Protokoll der Sitzung vom 24.01.2020

Warum kommt dieser Antrag heute? Weil die Bildung unter der Jamaika-Koalition Stück für Stück

(Christopher Vogt)

ins Wirtschaftsministerium wandert? Weil die Zahl der Unternehmensgründungen zurückgeht? Nein, das tut sie nicht. Wollte man diese Zahl weiter steigern, könnten wir parallel vielleicht über einen Wagniskapitalfonds für Arbeiterkinder sprechen. Das könnte möglicherweise sogar mehr helfen als Entrepreneurship Education.

(Beifall SPD und SSW)

Kommt dieser Antrag heute vielleicht deshalb, weil es oftmals mit der Unternehmensnachfolge hakt? Wenn man sich einmal anschaut, wer im Land Schleswig-Holstein Unternehmer ist, dann ist der Betreffende das in der Regel nicht, weil er in der Schule besonders gut und intensiv Entrepreneurship Education genossen hat.

(Zurufe FDP und Lukas Kilian [CDU])

- Herr Kollege Kilian, ich weiß nicht, ob das gerade ein despektierlicher Zwischenruf Lehrerinnen und Lehrern gegenüber war; ich habe das ein bisschen so verstanden. Ich würde da zur Mäßigung mahnen, denn einer sitzt gerade neben Ihnen.

(Lukas Kilian [CDU]: Der kennt sich damit aus; da können Sie sicher sein!)

Über 98 % der Unternehmen im Land sind kleine und mittlere Unternehmen. Die brauchen wir, die wünschen wir uns, und die sollen auch in schleswig-holsteinischer Hand bleiben. Aber wenn ich mit denen über Unternehmensnachfolge und Schwierigkeiten rede, dann scheitern Betriebsübergaben häufig eher daran, dass es nicht zu einer Übereinstimmung von Kapitalfragen kommt. Ferner geht es zum Teil darum, dass rechtzeitig losgelassen werden muss. Aber deswegen würde ich jetzt keine Loslass-Education an unseren Schulen einführen. Dann geht es um Preisvorstellungen, Rentenmodelle und so weiter.

Ein weiterer Grund könnte sein, dass das Klima von Social Entrepreneurs gerettet werden muss. Wenn man das will, dann müsste man mit fachlichem Rüstzeug und Verständnis für die gesellschaftlichen Zusammenhänge und soziale Verantwortung anfangen. Dann müsste man dazu vielleicht einmal Werkstätten abhalten, um Konzepte zu entwickeln. Dann könnte man auch das Fach WiPo ausweiten, wie wir es gefordert haben, was Sie aber abgelehnt haben, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD und SSW)

Damit hätten unsere Schulen dann auch jede Menge zu tun, ohne dass Sie monatlich eine neue bildungs

politische Sau durchs Dorf jagen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Tobias von der Heide.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist richtig: Es geht um Unternehmergeist.

Lieber Herr Habersaat, Sie haben natürlich recht, wenn Sie sagen, dass man sich hier nicht despektierlich über Lehrer äußern sollte. Das unterstreiche ich, und ich wünsche mir auch, dass Menschen Lehrer werden, die eine gute Ausbildung und auch die Befähigung haben, Schülern etwas beizubringen. Allerdings ist ja unser Problem in der Schule, dass der Unternehmer selber immer so etwas wie ein Feindbild ist.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Also doch?)

- Doch. Das nehme ich schon wahr; das ist der böse Kapitalist, der in Ihrer Perspektive den Arbeiter womöglich auch noch unterdrücken will.

(Zuruf SPD: Reine Polemik!)

- Okay. Nehmen wir einmal die Polemik weg.

(Serpil Midyatli [SPD]: Von uns hat das kei- ner behauptet!)

- Na ja, ist gut. Aber die Diskussion will ich am Ende gar nicht führen.

(Beifall SPD)

Aber wir haben schon das Problem, wenn man Schüler fragt, was sie denn eigentlich werden wollten, dass es in unserem Land oft so ist, dass diese Schüler sagen, sie wollten doch lieber einen Beruf im öffentlichen Dienst ergreifen. Das könnte dann der Beruf des Lehrers sein oder ein Beruf im Rahmen des Verwaltungsdienstes. Das ist zumindest in meinem Bekanntenkreis so. Das Entscheidende ist doch, dass man dem etwas entgegensetzt und sagt: Es gibt ja auch andere Berufsfelder, in denen man sich engagieren kann, eben auch unternehmerische Berufsfelder. Auch dort könnten am Ende die Schüler sagen: Das ist etwas, von dem ich mir vorstellen kann, eine Perspektive zu entwickeln.

(Martin Habersaat)

Das ist im Grunde der Geist, den wir mit unserem Antrag in die Schule tragen wollen. Ich glaube, es lohnt sich, dass wir uns darum kümmern; denn am Ende müssen wir ja auch Steuereinnahmen verbuchen können und brauchen dafür Unternehmer, die diese auch erzeugen. Das ist das, worüber wir diskutieren sollten.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es gibt einen zweiten Aspekt neben der Frage, ob jemand ein Unternehmer ist. Dieser zweite Aspekt ist die Entscheidung, kreativ zu sein. Wir diskutieren hier vielfach über Wasserstoff und solche Themen. Es gibt viele Felder, auf denen sich Schleswig-Holstein hervorragend entwickeln kann. Aber am Ende brauchen wir auch die Kompetenz, kreative und interessante Ideen zu erzeugen, um bei bestimmten Themen Weltmarktführer zu werden. Auch dies müssen wir in die Schulen tragen, damit bereits dort junge Köpfe und junge Talente sagen, sie könnten sich vorstellen, sich in diesem Bereich zu entwickeln.

(Beifall CDU)

81,7 % aller Gründerinnen und Gründer verfügen über einen Hochschulabschluss. Nur 14,8 % verfügen über eine abgeschlossene Berufsausbildung oder über ein Fachabitur. Wenn wir uns fragen, wer heute ein Start-up gründet, erhält man auch aus dem DSM-Bericht einen Einblick darüber, dass 54,1 % der Gründer bereits in ihrer Schulzeit leistungsstark waren oder sich für Politik oder in der Schülervertretung engagiert haben. 14,2 % der Befragten interessierten sich während ihrer Schulzeit für wirtschaftliche Aspekte.

Wenn man sich diese Zahlen ansieht, dann muss man auch sagen, dass es am Ende eine soziale Frage ist, dass es in erster Linie die Leistungsstarken sind, die sich für Unternehmertum und damit im Zusammenhang stehende Themen interessieren. Oftmals sind es auch diejenigen, die das von zu Hause schon einmal mitbekommen haben. Deshalb glaube ich, es ist ein entscheidender Faktor, dass wir dies in die Schulen tragen und die Schülerinnen und Schüler auch für dieses Thema begeistern.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt sehr gute Beispiele dafür, wie man so etwas auch erlernen kann. Das, Herr Habersaat, hat manchmal auch etwas mit Nachhaltigkeit zu tun. Hier am RBZ Wirtschaft in Kiel haben wir das Café Kilimanjaro. Die Schüler, die sich hier auf einen

Abschluss vorbereiten, unterhalten ein Café, haben eine eigene Unternehmung, lernen dort Lagerwirtschaft kennen, befassen sich mit Produkten mit ökologischem Hintergrund und mit fairem Handel, den sie dann auch anschieben. Es gibt viele tolle Veranstaltungen. Dort gibt es ein 15-köpfiges Team, das das macht. Die Betreiber lernen anhand dieses Café Kilimanjaro in Kiel kaufmännisches Handeln und kaufmännisches Verhalten. Dieses Café entwickelt sich von Jahr zu Jahr weiter.

(Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man Unternehmertum - Ines Strehlau kennt das wahrscheinlich auch - entwickeln kann.

Ein anderes Beispiel: Die Hermann-Ehlers-Akademie bietet für das Thema Social Entrepreneurship für Lehrkräfte den sogenannten Einsatz von Lego Serious Play an. Das heißt, dass man anhand von Legosteinen kreative Ideen entwickelt und damit Schüler schon sehr früh dafür begeistert, damit etwas Interessantes zu erstellen und Produkte und Prozesse kennenzulernen. Auch das können Wege sein, wie man Unternehmertum in die Schule bringt.

Wir haben sehr viele Aktivitäten, die es bereits an unseren Schulen im Land gibt. Ich habe das eine oder andere bereits genannt. Es gibt auch Fortbildungen, die interessant sind.

Unser Ansatz ist, diese Projekte am Ende bekanntzumachen und miteinander zu vernetzen, die Leute zusammenzubringen, über dieses Unternehmertum zu sprechen, um mehr Schulen zu begeistern, Entrepreneurship und Unternehmertum in die Klassen zu tragen. Dieses Ziel sollte uns alle einen. - Danke sehr.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Ines Strehlau.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Entrepreneurship heißt auf gut Deutsch: Unternehmertum. Entrepreneurship Education soll dementsprechend Schülerinnen in die Lage versetzten, eine Firma zu gründen oder unternehmerisch zu handeln. Das ist eine spannende und vor allem handlungsorientierte Sache. Eine Idee haben, für die

(Tobias von der Heide)

man sich begeistern kann, diese planen und in die Tat umsetzen, damit potentiell auch noch sein Geld verdienen, Chefin in eigener Sache sein - das ist reizvoll.

Dabei darf natürlich nicht die Realität, das heißt die damit verbundenen Risiken, aus den Augen verloren werden; denn auch darum geht es bei Entrepreneurship Education. Eine solide Finanzplanung gehört genauso dazu wie die kreative Geschäftsidee.

In der Schule kann das konkret in einer klassischen Schülerinnenfirma, die in den Pausen Kakao verkauft, gemacht werden, aber auch - in den höheren Klassenstufen - in komplexen Vorhaben, in denen ein Produkt oder eine Dienstleistung entwickelt wird, zum Beispiel das Bedrucken von Öko-TShirts mit eigenen Motiven.

Akteure aus diesem Bereich berichten, dass Schülerinnen durch diese Projekte mehr Vertrauen in das eigene Potenzial entwickeln und Zuversicht schöpfen. Lösungen für sich, die Gesellschaft und die Herausforderungen ihrer Zeit zu finden, empowert, wie es neudeutsch heißt.

Ich las neulich von einer Schule, in der alte Autoreifen zu Sitzgelegenheiten „upgecycelt“ wurden. Die Jugendlichen hatten dabei sichtlich Spaß.

Entrepreneurship Education ist auch ein wunderbares Querschnittsthema. Man kann hier viele Aspekte andocken: Mathe beim Finanzplan; Kunst und Design bei der Produktentwicklung; Informatik, wenn eine Homepage oder eine App entwickelt werden soll; die Naturwissenschaften, wenn es zum Beispiel um Energiegewinnung und Umweltthemen geht; Philosophie, wenn die moralische Vertretbarkeit eines Produktes diskutiert wird. Die erlernte Theorie auch an der eigenen Schule umzusetzen und wiedererkennbar zu machen ist pädagogisch sehr sinnvoll.

Natürlich haben wir dann, wenn die Schülerinnen aus der Schule heraus sind, nicht auf einmal ganz viele Neugründungen in Schleswig-Holstein. Aber Entrepreneurship Education führt Jugendliche an dieses Thema heran. Es wird realistisch geplant.