Protokoll der Sitzung vom 24.01.2020

(Lars Harms)

vorgeworfen. Ich verbreite hier mitnichten schlechte Stimmung.

(Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein!)

Als wir hier einen Gesetzentwurf zur Verschleierung an Hochschulen eingebracht haben, haben Sie eine Anhörung gemacht. Da frage ich Sie: Wo ist denn der Unterschied?

(Tobias von der Heide [CDU]: Das war ein Gesetzentwurf!)

Es gibt da keinen Unterschied. Wir bleiben dabei: Wir halten es für wichtig, dass wir nicht erst lange beraten, sondern uns gleich mit Experten zusammensetzen. Wir möchten nicht akzeptieren, dass sich die Tendenz der letzten Jahre noch verstärkt. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Landesregierung hat die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Lassen Sie mich gleich zu Anfang meiner Rede eines klarstellen: Wer auch immer zum jetzigen Zeitpunkt von einer Zunahme von Gewalt oder Mobbing an den schleswig-holsteinischen Schulen spricht, argumentiert nicht auf Grundlage erhobener Daten und Fakten.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das ergibt sich offensichtlicher Weise, da wir erstmals im Schuljahr 2018/2019 das Gewaltmonitoring durchgeführt haben. Daher haben wir gar keine Vergleichsdaten aus den Vorjahren. Wir können also schlicht und ergreifend im Augenblick nicht sagen, ob die Gewalt an Schulen steigt, gleich bleibt oder sogar rückläufig ist.

Allerdings - auch das ist bereits erwähnt worden gibt es durchaus Hinweise darauf, dass jedenfalls insgesamt die Jugendkriminalität in Deutschland in den letzten zehn Jahren deutlich rückläufig ist. Der Kriminologe Christian Pfeiffer hat die Jugendgewalt in Deutschland seit 2007 betrachtet und gemessen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass sie insgesamt um 43 % abgenommen habe, bei Heranwachsenden um 29 %.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört, hört!)

Ich weiß: Dies passt nicht in das Weltbild so mancher. Das sind aber jedenfalls ernstzunehmende Studien.

Mir ist wichtig, dass wir dieses Thema nicht verwenden, um Panik zu machen oder für einen populistischen Alarmismus. Ich bin der Opposition außerordentlich dankbar, dass sie - mit Ausnahme der Antragsteller - die Debatte heute eben nicht dazu genutzt hat, einen vermeintlichen kurzfristigen Vorteil zu erhaschen.

Ich möchte noch eines sagen: Wer glaubt, man könnte Gewalt an Schulen vor allem an unseren PerspektivSchulen finden, wird sehr schnell merken, dass es da keinen Zusammenhang gibt. Es gibt PerspektivSchulen, die ein auffälliges Gewaltvorkommen haben, aber genauso solche, die da sehr gut dastehen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das ist für die Bewertung hilfreich. Natürlich, selbstverständlich haben wir Gewalt in unserer Gesellschaft. Natürlich haben wir auch an unseren Schulen Gewalt, und zwar zu viel. Wer wollte das bitte bestreiten? Jeder Gewaltvorfall - auf jeden Fall jenseits der Meldeschwelle - ist natürlich einer zu viel. Gewalt gegen Lehrkräfte ist genauso wenig hinnehmbar wie Gewalt gegen Mitschülerinnen und Mitschüler.

(Vereinzelter Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Deswegen begegnen wir gemeinsam - Parlament und Regierung - dieser Herausforderung. Wir haben die Gewaltdatenbank auf Grundlage eines Landtagsauftrags entwickelt, weil der Landtag ja gerade der Auffassung war, dass es ein Phänomen ist, mit dem wir uns mittel- und langfristig auch wissenschaftlich beschäftigen müssen.

Sachlichkeit und ein kühler Kopf sind das Einzige, was bei so einem Thema helfen. Ich kann es Ihnen, Herr Dr. Brodehl, leider nicht ersparen: Populismus ist an dieser Stelle immer die falsche Antwort.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Die distopischen Szenarien, die Sie in Ihrem Antrag zeichnen, haben weder etwas mit der Wirklichkeit zu tun, noch helfen sie in irgendeiner Art und Weise, dem Problem näherzukommen.

(Dr. Frank Brodehl)

Ich danke dem Landtag für den Auftrag. In einer ersten Erprobungsphase haben wir die Datenbank aufgelegt. Natürlich ist es noch eine Erprobungsphase, wir sammeln jetzt unsere Erfahrungen. Die Daten sind daher mit aller Vorsicht zu behandeln.

In der öffentlichen Debatte ist mir noch eines wichtig: Es ist ein statistisches Werkzeug und kein schulaufsichtliches Instrument. Es ist nicht so, dass wir mit den in der Datenbank gesammelten Daten sofort loslaufen und das Thema Gewalt an Schulen unmittelbar in jedem Einzelfall angehen würden. Der Anwendungszweck ist mittel- und langfristig.

Gleichwohl werden die erkannten Problemfälle einzelne können wir schon vorsichtig erkennen durch das Bildungsministerium, vor allem aber durch das IQSH sowie durch behördliche und zivilgesellschaftliche Träger eingehend untersucht und sollen natürlich mit externen Experten bewertet werden. Außerdem plant das Bildungsministerium ganz konkret eine wissenschaftliche Begleitung.

Zur Datenbank selbst darf ich sagen - wir werden es im Einzelnen noch im Bildungsausschuss erörtern -, dass die Qualität der erhobenen Datensätze durchweg gut ist. Eine Auswertung erlaubt es, Handlungsnotwendigkeiten zu identifizieren. Die zu intensivierende Arbeit mit Jungen an Gemeinschaftsschulen in den Jahrgangsstufen 5 bis 9 ist eine wesentliche Erkenntnis, aber auch im Kontext des DaZ-Unterrichts gilt es, vorhandene Angebote zu stärken und auszubauen.

Als Erstes haben wir in diesem Jahr ein Fachgespräch im Bildungsministerium angesetzt. Besondere Berücksichtigung sollen dabei Experten zu Fragen der Kriminologie sowie zur Jugendarbeit finden. Anschließend planen wir eine Fachtagung, in die zusätzlich auch Schulleitungen und zivilgesellschaftliche Partner eingebunden werden. Ich weise noch einmal auch darauf hin, dass erst in zwei bis drei Jahren nach einer Etablierung des Gewaltmonitorings in den Schulen Entwicklungen verlässlich erkennbar sein werden. Deswegen ist es übrigens auch nicht sinnvoll, die Meldeschwelle jetzt mir nichts, dir nichts zu verändern.

Wir wollen die Vergleichbarkeit der Daten über mehrere Jahre. Deswegen müssen die Parameter zunächst identisch sein. Natürlich müssen sie dann auch evaluiert werden. Ich will nur darauf hinweisen, dass die derzeitige Meldeschwelle in Schleswig-Holstein jedenfalls deutlich unterhalb der Meldeschwelle etwa in Hamburg und natürlich auch unterhalb der Meldeschwelle zur polizeilichen Kriminalstatistik liegt.

Wir schauen uns durchaus an, was andere Bundesländer auf diesem Gebiet machen und sind immer darum bemüht, unsere Erkenntnisse auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand zu halten.

Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass sich der Bildungsausschuss mit den Ergebnissen im Einzelnen beschäftigen wird und darüber hinaus auch mit der Frage, welche Fortbildungs-, Präventions- und Interventionsinstrumente wir haben. Dazu werden wir im Bildungsausschuss berichten. Selbstverständlich werden wir das Parlament auch über unsere weiteren Planungen im Kontext der Datenbank unterrichtet halten.

Ich freue mich auf eine gute und vor allem sachliche Debatte zu diesem Thema. Lassen Sie mich abschließend sagen: Konflikte wird es in unserer Gesellschaft immer geben, es wird sie auch an Schulen immer geben. Entscheidend ist die Frage: Haben wir eine gute Konfliktkultur, die natürlich gewaltfrei sein soll? Dafür machen wir uns als Bildungsministerium stark. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der AfD, Drucksache 19/1936, abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der AfDFraktion. Wer stimmt dagegen? - Das sind alle anderen Abgeordneten. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich lasse dann über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 19/1953 (neu), abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, FDP und CDU. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? Bei Enthaltung der AfD-Fraktion -

(Zurufe AfD: Nein! Sie waren zu schnell!)

- Gegen die Stimmen der AfD-Fraktion ist dieser Antrag angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:

(Ministerin Karin Prien)

Einführung des Wahlrechts ab dem 16. Lebensjahr bei Bundestagswahlen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/24

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 19/1878 (neu)

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt geben Sie bitte zu Protokoll.

Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag Drucksache 19/24 abzulehnen. Wer der Ausschussempfehlung folgen will, den bitte ich um sein Handzeichen. Das sind die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, CDU und AfD. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Abgeordneten von SPD und SSW. Damit ist der Ausschussempfehlung gefolgt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 36 auf:

Wildnis in Schleswig-Holstein

Bericht der Landesregierung Drucksache 19/1782

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt geben Sie bitte ebenfalls zu Protokoll.

Ich schlage vor, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 19/1782, an den Umwelt- und Agrarausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Ich sehe, das ist einstimmig so beschlossen.