Dieses Zitat von Willy Brandt ist aus einer Rede, die der Altkanzler im Juni 1990 im Deutschen Bundestag gehalten hat. Es ist bedauerlicherweise sehr viel weniger bekannt als andere Zitate. Hinter diesem Ausdruck steckt eine Befürchtung, von der sich zeigen sollte, dass sie gerechtfertigt war.
57 % der Ostdeutschen urteilen heute, die DDR habe mehr gute als schlechte oder sogar überwiegend gute Seiten gehabt. In Anbetracht von Stasi, Mauertoten und politischer Unfreiheit muss einem das zu
denken geben, weil es vor allem auch eine Aussage über die Vergleichsgröße, also die Jahre nach der Wiedervereinigung, darstellt. Für viele Menschen in den ostdeutschen Ländern stellt die Zeit nach 1990 keine glänzende Erfolgsgeschichte dar, sondern sie ist geprägt durch Brüche, Verunsicherung und Verluste. Für viele gingen nicht nur Jobs verloren, sondern auch Strukturen, die bei aller zutreffenden Kritik am System Halt und Sicherheit versprachen.
Deutschland hat seit 30 Jahren die politische und wirtschaftliche Einheit, aber zu Recht hinterfragen viele, wie es um die soziale Einheit steht. Ostdeutsche verdienen weniger als ihre Kollegen im Westen, in Görlitz nur halb so viel wie in Ingolstadt. Sie haben eine geringere Tarifbindung, sie haben weniger Urlaubsanspruch. Viele derjenigen, die ihren Job verloren haben, sind trotz langjähriger Arbeit bis heute von Altersarmut bedroht - ein Problem, das sicherlich nicht nur auf Ostdeutschland beschränkt ist, aber dort besonders viele trifft. Gute Sozialpolitik, die das Land zusammenhält und zusammenführt, hilft allen Menschen in Deutschland.
Ihre Auswirkungen sind in Ostdeutschland vermutlich noch wichtiger als im Westen. Die Einführung des Mindestlohns war für viele Menschen im Osten die bis dahin größte Gehaltserhöhung in ihrem Erwerbsleben. Ebenso wird eine starke Grundrente, die den Namen wirklich verdient, vielen Sicherheit geben, die sich zu Recht Sorgen um Altersarmut machen. Das sind Instrumente, die wir brauchen, um 30 Jahre nach der Wiedervereinigung die soziale Einheit Wirklichkeit werden zu lassen.
Noch etwas scheint mir wichtig zu sein, nämlich der Respekt vor Lebensleistung. Niemand käme auf die Idee, einem Westdeutschen weniger Respekt für die Arbeit zu zollen, die er in einem später insolvent gegangenen Betrieb verrichtet hat. Doch genau diese Erfahrung machen Menschen mit DDR-Biografien immer wieder, wenn abschätzig über ihre Lebensleistung geurteilt wird. Das machen sich die Rechtspopulisten zunutze. Wenn die mit WillyBrandt-Plakaten Wahlkampf machen, ist das unanständig, denn Willy Brandt stand exakt für das Gegenteil dessen, was Sie vertreten. Deswegen brauchen wir von Ihnen überhaupt nichts zu diesem Thema.
missachtet. Wir demokratischen Fraktionen im Landtag können schon selbst sagen, was dazu zu sagen ist.
Es gehört übrigens zur Ehrlichkeit festzustellen, dass manche Westdeutsche auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung bestenfalls wohlwollendes Desinteresse für die ostdeutschen Bundesländer mitbringen. 98 % der Ostdeutschen haben Westdeutschland besucht, aber jeder fünfte Westdeutsche war noch nie in Ostdeutschland. Umso wichtiger ist es, die Chancen der Begegnung und des Austausches zu nutzen.
Das wünschen wir uns für die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit. Wir freuen uns auch deswegen auf den 3. Oktober, weil wir vergleichsweise wenige Daten in unserer deutschen Geschichte haben, an denen das, was nötig und gut war, auf friedliche Weise erreicht worden ist. Dessen sollten wir uns ganz besonders bewusst sein.
Es gibt überhaupt keinen Anlass für irgendwelche Hochnäsigkeiten in irgendeine Richtung, sondern es geht um Begegnung. Viele - das kann man für alle demokratischen Parteien in diesem Haus sagen haben mitgeholfen, dass im benachbarten Mecklenburg-Vorpommern manches nach vorn gekommen ist. Auch das ist etwas, woran man sich mit Stolz und Freude erinnern darf.
Insofern will ich mich bei den Regierungsfraktionen dafür bedanken, dass wir zu einem gemeinsamen Antrag gekommen sind, der differenziert ist, der unserer Freude Ausdruck verleiht, der die Probleme beschreibt, die gelöst werden müssen, und der von dem Respekt denjenigen gegenüber getragen ist, die das bewirkt haben. Das waren nämlich nicht wir, sondern die Menschen, die teilweise unter hohem Risiko für ihr eigenes Leben diese friedliche Revolution in Gang gesetzt haben. - Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
ganze Republik zum Tag der Deutschen Einheit. Ich bin froh, dass sich unser schönes Land dieses Jahr als Gastgeber präsentieren kann, und ich danke allen, die schon lange dafür arbeiten und dieses Ereignis vorbereiten, insbesondere der Staatskanzlei und der Stadt Kiel. Ich freue mich darauf.
Wenige Wochen später denken wir dann an den Mauerfall, der sich am 9. November bereits zum 30. Mal jährt. Ich weiß noch genau - auch Herr Koch hat hier seine Anekdote zum Besten gegeben -, wo ich an diesem Tag war: Ich saß in Hamburg im Auto und habe davon im Radio gehört. Dann wollte ich sofort meine Freundin anrufen, die ein paar Jahre vorher aus Halle ausgewiesen wurde. Das ging damals natürlich noch nicht mit Handy, sondern man musste anhalten und eine Telefonzelle suchen. Ich war überrascht, dass die Freude zu dem Zeitpunkt noch nicht gegenseitig war, weil die Grenze zunächst nur auf einer Seite geöffnet wurde und meine Freundin noch nicht zurückkonnte.
Das änderte sich kurz danach, und dann konnte man - das haben wir Weihnachten in Niedersachsen im kleinen Grenzverkehr gemacht - über die Grenze fahren, ohne vorher zu zittern und sich zu fragen: Habe ich irgendetwas im Handschuhfach, das ich nicht haben darf, zum Beispiel eine Kassette mit den Rolling Stones?
Da ist vieles zusammengewachsen, und zwar so sehr, dass ich mich manchmal wundere, wenn wir in Sachsen-Anhalt sind, wo meine Eltern jetzt leben, unsere Enkel uns fragen: „Seid ihr auch hier aufgewachsen?“, und sich nicht vorstellen können, dass wir in Niedersachsen aufgewachsen sind. So verschwimmen die Grenzen. Auf der anderen Seite erleben wir - ich war letzte Woche in Erfurt -, welche starken Grenzen es immer noch gibt, insbesondere wenn man sich politische Konstellationen und den Erfolg der rechtspopulistischen Parteien in den östlichen Bundesländern anguckt.
Herr Stegner, Sie haben völlig recht, es ist ein Unding, was man da an Wahlplakaten sieht, wie stark die Menschen, die sich in der DDR mutig auf die Straße begeben haben, vereinnahmt werden. Ich weiß von Menschen im Neuen Forum, später BÜNDNIS 90, denen es gruselt, dass ihr Erfolg von Rechtspopulisten vereinnahmt wird. Das ist wirklich schlimm.
Natürlich bauen manche fremdenfeindlichen Einstellungen in den östlichen Bundesländern neue Grenzen und verhindern Chancen. So wollte sich eine junge Juristin auf eine Stelle in Sachsen bewerben, aber weil ihr Mann Italiener ist, hat sie gesagt: Ich kann nicht dahin gehen, ich kann die Stelle nicht annehmen. Ich weiß es auch von einem Arzt, der mit einer Frau mit Migrationshintergrund verheiratet ist. Die sind extra hingefahren, haben sich vor Ort erkundigt und in Restaurants mit den Menschen gesprochen. Die Leute haben geantwortet: besser nicht. - Das ist wirklich ein Problem.
Das ist ärgerlich, nicht nur für die Menschen, die dann woanders eine Arbeit annehmen. Mir tut es vor allem für diejenigen leid, die dort etwas aufbauen wollen und sich für ein gutes Zusammenleben zwischen Ost und West einsetzen.
Ich bin froh, dass wir in unserer Resolution beide Aspekte aufgenommen haben, den Aspekt des Bejubelns, der Freude darüber, dass die Grenze am 9. November endlich gefallen ist, und gleichzeitig den kritischen, auch selbstkritischen Blick darauf, wo es Menschen gibt, die abgehängt sind, die sich nicht mitgenommen fühlen und die sich vielleicht Parteien anschließen, die wir uns nicht wünschen.
Ich finde es gut, dass wir in unserer Resolution sowohl die Erfolge als auch die Sorgen benennen und dass wir den positiven Aspekt ein bisschen in den Vordergrund stellen. Wir müssen mutig in die Zukunft gucken. Das ist ja auch das Motto des Tags der Deutschen Einheit: Mut verbindet. Das ist der richtige Weg, in die Zukunft zu gehen.
Wir alle haben kein Patentrezept, wie das Zusammenwachsen gelingen kann. Ich teile da die Meinung von Herrn Koch, dass Bildung einer der Schlüssel ist. Deshalb auch von mir herzlichen Dank für all das, was das Bildungsministerium, aber auch unser Beauftragter für politische Bildung für uns leistet. Das ist in Schleswig-Holstein großartig; darauf können wir stolz sein.
Gedenkfeiern sind gut und richtig, und ich halte sie für sehr sinnvoll. Wenn wir aber ehrlich sind, müssen wir feststellen, dass zu solchen Gedenkfeiern in erster Linie Leute hingehen, die wir nicht überzeugen müssen, dass der 9. November 1989 ein guter Tag war.
Deshalb ist es wichtig, dass auch etwas in den Schulen und an Orten stattfindet, wo andere Leute hinkommen.
Zum Schluss möchte ich einen Punkt ansprechen, der mir sehr wichtig ist und den wir mit in die Resolution aufgenommen haben: Der 9. November wird nicht nur wegen der Ereignisse des Jahres 1989 als besonderer Tag gewürdigt, sondern er wird als Schicksalstag der Deutschen bezeichnet. Leider ist es wegen eines sehr traurigen Anlasses so, nämlich wegen der Reichspogromnacht im Jahr 1938. Auch dieser Tag muss uns immer wieder Mahnung sein: Es ist wichtig, dass wir am 9. November nicht nur an 30 Jahre Zusammenwachsen denken, sondern auch an diesen Punkt unserer Geschichte. Wir haben ein wunderbares Grundgesetz - seit 70 Jahren - das uns genug an die Hand gibt, um friedlich, freiheitlich, tolerant und solidarisch zusammenzuleben. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass wir Demokratinnen und Demokraten die kommenden Tage gemeinsam feiern. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die friedliche Revolution in der damaligen DDR und die daraus folgende Wiedervereinigung unseres Landes ist mit Sicherheit das bedeutendste Ereignis der deutschen Nachkriegsgeschichte und bis heute ein großes Glück für unser Land. Als jemand, der das große Glück hatte, in der liberalen und wohlhabenden Bundesrepublik geboren zu werden, kann ich es mir kaum ausmalen, was für ein enormes Risiko es für die Menschen selbst, aber auch für ihre Familien bedeutet hat, damals gegen das SED-Regime auf die Straße zu gehen. Das kann man gar nicht nachvollziehen, wenn man nicht unter diesen Umständen groß geworden ist. Diese mutige Tat Zigtausender Menschen kann man gar nicht genug würdigen. Das sollten wir an diesem Tag noch einmal sehr deutlich tun.
Ich möchte beides an dieser Stelle nicht gleichsetzen, weil es nicht gleichgesetzt werden kann. Ich finde aber, wir sollten in diesen Tagen mehr Ver
Auch dort haben wir einen Kampf der Systeme. Die Marktwirtschaft hat sich global durchgesetzt, aber Rechtsstaat, Demokratie und Freiheit eben nicht. Deshalb sollten wir in diesen Tagen noch deutlicher werden, als es die Bundesregierung bislang getan hat. Ich verstehe, dass China ein wichtiger Handelspartner ist, aber die Menschenrechte gelten überall. Wir sollten uns an dieser Stelle nicht wegducken.
Ich habe selbst Verwandte, die unter der Staatssicherheit in der DDR massiv zu leiden hatten. Besonders schlimm ist die Tatsache - das wird manchmal vergessen -, dass ja auch vor der Familie der Oppositionellen und derjenigen, die in Ungnade gefallen sind, nicht haltgemacht wurde. Die Stasi war ein perfider und zutiefst menschenverachtender Terrorapparat der SED.