Protokoll der Sitzung vom 21.06.2019

sammenarbeit in Landesverfassung aufnehmen -, zurückgezogen hat.

Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden Christopher Vogt das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Debatte verdanken wir einem wirklich bemerkenswerten Parteitagsbeschluss des SPD-Landesverbandes in Berlin, bei dem man insgesamt nicht mehr genau weiß, wo er politisch noch steht, ob er nicht irgendwie an der Linkspartei vorbeigezogen ist, wenn man sich auch die Debatte um die verwehrte Landeerlaubnis für die Rosinenbomber in Berlin anschaut - aus meiner Sicht ein Trauerspiel für unsere Bundeshauptstadt, was dort abläuft.

(Beifall FDP, Jörg Nobis [AfD], Claus Schaf- fer [AfD] und Doris Fürstin von Sayn-Witt- genstein [fraktionslos])

Man könnte die Debatte über die Präsenz der Bundeswehr in unseren Schulen als Zeitverschwendung abtun, aber sie gibt einem doch die Möglichkeiten, für ein paar Klarstellungen zu sorgen, was offenbar immer notwendiger wird. Das sage ich ausdrücklich als anerkannter Kriegsdienstverweigerer, der die Verweigerung allerdings demnächst zurücknehmen wird, weil ich mich entschieden habe, an einer Infowehrübung der Bundeswehr teilzunehmen,

(Beifall Oliver Kumbartzky [FDP])

um auch die Verbundenheit mit der Bundeswehr zu dokumentieren.

(Beate Raudies [SPD]: Das kann man auch anders!)

- Das kann man auch anders, selbstverständlich.

(Thomas Hölck [SPD]: Das ist peinlich!)

- Das ist peinlich? Herr Kollege Hölck, das ist eine persönliche Entscheidung. Ich glaube, man sollte in einer Demokratie respektieren, dass man dazu unterschiedlich stehen kann. Ich habe ja auch Respekt vor Entscheidungen, wie Sozialdemokraten dazu stehen. Das als peinlich abzutun, Herr Kollege Hölck, das ist wirklich daneben.

(Beifall FDP, Tim Brockmann [CDU] und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Berliner SPD hatte nach ihrem Beschluss schnell mit Gegenwind zu kämpfen, der auch aus den eignen Reihen kommt. Das stimmt mich hoff

nungsfroh, dass es auch in der SPD bei diesem Thema noch Realismus und Pragmatismus zu geben scheint. Die Wortmeldungen aus der Nord-SPD fand ich zum Teil irritierend, aber Herr Dr. Dolgner hat ja heute sehr deutlich gemacht, dass Herr von Pein nicht für die SPD spricht. Insofern kann man das, so glaube ich, an der Stelle auch abhaken.

Aber der Beschluss der Berliner SPD besagte ja, dass Jugendoffiziere nicht an Schulen werben dürfen sollten. Ich glaube, hätte man sich mehr mit dem Thema auseinandergesetzt, hätte man sich den ganzen Ärger sparen können, weil man festgestellt hätte, dass sie überhaupt nicht werben, sondern Aufklärung im Sinne des Beutelsbacher Konsenses betreiben. Dazu gehören weder einseitige Darstellungen noch kriegsverherrlichende Anekdoten oder wie auch immer geartete Anwerbeversuche. Insofern hätte man sich das sparen können, wenn man sich mit dem Thema vernünftig auseinandergesetzt hätte.

(Beifall Dennys Bornhöft [FDP] und Oliver Kumbartzky [FDP])

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner?

Selbstverständlich.

Herr Vogt, ich weiß nicht, ob Sie in der Zeit, als Sie Kriegsdienstverweigerer waren, die Mehrheitsmeinung der FDP zu dem Zeitpunkt vertreten haben. Das ist bei dem Thema auch relativ egal. Ich habe gesagt, dass Herr von Pein nicht die Mehrheitsmeinung der SPD-Landtagsfraktion vertritt. Natürlich gibt es in der SPD Pazifisten. Natürlich gibt es auch in der FDP Pazifisten, zu denen Sie bisher gehört haben. Ich finde es ehrlich gesagt wirklich langsam ein bisschen komisch, dass man versucht, da jetzt noch Dinge bei einer Frage auseinanderzudividieren, die im Parlament - das habe ich vorhin noch gesagt - absichtlich freigegeben worden ist. Oder meinen Sie, es gibt gut oder schlecht in dieser Frage, was man denunzieren müsste? Oder weshalb führen Sie das die ganze Zeit jetzt an? Dass es die Kollegen von der AfD tun, das erklärt sich von selbst.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Erklären Sie das mal! - Zuruf Volker Schnurrbusch [AfD])

(Vizepräsidentin Annabell Krämer)

- Herr Kollege Dr. Dolgner, ich habe ja ausdrücklich gesagt, dass man zu unterschiedlichen Bewertungen kommen kann und dass Sie deutlich gemacht haben, was die Haltung der SPD ist. Insofern verstehe ich Ihren Punkt nicht ganz. Ich habe deutlich gesagt, das ist eine persönliche Entscheidung. Und Sie haben deutlich gemacht, wofür die SPD steht. Das finde ich auch völlig in Ordnung. Ich verstehe jetzt Ihren Punkt nicht so ganz.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Das tut mir sehr leid!)

- Ja, Herr Dr. Dolgner, mir tut das auch sehr leid.

Nun will ich ausdrücklich sagen - Herr Dr. Dolgner, hören Sie mir gern zu, vielleicht verstehen Sie mich dann mehr als vorher -: Nun muss nicht jeder Sozialdemokrat ein ausdrücklicher Fan von Helmut Schmidt sein. Ich als Liberaler bin es - das geht auch. Aber ich halte den teilweise doch sehr undifferenzierten und realitätsfernen Blick von einigen auf unsere Armee und die Rolle der Armee in unserer Gesellschaft für problematisch, denn es geht schlicht und ergreifend darum, dass die Menschen in Uniform, die für unseren Frieden eintreten und unsere Werte verteidigen, entsprechend das Gefühl haben müssen, dass wir als Demokraten hinter ihnen stehen, je nachdem, wie man persönlich solche Fragen bewertet.

(Beifall FDP, AfD, Tim Brockmann [CDU], Peter Lehnert [CDU], Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Es wurde schon gesagt, dass man nicht vergessen darf, dass es die Abgeordneten im Parlament sind, die über friedenserhaltene und humanitäre Auslandseinsätze der Bundeswehr entscheiden. Auch die NATO-Mitgliedschaft war und ist eine rein politische Entscheidung, die erst durch die Bundeswehr ihre praktische Umsetzung erfährt. Sich dann hinzustellen und den notwenigen Rückhalt zu verweigern, indem man Sachen suggeriert, die nicht den Tatsachen entsprechen, halte ich für schwierig.

(Beifall FDP)

Ich sage es ganz deutlich: Wir Freie Demokraten bekennen uns eindeutig zu unserer Bundeswehr und zu den Soldatinnen und Soldaten. Ich hoffe auch, dass die Bundeswehrangehörigen in den nächsten Jahren wieder die Ausstattung und Ausrüstung bekommen, die sie für ihren Einsatz brauchen und die sie für ihren Schutz in den Einsätzen verdienen.

(Beifall FDP, AfD, vereinzelt SPD und Bei- fall Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Die derzeitige Ausrüstung macht unsere Bundeswehr immer wieder - auch international - zur Lachnummer. Ich halte es mittlerweile für gefährlich und nicht mehr lustig, was dort teilweise passiert, denn die Bundeswehr ist kein Hobby des Bundestages, sondern ein wichtiger Garant dafür, dass wir in Frieden leben können. Donald Trump macht uns allen doch sehr deutlich, dass wir uns nicht bis in alle Ewigkeit auf unsere amerikanischen Freunde verlassen können, was die Verteidigung unseres Landes angeht. Ich wünsche mir da auch mehr europäische Zusammenarbeit, auch bei Rüstungsprojekten. Es hat übrigens - anders als manchmal kolportiert wird - auch nichts mit Aufrüstung zu tun, wenn man die Bundeswehr vernünftig ausstattet.

Ich sage auch deutlich in Richtung des Kollegen von der Heide und der CDU, die seit vielen Jahren zuständig für die Bundeswehr und die Ausrüstung der Bundeswehr ist: Wenn man, wie die CDU es immer wieder betont, so klar hinter der Bundeswehr steht, dann sollte man auch dafür sorgen, dass die Bundeswehr eine vernünftige Ausrüstung bekommt.

(Tobias Koch [CDU]: Machen wir!)

- Sehr gut! - Ich würde mir da mehr Appelle an Frau von der Leyen erwarten.

(Beifall FDP, AfD und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos] - Martin Habersaat [SPD]: Es scheitert nicht am Geld! Es scheitert an der Kompetenz der Leitung des Hauses!)

Meine Damen und Herren, wenn Sie mich fragen, gehören die Jugendoffiziere der Bundeswehr als wichtiger Teil der politischen Bildung an unsere Schulen. Das geschieht logischerweise natürlich freiwillig. Wie könnte es anders sein? Aber sie vermitteln bei den Diskussionen bei den Schülerinnen und Schülern Inhalte aus einer Perspektive, die sonst keiner bieten kann. Deswegen ist es gut, dass Menschen aus der Bundeswehr, Jugendoffiziere, die hervorragend ausgebildet sind, in die Schulen gehen. Ich finde übrigens auch, an unseren Schulen sollte insgesamt mehr Diskurs stattfinden. Auch Menschen aus der Wirtschaft, Menschen aus Friedensorganisationen und Menschen aus den Parteien sollten mehr in die Schulen gehen und sich mit den Schülern auseinandersetzen. Das ist doch wichtig in einer Demokratie, dass wir Diskursfähigkeit haben.

(Christopher Vogt)

(Beifall FDP, SSW, vereinzelt CDU, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Wenn eines in diesen bewegten Zeiten falsch ist, dann ist es doch Diskursverweigerung und Diskursvermeidung. Ich bin ausdrücklich dafür, dass AfDLeute bei den Diskussionen in die Schulen eingeladen werden, denn bei den Diskussionen, bei denen ich und AfDler dabei waren, hat das immer dazu geführt, dass die AfD bei der Zustimmung unter den Schülern deutlich abgesunken ist, weil die Schüler gesehen haben, was das für Leute sind. Insofern: Mehr Diskurs, mehr Offenheit, mehr Austausch, das ist doch das Richtige in diesen Zeiten und für unsere Demokratie. Ich freue mich über unseren Antrag. Kollege Petersdotter hat ihn gemeinsam mit mir in interessanten Diskussionen besprochen. Ich freue mich über diesen Antrag, und ich freue mich auch, dass die Sozialdemokraten zustimmen. Ich glaube, da haben wir ein gutes Signal von dieser heutigen Debatte. - Vielen Dank!

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering das Wort.

Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß immer noch nicht genau, was tatsächlich der Grund für den Antrag der AfD ist, ob es die Debatte innerhalb der SPD-Fraktion war, in der es hauptsächlich um den Einsatz von Jugendoffizieren an Schulen ging, oder ob es - wie in der Pressemitteilung behauptet - die Reaktionen von CDU und FDP im Landtag auf Äußerungen der grünen Ratsfraktion zu NATO-Manövern in der Kieler Förde waren. So oder so, eines wurde in der Debatte gerade wieder deutlich: Es geht der AfD nicht um einen ernsten Umgang mit diesen Themen.

(Beifall SSW, Dr. Kai Dolgner [SPD] und Thomas Hölck [SPD] - Zuruf Dr. Frank Bro- dehl [AfD])

Es geht ihr, wie aus dem süffisanten letzten Satz der Pressemitteilung klar wird, einzig darum, irgendjemanden vorführen zu wollen. Dieses Mal traf es nun also CDU, FDP und SPD.

Zu den Anträgen. Was machen eigentlich Jugendoffiziere bei der Bundeswehr? Jugendoffiziere sind

Referentinnen und Referenten zu Verteidigungsund Sicherheitspolitik. Sie diskutieren als Repräsentanten der Bundeswehr auch mit Schülerinnen und Schülern über die NATO, die Vereinten Nationen oder die OSZE. Teilweise führen sie in den Klassen kontroverse Diskussionen darüber, was überhaupt die Aufgabe der Bundeswehr ist, darüber, was sie als Parlamentsarmee von anderen Armeen unterscheidet, oder auch darüber, welche Folgen die Aussetzung der Wehrpflicht seit 2011 hat, die unsere Parlamentsarmee auch zu einer Freiwilligenarmee werden ließ.

Nicht Aufgabe von Jugendoffizieren an Schulen ist es, Schülerinnen und Schüler für die Bundeswehr zu rekrutieren. Werbemaßnahmen sind gemäß § 29 Absatz 2 Schulgesetz Schleswig-Holstein unzulässig. Außerdem ist die Werbung für Militäreinsätze an Schulen ein Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention.

(Jörg Nobis [AfD]: Das hat niemand bean- tragt!)

Trotzdem fordert die AfD das Bildungsministerium auf, eine Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr einzugehen, die auf die Berufswahl der Schülerinnen und Schüler Einfluss nimmt. Dabei geht schon aus einer der Beantwortungen der Kleinen Anfragen des Kollegen von Pein hervor, dass das Ministerium hier gegenwärtig schon im Prüfverfahren ist, das allerdings - das klingt viel vernünftiger - aus Gründen der Rechtssicherheit der Schulen und zur Verstärkung der sicherheitspolitischen Bildung. Auch weiterhin muss zwischen Informationen über die Arbeit der Bundeswehr und Werbung zur Berufswahl deutlich unterschieden werden.

Tatsächlich ist es mir sogar lieb - wenn ich das einmal so sagen darf -, wenn Jugendoffiziere an die Schulen kommen und dort realistisch berichten können, was ein Leben als Berufssoldatin oder Berufssoldat bedeutet und dass das herzlich wenig mit der Kampagne der Bundeswehr zu tun hat, die ich manchmal an Bushaltestellen sehe. „Gas, Wasser, Schießen“, stand neulich auf Plakaten. Im April fragte eine große Anzeige der Bundeswehr beim drohenden Stellenabbau bei dem Autowerk Ford: „Job ford?“. Monate zuvor präsentierte sich die Bundeswehr auf einer Videospielemesse mit Plakaten, die bewaffnete Soldaten in Computerspieloptik zeigten.

Jugendoffiziere können vermitteln, welche Gefahren Auslandseinsätze mit sich bringen können, welche persönlichen Einschränkungen gefordert wer