Protokoll der Sitzung vom 21.06.2019

Ein wirksamer strafrechtlicher Schutz gegen Upskirting ist nach der derzeitigen Rechtslage in Deutschland nicht gegeben, und dieser Zustand ist auch für uns in der AfD-Fraktion nicht hinnehmbar.

(Vereinzelter Beifall AfD)

(Anita Klahn)

Der BGH hat bereits 1966 festgestellt, dass der Staat seinen Schutzpflichten den Bürgern gegenüber nachkommen muss und dass das Recht sich in diesem Punkt der technischen Entwicklung nicht beugen darf. Der Gesetzgeber hat wiederum die Aufgabe, der sich aus den neuen technischen Möglichkeiten ergebenden erhöhten Verletzbarkeit der Persönlichkeit entgegenzutreten. Meine Damen und Herren, damit liegt der Ball zunächst auch in unserem Feld. Die AfD-Fraktion unterstützt diesen Antrag. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich das Wort dem Vorsitzenden Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um ehrlich zu sein, auch mir ging es so wie manch anderem, ich musste googeln, was es mit Upskirting überhaupt auf sich hat. Nun weiß ich, es ist das ungefragte voyeuristische Fotografieren oder Filmen unter den Rock einer anderen Person.

Dass das tatsächlich weit verbreitet ist, war mir so nicht bekannt. Aber wie allgegenwärtig dieses Problem ist, wurde mir klar, als ich mich mit den Frauen in meinem Umfeld darüber unterhalten habe. Alle waren verschiedenen Alters, aber keiner von ihnen war dieses Phänomen unbekannt. Einige hatten sich sehr bewusst bereits Handlungsstrategien überlegt, um möglichst nicht in diese Situation zu kommen. Einige tragen immer Shorts unter Röcken, andere ziehen sich nicht in Schwimmbadumkleiden um. Wieder andere schauen sich schon aus Gewohnheit sehr genau in öffentlichen Toiletten um, bevor sie diese überhaupt nutzen.

Derzeit werden Handlungen dieser Art auf vielen verschiedenen Ebenen diskutiert. Es gibt eine Online-Petition, die bis heute fast 55.000 Menschen gezeichnet haben. Am Rande der Justizministerkonferenz sollen sich Baden-Württemberg, Nordrhein-Westphalen und Bayern geeinigt haben, eine entsprechende Bundesratsinitiative vorzubereiten. In Großbritannien wurde dieses Jahr auf die Kampagne einer jungen Britin hin ein Gesetz gegen das Fotografieren unter Röcken und Kleidern verabschiedet.

In Deutschland ist es nach geltendem Recht so, dass Belästigungen dieser Art nur dann über Ordnungswidrigkeiten hinausgehen und strafrechtlich rele

vant sind, wenn sich die gefilmte Person in privaten und geschlossenen Räumen aufhält. Draußen ist es so, dass im Fall der Fälle große Unsicherheit vorherrscht, wie man reagieren kann und darf.

Das sogenannte Upskirting findet aber typischerweise in der Öffentlichkeit statt. Die rechtlichen Möglichkeiten hängen also davon ab, wo die Aufnahmen gemacht worden sind, was genau auf ihnen zu sehen ist und vor allem, ob sie verbreitet worden sind. Ich möchte aber gar nicht so sehr auf zivilrechtliche Einschätzungen, die ich gelesen habe, eingehen. Wichtig für uns als SSW ist einfach, dass hier klare Regeln eingeführt werden, die im Interesse der Betroffenen sind,

(Beifall SSW, vereinzelt CDU und FDP)

und dass wir politisch festhalten, dass es sich hier nicht um einen harmlosen Scherz handelt, sondern um Aktionen, die schnell gemacht sind, aber lang nachwirken.

Es geht nicht nur um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Es geht um all das, was mit so einem Foto einhergehen kann: Das Mobbing in den Schulen, das Ausgeliefertsein, wenn solche Bilder erst einmal im Internet landen, und die psychischen Belastungen, denen Frauen ausgesetzt sind, wenn sie von Übergriffen dieser Art betroffen sind, das Gefühl von Scham, das sich unweigerlich bei den Betroffenen einstellt, auch wenn gar nicht sie es sind, die etwas falsch gemacht haben.

Eines der Probleme, vor denen wir in diesem Zusammenhang stehen, ist es ja, dass die meisten Betroffenen es nicht bemerken, wenn sie ungewollt fotografiert werden. Hier kommt es auf die Umstehenden an. Wer bemerkt, dass unerlaubt fotografiert wird, sollte die Betroffene darauf hinweisen, was gerade geschieht, denn nur so kann man direkt dazu auffordern, dass die Aufnahme gelöscht wird. Wenn Sie sich vorstellen, ein anderer Mensch hat intime Aufnahmen von Ihnen, ohne dass Sie Ihr Einverständnis gegeben haben, dann werden Sie alle, die Sie hier in diesem Saal sitzen, merken, wie belastend eine solche Vorstellung ist. Oft bleibt es aber wie gesagt - nicht allein dabei, dass jemand unberechtigterweise intime Aufnahmen besitzt, sondern sie werden - ebenfalls ohne Einverständnis - auf Pornoseiten oder in anderen Foren verbreitet.

Für mich und den SSW ist die Entscheidung in dieser Sache glasklar. Einer anderen Person ohne Einverständnis unter den Rock zu fotografieren oder zu filmen, ist eine unmissverständliche Grenzüberschreitung. Das ist mehr als eine Ordnungswidrigkeit. Falsch Parken ist eine Ordnungswidrigkeit.

(Claus Schaffer)

Upskirting aber ist sexuelle Belästigung, und die ist zum Glück seit 2016 ein Straftatbestand.

(Beifall SSW, vereinzelt CDU, SPD und FDP)

Da sollte es völlig egal sein, ob diese im öffentlichen oder im privaten Raum stattfindet. Solche Handlungen sind nach unserer Auffassung wirklich scharf zu bestrafen. Sie sind konsequent zu unterbinden, und dazu können wir heute zum Glück einen Beitrag leisten. Deshalb finde ich es gut, dass wir uns hier im Landtag einig sind und uns dafür einsetzen wollen, dass hier ein bisschen schärfer gearbeitet wird, sodass so etwas am besten verhindert wird und ansonsten Menschen entsprechend geholfen werden kann. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt FDP)

Für die Landesregierung hat die Ministerin für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Dr. Sabine Sütterlin-Waack, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Leben ist bunt. Die fortschreitende Digitalisierung und Vernetzung aller Lebensbereiche macht vieles einfacher, schneller und schöner. Manch einen verleitet es aber dazu, die in der analogen Welt etablierten Regeln des menschlichen Zusammenlebens infrage zu stellen. Das sogenannte Upskirting ist ein Beispiel dafür.

Ich gebe zu, dass mir - wie allen anderen hier auch - dieser Begriff und das Phänomen, das er beschreibt, bis vor Kurzem noch relativ unbekannt waren. Es gibt also Menschen - meist wahrscheinlich Männer -, die Frauen heimlich unter den Rock filmen, diese Filme anschließend ins Netz stellen und mit anderen teilen. Über die sexuellen Motive muss man, glaube ich, nicht lange rätseln. Klar ist auch, dass das Ganze für die betroffenen Frauen nicht bloß eine Belästigung ist, sondern ein massiver Eingriff in ihre Intimsphäre. Leider bemerken die Opfer den Übergriff regelmäßig erst dann, wenn es schon zu spät ist. Was einmal im Netz ist, kriegen Sie nicht wieder heraus.

Als ich zum ersten Mal von dieser bizarren Spielart menschlicher Verirrungen hörte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es sich um ein verbreitetes

Phänomen handelt. Leider musste ich mich eines Besseren belehren lassen.

Ich denke, wir sind uns darüber einig, dass das Strafrecht nicht dazu da ist, jedes moralisch oder sittlich fragwürdige Verhalten zu sanktionieren. Ebenso einig sollten wir uns aber auch sein, dass mit dem Upskirting die Grenze zu einem bloß fragwürdigen Verhalten mehr als überschritten ist.

(Beifall)

Das geltende Recht stellt Handlungen wie das Upskirting erst dann unter Strafe, wenn sie in einer Wohnung beziehungsweise in einem gegen äußere Einblicke besonders geschützten Raum begangen werden. Im öffentlichen Raum hingegen - wir haben es heute schon gehört -, wo solche Übergriffe regelmäßig stattfinden, ist ein strafrechtlicher Schutz bisher nicht vorhanden.

Natürlich muss man bedenken, dass solche Taten in der Regel heimlich begangen werden. Eine Überführung des Täters wird deshalb in vielen Fällen schwierig, wenn nicht gar unmöglich werden. Dies kann aber kein Argument dafür sein, auf eine Strafandrohung zu verzichten, zumal es eben nicht nur um das Herstellen solcher Filmaufnahmen und Fotos geht, sondern auch und gerade um den anschließenden Besitz und die Verbreitung. Die Strafbarkeit hätte zur Folge, dass die kursierenden Aufnahmen durch die Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt werden könnten und dass Internetplattformen dazu verpflichtet wären, entsprechende Einträge zu löschen.

Ich freue mich sehr darüber, dass sich alle in diesem Hohen Haus für ein rasches Schließen dieser offensichtlichen Lücke im Strafrecht einsetzen, und hoffe auf breite Unterstützung des gemeinsamen Antrags zur strafrechtlichen Sanktionierung des Upskirtings.

Lars Harms hat es schon angedeutet: Mein nordrhein-westfälischer Kollege Peter Biesenbach hat in diesen Tagen bereits angekündigt, gemeinsam mit Baden-Württemberg und Bayern an einer entsprechenden Gesetzesinitiative für den Bundesrat zu arbeiten. Ich versichere Ihnen schon hier und heute, dass ich diesen Vorstoß voll unterstützen werde.

(Beifall)

Bei der Erarbeitung eines möglichen Gesetzestexts werden noch manche Detailfragen zu klären sein, insbesondere, wie man die strafwürdigen Fälle lückenlos erfasst, ohne gleichzeitig die Strafbarkeit des Fotografierens und von Filmaufnahmen im öf

(Lars Harms)

fentlichen Raum ins Uferlose auszudehnen. Solche Detailfragen lassen sich aber lösen; das wissen wir. Mein Haus wird deshalb das Gesetzgebungsverfahren konstruktiv begleiten. - Vielen Dank.

(Beifall)

Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer so zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Damit erübrigt sich die Gegenprobe. Der Antrag Drucksache 19/1539 ist einstimmig angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Bundeswehr in der Schule ist gelebte politische Bildung Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/1416

Rolle der Bundeswehr in der Schule Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1542

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne somit die Aussprache. Das Wort für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Schüler! Die Bundeswehr steht als Parlamentsarmee für Frieden und Freiheit. Sie ist dem Prinzip des Bürgers in Uniform verpflichtet, und sie ist Teil der Gesellschaft.

(Beifall AfD)

Aber das Bewusstsein genau dafür geht leider mehr und mehr verloren. Denn seit die Wehrpflicht ausgesetzt wurde und öffentliche Gelöbnisse immer seltener stattfinden, gibt es gerade für jüngere Menschen kaum mehr direkte Berührungspunkte mit unserer Armee. Wir sollten also überlegen, wie wir diesen Trend umkehren können, damit das Bewusstsein über die Rolle der Bundeswehr wieder zunimmt.

Hierzu trägt seit über 50 Jahren die Arbeit der Bundeswehr-Jugendoffiziere wesentlich bei. In Unterrichtsstunden, durch Planspiele und Exkursionen werden Schüler altersgerecht an die Fragen der Sicherheitspolitik und der Friedenssicherung herangeführt. Hier wird im wahrsten Sinne des Wortes ge

lebte politische Bildung - ich betone: politische Bildung - betrieben; denn es geht hier nicht etwa darum, Nachwuchs zu werben.

Um genau diese Arbeit der Bundeswehr in unseren Schulen weiter zu forcieren, schlagen wir den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung zwischen Bildungsministerium und Bundeswehr vor - so, wie es in vielen anderen Bundesländern schon der Fall ist. Eine solche Vereinbarung schafft Rechtssicherheit und ist vor allem ein klares Bekenntnis zu unserer demokratisch verfassten Bundeswehr.

(Beifall AfD)

Bei ihrer Arbeit mit Jugendlichen kooperieren die Jugendoffiziere häufig mit Partnern, etwa dem Landesbeauftragten für politische Bildung oder der Hermann-Ehlers-Akademie. Auf diesem Weg konnten im vergangenen Jahr 4.700 Schüler erreicht werden. Übereinstimmend bewerten alle Beteiligten die Zusammenarbeit als durchweg positiv.