Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete der SPD-Fraktion, Birte Pauls.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im März 2019 haben wir Sozialdemokraten die fehlenden Kurzzeitpflegeplätze im Land und die daraus resultierenden Auswirkungen bereits thematisiert. Jedoch wurde unser Antrag ohne eine fachliche Diskussion im Ausschuss dazu abgelehnt. Die Jamaika-Koalition schob die Verantwortung, wie so oft, Richtung Berlin.
Warum stellen wir diesen Antrag also erneut? Die Landesregierung hat in der Zwischenzeit immer noch kein Konzept zur Verbesserung der Situation vorgelegt und ist weiter untätig. Die Koalition hat auf Bundesebene, wie von Jamaika gefordert, im Dezember 2019 eine Stärkung der Kurzeitpflege und eine wirtschaftlich tragfähige Vergütung auf den Weg gebracht, die auch die Beschlüsse der ASMK berücksichtigt, die einige SPD-Länder auf den Weg gebracht haben. Aber vor allem stellen wir den Antrag erneut, weil die Situation für die betroffenen Menschen weiterhin schlecht ist, denn die Zahl der Kurzeitpflegeplätze im Land reicht weiterhin nicht aus.
Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege sind ein wichtiges Angebot in der Gesundheitsversorgung. Man spricht von Kurzzeitpflege, wenn eine pflegebedürftige Person für eine begrenzte Zeit eine vollstationäre Pflege benötigt. Das kann zum Beispiel nach einem Krankenhausaufenthalt der Fall sein. Wenn pflegende Angehörige sich selbst in Behandlung begeben müssen oder in einen wohlverdienten Urlaub möchten, sprechen wir von sogenannter Entlastungspflege. Laut AOK NORDWEST haben wir zurzeit 1.658 sogenannte eingestreute Kurzzeitpflegeplätze, also Betten im normalen vollstationären Bereich. Für Kinder gibt es diese Angebote in Schleswig-Holstein überhaupt nicht.
Das wachsende Problem ist, dass die Einrichtungen voll sind und diese Betten also faktisch gar nicht zur Verfügung stehen. Die Nachfrage nach vollstationärer Pflege steigt im Takt mit einer immer älter werdenden Gesellschaft. Die Kurzzeitpflege kommt dabei zu kurz.
Immer wieder betonen wir, auch letztens auf dem Empfang des Sozialverbands, wie wichtig die pflegenden Angehörigen im System Pflege sind und wie achtsam wir mit ihnen umgehen müssen. Sie sind nun einmal der größte Pflegedienst im Land. Ohne sie würde das gesamte System zusammenbrechen.
Die Realität ist aber leider eine andere. Wir können den pflegenden Angehörigen nicht einmal das gewährleisten, was ihnen an Entlastung zusteht, zum Beispiel einen Kurzzeitpflegeplatz für ihre Pflegebedürftigen, damit sie sich von der Dauerbelastung erholen können. Wer pflegender Angehöriger ist, fährt nicht mal eben spontan in den Urlaub. Lange Wartezeiten oder spontane Angebote erschweren die Situation und machen langfristige Pläne unmöglich.
Das Vorhalten von Kurzzeitpflege ist für die Einrichtungen wirtschaftlich und organisatorisch nicht attraktiv, weil es eines erhöhten Aufwands bedarf. Die Einrichtungen sind nicht verpflichtet, diese Plätze auch wirklich für die Kurzzeitpflege freizuhalten. Die leerstehenden Betten werden nicht vergütet.
Wir können es den Einrichtungen nicht zumuten, das finanzielle Risiko für die Vorhaltung von Kurzzeitpflegeplätzen zu tragen. Gleichzeitig aber dürfen wir das Angebot von Kurzzeitpflegeplätzen nicht dem freien Markt und damit dem Zufall überlassen.
Da haben wir einen gesetzlichen Auftrag. Laut § 9 Sozialgesetzbuch XI sind die Länder für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen Versorgungsstruktur zuständig. Deshalb bitte ich darum, beide Anträge in den Sozialausschuss zu überweisen, sodass wir miteinander in einem kleinen Rahmen mit einigen wenigen Experten angemessen darüber diskutieren können.
Die meisten Menschen möchten solange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung mit den liebgewonnenen Netzwerken und bekannten Strukturen bleiben. Ihnen das zu organisieren, muss doch unsere Aufgabe sein. Dazu gehört eben auch eine gute Mobilisation und die Überbrückung einer Krisensituation, die zu Hause nicht möglich ist, aber ein Nach-Hause-Kommen wieder möglich macht.
Wenn wir es also mit ambulant vor stationär wirklich ernst meinen, wenn wir den Lobeshymnen auf die pflegenden Angehörigen über die Sonntagsreden hinaus auch Taten folgen lassen wollen, dann muss diese Landesregierung jetzt und hier handeln und ihrer gesetzlichen Verpflichtung endlich nachkommen.
Andere Bundesländer haben schon Programme zur Stärkung der Kurzzeitpflege aufgelegt. Es gibt Pauschalen für leerstehende Betten, Investitionskosten
zuschüsse und viele andere gute Ideen. Wir erneuern mit unserem Antrag daher die Forderung nach einem Konzept für eine bedarfsgerechte und solitäre Kurzzeitpflege in Schleswig-Holstein. Träger und Kassen sind motiviert.
Der Minister hat Gestaltungsmöglichkeiten, die er dringend nutzen sollte. Wir helfen auch gern mit. Alle handfesten Aufgaben immer nur in Richtung Berlin zu schieben, ist uns an dieser Stelle zu dünn und wird der Verantwortung nicht gerecht.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! In diesem Parlament sind wir uns alle einig, dass wir zu wenig Kurzzeitpflegeplätze haben. Wir alle finden es bedauerlich und versuchen, es zu ändern, dass in Schleswig-Holstein keine solitäre Kurzzeitpflege angeboten wird.
Derzeit gibt es - Frau Pauls hat es gesagt - in Schleswig-Holstein nicht einmal 1.700 Kurzzeitpflegeplätze. Es handelt sich dabei um die sogenannte eingestreute Kurzzeitpflege in Alten- und Pflegeheimen. Die Pflegenden erfahren dort eine andere Pflege als in solitären Einrichtungen. In diesen steht die Zurückgewinnung der Selbständigkeit im Vordergrund und nicht die Fortführung der Pflege. Ich glaube, dass das ein anderer Ansatz ist. Wenn jemand nach einem Krankenhausaufenthalt nicht in der Lage ist, selbst zurechtzukommen, sind diese Einrichtungen der solitären Kurzzeitpflege genau das Richtige.
Es kann uns allen passieren, darauf angewiesen zu sein. Deswegen sollten wir alles daransetzen, dass wir diese Möglichkeit der Betreuung in SchleswigHolstein wiedererlangen.
Das ist allerdings nicht unbedingt nur ein Problem in Schleswig-Holstein; das wissen wir. Das gilt für die gesamte Bundesrepublik. Es gibt keine ausreichende Anzahl von Plätzen in der solitären Kurzzeitpflege. Das müssen wir irgendwie ändern.
Ich glaube, es ist keine gute Lösung, einfach Geld zuzuschütten. Der Mangel an diesen Plätzen rührt daher, dass es nicht wirtschaftlich ist, diese Pflege zu betreiben. Es ist eine ungenügende Wirtschaftlichkeit. Das von den Einrichtungen zu verlangen, ist Blödsinn. Wir müssen zusehen, dass das gut finanziert wird und die Einrichtungen wirtschaftlich arbeiten können.
In vergangenen Jahren haben wir das festgestellt und einen gemeinsamen Antrag gehabt. Wir haben das gemeinsam - bis auf die SPD, sie hat sich enthalten - auf den Weg gebracht. Unser Minister war tätig. Er hat es in Berlin vorgebracht. Im November 2019 wurde die Bundesregierung von Minister Garg aufgefordert, tätig zu werden.
Nun liegt fast der gleiche Antrag wie im letzten März vor. Der Bundestag hat sich mit diesem Problem beschäftigt. Das war seit Langem notwendig. CDU/CSU und SPD haben den Antrag verabschiedet, dass das Angebot der verlässlichen Kurzzeitpflege durch eine tragkräftige Vergütung gestärkt werden soll. Das hört sich ziemlich gut an. Aber es müssen auch Taten folgen. Da sehe ich ein Manko. Es heißt in diesem Antrag, das Ganze solle finanzneutral sein. Ich sehe nicht, dass das den Anschein einer Lösung erweckt. Das ist kritikwürdig.
Es ist unumgänglich, die Finanzierung weiterzuentwickeln, sodass eine auskömmliche Finanzierung sichergestellt werden kann. Außerdem müssen die Vergütungsvereinbarungen modifiziert werden. Daran geht kein Weg vorbei. Wir müssen auch berücksichtigen, dass in der Kurzzeitpflege die Verweildauer mit einem hohen organisatorischen Aufwand verbunden ist und hohe Vorhaltekosten anfallen, die bisher nicht vergütet werden. Es gibt eine schwankende, nicht planbare Nachfrage. Auch das ist nichts Neues. Zudem gibt es unterschiedliche Betreuungs- und Pflegeerfordernisse und einen hohen Koordinationsaufwand für Krankenhäuser, Ärzte, Therapeuten und die Einrichtungen. Die fachlichen Anforderungen sind nach wie vor hoch, und es ist notwendig, dass sie hoch sind.
In Schleswig-Holstein haben wir bereits viel für die Pflege getan. Erfreulich ist, dass die Leistungen für die Kurzzeitpflege seit nunmehr sechs Jahren flexibilisiert und ausgeweitet worden sind - das ist ja auch schön - und währenddessen Leistungsbeiträge
Auf Bundesebene muss nun entschieden werden, die Vergütung der Kurzzeitpflege anzuheben, um solch wichtige Pflegeplätze auskömmlich und wirkungsvoll betreiben zu können. Das ist unsere Forderung. Nach wie vor unterstreichen wir unsere Forderung nach einer breiten Einnahmestruktur, die Einführung eines Steuerzuschusses in der Pflegeversicherung. Wir brauchen neue Möglichkeiten für eine bedarfsorientierte Anpassung des Leistungsangebots. Das fordern wir vom Bund, das kann man nicht oft genug wiederholen.
Wir haben in unserem Alternativantrag acht Punkte aufgeführt, die wir im Ausschuss besprechen müssen. Ich finde es gut, dass es ein Portal geben soll, mit dem sich pflegende Familienangehörige informieren können, wo es in der Nähe einen Kurzzeitpflegeplatz gibt; ich wünsche mir ein bisschen mehr Serviceorientierung.
Ich stimme dem Vorschlag zu, dass wir uns im Ausschuss darüber unterhalten und uns mit Fachleuten austauschen, wie wir die Situation in SchleswigHolstein und womöglich in ganz Deutschland verbessern können. - Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Krankheit oder Alter und manchmal auch ein Unfall können von einer Sekunde zur anderen dazu führen, dass Menschen pflegebedürftig werden; leider trifft es oft auch junge Menschen, leider trifft es sie unverhofft, und leider sind sie häufig überhaupt nicht darauf vorbereitet, was das für sie und ihre Familie bedeutet. Deswegen bedanke ich mich bei der SPD-Fraktion, dass sie das Thema noch einmal auf die Tagesordnung bringt.
Es ist richtig, dass Jamaika und unser Minister tätig geworden sind, trotzdem ist es richtig und wichtig, immer wieder nachzusetzen und zu fragen: Wie weit ist es denn, und was können wir hier tun, was bisher noch nicht getan worden ist?
Dem wollen wir uns gern stellen. Der Anlass ist schlimm genug. Die Kurzzeitpflegeplätze reichen hinten und vorne nicht aus. Etwa 109.000 Personen
erhalten Leistungen zur Pflege der Pflegeversicherung. Etwa zwei Drittel davon werden zu Hause gepflegt; das sind etwa 70.000. Dann sollen 1.700 Plätze in der Kurzzeitpflege ausreichen? Das kann doch überhaupt nicht funktionieren!