Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

Genau in dieselbe Richtung zielte auch die Kritik des bau- und wohnungspolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion. Er brachte es auf den Punkt mit den Worten:

„Der Kompromiss ist bürokratischer Wahnsinn und verteuert das Wohnen weiter.“

Derzeit deutet aber leider wenig darauf hin, dass Olaf Scholz bereit ist, auf seine Kritiker zuzugehen. Und so meldete die „FAZ“ am 10. April folgerichtig:

„Olaf Scholz lässt den Konflikt um die Reform der Grundsteuer eskalieren.“

Sehr deutlich wurde auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion, der erklärte:

„Der Vorschlag von Bundesminister Olaf Scholz ist nicht abgestimmt und damit kein Entwurf der Koalition.“

(Minister Dr. Heiner Garg)

Während also bereits innerhalb der Großen Koalition völlige Uneinigkeit herrscht, ist auch ein länderübergreifender Konsens nicht in Sicht. Bayern fordert nun eine Öffnungsklausel, um auf Landesebene abweichend die Grundsteuer nur nach den Flächen von Grundstücken und Gebäuden erheben zu können. Die Bayern wollen sich also ein Extrawürstchen auf den Grill legen, obwohl es sich um ein Bundesgesetz handelt. Hier zeigt sich, in welcher Sackgasse die Diskussion inzwischen festgefahren ist.

Deshalb sagen wir klar Nein zu einer Quadratur des Kreises, die auch verfassungsrechtlich angreifbar wäre. Extra Weißwürstchen aus Bayern sind selbstverständlich genauso abzulehnen, wie es auch der Deutsche Landkreistag zum Ausdruck gebracht hat.

Leider ist festzuhalten, dass sich die Forderungen nach einem vereinfachten Verfahren der Grundsteuererhebung nicht durchsetzen konnten. Bestätigt dürfen sich dagegen all diejenigen fühlen, die von Beginn an vor einem nicht praxistauglichen Steuermodell gewarnt haben. Aber auf unseren Bundesfinanzminister ist Verlass: Er streitet in Sachen Grundsteuer unverdrossen für mehr Bürokratie und zeigt damit einmal mehr, dass er aus der Vergangenheit nichts gelernt hat.

So wird die Reform scheitern, spätestens wieder vor dem Bundesverfassungsgericht. Erst kürzlich bezeichnete der Finanzexperte Paul Kirchhof die Grundsteuer deshalb auch als aus der Zeit gefallen.

Vor diesem Hintergrund können wir uns heute mit voller Überzeugung der aktuellen Forderung von Haus & Grund Schleswig-Holstein und dem Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen anschließen, die Grundsteuer abzuschaffen. Es wäre einer der größten Schritte zur Entbürokratisierung der Steuergesetzgebung.

Auch die finanzielle Ausstattung der Kommunen kann sichergestellt werden. Der Wegfall der Grundsteuer kann solide gegenfinanziert werden, wenn zum Ausgleich der Anteil der Gemeinden an der Lohn- und Einkommensteuer nach dem Gemeindefinanzreformgesetz erhöht wird.

Eine solche Lösung wäre sozial ausgewogen, denn im Rahmen der Einkommensteuer zahlt derjenige mehr Steuern, der auch real mehr verdient. Die Bezieher geringer Einkommen, Rentner und junge Familien, würden entlastet. Halten wir auch fest, dass das Grundgesetz nach wie vor in Artikel 106 Absatz 5 die Möglichkeit enthält, den Gemeinden ein Hebesatzrecht für ihren Anteil an der Einkommensteuer einzuräumen.

Nutzen wir deshalb alle Möglichkeiten, um die Finanzhoheit der Gemeinden als Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zu stärken. Meine Damen und Herren, Verwaltungsaufwand minimieren, volkswirtschaftlichen Nutzen maximieren und soziale Gerechtigkeit herstellen, dies sollte unser Bestreben sein. Ersparen wir Bürgern und Finanzämtern den Streit um Neubewertungen und richtige Bewertungsansätze, und schaffen wir die Grundsteuer ab! - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Ole Plambeck.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Bei diesem Antrag wird die Schizophrenie der AfD wieder einmal deutlich. Vor einem Jahr stellte sie hier noch einen Antrag - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten -:

„Die Landesregierung wird aufgefordert, im Bundesrat darauf hinzuwirken, dass … ein neuer Gesetzentwurf vorgelegt wird, der das Grundsteuer-Aufkommen der Gemeinden dauerhaft sicherstellen kann.“

(Jörg Nobis [AfD]: Das habe ich ja gesagt, zur Gegenfinanzierung!)

Die Landesregierung, federführend unser Finanzministerium, hat auch ein entsprechendes Modell entwickelt und dieses beim Bund und bei den Landesfinanzministern entsprechend eingebracht. Das war die Diskussionsgrundlage. Das heißt, dieser Auftrag ist erfüllt worden. Heute beantragt die AfD im Landtag die Abschaffung der Grundsteuer.

Mit dem heutigen Antrag wird klar, die AfD kennt sich überhaupt nicht mit den Kommunen oder den Kommunalfinanzen aus

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und trägt jetzt ihre politischen Spielereien auf dem Rücken unserer Gemeinden und Städte aus.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Denn die Grundsteuer ist eine der wichtigsten, wenn nicht sogar die wichtigste Steuer unserer Kommunen. Sie trägt ganz maßgeblich dazu bei,

(Jörg Nobis)

die kommunale Daseinsvorsorge zu finanzieren. Wir sprechen hier von der Grundinfrastruktur in unseren Gemeinden und Städten, wie die Sanierung von Straßen und Kanalisation oder die Bereitstellung von Schulen, Kitas, Spiel- und Sportplätzen, Volkshochschulen und vielen anderen Dingen, die das Leben vor Ort in seiner heutigen Form überhaupt erst möglich machen.

Herr Nobis, jetzt schlagen Sie vor, das Steueraufkommen der Grundsteuer - bundesweit immerhin 14 Milliarden €, landesweit immerhin 450 Millionen € - über die Einkommensteuer auszugleichen, also den Kommunen einen höheren Anteil an dieser Steuer zukommen zu lassen. Das hört sich vielleicht im ersten Moment ganz interessant an, aber wenn Sie der gestrigen Einladung unserer Finanzministerin zur Vorstellung der regionalisierten Steuerschätzung gefolgt wären - das sind Sie ja nicht -, dann wüssten Sie, dass auch die Kommunen mit weniger Einnahmen zu rechnen haben. Woran liegt das? - Auch die Einkommensteuer ist - wie alle anderen Ertragsteuern - konjunkturabhängig.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Auch die Umsatzsteuer als Verkehrssteuer ist konjunkturabhängig. Genau das unterscheidet diese Steuern von der Grundsteuer. Die Grundsteuer sichert den Kommunen eine solide, konjunkturunabhängige Basisfinanzierung. Sie ist planbar und eine verlässliche Größe im Haushalt.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Und nicht nur das: Neben der Gewerbesteuer ist die Grundsteuer die einzige große Steuer, deren Höhe die Kommunen mit ihrem Hebesatzrecht selbst bestimmen können. Sie können die Höhe des Hebesatzes nach ihrem individuellen Bedarf verändern. Das ist für unsere Gemeinden und Städte eine ganz entscheidende Möglichkeit der Steuerung.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Das wäre mit einem höheren Anteil an der Einkommensteuer oder einer anderen Bundessteuer überhaupt nicht möglich.

(Vereinzelter Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Diese Steuerungsmöglichkeit wollen Sie nun mit diesem Antrag abschaffen.

(Jörg Nobis [AfD]: Nein! Da haben Sie nicht richtig zugehört!)

Die Grundsteuer ist immens wichtig für unsere Kommunen. Es lohnt sich, im Sinne unserer Kommunen für den Erhalt der Grundsteuer zu kämpfen.

Sicherlich würde auch ich mir schon heute ein komplett fertiges Grundsteuergesetz wünschen. Aber wir wollen nun einmal die beste Lösung für alle Beteiligten. Das, was Sie eben beschrieben haben, die ganzen Zitate, gibt das Ringen um die beste Lösung wieder. Das nennt sich auch politische Debatte. Wir führen also eine politische Debatte zu diesem Thema, und die ist noch nicht zu Ende. Wenn man Ihren Antrag liest, hat man den Eindruck, wir befänden uns schon im Jahr 2020. Aber wir befinden uns noch in der politischen Debatte. Ich bin ganz optimistisch, dass wir weiter daran arbeiten und bis Ende des Jahres ein neues Grundsteuergesetz hinbekommen werden. Ob mit oder ohne Öffnungsklausel, ich bin optimistisch, dass wir eine verfassungskonforme Regelung auf den Weg bringen werden. Dieser AfD-Antrag ist schlichtweg abzulehnen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Bevor wir zur nächsten Rednerin kommen, begrüßen Sie mit mir auf der Besucherinnen- und Besuchertribüne neue Gäste, und zwar von der DEHOGA Schleswig-Holstein. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Nun hat für die SPD-Fraktion die Abgeordnete Beate Raudies das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorteile der Grundsteuer liegen auf der Hand. Sie besteuert den Grundbesitz. Dessen Nutzung ist ohne Leistung des Gemeinwesens, also ohne Straßen-, Strom- und Wasserleitungen, nicht sinnvoll möglich. Mithin ist es gerechtfertigt, diese Realsteuer zu erheben. Zudem setzt die Steuer kaum ökonomische Fehlanreize. Sie ist in Krisenzeiten deutlich robuster als viele andere Steuerarten, und auch ihre Sozialverträglichkeit ist gegeben, da die Steuerlast davon abhängt, wie viel das jeweilige Grundstück und die darauf errichteten Immobilien wert sind. Kein Wunder, dass die Grundsteuer bei vielen Ökonomen daher bis heute als eine der gerechtesten Steuerarten gilt.

(Ole-Christopher Plambeck)

Die Grundsteuer ist mit einem Aufkommen von mehr als 14 Milliarden € pro Jahr eine der wichtigsten Einnahmequellen für Städte und Gemeinden in Deutschland. Gerade für finanzschwache Kommunen, die nur wenig Gewerbesteuer einnehmen, ist die Grundsteuer existenziell. Würde die Grundsteuer komplett wegfallen, wäre die kommunale Daseinsvorsorge massiv bedroht.

Meine Damen und Herren, nun wissen wir, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber auferlegt hat, die Bemessungsgrundlagen der Grundsteuer neu zu regeln. Bis Ende 2019 muss ein neues Gesetz verabschiedet sein, und die Neuregelung muss spätestens 2025 greifen.

Obwohl sich alle über die Bedeutung der Grundsteuer einig sind, insbesondere für die Kommunen, kommt das Gesetzgebungsverfahren im Bund nicht voran. Ich bin da mit Schuldzuweisungen durchaus zurückhaltend. Gleichwohl machen Alleingänge wie wir jetzt beispielsweise einen von Bayern erleben - die Sache nicht einfacher.

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Burk- hard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die SPD-Landtagsfraktion unterstützt nach wie vor das Reformkonzept, die Grundsteuer wie bisher nach dem Wert des Bodens und der Gebäude zu bemessen, weil dies für eine sozial gerechte Besteuerung sorgt. Der Vorschlag, für die Wertermittlung grundsätzlich an die Nettokaltmiete anzuknüpfen, ermöglicht nach unserer Einschätzung eine faire Steuerbemessung anhand realistischer Grundstückswerte in Abhängigkeit von Lage und Mietniveau.