Protokoll der Sitzung vom 27.09.2019

Wir flexibilisieren die Betreuungsmöglichkeiten durch verschiedene Gruppenformen. Beispielsweise Hort: Dort wird die Regelgruppe zukünftig aus 20 Kindern bestehen, die von zwei Fachkräften betreut werden. Darüber hinaus gibt es noch die mittlere und die kleine Hortgruppe. So entspricht die mittlere Hortgruppe mit 15 Kindern und 1,5 Fachkräften exakt den bestehenden Vorgaben. In allen Gruppen gilt somit die gleiche Relation zwischen Betreuerinnen beziehungsweise Betreuern und Kindern. Hier irren also Menschen, die glauben, an dieser Stelle negative Veränderungen im Gesetzentwurf entdeckt zu haben. Im Übrigen bleiben auch die Natur-Kitas und Wald-Kitas ein fester Bestandteil der KitaLandschaft in Schleswig-Holstein.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein wesentliches Ziel dieser Reform besteht darin, Ordnung in ein System zu bringen, in dem in den letzten Jahrzehnten viel Flickschusterei betrieben werden musste. Dieses System erhält jetzt erstmalig eine nachhaltige Struktur, Transparenz und damit ein höheres Maß an Verlässlichkeit. Fehlanreize werden durch die Reform beseitigt. Denn auch bei neuen Maßnahmen des Landes in den kommenden Jahren müssen keine administrativen Bypässe mehr erfunden werden; weitere Maßnahmen lassen sich in dieser Struktur abbilden.

In diesem System haben es Städte und Gemeinde beide in der Hand, die Kita vor Ort mitzugestalten. Ihre Gestaltungsmöglichkeiten werden sich sogar dort noch einmal erhöhen, wo Qualitätsvorgaben bereits erreicht und Elternbeiträge unter oder nahe dem Beitragsdeckel liegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich wünschen sich der Familienminister und die Jamaika-Koalition, dass gerade die von mir angesprochenen Kommunen die zusätzlichen Mittel in die weitere Verbesserung des Angebots vor Ort oder in eine Absenkung der Elternbeiträge investieren. Was denn sonst?

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Minister Dr. Heiner Garg)

Der Beitragsdeckel definiert lediglich die Höchstgrenze des Beitrags. Auch bei der Qualität definieren wir lediglich Mindeststandards. Insgesamt werden die Standortgemeinden vor Ort weiter gestalten können. Sie definieren die Betreuungsbedarfe, wirken weiterhin maßgeblich an der Bedarfsplanung mit, wählen die Träger aus, entscheiden über zusätzliche Angebote über das SQKM hinaus und gestalten weiterhin in Beiräten vor Ort mit den entsprechenden Beteiligten.

Bei der finanziellen Belastung geht es zwischen Land und Kommunen zukünftig deutlich fairer zu.

(Beifall Werner Kalinka [CDU])

Wir führen einen anteiligen Landesbeitrag ein, der auch an die Entwicklung der Platzzahlen und der Betreuungszeiten gekoppelt ist, sodass die Kostendynamik über alle Betreuungsformen vom Land übernommen wird. Das Land übernimmt zudem alle Dynamisierungskosten, die sich aus der Beitragsdeckelung ergeben.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Der kommunale Anteil soll sich hingegen nicht weiter erhöhen. Es ist ziemlich einfach; im neuen System bezahlt derjenige, der bestellt. Will das Land mehr Standards oder niedrigere Elternbeiträge, so muss das Land mehr Geld in das SQKM stecken. Dabei ist auch für uns klar, dass sich Eigenanteile der Träger nach der Übergangsphase ausschließlich auf die freiwillige Finanzierung beziehen und nicht auf das Pflichtprogramm. Für die Übergangsphase muss klargestellt werden, dass bestehende Eigenanteile den verschiedenen Verwendungen zugeordnet werden müssen, und für den Umgang mit Trägeranteilen für die Referenz-Kita sollen sich Träger und Kommunen aus diesem Grund rechtzeitig miteinander vereinbaren.

Wir haben die Reform mit einem umfangreichen Beteiligungsprozess gemeinsam mit der Landeselternvertretung, Trägerverbänden und kommunalen Landesverbänden entwickelt. Wir haben diese wertvollen Anregungen aufgenommen, und viele Elemente des Ihnen heute präsentierten Gesetzentwurfes finden sich genau als Ergebnis dieses umfangreichen Beteiligungsprozesses wieder.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, aus der Anhörung zwischen der ersten und zweiten Kabinettsbefassung haben wir noch einmal wichtige Hinweise aufnehmen können. Ich möchte an dieser Stelle insbesondere die Tagespflege erwähnen. In diesem Bereich haben wir eine deutliche Vereinfa

chung der Abrechnungsverfahren vorgenommen und die Mindestvergütung noch einmal nach oben angepasst.

(Beifall Werner Kalinka [CDU])

Mit diesem Gesetz wollen wir nämlich zum Ausdruck bringen, dass Tagespflege ein unverzichtbarer Bestandteil des Betreuungsangebotes in diesem Land darstellt.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun erleben wird, dass trotz des Beteiligungsprozesses tagtäglich das neue Gesetz immer wieder erklärt werden muss. Meine Damen und Herren, das kann auch gar nicht anders sein. Seit drei Jahrzehnten ist in diesem Bereich immer nur mit Beiwerk gearbeitet worden, das ist zum ersten Mal eine richtige Reform, die erklärt werden muss und die wir auch erklären werden. Das liegt im Übrigen manchmal auch daran, dass vor Ort die bestehenden Aufgaben gar nicht ganz klar sind. So beschweren sich immer wieder Kommunen über angeblich neue Aufgaben, die sie durch Bundesgesetz schon längst zu erfüllen hätten. So ist allein die Vermittlung der bestehenden und im Reformgesetz unveränderten Rechtslage manchmal eine Herausforderung. Noch mehr gilt das natürlich für die neuen Inhalte der Reform. Auch hier werden punktuell Interpretationen ins Land getragen, die manchmal mehr von einer eigenen verbandspolitischen Agenda getragen sind als von dem Wunsch nach Fakten und Wissenstransfer.

(Zurufe SPD: Oha!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, trotzdem bleibt der partizipative Ansatz unumstößlich mit dieser Reform verbunden. Wir schaffen kein starres, sondern ein lernendes System. Mit Inkrafttreten der Kita-Reform im kommenden Jahr ist der Beteiligungsprozess mitnichten abgeschlossen. Die Reform sieht eine Übergangsphase bis Ende des Jahres 2024 vor, in der die schrittweise Überführung des Systems gestaltet wird und zudem eine umfassende Evaluation stattfindet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen Gemeinden, Kreisen und Trägern ausreichend Zeit geben, die Reform seriös umzusetzen, damit sie das derzeit meist praktizierte System der Defizitfinanzierung in ein System der Pauschalfinanzierung überführen können.

Das macht es für die kommunalen und die freien Einrichtungsträger planbar. Der Finanzierungsanteil der Wohnortgemeinde wird nach der Evaluation

(Minister Dr. Heiner Garg)

festgeschrieben und wird sich danach nicht weiter erhöhen.

Die Evaluierungsphase zeigt, und dafür bin ich insbesondere den Abgeordneten der Koalitionsfraktionen sehr dankbar, diese Regierung ist nicht im Denken von Legislaturperioden verhaftet. Wir haben den Mut, langfristig zu denken. Wir tun damit etwas zum Wohle der Menschen in Schleswig-Holstein, wir tun damit etwas für die Zukunft des Landes, und das, meine Damen und Herren, ist mein Verständnis von zielorientierter und zukunftsgewandter Familienpolitik: Das ist Jamaika!

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Deckelung der Beiträge ist ein Kernanliegen dieser Reform, weil wir damit einheitlichere Lebensverhältnisse in Schleswig-Holstein schaffen. Jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, Beitragsfreiheit zu fordern, ist nicht finanzierbar. Auch das sage ich hier in aller Deutlichkeit. Diese Forderung ist schlicht unseriös.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es würde jährlich rund 250 Millionen € kosten, die vollständige Beitragsfreiheit sofort zu erreichen. Da das Land aber so hohe Mittel zurzeit strukturell nicht aufbringen kann, wäre die Beitragsfreiheit das wäre eine Option, und darüber muss man diskutieren - zulasten der Qualität in den Einrichtungen und zulasten der kommunalen Finanzen gegangen. Man hätte im Zweifel den Kommunen sogar Konnexitätsausgleiche verweigern müssen.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht erst nach der Bertelsmann-Studie, sondern bereits bei den Koalitionsverhandlungen vor zweieinhalb Jahren haben wir ganz klar gesagt: Genau diesen Weg wollen wir nicht gehen. Wir spielen nicht die Interessen der Eltern gegen die der Erzieherinnen und Erzieher oder die der Kommunen aus. Diese Reform verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Sie schafft einen Gleichklang von einer finanziellen Entlastung der Familien und Kommunen und dem Anspruch auf mehr Qualität und damit zukünftig auch besseren Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen.

Diese Kita-Reform ist seriös finanziert, prozentual steigt der Anteil des Landes an der Finanzierung des Gesamtsystems deutlich von derzeit knapp 24 % auf rund 37 %. Der Anteil der Kommunen an

der Gesamtfinanzierung verringert sich bis zum Jahr 2022 um etwa 7 %.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist richtig, alle Beteiligten haben im Zweifel mehr erwartet: Niedrigere Beiträge oder sofortige Beitragsfreiheit, noch weniger Belastung für die Kommunen oder noch bessere Qualitätsstandards. Ich sage aber auch sehr deutlich: Verantwortliche, zukunftsorientierte Politik zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie das Wünschenswerte mit dem Machbaren verbindet. Mit dieser Reform legt die Landesregierung ein solides finanzielles Gesamtpaket für faire Startchancen für die jüngsten Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner vor.

Ich sage noch einmal von Herzen Dank an diejenigen, die an diesem umfassenden Reformwerk gemeinsam konstruktiv mitgearbeitet haben, und hoffe, Landespastor Naß, ohne Sie in Mithaftung nehmen zu wollen, dass Sie auch weiterhin mitarbeiten werden. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich habe die Redezeit nur ein ganz kleines bisschen überzogen.

(Heiterkeit und anhaltender Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort der Abgeordneten und Jubilarin Katja Rathje-Hoffmann. Sie haben es wahrscheinlich schon geahnt, der Form halber möchte ich noch erwähnen, dass der Minister die Redezeit ein wenig erweitert hat.

(Zuruf CDU: Um wie viel?)

- Er hat gedoppelt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir stehen 20 Minuten Redezeit zu, und ich verspreche Ihnen, auch wenn ich heute zehn Jahre im Schleswig-Holsteinischen Landtag bin, werde ich die nicht beanspruchen.

(Beifall CDU - Christopher Vogt [FDP]: Ab- warten!)

Ich möchte dem Ministerium für diesen Gesetzentwurf danken. Überlegen wir einmal: Wo stehen wir heute, und wie sah es in der Vergangenheit bei der Kita-Finanzierung aus? - Es war hoch kompliziert, und kaum einer ist richtig durchgestiegen. Wir hatten ein Gewirr von sieben Förderungserlassen, 13 Regelungsbereichen und 32 Kriterien der jewei

(Minister Dr. Heiner Garg)

ligen Zuweisungen von Landesmitteln. Das klingt wirklich kompliziert, und es war auch kompliziert.

Schleswig-holsteinische Familien müssen im Schnitt, das wurde erwähnt, 9 % ihres Einkommens für die Kinderbetreuung aufwenden. Das ist zu viel, und das werden wir ändern.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Dabei müssen wir im Hinterkopf behalten, dass das die unrühmliche Spitze in der Bundesrepublik Deutschland ist. Eltern müssen oft mehr als 600 € für einen Krippenplatz bezahlen. Dabei sind sie bei der Suche nach geeigneten Kita-Plätzen keineswegs flexibel, sondern sie müssen sich fügen, sofern sie keine besondere Pädagogik wie die Waldorf- oder Waldpädagogik in Anspruch nehmen wollen. Wenn es ein ganz normaler Kindergarten ist, müssen sie immer das Okay der Gemeinde haben, wenn sie ihr Kind anderswo unterbringen wollen. Nur wenn die Wohnortgemeinde ihre Zustimmung gibt, können sie darauf hoffen, ihr Kind in der Wunsch-Kita unterbringen zu können.

Wie ist die Situation bei der Sozialstaffel, für Eltern mit kleinerem Geldbeutel? - Eltern, die über wenig Geld verfügen und Transferleistungen vom Staat erhalten, werden in den Kreisen und kreisfreien Städten durch die jeweilige Sozialstaffel unterschiedlich hoch entlastet. Hierbei kann man wirklich von einem Flickenteppich sprechen. Es gibt 15 verschiedene Sozialstaffeln und 15 verschiedene Erstattungsmöglichkeiten. Das wollen wir ändern.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)