Protokoll der Sitzung vom 21.09.2017

(Kay Richert)

Wir fordern von den hier lebenden Minderheiten die Integration und dulden keine Parallelgesellschaften. Dazu gehört aber auch, dass wir uns vor allem angesichts humanitärer Notsituationen an der Rechtsstaatlichkeit orientieren.

Wir möchten wirklich Perspektiven eröffnen. Dazu gehört - deshalb bitte ich um Zustimmung zur Überweisung in den Ausschuss -, dass wir die Menschen bei der Integration größtmöglich unterstützen. Der Familiennachzug ist ein Weg dafür. - Danke schön.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Lars Harms [SSW])

Wir üben alle noch. - Vielen Dank, Herr Kollege. Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Jörg Nobis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich beginne, möchte ich mich recht herzlich bei den regierungstragenden Fraktionen für diesen Antrag noch vor der Bundestagswahl bedanken, gibt er mir doch die Gelegenheit, einiges aus meiner Sicht klarzustellen.

Wir haben es eben zwar schon gehört - da stimme ich zu -, Asyl bedeute Schutzgewährung auf Zeit, und zwar so lange, wie es einen Schutzgrund wirklich gibt. Bei Kriegsflüchtlingen ist die Sache eigentlich klar: Es ist der Krieg in ihrem Heimatland. Ist dieser Krieg beendet, darf man erwarten, dass sie in ihr Heimatland zurückkehren

(Lars Harms [SSW]: Es geht um politische Verfolgung, nicht um Krieg!)

und dass sie zu ihrer Familie zurückkehren. Asylgewährung und Einwanderung sind nämlich nicht dasselbe, auch wenn Sie das immer wieder in einen Topf werfen. Die AfD lehnt eine Einwanderung über das Asylrecht ab; das sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Surpri- se!)

- Genau.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Genau!)

Selbst bei „WELT online“ gab es kürzlich einen Artikel - ich zitiere -: „Nein, liebe Grüne, Migration ist kein Menschenrecht.“ - Trotzdem geht es in der Debatte eigentlich primär um den Familiennachzug

von syrischen Kriegsflüchtlingen. Niemand weiß es genau, aber man rechnet mit einer Million bis zwei Millionen Menschen, die durch den sogenannten Familiennachzug nach Deutschland kommen würden.

Die Bundesregierung hat den Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus zwei Jahre lang ausgesetzt, um eine Überforderung der Kommunen bei der Versorgung zu vermeiden. Im März 2018 läuft diese Frist ab.

Meine Damen und Herren, wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Bürgerkrieg in Syrien so gut wie beendet ist.

(Lachen Lars Harms [SSW] - Lebhafte Zuru- fe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gestern konnten Sie der Presse entnehmen - ich zitiere -: „IS-Hauptstadt Rakka steht vor dem Fall.“

(Thomas Hölck [SPD]: Unglaublich!)

Auch der UN-Sonderbotschafter de Mistura erwartet nach den jüngsten Siegen der syrischen Armee ein baldiges Ende des Krieges. Wir müssen also nicht mehr über einen baldigen Familiennachzug diskutieren, sondern darüber, wann und wie wir damit beginnen, die syrischen Flüchtlinge auf ihre Heimkehr nach Syrien vorzubereiten.

Warum Sie, liebe Kollegen von der CDU, das Thema nun so offensiv vor der Bundestagswahl spielen, ist mir wirklich schleierhaft. Als einziges mögliches Motiv fällt mir dazu ein: Sie wollen Ihre letzten konservativen Wähler vergraulen. - Herzlichen Glückwunsch.

Aber der Antrag trägt auch Ihre Unterschrift, Herr Vogt. Haben Sie das eigentlich mit Ihrem Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten, Herrn Lindner, abgesprochen, oder fallen Sie Ihrem Parteichef hier gerade ganz bewusst in den Rücken?

(Christopher Vogt [FDP]: Zweimal Nein!)

Herr Lindner möchte nämlich - ich zitiere -: Kriegsflüchtlinge in ihre Heimat zurückschicken, „sobald die Lage es dort zulässt“.

(Lebhafte Zurufe SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ihr Parteichef, Herr Vogt, sprach davon - ich zitiere erneut -, dass, wenn es in Syrien sicher sei, der Flüchtlingsschutz in Deutschland erlöschen müsse.

(Zuruf Minister Dr. Heiner Garg)

Herr Vogt, das sind doch eigentlich sehr klare und deutliche Worte Ihres Parteichefs und Spitzenkan

(Kay Richert)

didaten zur Bundestagswahl, und trotzdem stellen Sie sich hinter den gemeinsamen Antrag von CDU und Grünen? Das steht dem Wahlkampfgetöse Ihres Vorsitzenden diametral entgegen.

(Wortmeldung Christopher Vogt [FDP])

Herr Nobis, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Vogt?

Nein, machen Sie einen Dreiminutenbeitrag daraus; das können wir gleich machen.

Oder aber Sie wissen über die wirklichen Absichten Ihrer Partei jenseits von Copy-and-paste-Forderungen in Ihrem Wahlprogramm Bescheid.

(Zurufe FDP: Oh!)

Wie ich sehe, versucht Ihr Parteichef gerade krampfhaft, die FDP noch vor der Wahl blau anzumalen.

(Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Wir arbei- ten gerade die Wahlplakate ab!)

Herr Vogt, Sie erinnern sich bestimmt noch an die erste Klasse und an die Farbenlehre.

(Christopher Vogt [FDP] bedeckt sein Ge- sicht)

Dann wissen Sie, was passiert, wenn man etwas Gelbes blau anmalen möchte. Das wird nämlich grün. Mit Ihrem Antrag tragen Sie als Nord-FDP das alles mit und fallen Ihrem Parteichef Herrn Lindner in den Rücken.

(Widerspruch FDP)

Jedenfalls vielen Dank, Herr Vogt, dass Sie durch den Antrag den Wählern einen echten Erkenntnisgewinn vor der Wahl ermöglicht haben. Für die Wähler bleibt nämlich die Erkenntnis, dass Herr Lindner nur rechts blinkt, um dann links-grün abzubiegen und den Familiennachzug selbstverständlich mitzutragen. Das haben Sie mit Ihrem Antrag hier und heute unter Beweis gestellt. Herr Vogt, recht herzlichen Dank dafür. Es wird mir nicht gelingen, die FDP blau anzumalen.

(Zuruf FDP: Wollen wir auch nicht!)

Außerdem braucht kein Mensch noch eine grüne Partei. Präziser gesagt: Schon die eine grüne Partei ist völlig überflüssig und wird dies am Sonntag auch höchstamtlich vom deutschen Wähler bescheinigt bekommen.

(Beate Raudies [SPD]: Ein Glück, dass wir noch die Wählerinnen haben! - Heiterkeit und Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

- Ich glaube nicht, dass die alle Grün wählen werden, aber lassen wir das mal dahingestellt.

Wer im Gegensatz zu Jamaika und der GroKo unseren Sozialstaat erhalten möchte und deshalb den Nachzug Hunderttausender Syrer ablehnt, dem bleibt am Sonntag tatsächlich nur eine Alternative, und das ist die Alternative für Deutschland.

(Widerspruch SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Bei allen anderen Parteien herrscht erwiesenermaßen Konsens über den Familiennachzug. Es werden gleich alle übrigen Fraktionen Konsens herstellen und dem Antrag zustimmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie befördern den Tod des deutschen Sozialstaats auf Raten. Der Unterschied ist: Die AfD meint, was sie sagt, die grüne FDP hingegen täuscht nur vor, etwas zu meinen. Bezeichnend ist übrigens, dass niemand von Rechtspopulismus spricht, wenn sich Herr Lindner entsprechend äußert.