Protokoll der Sitzung vom 20.09.2017

Und die Grünen, denen in der Vergangenheit der Bildungsdialog und das Mitnehmen der relevanten Akteure wichtig war: Sie nehmen nun hin, dass Dialog im Flaschenformat geführt wird. - Weil vielleicht nicht jeder den Flaschen-Dialog kennt, erkläre ich das kurz. Er geht so: Sie halten eine leere Flasche vor den Betroffenen und sagen: „Sprechen Sie bitte hier rein, ich höre es mir dann später an!“

(Heiterkeit SPD)

In „Schule aktuell“ werden in großen Worten Gespräche angekündigt. Den September wolle man sich dafür Zeit nehmen. Schon vorher wird aber vom Ministerium - pardon: von den Fraktionen ein Gesetzentwurf vorgelegt. - Ein Witz, aber nicht einmal ein guter: Dialog war gestern, jetzt wird durchregiert!

Meine Damen und Herren, wir gehen konstruktiv in das weitere Gesetzgebungsverfahren, und zwar mit fünf konkreten Forderungen:

Erste Forderung: Lassen Sie die Günther-Hürde von 75 % fallen, und ermöglichen Sie echte demokratische Entscheidungsprozesse an den Gymnasien.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW] - Zurufe CDU)

Zu diesem einen Punkt haben wir übrigens einen Änderungsantrag zu Ihrem Gesetzentwurf vorgelegt. Daran sehen Sie, wie konstruktiv wir sind. Wir wollen diesen Antrag mit in die Anhörung geben.

Ich komme zur zweiten Forderung.

(Wortmeldung Tobias Koch [CDU])

- Damit warte ich vielleicht noch.

(Tobias Loose)

Entschuldigung, das hatte ich nicht gesehen. Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Koch?

Mit Vergnügen.

Vielen Dank, Herr Kollege Habersaat. Meine Frage bezieht sich in der Tat auf Ihren ersten Punkt. In den letzten fünf Jahren Ihrer Regierungszeit haben Sie denjenigen, die sich mit 100 % für die Wiedereinführung von G 9 entschieden haben, diese Möglichkeit verwehrt. Was haben Sie gegen eine 75-%-Grenze?

- Weil wir der Auffassung sind, dass Beteiligung ernst genommen werden muss, sind wir der Meinung, wenn man den Schulen, den Schülerinnen und Schülern, den Lehrerinnen und Lehrern und den Eltern eine Wahlmöglichkeit einräumt, sollte dies auch eine echte Wahlmöglichkeit sein. Man sollte ihnen nicht mit einer Show-Wahlmöglichkeit Sand in die Augen streuen, Herr Kollege Koch.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW] - Zurufe CDU)

Zweite Forderung: Stehen Sie zu Ihrer Verantwortung! Die Schulträger müssen neues Unterrichtsmaterial anschaffen, neue Räume bauen und ihre Gymnasien vergrößern, und die Schulentwicklungsplanungen sind wegen der CDU-Zickzack-Politik hinfällig. Jetzt übernehmen Sie gefälligst Verantwortung und übernehmen auch die Kosten dafür! Dazu heute kein Wort von der CDU.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Drittens: Beteiligen Sie die Schulträger ernsthaft! Es kann bei zwei Gymnasien im Ort durchaus berechtigte Gründe dafür geben zu sagen, das eine Gymnasium soll so entwickelt werden und das andere anders. Sie gestehen den Schulträgern keine Möglichkeit zu, sich an diesen Planungen nachhaltig und ernsthaft zu beteiligen. Ändern Sie das!

Viertens: Verlieren Sie über Schulsystemänderungen von zweifelhaftem Nutzen nicht die wirklich wichtigen Themen aus dem Auge.

Fünftens: Nutzen Sie „Schule aktuell“ meinetwegen für Ihre Regierungspolitik und zum Verkauf derselben, aber verzichten Sie darauf, die Leserschaft hinter die Fichte zu führen.

Nach dieser Debatte kann ich auch noch ein Sechstens hinzufügen, Herr Kollege Loose: Wenn Sie denn sichere Mehrheiten so wichtig und sichere Beschlüsse so toll finden, dann überlegen Sie sich doch, für dieses Gesetz eine 75-%-Hürde festzulegen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Ines Strehlau.

Sehr geehrter Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Martin Habersaat, ich glaube, ein bisschen weniger Empörungsrhetorik wäre angebracht.

(Widerspruch SPD)

Das wird dem Thema hier nicht gerecht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Mit unserem Gesetzentwurf zur Rückkehr zu G 9 machen wir jetzt Nägel mit Köpfen. Politisch haben wir dies in den Koalitionsverhandlungen entschieden, jetzt folgt die fachliche Umsetzung durch die Änderung des Schulgesetzes.

Es ist kein Geheimnis, dass wir Grüne keine Fans der Umstellung sind, obwohl wir G 8 bei der Einführung abgelehnt hatten. Die Signale aus den Schulen und auch aus dem Bildungsdialog in der vergangenen Wahlperiode zeigten eine ziemlich große Zufriedenheit mit G 8. Aber der Wind hat sich binnen kurzer Zeit gedreht. Die große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler will zurück zu G 9.

G 9 liegt im Trend. Niedersachsen ist flächendeckend zurückgekehrt, in Bayern ist es beschlossen, und in Nordrhein-Westfalen steht es im Koalitionsvertrag. Rheinland-Pfalz hat die Umstellung gar nicht mitgemacht.

Es gibt auch gute Gründe für G 9: Die Jugendlichen haben mehr Zeit für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit, sie sind reifer. Sie sind volljährig, wenn sie in ihre weitere Ausbildung gehen. Lehrkräfte sagen, es gebe mehr Zeit für Vertiefung und für Projektarbeiten. Man müsse nicht hetzen, um die Fachanforderungen zu erfüllen. Außerdem sind die Schultage in der Sekundarstufe I nicht so lang. Es bleibt mehr

Luft für außerschulische Aktivitäten oder zum Treffen mit Freunden.

Es gibt aber auch viele G-8-Schulen, die gut laufen. G 8 hat an vielen Gymnasien positive pädagogische Veränderungen gebracht. Viele Schulen sind weg von 45-Minuten-Einzelstunden, es gibt neue Lernformen, und die Fachanforderungen wurden angepasst, um die Schülerinnen und Schüler nicht zu überfordern. Deshalb haben wir im Gesetzentwurf die Wahlmöglichkeit verankert, bei G 8 oder G Y zu bleiben. Wir Grüne hätten allerdings auch gut mit einer niedrigeren Hürde dafür leben können.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir auch!)

Die Schulen müssen sich bis zum 23. Februar 2018 entscheiden, ob sie bei G 8 oder G Y bleiben wollen. Das ist - zugegeben - eine kurze Frist. Aber Schulen und Familien wollen Planungssicherheit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Die Familien wollen wissen, ob die Schule ihres Kindes bei der Umstellung 2019 ein G-8- oder G-9-Gymnasium ist. Außerdem diskutieren die Schulen bereits jetzt und sind dabei, sich ihre Meinung zu bilden. Bis zur Entscheidung muss noch einiges geklärt werden, zum Beispiel, wann in Zukunft die zweite Fremdsprache beginnt.

Um dem Gymnasium ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Gemeinschaftsschulen zu ermöglichen, wäre ein Beginn in der sechsten Klasse für uns Grüne eine sinnvolle Lösung. So machen es auch die meisten anderen Länder. Zu dieser und anderen Fragen der Umsetzung führen wir Gespräche, genauso wie die Bildungsministerin. Das ist auch ihre Pflicht. Wir als Parlament machen das Gesetz, aber das Ministerium macht die dazugehörigen Erlasse und Verordnungen. Dies ist reines Regierungshandeln. So laufen Demokratie und Gewaltenteilung.

Bei der Umstellung auf G 9 wollen wir, dass nicht die alten G-9-Schubladen herausgezogen werden und das Gymnasium wieder zehn Jahre zurückkatapultiert wird. Die guten pädagogischen Reformen an den Gymnasien müssen auch in G 9 erhalten bleiben. Hier sind wir uns mit den Eltern und den meisten Lehrkräften einig.

Und die Schulträger? - Sie sind nicht begeistert von einem weiteren Strukturwechsel. Das können wir verstehen. Die Schulträger haben in den vergangenen etwa zehn Jahren diverse Schulgesetzänderungen miterlebt und mussten immer ihre Räume und ihre Ausstattung anpassen. Das war oft eine große

Herausforderung. Wir werden selbstverständlich die Kommunen bei der Umstellung auf G 9 unterstützen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Wir haben in der Koalition vereinbart, die bis zum Aufwachsen des 13. Jahrgangs frei werdenden Stunden zur Stärkung des Bildungsbereichs einzusetzen, zum Beispiel für 100 % Unterrichtsversorgung und Inklusion.

Uns ist bewusst, dass die Rückkehr zu G 9 an Gymnasien die Konkurrenzsituation zu Gemeinschaftsschulen vergrößern kann. Deshalb werden wir als Koalition die Gemeinschaftsschulen unterstützen, damit sie verstärkt eigene Profile entwickeln können und weiterhin eine starke Säule im Schulsystem bleiben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und Annabell Krämer [FDP])

Ein Stützpfeiler wird der Bildungsbonus sein, den wir am Freitag auf den Weg bringen werden. Auch die verstärkten Inklusionsmittel kommen den Gemeinschaftsschulen zugute. Mit diesem Gesetzentwurf kümmern wir uns um die Gymnasien. Aber Sie sehen, auch die anderen Schularten sind bei Jamaika in guten Händen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir Angehörige des Sanitätsunterstützungszentrums der Bundeswehr hier in Kiel sowie Damen und Herren des Kulturkreises Heide und der Stiftung Mensch mit Bürgerinnen und Bürgern aus Heide und Umgebung. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Anita Klahn.