Protokoll der Sitzung vom 27.03.2019

Dann komme ich zum letzten Punkt meiner Rede: Sie haben gesagt, dass das „das“ Reformprojekt dieser Landesregierung ist. Jetzt gehen Sie nonchalant darüber hinweg und sagen: Ja, das alles ist doch etwas umständlicher, als wir es uns vorgestellt hatten. Wir müssen jetzt noch evaluieren und so weiter.

(Unruhe CDU - Werner Kalinka [CDU]: Das ist ja wohl die Höhe!)

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, der eigentliche Grund, dass das Ganze auf 2023 vertagt wird, ist, dass der Gemeindetag schon gesagt hat, dass die Gemeinden definitiv nicht der Zusammenführung der Kosten und der Finanzierung in den Kreisen zustimmen werden. Das ist der eigentliche Grund, dass das Ganze noch einmal vertagt wird. Sonst hätte man tatsächlich -

(Unruhe CDU)

Soll ich Ihnen einmal das Zitat aus der gemeinsamen Pressekonferenz mit den Vertretern und Vertreterinnen des Gemeindetags bringen? Ich kann gern vorlesen, was der Geschäftsführer sagte:

„Denn der absehbare Kostenanstieg ist sonst nicht finanzierbar.“

Das noch einmal zu den Kosten.

„Dies wird bei Weitem nicht erreicht. Außerdem lehnen die Gemeinden wichtige Teile der geplanten Organisationsstruktur ab.“

Der Geschäftsführer fügte hinzu, dass die Gemeinden weiterhin ihr eigenes Modell vorschlagen.

Die Gemeinden werden am Ende dieser Umstrukturierung der Finanzströme nicht zustimmen. Sie vertagen das Ganze jetzt auf die nächste Legislaturpe

riode. Darüber werden wir noch einmal miteinander diskutieren müssen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen.

Ich sage es noch einmal deutlich: Diese Kritik wird nicht nur von uns, sondern auch von anderen vorgetragen, auch von den am gesamten Verfahren Beteiligten. Lassen Sie uns tatsächlich die Chance nutzen, hier zu einem guten Ergebnis zu kommen!

Fakt ist: Wir können mit dem Modell der ReferenzKita - wir unterstützen es ausdrücklich; das finden wir richtig gut - zumindest die Finanzströme transparenter machen. Aber das, was Sie versprochen hatten, haben Sie bisher nicht erreicht. Wir hoffen, dass wir im weiteren Verfahren zu besseren Ergebnissen kommen werden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern der Dahlmannschule Bad Segeberg. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende, die Abgeordnete Eka -

(Zurufe CDU)

- Das tut mir leid. Es ist hier ein bisschen durcheinandergegangen bei der Aufzeichnung der Rednerliste. Jetzt ist natürlich der Vorsitzende der CDUFraktion, der Abgeordnete Tobias Koch, dran. Pardon!

(Zuruf CDU: Glück gehabt!)

- Ja, Glück gehabt. Diesmal werde ich das Wort auch nicht wieder wegnehmen, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident, ich wollte mich auch gerade bei Ihnen bedanken. Meine Damen und Herren! Es ist mir ein besonderes Vergnügen, nach der Rede der Kollegin Midyatli hier sprechen zu können. Vielleicht wäre es für die Kollegin hilfreich gewesen, sich zunächst einmal die Wortbeiträge der Regierungsfraktionen anzuhören, um so manches Missverständnis und manche Unklarheit in ihrer Rede korrigieren zu können. Aber dazu haben Sie im Nachhinein noch Gelegenheit.

(Serpil Midyatli)

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Meine Damen und Herren, meine eigene Kita-Zeit liegt fast 40 Jahre zurück. Ich ging im Alter von drei bis sechs Jahren in den Kindergarten; so hieß das damals noch. An eine Kinderbetreuung für unter Dreijährige war in den 70er-Jahren noch überhaupt nicht zu denken. Mein Kindergartenbesuch war halbtags und das auch nur an zwei bis drei Tagen in der Woche. Die Kita diente vor allem dazu, den Kontakt mit anderen Kindern zu fördern. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war damals noch nicht das ausschlaggebende Motiv. Es war eine evangelische Kindertagesstätte, die ich besucht habe, bei der sich die damalige Nordelbische Kirche ganz wesentlich an der Finanzierung beteiligt hat.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

- Bildung gab es zu jener Zeit in der Kita auch schon, Herr Kollege Vogt, allerdings nicht als generellen Bildungsauftrag, sondern, wenn ich es richtig erinnere, ausschließlich in Form einer einzigen Vorschulstunde pro Woche im letzten Kita-Jahr.

Das alles ist, wie gesagt, fast 40 Jahre her. Seitdem haben sich die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend verändert. Beide Eltern arbeiten heutzutage oder wollen dies zumindest tun. Auf derartig veränderte Lebensverhältnisse und Erwerbsbiographien muss Politik reagieren und dazu passende Rahmenbedingungen schaffen.

Das hat der Bund insofern getan, als er im Jahr 1996 den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz gesetzlich festgeschrieben hat. Seit 2013 gilt dieser für alle Kinder nach Vollendung des ersten Lebensjahres - allerdings ohne dass der Bund damit die Finanzierung der Kinderbetreuung übernommen hätte. Stattdessen ist es das Land gewesen, das 2004 mit 60 Millionen € in die Kita-Finanzierung eingestiegen ist. Allerdings blieb dieser Betrag in den nächsten sechs Jahren auf diesem Niveau eingefroren. Erst im Jahr 2011 und dann wieder im Jahr 2017 wurde der Betrag jeweils um 10 Millionen € aufgestockt. Das waren allerdings eher symbolische Aufstockungen, wenn man sich die zwischenzeitliche Kostenentwicklung vor Augen führt.

Für die U-3-Betreuung einigten sich Land und Kommunen im Jahr 2012 auf die Anerkennung der Konnexität, allerdings nur für die ab 2012 neu geschaffenen Krippenplätze. Dieser separate Finanzierungsstrang wuchs bis zum Ende der letzten Wahlperiode auf 50 Millionen € auf.

Meine Damen und Herren, dieser kleine Rückblick zeigt, wie das System der Kinderbetreuung historisch gewachsen ist und wie es sich bei den einzelnen Entscheidungen jeweils um politisches Stückwerk gehandelt hat. Der Minister sprach von „Flickschusterei“; ich meine dasselbe. Am Ende umfasst dieses Stückwerk sieben verschiedene Fördererlasse mit 13 Regelungsbereichen und 32 unterschiedlichen Kriterien der Zuordnung. Das Ergebnis dieses Stückwerks ist die höchste Elternbelastung bundesweit. In keinem anderen Bundesland müssen die Eltern so viel ihres verfügbaren Einkommens für Kinderbetreuung einsetzen wie in Schleswig-Holstein, nämlich im Mittel stolze 9 %. Von diesen 40 Jahren, auf die ich gerade zurückgeblickt habe, haben nahezu 30 Jahre Sozialdemokraten in diesem Land Regierungsverantwortung getragen.

(Beifall CDU und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zugleich zeigte sich -

Herr Abgeordneter Koch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stegner?

Ja, selbstverständlich. Ich habe ihn ja geradezu aufgefordert.

Das ist zutreffend, Herr Kollege Koch. Das ist aber auch das Einzige, was von dem, was Sie gesagt haben, zutreffend ist. - Ist Ihnen bewusst, dass die Tatsache, dass wir die höchsten Elternbeiträge bundesweit haben, zwei Umständen geschuldet ist? Erstens: Als 1988 die SPD die Regierung übernommen hat, fand sie im Haushalt ganze 700.000 DM vor - für den gesamten Kita-Bereich! Wir waren das absolute Schlusslicht in der Kindergartenversorgung. Danach wurde in die Kindergartenversorgung massiv investiert - massiv -, sodass wir nach vorne gekommen sind.

Zweitens: Die höchsten Kita-Beiträge haben wir auch deswegen, weil die schwarz-gelbe Landesregierung, wie die Kollegin Midyatli vorhin gesagt hat, verklagt wurde, was den Krippenbereich angeht. Die von uns geführte Landesregierung hat das in Ordnung gebracht, sodass wir an die Spitze der Flächenländer gekommen sind.

(Tobias Koch)

Das sind die Gründe. Dorthin ist das Geld geflossen. Es war nicht gleichzeitig möglich, auch das andere zu regeln. Vielleicht nehmen auch Sie das einmal zur Kenntnis, Herr Kollege.

- Herr Kollege Dr. Stegner, ich konstatiere: Die höchsten Elternbeiträge resultieren daraus, dass 1988 die SPD hier in die Regierung gekommen ist; so fing Ihr Satz an. Sie haben immerhin noch Geld vorgefunden.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Als wir 2005 in die Regierung kamen, hat der damalige Finanzminister ein Riesenhaushaltsloch vorgefunden. Auf die Beiträge der Sozialdemokratie bin ich hier positiv eingegangen: im Jahr 2004 60 Millionen € für die Kita-Förderung, im Jahr 2012 die Konnexität. Trotzdem war das alles nur Stückwerk, weil es keine in sich geschlossene Reform war. Sie haben an einzelnen Stellschrauben herumgedoktert. Das ist der Unterschied zu uns: Wir machen jetzt eine Reform aus einem Guss, die das Gesamtsystem neu regelt, auf komplett neue Füße stellt und nicht nur einzelne Stellschrauben dreht.

(Beifall CDU und FDP)

Herr Abgeordneter Koch, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Abgeordneten Dr. Stegner?

Auch das noch, gern.

Ihre Versuche, witzig zu sein, gehen ja regelmäßig daneben. Aber ich will Sie darauf hinweisen, dass das Gegenteil richtig ist: Die meisten CDU-Leute haben damals die Haltung vertreten, Kinder gehörten nach Hause - die Frauen übrigens dazu - und es bedürfe nicht einer Unterstützung von Kitas.

(Unruhe CDU)

- Ja. - Wir haben damals massiv investiert, damit das ausgebaut werden konnte. Weil so viel Geld in Investitionen geflossen ist - das war mein Argument -, bestand nicht gleichzeitig die Gelegenheit, auch noch die Beiträge der Eltern zu senken, oder nur in dem Maße, wie es einem finanzschwachen Land möglich war. Das ist der Punkt. Das heißt, Sie tragen die Verantwortung für die Unter

versorgung. Wir haben eine Menge davon in Ordnung gebracht.

(Beifall SPD)

- Herr Kollege Dr. Stegner, wenn die Elternbeiträge bundesweit am höchsten sind und wenn gleichzeitig die Kommunen den größten Anteil an der Kita-Finanzierung aufbringen, dann gibt es daraus nur eine einzige Schlussfolgerung - darum kommen Sie bei allem, was Sie sagen, nicht herum -: Das Land hat in der Vergangenheit zu wenig getan. Das hätte man längst ändern können. Dazu hatten Sie 30 Jahre in eigener Regierungsverantwortung Zeit. Wir tun das jetzt. - Vielen Dank für Ihre Zwischenfrage.