Protokoll der Sitzung vom 29.03.2019

Das erklärte Ziel, die nächste Generation für dieses Thema zu sensibilisieren und aufzuklären, erscheint wichtiger denn je. Es erfordert ein schlüssiges, modernes Bildungskonzept mit geeigneten zeitgemäßen Vermittlungsformen und auch mit neuen Medien. Deshalb ist es uns wichtig gewesen, die Zuwendungen für die Förderung der Gedenkstättenarbeit zu erhöhen. Die Nachfrage nach Schülerfahrten an diese Orte des Gedenkens ist in den letzten Jahren gestiegen. Es zeigt, dass das Thema in Schule und Unterricht aufgegriffen und behandelt wird, und das ist gut so. Ich freue mich, dass die Landesmittel dafür aufgestockt worden sind und bin davon überzeugt, dass dieses Geld hier gut angelegt ist.

Der Bericht kommt im Jahr der politischen Bildung und in einer Zeit, in der wir uns vermehrt mit der Bedeutung unserer so wertvollen Demokratie auseinandersetzen müssen. Eine lebendige Erinnerungs

kultur ist in diesem Prozess unverzichtbar. Wir brauchen diese Lernorte der Demokratie, denn Zeiten totalitärer Ideologien dürfen in Deutschland nie wieder politischen Boden gewinnen.

Dieser Bericht kommt aber auch in einer Zeit, in der wir auf viele Anlässe und Gegebenheiten insbesondere in der jüngsten Vergangenheit zurückblicken, die nicht nur dem Gedenken und Erinnern dienten, sondern immer auch auf die Zukunft ausgerichtet waren. Ich denke unter anderem an den Abschluss des neuen Staatsvertrages mit den jüdischen Landesverbänden.

Schleswig-Holstein hat sich lange schwergetan, mit der Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten umzugehen. Erst in den 1980er-Jahren haben sich an diversen historischen Schauplätzen Initiativen für Erinnerungsorte entwickelt. 2002 wurde die Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinischer Gedenkstätten gegründet, und seit 2012 gibt es eine Landesarbeitsgemeinschaft, die sich mit der Zukunft der Stätten befasst.

Zu den wesentlichen Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, gehören neben der inhaltlichen Weiterentwicklung die Frage nach der geeigneten Umsetzung von Botschaften aus Gedenkstätten an die nächste Generation.

Die meisten Gedenkstätten haben Investitionsbedarf, und vielerorts braucht das Ehrenamt Unterstützung. So ist es zu begrüßen, dass 2019 erstmals sechs Gedenkstätten von projektbezogenen Fördermitteln für Personal- und Verwaltungsaufgaben profitieren.

Der Bericht hat dargestellt, dass sich die Landesregierung der Verantwortung im Umgang mit den Gedenkstätten bewusst ist. Für die Zukunft wird es darauf ankommen, die Vernetzung von Schulen und Gedenkstätten längerfristig zu stärken.

Ein guter Geschichtsunterricht an den Schulen, eine stärkere Einbindung der Universitäten in den unterschiedlichsten Disziplinen und der Fortbestand eines unverzichtbaren Ehrenamtes werden mit der professionellen Begleitung und Unterstützung aus Landesmitteln die wesentlichen Säulen einer zeitgemäßen Erinnerungsarbeit darstellen.

Herr Präsident! Gerade in Zeiten des wieder verstärkten Nationalismus und des Aufstiegs rechtsextremer Parteien bei uns und in anderen Ländern ist die Erinnerungsarbeit in den Gedenkstätten von ele

mentarer Bedeutung für unsere Demokratie. Die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus führt uns vor Augen, wozu Menschen fähig sind und was aus politischem Extremismus folgt. Unsere Gedenkstätten sind als außerschulische Lernorte deshalb so wichtig wie eh und je. Es ist gut, dass diese Landesregierung die Stärkung ihrer Arbeit, die unter der vorherigen Regierung begonnen wurde, fortsetzt.

Die Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein sind sowohl strukturell als auch institutionell sehr unterschiedlich aufgestellt. Häufig aus ehrenamtlichem Engagement heraus entstanden, stehen sie vor einem Generationenwechsel, der seitens der Landespolitik begleitet werden muss. Die bisher geleistete Arbeit soll dabei fortgesetzt und zugleich über neue Formen der Unterstützung nachgedacht werden. Wie bereits im Landesgedenkstättenkonzept von 2015 beschrieben, geht es hierbei vor allem um eine stärkere Professionalisierung und Hauptamtlichkeit.

Nach der verbesserten Finanzierung der Gedenkstätten in den letzten Jahren müssen wir heute verstärkt dahin wirken, die Zukunft der Gedenkstätten nachhaltig und institutionell zu sichern. Gemeinsam mit der „Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten“ und der „Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein“ sollten Konzepte für eine stärkere Professionalisierung der Arbeit und eine strukturelle Weiterentwicklung entwickelt werden.

Herr Präsident! Uns ist wichtig, dass die kritische Erinnerung an Herrschaft, Verbrechen und Verfolgung im Nationalsozialismus gesellschaftsnah und mit modernen Mitteln erfolgt, damit auch die nachfolgenden Generationen die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte haben. Die Erinnerung an die Verbrechen an der Menschheit der Nazis muss in unseren Gedenkstätten aufrechterhalten werden.

In der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Ladelund erfahren die Besucherinnen und Besucher beispielsweise, was vor Ort geschehen ist. Sie werden mit Augenzeugenberichten konfrontiert und erfahren, wie die Häftlinge von Achtrup aus nach Ladelund getrieben wurden. Sie erfahren, dass die Bevölkerung gesehen hat, wie die Häftlinge auf dem Rückweg Tote und Kranke zurücktrugen. Niemand konnte das übersehen.

Es ist von besonderer Wichtigkeit, die Orte des Verbrechens selbst als Mahnmale zu erhalten. Wir

müssen die Wege nachvollziehen und aus unseren eigenen Wohnorten lernen können.

Die Erinnerungs- und Gedenkarbeit liegt dem SSW traditionell besonders am Herzen. Das haben wir immer wieder bewiesen. Dazu gehört das fortschrittliche Denkmalschutzgesetz des Landes, die wissenschaftliche Aufarbeitung der strukturellen und personellen Kontinuität nach dem Dritten Reich und schließlich die Stärkung der Erinnerungskultur im Land durch das Landesgedenkstättenkonzept.

Unter unserer SSW-Kulturministerin Anke Spoorendonk hat das Land Schleswig-Holstein das erste Gedenkstättenkonzept des Landes umgesetzt. Ein Konzept zur Förderung und Weiterentwicklung von Erinnerungsarbeit an historischen Lernorten, zur Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Diktatur in Schleswig-Holstein. Damals haben wir begonnen, die Erinnerungsorte, die es bei uns bereits gibt, bei der anfallenden Modernisierung zu unterstützen. Wir sind froh, wenn diese Arbeit fortgeführt wird.

Unter Anke Spoorendonk hat das Land begonnen, der strukturellen Unterfinanzierung der Gedenkstättenarbeit entgegenzuwirken. Das war bitter nötig, und die Steigerung der Förderung muss auch in Zukunft dringend fortgesetzt werden.

Hier darf die Unterstützung aber nicht aufhören. Von den ehrenamtlichen Initiativen und Vereinen, die die Gedenkstättenarbeit tragen, wissen wir, dass sie an ihre Belastungsgrenzen stoßen. Wir brauchen in Schleswig-Holstein endlich eine Institution, die die Trägerschaft von Gedenkstätten übernehmen kann.

Wir muten unseren Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern, denen wir großen Dank für die Aufrechterhaltung der Gedenkstätten schuldig sind, oft und immer noch zu viel zu. Dabei sollte eigentlich das Hauptamt das Gerüst sein, auf dem das Ehrenamt steht.

Die Kulturministerin des Landes hat aus unserer Sicht jetzt die Aufgabe dafür zu sorgen, die Zusammenarbeit von Ehrenamt und einem weiter aufzubauenden Hauptamt zu gestalten. Wir brauchen Konzepte zur strukturellen Stärkung der Gedenkstättenarbeit und Vorschläge für Entwürfe, in welcher Form das Land die Trägerschaft übernehmen kann.

(Marlies Fritzen)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum brauchen wir eine Erinnerungskultur? Und wie erinnert man - fast 75 Jahre nach Kriegsende - richtig? Oder anders gefragt: Wozu braucht man eigentlich ein Landesgedenkstättenkonzept?

Die Antwort gibt uns eine jüdische Weisheit, die Richard von Weizsäcker in seiner Rede vom 8. Mai 1985 zitiert hat:

„Das Vergessenwollen verlängert das Exil, und das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung.“

Dieser Satz fasst in Worte, was mir am Herzen liegt, und was die Landesregierung mit dem Landesgedenkstättenkonzept bewirken will: Die Antwort auf Vergessen ist Erinnerung - eine reflektierte Erinnerung.

Da brauchen wir keine einstündigen Kurzbesuche, sondern qualifizierte Projekttage. Nur so entsteht ein nachhaltiger Beitrag zur historischen und politischen Bildung, zur Demokratie-Erziehung. Dafür setzen wir uns mit vielen Partnern ein: An dieser Stelle möchte ich insbesondere der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten - BGSH danken sowie dem Landesbeauftragten für Politische Bildung, der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein - LAGSH - und den vielen Ehrenamtlichen für ihren unermüdlichen Einsatz, die Erinnerungskultur wachzuhalten.

Politik kann Rahmenbedingungen schaffen. Ich unterstütze nachdrücklich das Ziel, dass möglichst alle Jugendlichen in ihrer Schulzeit eine Gedenkstätte mit Bezug zu NS-Verbrechen besuchen, dies aber eingebettet in das Unterrichtsgeschehen, qualitativ betreut mit Vor- und Nachbereitung.

Wir brauchen eine kritische Aufarbeitung der Geschichte. Wir brauchen eine Reflexion der Vergangenheit, der Mechanismen, mit denen Hitler und die Nationalsozialisten gearbeitet haben, und mit denen Diktatoren und Ideologen in aller Welt arbeiten und heute noch Erfolg haben.

Genau das ist bei unserem Landesgedenkstättenkonzept der Fall. Wir verfolgen damit zwei übergreifende politische Ziele: erstens die Fortführung der kritischen Erinnerung an Herrschaft, Verbrechen und Opfer des Nationalsozialismus, und zwar mit zeitgemäßen Mitteln in einem demokratischen und pluralistischen Prozess, und zweitens eine

nachhaltige Schärfung des Bewusstseins für die kontinuierliche Gefahr antihumaner und demokratiefeindlicher Entwicklungen - insbesondere an den historischen Orten zur Erinnerung an die Opfer nationalsozialistischen Terrors.

Der Bericht liegt Ihnen vor. Lassen Sie mich gleichwohl einige Stichpunkte hervorheben: Wir haben die Finanzierung der Gedenkstättenarbeit deutlich erhöht: von 230.000 € in 2015 auf aktuell 375.000 €, also um 63 %.

Wir gewährleisten seit 2018 deutlich mehr Planungssicherheit durch einen dreijährigen Fördervertrag mit der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten - BGSH. Damit haben wir einen Strategiewechsel hin zu mehr Hauptamtlichkeit eingeleitet. Dies soll Schritt für Schritt weitergehen, aber - das muss ich der Ehrlichkeit halber auch sagen - ohne eine deutliche kommunale Beteiligung wird es nicht funktionieren.

Wir konnten zusätzlich zahlreiche Gedenkstätten modernisieren mit einem Fördervolumen von knapp 4 Millionen €, etwa in Ladelund, Kaltenkirchen, Husum-Schwesing, die Neulandhalle sowie die Carlebach-Synagoge in Lübeck.

Ich bin sehr froh, dass die Regierungsfraktionen für 2019 noch einmal 500.000 € für bauliche Investitionen aus IMPULS-Mitteln zur Verfügung gestellt haben. Damit sollen insbesondere die Gedenkstätten in Ahrensbök, Kaltenkirchen und der Kieler Flandernbunker modernisiert werden.

Wir waren uns im Kabinett sehr einig, dass wir jüdisches Leben im Land stärken wollen. Eine Stärkung der Erinnerungskultur gehört dazu. Auch Demut. Und wir erleben, wenn wir in die Gegenwart schauen: Freundschaft! Das beeindruckt mich zutiefst.

Mich freut der Abschluss des neuen Staatsvertrages mit den beiden jüdischen Verbänden und die deutliche Erhöhung der Landesleistung auf 800.000 €.

Auch die Schülerfahrten-Förderung haben wir ausgebaut: Wir haben die Mittel 2018 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt und konnten so allein im vergangenen Jahr 36 Fahrten fördern. 2017 waren es nur 17 Fahrten. Für dieses Jahr liegen bei der BGSH bereits Anträge für über 20.000 € vor. Allein damit erreichen wir mehr als 2.000 Schülerinnen und Schüler.

Und für dieses Jahr stehen konkret weitere Planungen an: Uns beschäftigt aktuell gemeinsam mit der Staatskanzlei und dem MELUND der Aufbau des Henri-Goldstein-Hauses im Quickborner Himmel

moor. Hier haben wir eine enge Begleitung der Konzeptentwicklung zugesagt.

Wir verfolgen den Ausbau der Schnittstelle Schule/ Gedenkstätten, zum Beispiel mit dem Modellprojekt der CAU in Kaltenkirchen, mit der AG Gedenkstätten- und Museumsarbeit aus dem IQSH oder mit einem Schülerwettbewerb der Bürgerstiftung.

Meine Damen und Herren, wir haben also bereits viel erreicht, nun ist es unsere Aufgabe, das Engagement des Landes und der Kommunen für die Erinnerungskultur und Gedenkarbeit zu stärken und an den Gedenkstätten zu verstetigen. Wir müssen mehr als bisher Professionalisierung und Hauptamtlichkeit fördern - ohne wird es angesichts der Altersstruktur der Ehrenamtlichen nicht gehen.

Wir wollen noch viel mehr junge Leute erreichen.

Lassen Sie mich enden mit einem Satz von Noach Flug. 1925 geboren, 2011 gestorben, er hat Auschwitz überlebt und war Präsident des Internationalen Auschwitz-Komitees - IAK. Er sagte:

„Die Erinnerung ist wie das Wasser: Sie ist lebensnotwendig und sie sucht sich ihre eigenen Wege in neue Räume und zu anderen Menschen. Sie ist immer konkret: Sie hat Gesichter vor Augen, und Orte, Gerüche und Geräusche. Sie hat kein Verfallsdatum und sie ist nicht per Beschluss für bearbeitet oder für beendet zu erklären.“

Vielen Dank.

(Ministerin Karin Prien)