Protokoll der Sitzung vom 20.09.2017

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne bei der AfD: Es bedarf einer Schulgesetzänderung, um G 9 flächendeckend in Schleswig-Holstein einzuführen. Insofern ist es die Aufgabe und ein guter Vorsatz der Landesregierung und der sie tragenden JamaikaKoalition, diesen Gesetzentwurf auch auf den Weg zu bringen. Ich möchte sagen, dass damit aber auch ein Hürdenlauf für die Schülerinnen und Schüler, für die Lehrerinnen und Lehrer und auch für die Schulträger in unseren Kommunen beginnt.

Der ganz große Knackpunkt dieses Gesetzentwurfs ist die Hürde von einer Zweidrittelmehrheit. 75 % der Mitglieder der Schulkonferenz sollen der Umwandlung zu G 9 beziehungsweise der Beibehaltung des G 8-Gymnasiums zustimmen.

Wir haben verstanden, dass die Regierung einen Plan hat, und wir haben auch verstanden, dass dieser ganz schnell umgesetzt werden soll. Der Kollege von der CDU hat gesagt, hier gehe es nicht um Schnelligkeit, hier gehe es unter anderem auch um Gründlichkeit.

(Tobias Loose [CDU]: Ich habe beides ge- sagt: Gründlichkeit und Schnelligkeit!)

- Ja, das haben Sie getan. Ich muss dazu sagen: Ich kann das einsehen. Sie müssen bis zum 1. Januar 2018 Ihr Gesetz durchgebracht haben, damit die Schulkonferenzen sich auf den Weg begeben können, um sich ganz schnell in der Frage zu entscheiden, ob sie bei G 8 bleiben oder zu G 9 übergehen wollen.

Ich finde, in dieser ganzen Diskussion wird unter anderem nicht die Mercator-Stiftung berücksichtigt, die nämlich sagt, es mache keinen Unterschied, ob man im Rahmen von G 8 oder von G 9 zur Schule gehe. Wenn man Abitur machte, dann habe man immer den gleichen Stressfaktor.

Sie blenden auch völlig aus, dass die Umwandlung zu flächendeckenden G 9-Gymnasien in SchleswigHolstein mehrere hundert Millionen € verschlingen wird.

Im heutigen Pressespiegel war zu lesen, der Ministerpräsident habe gesagt: Wir sind erfolgreich. Wir haben unser 100-Tage-Programm gut umgesetzt. Über die Kosten, die auf die Schulträger zukommen, diskutieren wir aber noch nicht. Darüber machen wir uns keine Gedanken, denn dies steht jetzt noch nicht an. - Wenn wir als Küstenkoalition so etwas gemacht hätten, dann hätte die Opposition von CDU und FDP - glaube ich - Aktenvorlage beantragt. Ich glaube, ihr hättet alles Mögliche beantragt.

Ich glaube, eine Strukturdebatte für die Schule ist nicht besonders hilfreich. Schülerinnen und Schüler müssen sich wieder auf neue Gegebenheiten einstellen. Die Lehrerinnen und Lehrer sagen: Mein Gott, jetzt fängt das ganze Chaos wieder von vorn an. Wir hatten Ruhe, und wir hätten dies gern so fortgesetzt.

Was ich an diesem Gesetzentwurf noch bemängele, ist: Ines Strehlau hat vorhin gesagt: Wir wollen nicht wieder eine Rückkehr zu dem alten G-9-Modell. Ich glaube, was uns allen wirklich fehlt, das ist die Antwort auf die Frage: Worüber sollen die Schulkonferenzen abstimmen? Sollen sie abstimmen über ein modernes G 9, wie es das G 8 gewesen ist, oder worüber sollen sie abstimmen? Ich

(Dr. Frank Brodehl)

meine, bevor es zur Abstimmung darüber kommt, ist es Aufgabe der regierungstragenden Fraktionen, einfach auch mal Butter bei die Fische zu tun und zu sagen, wie Sie sich das eigentlich vorstellen und wie das zukünftige G-9-Gymnasium aussehen soll. Das ist eine Aufgabe, die Sie bisher noch nicht erledigt haben.

Ganz stark betonen möchte ich dieses: Ungefähr 20 % unserer Schülerinnen und Schüler gehen auf ein Gymnasium, um dort ihr Abitur zu machen. Das bedeutet, für diese wenigen Schüler werden mehrere Millionen € mehr ausgegeben, und der Bildungskuchen wird immer kleiner. Ich glaube, das geht zulasten von Inklusion, das geht zulasten der beruflichen Bildung, das geht zulasten der Grundschulen und auch der Gemeinschaftsschulen. Insofern geschieht das viel zu schnell.

Ich möchte Ihnen auch anraten, einmal die hervorragende Studie der Mercator-Stiftung durchzulesen. Da stehen ganz wichtige Erkenntnisse drin, die vielleicht auch einmal eine klarere Sicht darüber verschaffen können, wie Bildung eigentlich zu machen ist.

Der SSW wird dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Wir werden dem SPD-Antrag zustimmen.

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

- Die Beratungen werden wir im Ausschuss führen, Hans-Jörn Arp, und dann werden wir sehen, wie es ist, wenn wir auf Augenhöhe einen konstruktiven Vorschlag machen, um die Hürden herunterzubringen. Dies wäre dann Oppositionsarbeit.

(Beifall SSW und SPD)

Das Wort für die Landesregierung hat die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Heute ist zuallererst einmal ein guter Tag für die zukünftigen Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien Schleswig-Holsteins. Mit diesem Gesetz schaffen Sie, die Abgeordneten dieses Parlaments, die Grundlage für durchgängig ein Jahr mehr Lernzeit am Gymnasium und korrigieren damit eine bildungspolitische Entscheidung zu G 8, die durch veränderte Rahmenbedingungen überholt

ist und kulturell in unserer Gesellschaft nie hinreichend Akzeptanz gefunden hat.

Die Wählerinnen und Wähler haben mit einem klaren Votum diese politische Leitentscheidung für die flächendeckende Rückkehr zum neunjährigen Bildungsgang, für mehr Lernzeit am Gymnasium, getroffen. Ihr Votum hat für uns oberste Priorität.

(Beifall CDU)

Ich danke den Koalitionsfraktionen dafür, dass sie dieses durch den heute eingebrachten Gesetzentwurf ermöglichen. Ich kann Ihnen vonseiten der Landesregierung zusagen, dass wir diesen Wählerwillen verantwortungsvoll und mit der gebotenen Sorgfalt und Professionalität umsetzen werden.

Ich freue mich, Herr Habersaat, dass sowohl die SPD als auch die AfD - beim SSW habe ich das bisher noch nicht so genau verstanden - dem Ganzen ja auch inhaltlich zustimmen, weshalb letztlich nichts anderes als Verfahrenskritik übrig bleibt. Über diese Verfahrenskritik werden wir reden müssen; aber im Grunde ist es doch ein schönes Ergebnis, dass die ganz überwiegende Mehrheit der im Landtag vertretenen Parteien inhaltlich unseren neuen Kurs unterstützt. Vielen Dank dafür.

(Beifall CDU und FDP)

Die Regierungsfraktionen haben nun zügig die gesetzliche Grundlage dafür vorgelegt, dass Gymnasien, die ausnahmsweise bei G 8 oder beim Y-Modell bleiben wollen, rechtssichere Beschlüsse fassen können. Alle anderen kehren zu G 9 zurück.

Ja, wir wollen flächendeckend G 9. Das ist die politische Leitentscheidung dieser Landesregierung. Gymnasien und ihre Schüler wollen wir zukünftig langsamer zum Abitur führen. G-8-Schulen und YGymnasien können einmalig dafür votieren, bei ihrem bisherigen System zu bleiben, und zwar - das ist jetzt der Knackpunkt - mit einer qualifizierten Mehrheit. Warum mit einer qualifizierten Mehrheit?

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

- Herr Habersaat, hören Sie doch erst einmal zu. Mit einer qualifizierten Mehrheit deshalb, Herr Habersaat, weil wir nicht wollen, dass gegen eine der Gruppen, dass gegen Lehrer, Eltern oder Schüler, entschieden werden kann. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Hier soll eine Entscheidung getroffen werden unter einer qualifizierten Beteiligung aller drei Gruppen.

Herr Habersaat, dass Sie sich hier hinstellen und kritisieren, dass die Letztentscheidungskompetenz

(Jette Waldinger-Thiering)

beim Ministerium bleibt, ist - ehrlich gesagt - etwas, was die Menschen hinter das Licht führt; denn Sie wissen ganz genau, dass das ein verfassungsrechtliches Erfordernis ist, dem wir hier unterliegen. Deshalb müssen wir das an dieser Stelle so machen.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Möglichkeit, im Einzelfall bei G 8 oder beim Y-Modell zu bleiben, braucht rechtzeitig eine verlässliche Rechtsgrundlage. Diese muss bis zum Januar 2018 vorliegen. Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte sollen schnellstmöglich Klarheit und Sicherheit über die Länge des Bildungsganges an der Schule haben, an der sie sich anmelden wollen.

Die Wiedereinführung von G 9 selbst beginnt allerdings erst zum 1. August 2019 mit den Jahrgangsstufen fünf und sechs. Deshalb haben wir reichlich Zeit, über die inhaltliche Ausgestaltung miteinander zu diskutieren. Damit haben wir auch bereits begonnen. Wir führen im Augenblick fast täglich Gespräche mit den unterschiedlichsten Beteiligten zu diesem Thema. Ich freue mich, dass die Beteiligung an diesem Prozess so konstruktiv und gut verläuft.

Meine Damen und Herren und Frau WaldingerThiering, wir haben doch bereits eine Blaupause für ein modernes G 9 in Schleswig-Holstein. Die Frage eines Zurück zum G 9 der alten Prägung stellt sich gar nicht; dieses Land ist gut aufgestellt für G 9. Insofern freue ich mich, Ihnen heute sagen zu können, dass wir alle Voraussetzungen dafür haben, das umzusetzen. Wir haben bereits eine Kontingentstundentafel für G 9, wir haben die Fachanforderungen und die Leitfolgen für G 9. Insofern besteht diese Gefahr - da kann ich Sie beruhigen nicht.

Die Koalition reagiert mit dem Gesetzentwurf auf die von vielen Lehrkräften und Eltern beklagte Lernzeitverdichtung für unsere Schülerinnen und Schüler. Wir machen damit eine Politik für die Menschen und vor allem für die Kinder in Schleswig-Holstein. Sie sollen wieder mehr Zeit haben zu lernen, den Stoff zu vertiefen, mehr zu üben und sich in Themen zu vertiefen. Sie sollen aber auch Zeit haben für Aktivitäten im außerschulischen Bereich. Zum Leben gehört eben mehr als nur Lernen und Schule, und Lernen erfolgt nicht nur in der Schule.

Wir haben parallel zu der Gesetzesänderung - ich habe es bereits erwähnt - eine Vielzahl von Gesprächen aufgenommen. Wir brauchen diese Expertise

auch, um die möglichen Handlungs- und Unterstützungsbedarfe im Umsetzungsprozess zu ermitteln. Ich habe in den letzten Wochen Runde Tische zu G 9 durchgeführt mit dem Direktoren-Verbindungsausschuss, mit den Verbänden, mit dem Landeselternbeirat, mit der Landesschülervertretung und mit den kommunalen Spitzenverbänden.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch sagen: Wir werden in der Schulleiter-Dienstversammlung die Ergebnisse dieser Gespräche in Workshops weiter aufarbeiten, um dann diese Gestaltungs- und Unterstützungsbedarfe gemeinsam anzugehen.

G 9 darf kein Gymnasium light werden. Die Reform dient vielmehr der Qualitätsentwicklung an den Gymnasien, der Schaffung des gymnasialen Profils, aber eben auch des Profils an den Gemeinschaftsschulen und den berufsbildenden Schulen. Frau Strehlau hat das zu Recht ausgeführt.

Wir haben selbstverständlich auch Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden aufgenommen. Wir haben uns auf einen Fahrplan verständigt, wie wir gemeinsam die Frage des Ob und des Wie des Entstehens von Mehrkosten durch die Reform ermitteln wollen. Natürlich gelten die Verfassung und das Konnexitätsprinzip in diesem Zusammenhang. Aber inwieweit das gilt, meine Damen und Herren, das werden wir in einem geordneten Verfahren in weiteren regelmäßigen Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden ermitteln, die wir bereits vereinbart haben.

Ich bleibe also dabei: Es ist ein guter Tag für die zukünftigen Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien in Schleswig-Holstein. Ich freue mich darauf, mit Ihnen in die Beratung über diesen Gesetzentwurf in den Ausschüssen und im Parlament zu gehen. Ich freue mich auch darauf, dass wir gemeinsam für die Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein etwas schaffen werden. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Landesregierung hat die vereinbarte Redezeit um 2 Minuten überzogen. - Ich sehe allerdings keine weiteren Wortmeldungen mehr. Ich schließe deshalb die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf in der Drucksache 19/166 sowie den Änderungsantrag in der Drucksache 19/200 an den Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte

(Ministerin Karin Prien)

ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig so geschehen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Sondervermögens „InfrastrukturModernisierungsProgramm für unser Land Schleswig-Holstein“ und zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Sondervermögens zur Förderung von Mobilität und Innovation des Schienenpersonennahverkehrs im Land Schleswig-Holstein sowie zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung der Gebäudemanagement Schleswig-Holstein