Protokoll der Sitzung vom 22.01.2020

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat sich der Abgeordnete der SPD-Fraktion Martin Habersaat gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich jetzt nicht zu Wort gemeldet, um auf den letzten Wortbeitrag einzugehen.

Wir haben heute vom Erlebnis Bungsberg gehört, und es gibt zum Beispiel das Naturerlebnis Grabau im Kreis Stormarn. Das sind in der Tat sehr gute Einrichtungen. Jetzt fragen wir: Was trägt das Land dazu bei?

(Zuruf FDP: Es gibt auch Gutes ohne das Land!)

- Es gibt auch Gutes ohne das Land, okay.

Es gibt die Zukunftsschulen in Schleswig-Holstein. Ich habe das eben angesprochen und will das noch ein wenig vertiefen. Ich glaube, die funktionieren

(Tobias von der Heide)

da besonders gut, wo die Sparkassen mit sehr viel Engagement und Antrieb dafür sorgen, dass das funktioniert. Anderswo funktioniert es aufgrund des Engagements engagierter einzelner Lehrkräfte, die nach einem Wechsel aber häufig eine Schule zurücklassen, die im nächsten Durchlauf keine Zukunftsschule mehr ist. Da muss man also genauer hinschauen.

Genauer hinschauen will ich auch im zweiten Teil. Bildung für nachhaltige Entwicklung hat das Ziel das ist meine Wahrnehmung -, eine Generation so zu bilden, dass sie in der Lage ist, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen das mit ihren Bedürfnissen nicht mehr machen können. Wir müssen einräumen, dass wir eine solche Generation nicht sind; denn wir riskieren, dass künftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können. - Ich sehe zustimmendes Nicken bei den Grünen und nicht ganz so zustimmende Reaktionen bei der FDP.

Damit bin ich wieder bei meiner Kritik, die ich schon im ersten Teil geäußert habe. Das Problem betrifft nämlich alle Bereiche. Man muss - wir haben es gehört - über Ökonomie, Ökologie und Soziales reden. Nun komme ich als gelernter Lehrer und sage: Das Thema ist so groß, dass es nicht operationalisierbar ist. Es muss schon konkretisiert werden, damit ich an der Schule damit arbeiten kann.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Wir müssen nicht alles operationalisierbar machen!)

Wenn es denn konkreter sein soll, dann muss ich fragen: Was soll konkreter werden?

Wir haben hier von der CDU eine im wesentlichen landwirtschaftspolitisch geprägte Rede gehört. Von den Grünen haben wir eine lupenreine Agenda-21Rede gehört. Und wir haben Frau Klahn gehört.

(Anita Klahn [FDP]: Wie schön! - Heiterkeit FDP)

Bei diesen drei Beiträgen gab es keinen gemeinsamen Nenner - mit Ausnahme der Überschrift. Darauf bezog sich meine Kritik. Sie haben sich auf eine Überschrift, auf ein Motto geeinigt; aber es steckt nichts dahinter. Überzeugen Sie uns eines Besseren, und ich werde hier stehen und Sie alle drei loben! - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort für die Landesregierung hat die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Karin Prien.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Was soll schulische Bildung und Erziehung heute eigentlich leisten? Auf den Punkt gebracht: Wir wollen junge Menschen dazu befähigen, sich in einer modernen Gesellschaft zu orientieren und diese zu gestalten. Sie sollen politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und - drängend - eben auch ökologische Fragen und Probleme im Zeitalter von Globalisierung und Digitalisierung kompetent bewerten und einordnen können. Wir wollen sie zu demokratisch aktiven Menschen, die ihre eigenen Interessen vertreten können und dabei immer auch konsensbereit bleiben, bilden und erziehen.

Am Lernort Schule können wir zivilgesellschaftliches Engagement anregen und dazu ermuntern. Wir können Schülerinnen und Schülern zeigen, dass ihr Engagement, zum Beispiel im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsziele und die Generationengerechtigkeit, wirksam sein kann, dass sie Dinge in unserem Land verändern können, das heißt, dass sie Gestaltungsmöglichkeiten haben.

Deshalb richteten wir im Jahr 2019, dem Jahr der politischen Bildung - Tobias von der Heide hat es schon ausgeführt -, das Scheinwerferlicht bewusst auf die vielen Möglichkeiten der Mitgestaltung, die es in einer demokratischen Gesellschaft gibt. Im Rückblick auf das Jahr der politischen Bildung können wir feststellen: Ja, wir haben viele Schülerinnen und Schüler, aber auch viele Lehrkräfte zusätzlich motiviert, sich aktiv an demokratischen Prozessen zu beteiligen.

Natürlich war und ist es unser Ziel, die Bedeutung der Demokratiebildung auch über 2019 hinaus im Bewusstsein aller an Schule Beteiligten - vornehmlich der Schülerinnen und Schüler, aber auch im Bewusstsein der Gesellschaft insgesamt - stärker zu verankern.

In diesem Sinne war das Jahr der politischen Bildung sozusagen der Vorläufer, und das Jahr der Bildung für Nachhaltige Entwicklung ist die konsequente Fortsetzung des Vorjahres, übrigens auch der Diskussion über Fridays for Future. Vielleicht ist Herr Habersaat bei unserer letzten Debatte krank gewesen; ich weiß es nicht mehr so genau. Ich glaube, wir haben umfangreich darüber berichtet, dass wir an den Schulen bereits im vergangenen Jahr eine Vielzahl von Projekten im Kontext von Fridays for Future angeregt und durchgeführt haben und

(Martin Habersaat)

dass das natürlich auch zu der Auseinandersetzung gehört hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dennys Bornhöft [FDP])

Das ist auch deshalb so wichtig, weil es, wie die Bildungswissenschaftlerin Mandy Singer-Brodowski untersucht hat, als Voraussetzung dafür, dass die jungen Leute bereit sind, sich mit dem Themenkomplex nachhaltige Entwicklung zu beschäftigen, ganz entscheidend darauf ankommt, dass wir ihnen aufzeigen, dass BNE Sinn hat, dass es sich lohnt, sich für diese Ziele zu engagieren. Die jungen Menschen dürfen die berechtigte Hoffnung haben, durch ihr Engagement und ihr Handeln etwas zu verändern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Das bedeutet dann eben auch eine große Verantwortung für uns Politiker, insbesondere für uns Bildungspolitiker; denn junge Menschen erwarten zu Recht verantwortungsvolles Handeln von uns.

Bildung für nachhaltige Entwicklung umfasst auch das wurde bereits ausgeführt - weit mehr als die Frage des Klimaschutzes. Dabei geht es um alle Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. BNE eröffnet neue Perspektiven und animiert die Lernenden, Zusammenhänge zu entdecken und sich selbständig Erkenntnisse zu erarbeiten. Sie befähigt junge Menschen dazu, auf gemeinschaftliche Weise eine lebenswerte Zukunft zu gestalten. BNE will dabei Lerninhalte in neue Beziehungen zueinander setzen und die erforderlichen Methoden vermitteln, um den erlernten Stoff bei der Mitgestaltung unserer Welt einsetzen zu können. BNE ist eben - wie Demokratiebildung - kein zusätzlicher Lernstoff oder gar ein neues Unterrichtsfach; es ist vielmehr eine Querschnittsaufgabe für die Schule und die gesamte Gesellschaft.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das Bildungsministerium hat - übrigens schon in der vergangenen Legislaturperiode; das will ich ausdrücklich sagen - bereits viele wichtige, große und kleine, Schritte auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Bildung unternommen, übrigens gemeinsam mit vielen Partnern, auch mit Stiftungen, mit denen wir in Schleswig-Holstein intensiv zusammenarbeiten, sowie mit vielen außerschulischen Lernorten. Wir haben BNE inzwischen in allen Anforderungen, auch in den neuen Fachanforderungen, fest verankert. Das geht natürlich mit einer

Veränderung der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften einher. Aber auch die erste Phase der Lehrerausbildung wird entsprechend angepasst.

Wir können auf fest etablierte Strukturen zurückgreifen. Wir haben in jedem Kreis Fachberaterinnen für Umwelterziehung und BNE, die konkret und regionalisiert schulische Aktivitäten anregen, unterstützen und vernetzen. Wir haben inzwischen mehr als 300 Zukunftsschulen im Land; über 200 sind rezertifiziert. Insofern können wir gemeinsam auch ein Stück weit stolz sein auf das, was in SchleswigHolstein schon erreicht wurde.

Wir haben Schulnetzwerke, die sich auf BNE fokussieren. Das sind nicht nur die Zukunftsschulen, sondern auch die UNESCO-Projektschulen und die UNESCO-Baltic-Sea-Project-Schulen. Wir werden dort weitermachen und noch mehr tun als das, was wir bereits im Jahr 2019 geleistet haben.

Der Kongress, den wir für den 28. Februar 2020 vorbereiten, wird selbstverständlich gemeinsam mit allen relevanten Akteuren, vor allem Schülerinnen und Schülern, vorbereitet. Wir beteiligen insbesondere die Schülerinnen und Schüler der Schulen, die ich gerade genannt habe. Auch die Landesschülervertretung wird eingebunden. Die Schülerinnen und Schüler gestalten diesen Kongress maßgeblich selbst mit. Das ist ein guter Weg, an diese Themen heranzugehen.

Das wird keine Eintagsfliege sein. Wir werden den Kongress auf digitalem Wege weit in das Land hinein übertragen. Es wird Folgeveranstaltungen geben. Auch diese sind schon konkret geplant. Insbesondere wird am 5. Juni 2020 eine landesweite Digitalkonferenz stattfinden.

Meine Damen und Herren, wichtig ist mir dabei immer auch der Bezug zur eigenen Heimat. Es geht mir auch und vor allem um die Probleme und die Auswirkungen unmittelbar vor der eigenen Haustür; denn erst der Blick auf die Herausforderungen der eigenen Region öffnet den Kindern und Jugendlichen den Blick auch auf die globalen Probleme.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dennys Bornhöft [FDP])

Meine Damen und Herren, wir werden diesen Prozess gemeinsam und generationenübergreifend gestalten. Ich lade Sie alle, alle Fraktionen, ausdrücklich dazu ein, uns hierbei zu begleiten. Ich bin mir sicher, es wird gelingen, dass Schleswig-Holstein auf diesem Themenfeld weiter eine Vorreiterrolle einnimmt. Ich freue mich darauf und bedanke mich für die Diskussion zu Ihrem Antrag.

(Ministerin Karin Prien)

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Ministerin hat die vereinbarte Redezeit um knapp 2 Minuten überschritten. Davon können jetzt theoretisch alle Fraktionen Gebrauch machen. - Ich sehe aber nicht, dass das der Fall ist.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.

(Die Mitglieder der CDU-Fraktion zögern mit der Zustimmung - Heiterkeit SPD - Mar- tin Habersaat [SPD]: Wir sind überzeugt von unserer Enthaltung!)

Die Gegenprobe! - Enthaltungen?

(Zuruf SPD: So geht das! - Christopher Vogt [FDP]: Hey, Enthaltung!)

Damit ist der Antrag Drucksache 19/1783 mit den Stimmen von -

(Zuruf SPD: Vielleicht hätten wir gemeinsam mit euch den Arm heben müssen!)

Ich würde jetzt gern das Ergebnis der Abstimmung vortragen. - Damit ist der Antrag Drucksache 19/1783 mit den Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, CDU und der Fraktion der AfD bei Enthaltung von SPD und SSW angenommen.

(Beifall FDP)