Protokoll der Sitzung vom 12.12.2019

Wenn wir uns tatsächlich mit den Arbeitsbedingungen vor Ort beschäftigen, dann sollten wir die Augen nicht vor der Wirklichkeit verschließen und ernsthaft über das sprechen, was passiert. Mit den neuen Vorbereitungszeiten, die Sie jetzt im KitaGesetz festschreiben, ändert sich an ganz vielen Kindertagesstätten in Schleswig-Holstein erst einmal nichts, weil diese Zeiten da schon vorhanden sind, teilweise sogar mehr Zeiten zur Verfügung stehen. Wir reden gerade mit den Gemeinden darüber, dass sie diese Mehrzeiten dann nicht einsparen, sondern weiterhin zur Verfügung stellen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung der Abgeordneten von Kalben?

(Jette Waldinger-Thiering)

Frau Präsidentin, das tue ich.

Lieber Herr Habersaat, Sie haben vorhin gesagt, es sei unstrittig, dass der Fachkräftebedarf durch die Reform steigen werde. Das sehen wir auch so. Wir haben bestimmte Rahmenbedingungen gesetzt, die zwar nicht in allen Kitas zu Qualitätsverbesserungen führen werden, aber in einigen. Insofern wird es dafür mehr Personal brauchen.

Sie sagen allerdings, dies führe nicht zu einer entsprechenden Entlastung. Das ist meiner Meinung nach unlogisch. Die Änderung wird nicht überall zu Entlastungen führen; aber der bessere Fachkraft-Kind-Schlüssel - dazu gehört die Vorbereitungszeit - ist eine Verbesserung für die Einrichtungen.

- Frau Kollegin von Kalben, ich habe meinen Vortrag nicht wissenschaftlich vorbereitet. Ich versuche, es optisch darzustellen: Die Änderung des Fachkraft-Kind-Schlüssels hat ungefähr so einen Einfluss auf den Fachkräftebedarf,

(Der Redner hält die Hände weit auseinan- der)

und die Änderung der Vorbereitungszeiten hat maximal so einen Bedarf.

(Der Redner hält die Hände nah beieinander - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist fürs Proto- koll etwas schwierig! - Zuruf FDP: Haben Sie noch ein Schaubild?)

- Wir können das gerne das nächste Mal aufarbeiten.

Wir stellen fest, dass wir beim Kita-Gesetz zu Recht auch die Interessen der Eltern in einigen Bereichen in den Mittelpunkt stellen werden, zum Beispiel wenn es um die Schließzeiten geht. Die orientieren sich daran, dass die Kinder in den Sommerferien betreut werden, nicht daran, dass es den Erzieherinnen und Erziehern besonders gut geht; das bringt möglicherweise keine Verbesserung der Arbeitssituation mit sich. Das müssen wir ehrlich miteinander betrachten. Wir können das gemeinsam tun. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Eka von Kalben.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fange mit einem Satz zu Ihrer Rede an, Herr Habersaat. Sie haben gesagt, wie sich das Verhältnis darstellt. Es gibt ziemlich genaue Aufstellungen darüber, wieviel die Verbesserung der Qualität kostet. Wir bitten darum, dass es aufbereitet wird. Sie werden daran erkennen, dass die Erhöhung der Verfügungszeiten mehrere Millionen € kostet; Sie erkennen daran, dass das im Verhältnis nicht so wenig ist.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Abgeordneten Habersaat?

Sehr gern.

Ich habe eine kurze Zwischenbemerkung. Ich habe noch nicht alle Kitas in meinem Wahlkries Südstormarn besucht, konnte aber in meinem Wahlkreis noch nicht vor Ort feststellen, dass es eine Kita gibt, in der die Verfügungszeiten unter denen, die Sie jetzt im Gesetz festschreiben, liegen.

- Erstens legen wir Mittelstandards fest. Zweitens ist es schön, dass die Qualität in Südstormarn hoch ist. Drittens beruhen die Verfügungszeiten auf der Erhebung der LAG der Wohlfahrtsverbände, die uns zugeleitet wurde. Da haben wir noch eine halbe Stunde draufgelegt. Wir haben also messen lassen, wie hoch der Durchschnitt ist. Abhängig davon haben wir noch Geld draufgelegt. Es stimmt, dass es trotzdem Kitas gibt, bei denen dies keine positiven Auswirkungen haben wird. Das müssen wir bei der Evaluation beachten. Zum Glück ist der Kreis Südstormarn reich. Vielleicht kann er es mit unterstützen, dass wir an dieser Stelle zu einer weiteren Verbesserung kommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf den Antrag zu sprechen kommen, weil wir über die Kita-Reform gleich noch reden werden. Ich bin für den vorliegenden Antrag, den Sie gestellt haben, sehr dankbar. Tatsächlich bedarf es - das habe ich während der Reform immer gesagt -, nicht nur dreier Säulen, sondern noch einer vierten, nämlich eines Fachkraft-Kind-Schlüssels. Wir müssen uns an diese Aufgabe machen. Wir haben dazu im letzten Jahr intensiv gearbeitet und Fachgespräche geführt.

Ich bin wirklich dankbar dafür, dass wir an dieser Stelle gemeinsam im Ausschuss weiterkommen.

Ich möchte nur nicht, dass wir die Hoffnung zu hoch hängen. Wir haben viel darüber nachgedacht, wie man das Problem löst. Ines Strehlau hatte es als „Quadratur des Kreises“ bezeichnet. Wir wollen eine hohe Qualität. Die kostet aber auch Zeit für Ausbildung. Wir wissen, dass es die jungen Leute sehr abschreckt, wenn die Ausbildung zum Erzieher fünf Jahre dauert. Eine Verkürzung der Ausbildungszeit bei gleichzeitig hoher Qualität ist nicht ganz einfach.

Wir können die Ausbildungsplätze nicht unendlich erhöhen, solange wir die Lehrkräfte dafür noch nicht ausbilden. Ich habe mit verschiedenen Berufsschulen gesprochen. Diese würden gern mehr ausbilden, haben aber keine Lehrkräfte. Dann habe ich gesagt: Bildet sie doch aus! Da wiederum stellte ich fest, dass es einen Mangel an Studierenden an der Europa-Universität Flensburg gibt.

Der Beruf des Erziehers steht in Konkurrenz zu vielen Berufen. Alle jungen Leute werden künftig gebraucht. Die Ausbildung zum Erzieher steht in Konkurrenz zur Ausbildung zur Pflegefachkraft und vielen anderen Ausbildungsberufen.

Ich fand in dieser Debatte einen Punkt, den Jette Waldinger-Thiering gebracht hat, sehr wichtig: Wir müssen uns wirklich anstrengen, um ein positives Bild des Berufs der Erzieherin zu schaffen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, vereinzelt FDP und SSW)

Wir müssen dafür werben. Denn wir könnten auch dafür sorgen, dass wir noch mehr junge Leute abschrecken, diesen Beruf zu ergreifen. Ich freue mich auf die Debatte zur Kita-Reform. Ich glaube tatsächlich, dass bessere Arbeitsbedingungen und das Gefühl, dass man einen wertvollen Beitrag für die frühkindliche Bildung leistet, ganz wichtige Aspekte sind, um den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen. Insofern freue ich mich auf die Beratung im Ausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU, FDP und SSW)

Das Wort für die Landesregierung hat die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Ich freue mich zunächst einmal darüber, dass wir diese Debatte führen und uns im Haus einig sind, dass die frühkindliche Bildung und Erziehung eine der ganz großen Herausforderungen unserer Gesellschaft und auch unseres Bildungswesens ist. Wenn wir über Bildungsgerechtigkeit sprechen, dann müssen wir heute in allererster Linie über unsere Kitas sprechen. Dort wird der Grundstein gelegt für Bildungsgerechtigkeit, für ein erfolgreiches lebenslanges Lernen und für unsere innovative Wissensgesellschaft.

(Beifall CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und SSW)

Natürlich ist es dann von großer Bedeutung, dass wir den Fachkräften, die in unseren Kitas arbeiten, die entsprechende Wertschätzung entgegenbringen. Da, liebe Frau Waldinger-Thiering, haben wir tatsächlich Luft nach oben. Wenn wir uns darüber einig sind, sind wir uns auch darüber einig sein, dass wir mehr tun müssen, um gute Fachkräfte für die Kitas zu gewinnen, sie gut auszubilden und im Beruf zu halten.

Zu den einfachen Lösungen, wie sie zum Teil diskutiert werden - Frau Midyatli, ich bin mir mit Ihnen da völlig einig -: Eine Herabsenkung des Niveaus der Erzieherinnenausbildung wäre der falsche Weg, wenn man der Überzeugung ist, dass die Kitas eine große Rolle für die Bildung in unserem Land spielen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich bin sehr froh, dass da Einigkeit besteht, auch mit den Gewerkschaften. Ich kann Ihnen dazu noch eins sagen: Dass dieser Tagesordnungspunkt von der KMK abgesetzt wurde, ist nicht nur den Gewerkschaften zu verdanken. Ich kann sagen: Wir Schleswig-Holsteiner haben auch dazu beigetragen. Mit mir ist eine solche Herabsenkung definitiv nicht zu machen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich werbe sehr dafür, dass wir uns mit den Gesamtrahmenbedingungen beschäftigen. Lieber Herr Habersaat, der richtige Zeitpunkt, um sich mit diesen Themen zu beschäftigen, war der Tag der Regierungsübernahme. Seit diesem Zeitpunkt beschäftigen wir uns damit. Ich bin sehr froh, dass wir die Rahmenbedingungen in vielen Bereichen deutlich

(Eka von Kalben)

haben verbessern können. Wir haben die Anzahl der Planstellen und die Anzahl der Klassenzahlen, in denen wir Erzieherinnen und Erzieher in Deutschland ausbilden, seit 2017 deutlich erhöht. Das war dringend erforderlich. Die Zahlen sind hier dargestellt worden: 50 weitere Planstellen, 15 weitere Klassenzüge und eine Erhöhung der Zahl der Auszubildenden von 3.551 auf 3.812. Wir machen da weiter, meine Damen und Herren.

Insofern besteht durchaus Übereinstimmung mit den Ansätzen in Ihrem Antrag. Einiges von dem, was Sie fordern, haben wir bereits abgearbeitet. Selbstverständlich ist es heute schon möglich, die sozialpädagogische Assistentenausbildung als berufsbegleitende Ausbildung zu absolvieren. Diese berufsbegleitende Ausbildung wird vergütet.

Wir haben eine Verordnung auf den Weg gebracht, damit die sozialpädagogische Assistentenausbildung unter bestimmten Bedingungen im Rahmen der Weiterqualifizierung verkürzt durchgeführt werden kann.

Die Praxisintegrierte Ausbildung wird an fünf Standorten im Land angeboten. Sieben weitere Standorte planen derzeit die Umsetzung. Da ist also richtig Bewegung in die Sache gekommen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir haben dafür die Rechtsgrundlagen geschaffen. Wir haben eine Handreichung dazu auf den Weg gebracht, sodass allen Beteiligten die Rahmenbedingungen klar sind. Ich glaube, dass wir auch hier auf einem guten Weg sind.

Wir bilden mehr Lehrkräfte in der Fachrichtung Sozialpädagogik aus. Wir gewinnen in diesem Bereich vor allem durch den Quereinstieg Lehrkräfte. Es ist nicht trivial, Lehrkräfte für dieses Thema zu gewinnen. Die Ausbildungskapazitäten an unserem Landesseminar sind gut ausgelastet. Wir beobachten sehr genau, wie die Bedarfe sind und steuern unmittelbar nach, wenn wir das Gefühl haben, dass wir dort mehr Kapazität brauchen.

Wir werden aber auch noch andere Wege gehen müssen. Frau Klahn hat es erwähnt: Wir haben gemeinsam mit der BA die Maßnahme für den Seiteneinstieg auf den Weg gebracht. Über 100 Frauen und Männer unterschiedlichen Alters steigen dort jetzt in den Erzieherberuf ein. Auch das ist aus meiner Sicht eine wichtige Maßnahme. wir sind uns insoweit einig.

Ich rate davon ab, jetzt an den Zugangsvoraussetzungen für Abiturienten nur in Schleswig-Holstein

herumzuschrauben. Wir beraten das gerade auf Bundesebene. Wir müssen da wirklich aufpassen, dass wir keine Alleingänge machen. Die Brandenburger und Mecklenburger haben das mit eigenen verkürzten Ausbildungsgängen versucht. Sie haben sie wieder eingestampft, weil sie bundesweit nicht anerkannt werden.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Das hat wenig Sinn. Deswegen sollten wir die bundesweiten Beratungen und unsere Beratungen zu synchronisieren versuchen, damit wir keine Alleingänge machen, die letztlich zu weniger Akzeptanz des Ausbildungsberufes beziehungsweise der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung führen. Wir sind auf Bundesebene weiter unterwegs, die Förderung im Rahmen des Aufstiegs-BAföGs zu erhöhen, damit wir dort die Rahmenbedingungen für die Schülerinnen und Schüler optimieren.