Protokoll der Sitzung vom 22.01.2020

erhalten Leistungen zur Pflege der Pflegeversicherung. Etwa zwei Drittel davon werden zu Hause gepflegt; das sind etwa 70.000. Dann sollen 1.700 Plätze in der Kurzzeitpflege ausreichen? Das kann doch überhaupt nicht funktionieren!

Deswegen haben Sie völlig recht, und ich begrüße, dass die SPD-Fraktion es sagt: Wir müssen mehr Druck machen. Das ist ja auch ein Appell an Sie selbst. Auch Frau Kollegin Rathje-Hoffmann hat deutlich gemacht, dass der Druck von SchleswigHolstein aus nach Berlin noch einmal erneuert werden kann. Das müssen wir im Sinne der Pflegebedürftigen, aber auch der Pflegekräfte dringend tun.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kurzzeitpflege wird auch deswegen immer wichtiger, weil sie die Brücke zwischen der stationären Behandlung im Krankenhaus und dem ist, was das Ziel aller Patientinnen und Patienten ist, nach Hause zurückzukehren. Wenn diese Brücke aber so schmal ist und kein Platz für alle da ist, kann das nicht funktionieren, dann bleiben die Patientinnen und Patienten in den Krankenhäusern und kommen erst recht nicht nach Hause. Das ist nicht im Sinne einer guten Versorgung. Deswegen freue ich mich, dass wir von Jamaika einen ganzen Katalog an sinnvollen Maßnahmen zusammengestellt haben, wie die Struktur besser gemacht werden kann.

Ich sage an dieser Stelle einmal ganz deutlich: Ich bin etwas enttäuscht von der Großen Koalition, dass sie tatsächlich meint, dass so etwas finanzneutral gehen könnte. Wie soll das funktionieren?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich möchte noch einmal auf die pflegenden Angehörigen zurückkommen. Wenn Sie sich überlegen, was es bedeutet, 24 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche die eigenen Angehörigen zu pflegen und theoretisch das Recht zu haben, sich einmal auszuruhen und vor Burnout zu schützen, dieses Recht aber überhaupt nicht in Anspruch nehmen zu können - das darf nicht so bleiben. Es ist unser Auftrag, dass wir das ändern. Die Demografie gibt uns dort Rückenwind. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen im Sozialausschuss. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete der Dennys Bornhöft das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kurzzeitpflege ist ein wichtiger Bestandteil unseres Gesundheitssystems. Sie trägt dazu bei, Pflegebedürftige und Angehörige in schwierigen Situationen zu entlasten und möglichst lange eine häusliche Pflegesituation zu gewährleisten. Denn die allermeisten Menschen wollen bei einer Pflegebedürftigkeit möglichst lange in ihrer Wohnung bleiben. Überwiegend ist dies zum Glück auch der Fall, da weit über die Hälfte der Pflegebedürftigen zu Hause betreut wird.

Dies ist aber nur durch die vielen pflegenden Angehörigen möglich. Ohne die Angehörigen, die jeden Tag einen außerordentlichen Dienst tun und dabei selbst oft finanzielle wie mentale Einbußen in Kauf nehmen, wäre unser Sozialsystem nicht aufrechtzuerhalten. Ohne sie wäre der Wunsch der meisten Menschen, möglichst lange zu Hause zu altern, nicht umzusetzen.

Die Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI ist ein wichtiges Element, vor allem in Notsituationen. Viele haben es in der Familie oder im Bekanntenkreis sicherlich schon einmal selbst erlebt, dass kurzfristig eine stationäre Unterbringung zur Überbrückung erforderlich ist.

In der Begründung des SPD-Antrags wird erwähnt, dass die Kurzzeitpflege den pflegenden Angehörigen ermöglichen soll, eine Auszeit von der Pflege zu nehmen. Das ist nicht haargenau richtig; dabei handelt es sich eigentlich um ein anderes Instrument, nämlich die sogenannte Verhinderungspflege gemäß § 39 SGB XI. Diese kann auch in der häuslichen Umgebung erfolgen und ist ein weiteres stabilisierendes Instrument für die häusliche Pflege.

Das kann man leicht durcheinanderbringen, und wir haben festgestellt, dass es prinzipiell Sinn macht, die Entlastungspflege und die Verhinderungspflege zusammenzulegen, weil beide Instrumente die Pflege vor Ort stärken und bürokratische Hürden geschliffen werden können.

(Vereinzelter Beifall FDP)

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD stehen richtige Dinge, so auf den Seiten 96 und 97. Richtige Dinge müssen aber auch richtig angegangen werden. Die GroKo hat verabredet:

(Dr. Marret Bohn)

„Wir werden die Angebote für eine verlässliche Kurzzeitpflege stärken, indem wir eine wirtschaftlich tragfähige Vergütung sicherstellen.“

Das hat die Bundesregierung richtig erkannt und im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass die Vergütung von Kurzzeitpflegeplätzen derzeit nicht auskömmlich ist. Das ist der Grund dafür, dass es in Deutschland bisher so wenig alleinige Kurzzeitpflegeeinrichtungen, die sogenannten solitären Einrichtungen, gibt und auf der anderen Seite die eingestreuten Plätze hier und da oftmals für besser vergütete Langzeitpflegeplätze verwandt werden. Das landesseitige Zurverfügungstellen von Investitionsmitteln für vermeintliche solitäre Einrichtungen macht nur dann Sinn, wenn diese Plätze, nachdem man investiert hat, betriebswirtschaftlich mit der Pflegeversicherung finanziert werden können. Das können Sie derzeit leider nicht; das ist das Problem.

Nun ist das im Bundestag insofern angekommen, als sowohl CDU/CSU, SPD als auch FDP im Dezember 2019 dazu Anträge gestellt haben, die jetzt im Bundesgesundheitsausschuss liegen. Hoffen wir einmal, dass es dort zur Umsetzung kommt.

Wir müssen die Bundesregierung auch an dieser Stelle daran erinnern, was sie den Menschen in Deutschland versprochen hat: einen höheren Vergütungssatz für die Kurzzeitpflege sowie bessere Arbeitsbedingungen für die Angestellten.

(Beifall Annabell Krämer [FDP])

Dies ist zwingend erforderlich. Damit das aber nicht wieder wie bisher nur auf den finanziellen Schultern der Pflegebedürftigen ausgetragen wird, brauchen wir einen Steuerzuschuss für die Pflegeversicherung; denn das ist nicht zum Nulltarif zu haben.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Beate Raudies [SPD]: Aber Sie wollen doch die Steuern senken!)

- Wenn man als Bundesfinanzminister 13 Milliarden € Überschuss hat, sollte man erst einmal mit dem Überschuss umgehen, bevor man über weitere Steuererhöhungen nachdenkt, liebe Frau Raudies. Das sollten Sie als finanzpolitische Sprecherin wissen.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Beate Raudies [SPD])

- Ja, so ist Politik.

(Martin Habersaat [SPD]: Liberale Politik!)

Wie festgestellt, überfordern die Eigenanteile die Bevölkerung. Deshalb bedarf es einer grundlegenden Reform der Pflegeversicherung. - Bis eben dachte ich, dass die SPD dabei wäre. Vielleicht ist es inzwischen anders - wie es Frau Raudies gerade passt. Schade drum!

Wir haben die Forderung, dass die grundlegende Reform, dass die Pflegeversicherung auf finanziellen Füßen stehen muss, schon 2019 in den Bundesrat geschickt. Dort gab es einen entsprechenden Beschluss. Die solitären Kurzzeitpflegeeinrichtungen müssen bei dieser Reform mitgedacht werden. Nur wenn die finanziellen Rahmenbedingungen verbessert werden, können in Schleswig-Holstein dauerhaft mehr Kurzzeitpflegeplätze entstehen und gehalten werden.

Daher fordern wir die Bundesregierung und den Bundestag auf, den finanziellen Rahmen gemäß dem Koalitionsvertrag umzusetzen. Ich freue mich auf die gemeinsame Beratung im Sozialausschuss vielleicht auch mit Ihnen, Frau Raudies. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und Burkhard Peters [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Kurzzeitpflege kann in Anspruch genommen werden, wenn die Versorgung zu Hause dauerhaft oder vorübergehend nicht im erforderlichen Umfang gewährleistet werden kann. Mithilfe der Kurzzeitpflege soll eine Übergangszeit nach einer stationären Behandlung oder eine kurzfristige Krisensituation in der häuslichen Versorgung bewältigt werden. Die Kurzzeitpflege soll die häusliche Versorgung stärken, eine stationäre Langzeitpflege hinauszögern oder möglichst sogar verhindern.

Genau das liegt im Interesse der Pflegebedürftigen. Viele Menschen wollen so lang wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. In der Praxis ist es leider tatsächlich so, dass die Kurzzeitpflege nicht so funktioniert, wie sie sollte. Dies liegt maßgeblich an den schlechten Rahmenbedingungen und natürlich auch an wirtschaftlichen Zwängen. Kurzzeitpflegeplätze sind organisatorisch an die Pflegeheime angebunden. Es gibt wohnortnah viel zu wenige davon. Viele Einrichtungen haben diese Kurz

(Dennys Bornhöft)

zeitpflegeplätze in reguläre Plätze umgewandelt, weil es schlichtweg wirtschaftlicher ist.

Kurzzeitpflege erfordert einen hohen Personaleinsatz, eine gezielte Förderung und ein regelmäßiges Training, um die Menschen in die Lage zu versetzen, dass sie wieder in ihre Wohnung zurückkehren können. Kurzzeitpflege kostet also Geld - das ist ein entscheidendes Kriterium -: es fehlt in der Kurzzeitpflege nicht nur an Geld, sondern auch an geeignetem und gut ausgebildetem Personal. Kurzzeitpflege ist daher für viele Träger der Pflegeheime schlicht unwirtschaftlich und vielfach auch nicht leistbar.

Im Ergebnis verfehlte die Idee der Kurzzeitpflege aufgrund des Personalmangels und damit einhergehender gezielter Förderung der pflegebedürftigen Menschen ihre selbstgesteckten Ziele klar und eindeutig. Das zeigen auch die Ergebnisse der Kurzzeitpflege sehr anschaulich: Etwa 80 % der Pflegebedürftigen müssen entweder wieder zurück ins Krankenhaus, oder es folgt die reguläre, vollstationäre Pflege - also genau das, was wir eigentlich nicht wollten.

Die Forderung, ein bedarfsgerechtes, wohnortnahes Angebot an Kurzzeitpflegeplätzen in SchleswigHolstein sicherzustellen sowie die Qualität für eine fachgerechte Kurzzeitpflege zu gewährleisten, tragen wir mit. Hierzu gehört auch das Konzept, solitäre Kurzzeitpflegeeinrichtungen stärker mit Investitionsmitteln zu fördern. Auch das ist richtig, und hier sind die Länder in der Pflicht. Die Vorhaltung einer leistungsmäßig und zahlenmäßig ausreichenden Pflegeversorgungsinfrastuktur liegt in der Verantwortung der Länder. Die Länder haben damit die Verantwortung für die Planung und Förderung der Pflegeeinrichtungen.

Es sind auch die Länder, die Einsparungen aus der Einführung der Pflegeversicherung für die Sozialhilfeträger zum Aufbau der Pflegeinfrastruktur und zur Investitionskostenförderung nutzen sollten. Im Jahr 2015 lagen diese Einsparungen im Bund bei rund 5 Millionen €. Trotzdem werden die Investitionskosten, also alle Kosten, die für den Betrieb der Pflegeeinrichtungen notwendig sind, derzeit hauptsächlich von Pflegebedürftigen, ihren Angehörigen und den Trägern aufgebracht. Diese Kosten liegen in Schleswig-Holstein bei durchschnittlich 600 € im Monat. Hinzu kommt eine stetig wachsende finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen infolge steigender Kosten der Pflege selbst sowie der Unterkunft und der Verpflegung.

Der Ausbau an Kurzzeitpflegeplätzen in unserem Land muss stärker gefördert werden. Daran führt kein Weg vorbei, das hörten wir schon von allen Vorrednern.

(Beifall AfD)

Das Konzept solitärer Kurzzeitpflegeeinrichtungen, also Einrichtungen, die sich ausschließlich um Übergangspatienten kümmern, ist hier ein Erfolg versprechender Ansatz, um die Situation der Pflegebedürftigen zu verbessern. Das Land allein kann schon über die Erhöhung der Zuschüsse für die Investitionskostenfinanzierung der Pflegeeinrichtungen seinen finanziellen Anteil für eine Verbesserung der Situation in der Kurzzeitpflege leisten. Die AfD-Fraktion begrüßt daher jede Initiative in Bund und Land, die zur Verbesserung der Kurzzeitpflege beiträgt. Lassen Sie uns darüber gern im Ausschuss beraten. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor nicht einmal einem Jahr haben wir hier das letzte Mal über die Situation der Kurzzeitpflege diskutiert. Spätestens da dürfte eigentlich allen klar geworden sein, dass wir hier vor handfesten Problemen stehen. Diese Probleme sind vielleicht nicht überall gleich groß. Nicht zuletzt die Antwort auf die Kleine Anfrage der Kollegin Birte Pauls zeigt ja die regional sehr ungleiche Verteilung der Plätze. Aber nach Einschätzung vieler Experten hat die Unterversorgung zumindest in Teilen des Landes gefährliche Ausmaße angenommen. Für den SSW ist das Grund genug, um gegenzusteuern. Für uns ist klar, dass wir alle Möglichkeiten nutzen müssen, um die verschiedenen Angebote der Kurzzeitpflege auszubauen.

Schon in der Debatte im März 2019 habe ich erleichtert festgestellt, dass diese Form der Pflege von niemandem als Zusatz- oder Luxusangebot gesehen wird. Ich hatte den Eindruck, dass wir eigentlich alle mehr für diesen Bereich tun wollten. Es ist wirklich wichtig, dass wir uns daran erinnern und entsprechend handeln, denn Kurzzeitpflege ermöglicht pflegebedürftigen Menschen für einen begrenzten Zeitraum den stationären Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung oder in einer entsprechenden Abteilung im Krankenhaus. Das ist nicht nur für sie, son

(Claus Schaffer)

dern oft auch für ihre Angehörigen eine große Hilfe - zum Beispiel dann, wenn sie aufgrund einer Krise oder Krankheit eine Zeit lang nicht selbst pflegen können oder einfach einmal eine Auszeit brauchen. Deshalb muss es unser Ziel sein, dass jeder Mensch, der Kurzzeitpflege braucht, auch einen entsprechenden Platz bekommt.

Leider ist aber genau diese Möglichkeit längst nicht immer und für jeden gegeben. Trotz erweiterter Unterstützung für pflegende Angehörige im Rahmen des Ersten Pflegestärkungsgesetzes haben wir landesweit unverändert nur um die 1.600 Kurzzeitpflegeplätze. Im Verlauf der Debatte wurde mehrfach erwähnt, dass es sich hierbei eben nur um eingestreute Plätze handelt. Das heißt, dass diese Plätze nicht für Kurzzeitpflege reserviert sind, sondern im Zweifel dauerhaft vollstationär belegt werden. Aus Sicht der Betreiber macht das Sinn, denn es erfordert einen weit geringeren organisatorischen Aufwand und bringt eine höhere Auslastung und damit natürlich mehr Geld. Im Ergebnis stehen wir damit aber vor dem Problem der Unterversorgung.