischen Landeszuschuss, das heißt, bei allen künftigen Kostensteigerungen wächst der Landeszuschuss automatisch mit.
Daran sieht man: Auch für die Kommunen ist diese Kita-Reform ein echter Gewinn. Man stelle sich eine Kita-Reform vor, bei der auf die Entlastung der Kommunen verzichtet würde. Von der SPD habe ich bisher noch nie gehört, dass Sie für eine Entlastung der Kommunen eintreten. Es geht immer nur um die kostenfreien Kitas. Deswegen haben sich die SPD-Kommunalpolitiker in der letzten Wahlpe
Meine Damen und Herren, wir haben es geschafft, uns mit dem Dreiklang aus Qualitätsverbesserung, Deckelung der Elternbeiträge und Entlastung der Kommunen mit allen Beteiligten weitgehend einvernehmlich auf diese Reform zu verständigen. Es ist kein Stückwerk, sondern es ist eine Reform aus einem Guss. Die Eckpunkte, die uns heute vorliegen, sind von der Landeselternvertretung, der Landes-Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände und den kommunalen Landesverbänden mit ausgehandelt worden. Alle haben mit am Tisch gesessen. Das ist ein unglaublicher Erfolg für die Jamaika-Landesregierung und insbesondere für unseren Sozialminister Dr. Heiner Garg sowie seinen Staatssekretär Dr. Matthias Badenhop. Herzlichen Dank euch beiden!
Es hätte kaum jemand für möglich gehalten, die unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten unter einen Hut zu bringen. Jamaika ist das gelungen, und das ist vielleicht der größte Erfolg dieser Kita-Reform. - Herzlichen Dank.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort die Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Eka von Kalben.