Protokoll der Sitzung vom 21.06.2019

Dass jüngere Menschen befremdet auf unsere Debatten gucken, liegt teilweise genau daran. Heute ist es mit den jungen Menschen nicht anders. Der Jahresbericht der Jugendoffiziere 2017 zeigt das große Interesse an den Auslandseinsätzen der Bundeswehr; junge Menschen sind keine leicht manipulierbaren Wesen, wie Kritiker der Jugendoffiziere häufig anführen. Der Jahresbericht zeigt:

„Großes Interesse bestand im Osten Deutschlands an möglichen Einsatzfolgen für die Soldatinnen und Soldaten … insbesondere über einsatzbedingte psychische Folgen … von posttraumatischen Belastungsstörungen“.

Im Osten Deutschlands ist das Berufsinteresse an der Bundeswehr größer, und die jungen Leute wissen sehr wohl, welche Risiken für sie da bestehen. Auch zu meiner Zeit - zu allen Zeiten - hatten Jugendoffiziere keinen einfachen Stand. Wir sollten Jugendoffizieren mehr zutrauen.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen Satz muss ich leider wegen meiner Zurückweisung der Ausführungen von Herrn von der Heide überspringen, aber ich empfehle Ihnen, das auf dem Presseticker nachzulesen.

(Heiterkeit FDP und SSW)

Es ist nicht in Ordnung, Soldaten als kriegslüstern zu diffamieren und zu versuchen, sie aus der Mitte unserer Gesellschaft zu drängen. Das ist infam. Dagegen verwehre ich mich in aller Deutlichkeit.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

(Dr. Kai Dolgner)

Es ist aber auch nicht in Ordnung, Kritik an Militäreinsätzen oder eine pazifistische Grundkritik, solange sie der Form nach in Ordnung ist, als Schmähung oder Respektlosigkeit gegenüber den Soldatinnen und Soldaten zu denunzieren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich lese einmal einen Absatz aus dem Jahresbericht vor:

„Die Zusammenarbeit mit der Friedensstelle der evangelischen Kirche Baden und der Servicestelle Friedensdienst wurde 2017 fortgesetzt. Vertreter verschiedener Organisationen der Friedensbewegung besuchten gemeinsam mit den Jugendoffizieren aus Karlsruhe und Mannheim den Tag der Schulen in Bruchsal.“

Das ist nur ein Beispiel: Jugendoffiziere in Süddeutschland arbeiten strukturell mit der Friedensbewegung zusammen. Das zeugt von Souveränität und Stärke des Pluralismus, die anderen in dieser Debatte offenbar abgeht.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es!)

Ich sehe an ihren Gesichtern, dass Sie das gar nicht wissen. Genauso wie Unkenntnis ein Teil des Berliner Beschlusses war, weil im Berliner Beschluss mitnichten Jugendoffiziere genannt werden, sondern es heißt, dass an den Schulen nicht für Militär geworben werden solle - was Jugendoffiziere gar nicht tun -, muss ich auch Teilen dieses Hauses Unkenntnis über die tatsächliche Arbeit der Jugendoffiziere attestieren. Lesen Sie den Bericht! In einigen Teilen wird strukturell mit der Friedensbewegung zusammengearbeitet.

Jugendoffiziere sind viel selbstbewusster, als Sie vielleicht glauben. Die brauchen weder irgendwelche Solidaritätsadressen, noch brauchen sie es, bei solch schwierigen Themen missbräuchlich für kleinliche politische Debatten herangezogen zu werden.

Herr Abgeordneter!

Ich komme zum letzten Satz. - Die Frage von Krieg und Frieden ist die klassische Gewissensfrage, bei der normalerweise in jeder Fraktion die Fraktionsdisziplin aufgehoben ist. Genau das muss man hier

jedem zugestehen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Ines Strehlau das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Bundeswehr ist für uns Grüne ein schwieriges Feld.

(Jörg Nobis [AfD]: Das wissen wir!)

Zum einen haben wir Grüne unsere Wurzeln außer im Umweltschutz auch in der Friedensbewegung. Demonstrationen gegen Aufrüstung und den NATO-Doppelbeschluss in den 1980er-Jahren haben sich fest in die DNA unserer Partei eingebrannt. Ich bin froh, dass es so ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Ziel der Politik muss es sein, für uns die Ursachen von Krisen und deren langfristige Behebung in den Blick zu nehmen, statt nur kurzfristige Symptombekämpfung zu betreiben. Daneben sehen wir, dass es viele Konflikte in der Welt gibt, die mit friedlichen Mitteln zu lösen die Verantwortlichen - zumindest im Moment - leider nicht in der Lage sind.

Bei einigen Konflikten ist die Bundeswehr als militärische Unterstützung zur Verhinderung schwerster Menschenrechtsverletzungen, zur Aufklärung oder zur Ausbildung dabei. Einigen dieser Auslandseinsätze hat auch die grüne Bundestagsfraktion zugestimmt. Für uns Grüne ist klar, dass der Einsatz von Militär immer nur äußerstes Mittel zur Gewalteindämmung und Friedenssicherung sein kann. Militär kann bestenfalls ein Zeitfenster für Krisenbewältigung und politische Lösungen schaffen, nicht aber den Frieden selbst.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das!)

Es ist gut, dass bei uns das Parlament über Auslandseinsätze der Bundeswehr entscheidet. Irre Entscheidungen und Eskalationsspiralen einzelner Präsidenten, wie sie gerade im Konflikt mit dem Iran zu sehen sind, gibt es bei uns dadurch glücklicherweise nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Dr. Kai Dolgner)

Uns Grünen ist es sehr wichtig, dass in der Schule die Rolle der Bundeswehr und Auslandseinsätze von allen Seiten beleuchtet werden. Ursachen von Krisen und deren langfristige Behebung, zivile Krisenprävention und friedliche Maßnahmen zur Konfliktlösung müssen in den Vordergrund gestellt werden. Deswegen lehnen wir den AfD-Antrag ab: Werbung für den Beruf der Soldatin oder des Soldaten hat in der Berufsvorbereitung im Unterricht nichts verloren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Das haben wir doch gar nicht beantragt! Wer beantragt denn so etwas? Das ist Unsinn! - Zuruf Vol- ker Schnurrbusch [AfD])

Dies ist auch nicht die Rolle von Jugendoffizieren. Es ist Jugendoffizieren untersagt, Rekrutierung von Soldatinnen und Soldaten zu betreiben. Sie haben nicht umsonst den Untertitel „Referentin/Referent für Sicherheitspolitik“.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Wolfgang Baasch [SPD])

Die Aufgabe der Jugendoffiziere ist es, das Konzept der Vernetzten Sicherheit der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik darzustellen. Um zu erfahren, wie dies in der täglichen Arbeit umgesetzt wird, habe ich mich zur Vorbereitung auf die Debatte mit einem Jugendoffizier unterhalten. Die Jugendoffiziere halten Vorträge an Schulen, sie nehmen an Podiumsdiskussionen teil, machen Planspiele und diskutieren mit Schülerinnen und Schülern über NATO, UNO oder OSZE und natürlich über aktuelle Konflikte. Besuche in Berlin oder bei der EU gehören dazu. Sie machen Veranstaltungen auch mit Akteuren wie dem UNHCR oder dem World Food Programme der UN. Auch regelmäßige Kontakte mit Hochschulen stehen auf der Agenda. Zum Programm können auch Besuche bei militärischen Einheiten gehören. Das ist ein vielfältiges Angebot, das auch gute Möglichkeiten zur kritischen Auseinandersetzung mit der Bundeswehr und ihrer Rolle in Konflikten bietet.

Ein Jugendoffizier ist aber kein neutraler Referent für Sicherheitspolitik, auch wenn er differenziert informiert. Er kommt in Uniform, also als Soldat in die Schulen. Die Bundeswehr wirbt natürlich um neue Soldatinnen und Soldaten - nicht durch die Jugendoffiziere, aber zum Beispiel mit Filmen auf YouTube. Sie werden zum Teil millionenfach angeklickt. Deshalb ist die Lehrkraft beim Besuch der Jugendoffiziere und bei der Behandlung des Themas Außen- und Sicherheitspolitik enorm wichtig.

Sie ist bei den Besuchen dabei, und sie unterstützt die Schülerinnen und Schüler dabei, die Informationen einzuordnen und um andere Positionen zu ergänzen, damit die Schülerinnen und Schüler eine umfassende Informationsbasis haben, um sich ihre eigene Meinung bilden zu können.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Beutelsbacher Konsens ist die Leitschnur für die politische Bildung. Überwältigungsverbot, also keine Indoktrination, Beachtung kontroverser Positionen in Wissenschaft und Politik im Unterricht und die Befähigung der Schülerinnen und Schüler, in politischen Situationen ihre eigenen Interessen zu analysieren und sich eine eigene Meinung zu bilden - all diese Punkte können und müssen beim Besuch eines Jugendoffiziers angewandt werden. Dazu gehören natürlich auch zivilgesellschaftliche Akteure und die Friedensbewegung.

Die AfD zeigt - Herr Brodehl hat es in seinem Beitrag deutlich gemacht - wieder einmal, dass sie den Beutelsbacher Konsens nicht verstanden hat oder völlig einseitig auslegt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Tim Brockmann [CDU] - Volker Schnurrbusch [AfD]: Sie haben die Bundes- wehr nicht verstanden!)

Das zeigt einmal mehr das wahre Gesicht der AfD und bestätigt uns darin, dass Sie demokratische Meinungsvielfalt nicht akzeptieren wollen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Tim Brockmann [CDU] und Christopher Vogt [FDP])

Frau Abgeordnete, denken Sie an die Zeit!

Der letzte Satz. - Ich habe volles Vertrauen in unsere Lehrkräfte, dass sie diese Funktion des Ausgleichs verantwortungsvoll wahrnehmen. - Vielen Dank!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU und FDP)

Bevor wir fortfahren, teile ich Ihnen mit, dass die AfD-Fraktion den Tagesordnungspunkt 14, Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein - Grundsätze der europäischen Zu

(Ines Strehlau)

sammenarbeit in Landesverfassung aufnehmen -, zurückgezogen hat.