Protokoll der Sitzung vom 16.05.2019

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zurufe - Heiterkeit)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Ines Strehlau das Wort.

(Martin Habersaat)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Martin Habersaat, die Lehrkräfte, die jetzt über den Bildungsbonus eingestellt werden, dürften unbefristet eingestellt werden. Wir wissen ja, dass wir einen großen Mangel an Lehrkräften haben. Ich gehe nicht davon aus, dass der Bildungsbonus ausläuft, weil wir in den nächsten Haushalten alles tun werden - egal, welche Regierungskonstellation da ist -, damit das weitergeführt wird. Jedenfalls sind die Lehrkräfte gesichert. Sie sind unbefristet eingestellt.

Auch wir freuen uns, dass es jetzt endlich mit dem Bildungsbonus losgeht. Vielen Dank, Frau Ministerin, für den Bericht, und vielen Dank an Sie und Ihr Haus - an Herrn Stäcker - für die Erstellung des Konzepts.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU, SPD, FDP und SSW)

Wir sind uns bewusst, dass wir das Ministerium und den Gutachter durch das Vorziehen um ein Jahr ganz schön gefordert haben, aber es hat sich gelohnt. Der Bildungsbonus ist für uns Grüne und für Jamaika ein sehr wichtiges Projekt, denn wir sind davon überzeugt, dass jedes Kind die gleichen Chancen haben muss, seinen individuellen Bildungsweg zu gehen und etwas aus seinem Leben zu machen.

Das ist heute leider nicht überall der Fall. Manche Kinder haben einen schwierigen familiären Background oder kommen aus bildungsfernen Schichten. Dass diese Kinder und Jugendlichen nicht überall gut aufgefangen werden können, zeigt sich unter anderem in der Schulabbrecherquote, die in Schleswig-Holstein immer noch vergleichsweise hoch ist.

An manchen Schulen bündeln sich diese Herausforderungen, dort reichen die zur Verfügung stehenden zeitlichen, finanziellen und personellen Ressourcen nicht aus, um individuell zu fördern. Diese Schulen hatten es in der Vergangenheit nicht gerade einfach und haben es nun mehr als verdient, Unterstützung durch den Bildungsbonus zu erhalten. Der vom Bildungsministerium entwickelte Sozialindex zeigt, welche Schulen besonders dringend Unterstützung benötigen.

Wir haben uns - es wurde gesagt - gegen das Gießkannenprinzip ausgesprochen und fördern die ersten 20 Schulen besonders stark, 40 weitere werden folgen. Bei der Auftaktveranstaltung in der vergangenen Woche mit den PerspektivSchulen, wie die Bildungsbonusschulen zukünftig heißen, war eine

enorme Aufbruchsstimmung zu spüren. Die Schulen freuen sich über die zusätzliche Unterstützung und empfinden es als Wertschätzung für ihre Arbeit und als Anerkennung ihrer herausfordernden Situation. Es war auch richtig, dass wir die Mittel deutlich um 3 Millionen € pro Jahr aufgestockt haben. Größere Schulen können in diesem Jahr mit mehr als 100.000 € zusätzlich rechnen. So bekommen die Schulen einen wirklich spürbaren zusätzlichen Betrag.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Die Schulen überlegen jetzt im Detail, wofür sie die Mittel einsetzen: für mehr Lehrerstellen, damit die Lehrkräfte weniger Unterricht geben müssen und dafür mehr Zeit für beispielsweise Vor- und Nachbereitung oder Absprachen im Team bekommen, für mehr Schulsozialarbeit oder vielleicht eine zusätzliche Verwaltungskraft, die die Schulleitung und Lehrkräfte unterstützt, vielleicht aber auch für handwerkliche oder kreative Angebote. Jede Schule ist anders und wird ihr eigenes Konzept entwickeln. Dieser Freiraum kommt bei den Schulen besonders gut an.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU und FDP)

Ein Schulleiter sagte mir auf der Veranstaltung: Jetzt bekommen wir als Schulleitung eine neue, eine ungewohnte Rolle, wir dürfen selbst Geld ausgeben und müssen überlegen, wofür und wie wir das machen. - Es war auch ein bisschen Respekt vor der neuen Rolle zu spüren.

Deshalb ist es zum einen gut, dass die Schulen bei der Erarbeitung der Konzepte von Ministerium und von IQSH begleitet werden. Ein Blick von außen oder auch eine Moderation lassen vielleicht klarer werden, welche Ziele auf welchen Wegen erreicht werden können und sollen, um den Unterricht weiterzuentwickeln.

Zum anderen ist es gut, dass die Schulleiterinnen und Schulleiter gecoacht werden. Die Vorträge - unter anderem von der Schulleiterin der Rütli-Schule bei der Auftaktveranstaltung - haben gezeigt, wie wichtig eine starke Schulleitung ist, die Ideen hat und gleichzeitig das Kollegium mitnehmen kann; denn ohne ausreichend Motivation und Engagement im Kollegium wird die beste Idee nicht fruchten.

Auf der Veranstaltung hat die Einführung der Wübben Stiftung, die die Begleitung der Schulleiterinnen und Schulleiter übernehmen wird, neugierig auf das gemacht, was kommt.

Der Bildungsbonus in Schleswig-Holstein ist ein schönes Beispiel dafür, wie man positiven Beispielen folgen kann. Die tollen Entwicklungen in Berlin oder Hamburg zeigen, wie zusätzliche Unterstützung wirkt und bei Lehrkräften, Schülerinnen, Schülern und auch Eltern zu einer deutlich höheren Zufriedenheit führt. Aus Schulen am Rand ihrer Kräfte sind gelingende Schulen geworden. Manchmal werden diese sogenannten Bildungsbonusschulen sogar zu sehr beliebten Schulen. Das haben wir auch beim Besuch des Bildungsausschusses an der Stadtteilschule in Hamburg-Wilhelmsburg im letzten Jahr gesehen.

Beim Bildungsbonus geht es ganz klar um soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Kinder und Jugendliche bekommen Unterstützung und Förderung, um erfolgreich in der Schule zu sein und gut im Beruf anzukommen. Das ist in erster Linie für die Schülerinnen und Schüler wichtig, aber auch volkswirtschaftlich ist eine gute Bildungslaufbahn ein Gewinn. Ich finde in diesem Kontext auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt enorm wichtig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und Dr. Frank Brodehl [AfD])

Wir dürfen niemanden zurücklassen, niemanden abhängen, denn für jeden und jede gibt es einen Platz in dieser Gesellschaft. Diesem Ziel kommen wir mit dem Bildungsbonus an den PerspektivSchulen ein Stück näher. - Vielen Dank.

Für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch für die FDP-Fraktion spreche ich meinen Dank aus an die Ministerin, das Haus und die Wübben Stiftung, die uns in diesem Projekt unterstützt. Ich möchte noch einen weiteren besonderen Dank aussprechen, und zwar an den Verein „Schulen am Wind“ sowie an die Lehrkräfte, die Schulleitungen, die damals Druck gemacht und gesagt haben, dass Holland in Not sei, dass endlich etwas getan werden müsse. Ich zolle ihnen meinen Respekt, dass sie den Mut hatten, die Probleme so deutlich zu benennen. Ich bin sicher, dass sie einen wesentlichen Anteil daran haben, dass wir mit dem Bildungsbonus und den PerspektivSchulen reagiert haben und es etwas schneller als geplant losgeht.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Das PerspektivSchul-Programm ist ein entscheidendes Instrument für die Bildungsgerechtigkeit in Schleswig-Holstein, denn erstmals wird umfassend das Augenmerk auf diejenigen Schulen gerichtet, die mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen haben und daher zu Recht unsere volle Aufmerksamkeit verdienen. Vieles dazu ist heute schon ausgeführt worden.

Für uns Freie Demokraten kann ich sagen, dass uns eine Lösung, nur mehr Planstellen oder nur mehr Geld für alle zur Verfügung zu stellen, zu wenig gewesen wäre. Uns war wichtig, denjenigen Schulen individuelle Maßnahmen zu ermöglichen, die sie für die individuellen Bedarfe ihrer jeweiligen Schülerschaft benötigen. Hier setzt der Bildungsbonus an.

Bis 2024 werden wir dafür 50 Millionen € bereitstellen, um die größten Hürden bei 60 Brennpunktschulen zu beseitigen. Ungleiches ungleich behandeln und damit Bildungsgerechtigkeit schaffen, bedeutet auch, Lebensperspektiven zu schaffen. Das wurde uns bei der Auftaktveranstaltung von betroffenen Schulleitern aus verschiedensten Bundesländern vorbehaltlos bestätigt.

Auch bei der Ermittlung der Schulen haben wir uns Gedanken gemacht und sind neue Wege gegangen. Wir halten die bewusste Konzentration auf wenige Schulen für sinnvoll und gerechtfertigt, um eine größtmögliche Wirkung zu entfalten.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein vom IPN und der CAU eigens entwickelter sozialräumlicher Index für Schleswig-Holstein war nicht nur in der Lage, die betroffenen Schulen verlässlich zu identifizieren, sondern sie auch nach einer Rangfolge der Dringlichkeit zu ordnen. Übrigens hat ein, wenn auch inoffizieller, Abgleich der Rechnungsergebnisse mit Umfragen der Schulleiter ergeben, dass eine große Übereinstimmung zwischen dem Indexergebnis und dem gefühlten Bedarf der Schulleiter bestand, welche Schulen von dem PerspektivSchul-Programm profitieren sollten.

Wir können mit der Auswahl zufrieden sein, vor allen Dingen darüber, dass Grundschulen und weiterführende Schulen gleichermaßen bedacht werden. Alle profitieren davon, wenn wir vom ersten Schultag an Kinder fördern. Sie kommen in der weiterführenden Schule mit deutlich besseren Ergebnissen an.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Ines Strehlau)

Mit der Vorgehensweise einer maßgeschneiderten Unterstützung stellen wir außerdem sicher, dass die Gelder nicht nach politischen Aspekten oder wahllos nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden. Auch das wurde hier heute mehrfach gesagt. Das wäre nicht nur wirkungslos, weil wir uns mit den Mitteln verzetteln würden, sondern wäre auch ungerecht und kontraproduktiv, da es bestehende Ungleichheiten unter den Schulen weiter verstärken würde.

Ich finde es gut, dass die Schulen einen Sockelbetrag von 25.000 € sowie ein zusätzlich von der Schülerzahl abhängiges Budget erhalten. Die Mittel können zusätzlich für Vernetzungsarbeit im Stadtteil verwendet werden. Weil wir wissen, dass Schulen am besten entscheiden können, wo das Geld am dringendsten gebraucht wird, sind die Gelder zwar an ein Konzept gebunden, dieses sollen die Schulen aber nach eigenem Ermessen gestalten. Die Kritik, die seitens der GEW daran geäußert wurde, kann ich nicht teilen.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Wer auf der Auftaktveranstaltung war und die verschiedenen Berichte gehört hat, hat gehört, wie unterschiedlich die Gelder verwendet werden können. Die Schulleiterin der Rütli-Schule hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, Elternarbeit, Stadtteilarbeit, aber auch Jugendämter, Polizei, Sozialarbeiter et cetera einzubeziehen. Das ist jetzt auch für unsere Schulen möglich. Das erhöht die Effizienz der Gelder und reduziert nebenbei den Verwaltungsaufwand.

In einem ersten Schritt sind die ersten 20 förderungswürdigsten Schulen verkündet worden. In den nächsten beiden Jahren werden weitere 40 Schulen folgen. Es gilt, die Schulen bei der Umsetzung zu unterstützen, für einen reibungslosen, unbürokratischen Anlauf des PerspektivSchul-Programms zu sorgen, um den Schulen schnellstmöglich die dringend benötigten Gelder zur Verfügung zu stellen. Ich hoffe, dass alle Bedenken der GEW durch den Wind verfliegen. Ich wünsche insbesondere den PerspektivSchulen, den Schulleitungen, den Lehrkräften, vor allen Dingen aber den Schülerinnen und Schülern großen Erfolg und alles Gute auf ihrem Weg. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und AfD)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Endlich ist es so weit. Es soll dort mehr Unterstützung ankommen, wo sie stärker gebraucht wird. Die Erkenntnis, dass nichts ungerechter ist, als Ungleiches gleich zu behandeln, hat zum Bildungsbonusprogramm geführt. Es ist ein richtiger, wichtiger Schritt zu mehr Bildungsgerechtigkeit.

(Beifall AfD)

Dank an dieser Stelle - es klang gerade in der letzten Rede an - an die Initiatoren, die das eigentlich möglich gemacht haben, an die Schulleiter der „Schulen am Wind“. Ohne ihr Drängen, ohne ihren Aufschrei - Sie wissen, der kam in der Zwischenphase zwischen „Küste“ und „Jamaika“ - und ohne ihr Werben im Bildungsausschuss wäre der Bildungsbonus in dieser Form nicht zustande gekommen. Die Schulleiter der „Schulen am Wind“, der Brennpunktschulen, haben die Probleme deutlich angesprochen. Die Bezeichnung „Brennpunktschule“ war zu diesem Zeitpunkt richtig, weil er für alle verständlich war und die Dringlichkeit verdeutlicht hat. Erst dadurch lenkt man die Aufmerksamkeit auch in der Öffentlichkeit auf dieses Thema. Das war zu diesem Zeitpunkt gut. Das war überfällig.

Die Probleme sind erkannt. Auch die Erfolgsbedingungen einer guten Schule sind bekannt. Lösungswege werden aufgezeigt. Zum Beschreiten dieser Lösungswege braucht es Geld. Ohne die Bereitstellung von Ressourcen, Unterstützungsleistungen des Landes, wäre alles nur Schall und Rauch. Die Herausforderungen an Schulen in sozial benachteiligten Stadtteilen sind eben ungleich größer als anderswo. Sie haben in den letzten Jahren zugenommen. Was die Zukunft bringt, werden wir abwarten müssen.

Bemerkenswert ist - es klang an -: Neun von 20 Schulen, die vom Förderprogramm profitieren, liegen in der Landeshauptstadt Kiel. Obwohl die Stadt Kiel im Rahmen ihrer Haushaltsmöglichkeiten Schulen an prekären Standorten wie Gaarden oder Mettenhof mit Programmen wie „Gaarden hoch zehn“, „Gaarden macht (gute) Schule!“ unterstützt hat, sind die Fördermittel eben nicht ausreichend gewesen, um Chancengleichheit herzustellen.

Trotz Bildungsbonus bleibt es weiterhin wichtig, dass kreisfreie Städte, Kreise und Kommunen weiterhin Schulsozialarbeit, Schulassistenten, Elternarbeit und Projekte in den sozial benachteiligten

(Anita Klahn)

Stadtteilen fördern, damit das Bildungsbonusprogramm seine volle Wirkung entfalten kann.

Dass die Schulen beim Bildungsbonus über den Einsatz der Mittel - natürlich in Abstimmung mit der Schulaufsicht - selbstständig entscheiden können, ist vernünftig. Schulleitungen und Kollegien vor Ort kennen die Bedarfe ihrer Schulen genau und sind in der Lage, zielorientiert und passgenau die Mittel einzusetzen, um ihre Schule zu einem besseren Lernort zu machen. Ich bin sicher, dass das auch gelingen wird.

Wir haben das Beispiel von der Berliner RütliSchule gehört. Sie erinnern sich, das ist die Schule, deren Lehrer schon 2006 einen Brandbrief geschrieben haben. Ich selber hatte zu diesem Zeitpunkt ein Angebot von dieser Schule, dort Lehrer zu werden. Dieses Angebot hatte ich dann aber doch nicht angenommen, sondern bin woanders hingegangen. Aber dieser Turnaround, den diese Schule geschafft hat, ist wirklich bemerkenswert. Natürlich war das nicht allein auf das Geld und die zusätzlichen Ressourcen zurückzuführen, die der Schule zur Verfügung gestellt wurden, aber ohne die Unterstützung des Landes wäre das nicht gegangen.