Protokoll der Sitzung vom 18.03.2020

Ich möchte meinen Dank besonders gegenüber denjenigen aussprechen, die zurzeit heilen, die sich auf eine Krise in den Krankenhäusern vorbereiten, die dafür sorgen, dass alle Menschen versorgt sind, die trösten und helfen, auch gegenüber denjenigen, die Angst davor haben, einsam zu sein, wenn sie eventuell in Quarantäne kommen, und auch gegenüber denjenigen, die dafür sorgen, dass wir weiter sicher leben; bei all den schwierigen Restriktionen, die durchgesetzt werden müssen, hat auch die Polizei in unserem Land eine schwierige Herausforderung vor sich.

Das Wichtigste ist, dass der Dank, den wir hier alle wiederholen, nach der Krise nicht vergessen sein

darf. Wir müssen jetzt gucken, wer die Leistungsträger und Leistungsträgerinnen unserer Gesellschaft sind. Das sind zum großen Teil diejenigen, die noch zur Arbeit gehen, die nicht im Homeoffice arbeiten können. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Menschen auch nach der Krise weiter als Leistungsträger und Leistungsträgerinnen bezeichnet und entsprechend entlohnt werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Meine Damen und Herren, ein Dank gilt auch denjenigen in der Bevölkerung, die zu Hause bleiben und damit Leben retten. Auch ihnen gilt der Dank dafür, dass sie sich an die Empfehlungen der Regierung und des Robert-Koch-Instituts, die wir immer wieder hören, halten und nicht die Chance nutzen, an den „freien“ Tagen hierhin oder dahin zu fahren. Auch denen gilt der Dank, die jetzt zeigen, dass sie solidarisch mit denen sind, die in den Krankenhäusern helfen.

Meine Damen und Herren, es wird immer wieder die Frage gestellt, ob Politik zu spät oder panisch handelt, ob sie übertrieben handelt oder „hinter der Lage ist“. Ich glaube, dass es ein Balanceakt ist, und dieser Balanceakt wird von dieser Landesregierung sehr gut gehandelt. Vielen Dank dafür!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Es ist auch ein Balanceakt, wenn man sich überlegt, dass man schneller voranschreiten will, weil die Bevölkerung - das ist zumindest die Wahrnehmung in meinem Umfeld - sagt: Gebt uns klare Handlungsanweisungen, gebt uns klare Richtlinien, macht auch einschneidende Maßnahmen, aber macht sie möglichst gleichmäßig! Menschen verstehen nicht, dass zum Beispiel der Frisör noch offen hat, man sich aber keine Schuhe mehr kaufen kann. Das sind Entscheidungen, die schwer zu vermitteln sind. Auch wir haben über diese Fragen diskutiert.

Es ist allerdings richtig, dass sich diese Landesregierung bemüht, die Maßnahmen im nationalen Einklang umzusetzen. Denn es ist natürlich nicht zu verstehen, dass man in Schleswig-Holstein nicht in den Club gehen darf, in Hamburg am selben Abend aber schon. Auch da geht es um einen Balanceakt: Wo kann ein Land voranschreiten, um andere mitzunehmen, und an welcher Stelle wollen wir den nationalen Einklang und gemeinsam handeln?

Keine Alleingänge und auf die Eigenverantwortung der Menschen setzen, das ist das, was es für manche Menschen schwierig macht. Ich habe das Mon

(Tobias Koch)

tag selbst erlebt: Mein Sohn war im Biosupermarkt arbeiten, hat sehr viele Kunden und Kundinnen gehabt, um 13 Uhr waren bestimmte Artikel ausverkauft, er hat an dem Tag zu sehr vielen Menschen Kontakt gehabt. Am Abend wollte er sich mit seinem besten Freund aus dem Dorf treffen, um ein bisschen am Computer zu daddeln. Ich habe gesagt: „Das geht doch nicht, der kann nicht zu uns nach Hause kommen, das ist eine weitere Kontaktperson.“ - Da guckte er mich groß an und sagte: „Weißt du, wie viele Kontaktpersonen ich heute im Geschäft hatte? Und jetzt soll ich mich abends nicht mit meinem besten Freund treffen dürfen? Wir können uns doch vorher die Hände waschen.“

Das ist ein Beispiel. Man kann darauf verzichten, sich mit Freunden zu treffen. Etwas Ähnliches habe ich bei der Zahnärztin erlebt, bei der ich angerufen und gefragt habe, ob ich meine Mutter noch vorbeibringen kann, die Probleme mit ihrem Gebiss hat und nicht vernünftig kauen kann. Ist das jetzt ein Notfall, will sie das noch behandeln, oder sagt sie: „Das schieben wir jetzt zurück“? Denn sie hat von sich aus gesagt: „Ich sage allen Menschen ab, bei denen es nicht um einen Notfall geht, weil ich versuche, die Zahl der Kontakte zu minimieren.“

Bei diesen Fragen stehen wir in der Bevölkerung vor großen Herausforderungen. Es ist gut, wenn Politik Leitlinien zum Schutz der Bevölkerung gibt.

Ich glaube auch, dass es richtig ist, dass wir uns in Schleswig-Holstein dafür entschieden haben, den Tourismus einzuschränken. Auch das ist eine große Herausforderung. Ich habe gestern den Tourismusminister im NDR gehört, der natürlich nicht froh darüber ist, sagen zu müssen: Bitte kommt nicht nach Schleswig-Holstein!

Wir müssen uns abschotten, aber wir dürfen das nicht in dem Geist tun, dass sozusagen die anderen die Bösen sind, sondern es muss klar werden: Wenn jeder zu Hause bleibt, ist vielen geholfen.

Wir brauchen - das gelingt zurzeit gut - gute Information und Transparenz. Den Aufruf, dass wir Abgeordnete alle Pressesprecher und Pressesprecherinnen für die Corona-Krise sein sollen, sollten wir ernst nehmen und die Landesregierung dabei unterstützen, die Informationen zu verteilen. Wir haben uns vorgenommen, alles regelmäßig intensiv zu lesen, damit wir die eine oder andere Bürgeranfrage abnehmen können. Ich kann mir vorstellen, dass die Kanäle im Ministerium derzeit überlaufen.

Wir sollten auch insofern mit Optimismus in die Krise gehen, dass sich in Krisen auch viele Chancen zeigen können. Dafür ist der Haushalt, den wir

heute beschließen, ein gutes und starkes Signal, auch mit dem Hilfsfonds für die Wirtschaft.

Ein letzter Satz, wir haben uns ja vorgenommen, es heute kurz zu machen, damit wir uns nicht zu lange gemeinsam in einem Raum aufhalten und uns eventuell anstecken. Das Zuhausebleiben können wir auch als eine Chance nutzen, solidarisch zu sein oder sich mit Dingen zu beschäftigen, die man länger nicht mehr angefasst hat, für die man sich keine Zeit nehmen konnte.

Ich wünsche allen Menschen, die sich Sorgen um ihre Angehörigen oder ihre eigene Gesundheit machen, dass sie gesund bleiben. Ich wünsche auch Ihnen allen, dass Sie gut durch diese Krise kommen und wir hier wieder unter guten Umständen zusammen tagen können. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat deren Fraktionsvorsitzender, der Abgeordnete Christopher Vogt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind als gesamte Gesellschaft von diesem neuartigen Virus wirklich herausgefordert. Noch vor wenigen Wochen habe auch ich die mögliche Ausbreitung dieses Virus bei uns in Europa total unterschätzt. Es geisterten billige Scherze über den Krankenhausbau in Wuhan durchs Netz und Vergleiche mit dem Berliner Flughafen, die völlig schwachsinnig waren. Viele haben das eher belächelt und gesagt: Das hat mit uns nichts zu tun.

In unserer globalisierten Welt ist aber eine Epidemie, die sich in China ausbreitet, eben auch ganz schnell unser Problem. Das müssen wir jetzt schmerzlich erfahren und auf diese Situation, die wir so noch nie hatten, sehr konsequent und verantwortungsvoll reagieren.

Dass ich als Liberaler einmal solche freiheitseinschränkenden Maßnahmen mit verantworten würde, hätte ich noch vor Kurzem nicht für möglich gehalten, aber zur Freiheit gehört auch immer Verantwortung. Insbesondere in dieser Krise gilt mehr denn je: Nicht nur der Staat oder die Politik tragen eine große Verantwortung, sondern jeder Einzelne in unserer freien Gesellschaft. Ich möchte an das Gewissen jedes Einzelnen appellieren, unnötige Kontakte zu vermeiden. Auch wir Abgeordnete haben in diesen Tagen, Wochen und Monaten eine besondere

(Eka von Kalben)

Verantwortung, Vorbild zu sein. Dass wir heute die Handlungsfähigkeit des Staates und der Demokratie dokumentieren, ist richtig, aber ansonsten sollten auch wir unnötige Kontakte vermeiden.

Gleichwohl möchte ich unserer Landesregierung für ihr besonnenes und sehr konsequentes Handeln aufrichtig danken. Gerade in dieser Krise zeigt sich sehr deutlich, dass unser Bundesland bei allen Problemen, mit denen wir derzeit zu kämpfen haben und die uns allen noch eine schwere Zeit bescheren werden, in guten Händen ist. Ich schließe da niemanden aus.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, insbesondere unserem Ministerpräsidenten Daniel Günther für seine ruhige und besonnene Art zu danken, aber auch ganz besonders unserem Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg und seinem Staatssekretär Dr. Matthias Badenhop, unserem Wirtschaftsminister, der Finanzministerin, auf die noch sehr viel zukommen wird, und unserem Innenminister, der auch eine große Verantwortung trägt.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich möchte aber auch ausdrücklich der Opposition im Landtag für das konstruktive Miteinander in den letzten Tagen danken. Besondere Zeiten verlangen nach besonderer Verantwortung. Dass dies mit sehr großer Ernsthaftigkeit und viel Verantwortungsbewusstsein in dieser Form möglich ist, ist das richtige Signal an die Menschen in Schleswig-Holstein, die dies nach meiner Einschätzung sehr positiv aufnehmen; das sind zumindest die Rückmeldungen, die mich erreichen. Jetzt sind Führung, Aufklärung und Zusammenhalt gefragt.

Der produktive Streit unter Demokraten - Herr Dr. Stegner hat das gesagt - ist etwas sehr Wertvolles und sollte ansonsten eher befördert als eingedämmt werden, aber für allzu lange Diskussionen ist in dieser Notsituation nun einmal kein Platz.

Ich finde es auch absolut richtig, dass man sich mittlerweile auf Bundes- und auf norddeutscher Ebene sehr eng abstimmt - das ist auch als Signal an die Bevölkerung sehr wichtig -, aber SchleswigHolstein geht da bisher auch couragiert voran, und dies nicht etwa zur Profilierung, sondern weil es schlichtweg notwendig ist. Je schneller man in dieser Phase handelt, umso besser ist es am Ende.

Der Föderalismus mit seiner Dezentralität und seinem Wettbewerb hat auch in der Krise nicht nur Nachteile, wie einige meinen, die den Föderalismus schon immer furchtbar fanden, sondern auch erhebliche Vorteile. Ich will einmal darauf verweisen,

wie es wohl mit Schulschließungen gewesen wäre, wenn diese Frage auf Bundesebene entschieden worden wäre. Ich bin der Meinung, dass es gut ist, dass es Bundesländer gibt, die vorangehen und Orientierung bieten. Auch das Lagebild vor Ort kann von einer Landesregierung besser bewertet werden als von einer Bundesregierung.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir muten jedem Einzelnen in Schleswig-Holstein derzeit sehr viel zu. Je nach Beruf sind die Menschen natürlich sehr unterschiedlich belastet, aber wir greifen ja auch tief ins Privatleben und in bestimmte Freiheitsrechte jedes Einzelnen ein. Wir werben dafür um Verständnis. Es macht uns wirklich keinen Spaß, ganz im Gegenteil, es betrübt uns sehr.

Wir machen das, was uns virologisch sinnvoll erscheint und was uns die Experten raten. Die allermeisten Menschen in Schleswig-Holstein verhalten sich zum Glück wirklich vorbildlich. Sie sind rücksichtsvoll und hilfsbereit. Die wenigen Menschen, die dies nicht tun, gefährden nicht nur völlig unnötig ihre Mitmenschen, sondern haben auch in den letzten Tagen weitere Verschärfungen unserer Maßnahmen provoziert. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir hätten vieles vielleicht gar nicht machen müssen, wenn sich alle an die Appelle gehalten hätten.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich verstehe absolut, dass diese Maßnahmen für viele Menschen schon jetzt sehr schwierig sind. Es fällt natürlich nicht leicht, seine selbstverständlichen Abläufe und Gewohnheiten schlagartig zu ändern und die sozialen Kontakte auf das Notwendigste zu reduzieren. Es fällt nicht leicht, mit den Kindern nicht mehr die Großeltern besuchen oder Geburtstage nicht einmal mit den engsten Freunden feiern zu können.

Wir müssen aber schlichtweg Zeit gewinnen, um unser Gesundheitssystem besser auf diese Krankheit einzustellen, damit wir das Ausmaß dieser Katastrophe zumindest begrenzen und einigermaßen im Griff behalten können. Das ist ein hoher Anspruch, wenn wir dieser Tage zum Beispiel zu unseren italienischen Freunden schauen, in die Lombardei gucken, wo sich in den Krankenhäusern dramatische Szenen abspielen.

Unser Gesundheitssystem ist natürlich nicht perfekt und in Teilen auch wirklich reformbedürftig, aber wir sehen gerade auch, dass es doch deutlich besser

(Christopher Vogt)

und krisenfester ist als in vielen anderen Industrienationen. Jetzt gilt es, alles bestmöglich vorzubereiten und Reserven, zum Beispiel Ärzte, Bundeswehrreservisten oder auch Pflegeschüler, zu mobilisieren, um die Beschäftigten nach Möglichkeit noch besser zu unterstützen und zu entlasten.

Alle Menschen im Gesundheitswesen verdienen mehr denn je unseren ausdrücklichen Dank und unsere Unterstützung. Deshalb ist auch die Einigung mit den Beschäftigten am UKSH das richtige Signal zur richtigen Zeit. Die FDP-Fraktion unterstützt das Ergebnis ausdrücklich und dankt allen Beteiligten, allen voran der Finanzministerin, die sich extrem dafür eingesetzt hat. Liebe Monika Heinold, vielen Dank dafür! Ein weiter schwelender Konflikt wäre in der aktuellen Lage katastrophal gewesen. Es ist gut, dass wir dies abwenden konnten.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Personal hat mehr Unterstützung und Verlässlichkeit verdient. Wir alle müssen jetzt mehr Rücksicht aufeinander nehmen, insbesondere auf die vielen Menschen mit Vorerkrankungen und die Älteren in unserer Gesellschaft, also auch die Menschen, die unser Land aufgebaut und starkgemacht haben.

Bei all den Unverantwortlichen, die Pandemie mit Party verwechseln, sollten wir nicht übersehen, dass eine breite Welle der Solidarität durch unser Land geht. Nachbarn helfen sich beim Einkauf oder bei der Kinderbetreuung. Wer gesund ist, ist dazu aufgerufen, zum Blutspenden zu gehen.

Die sozialen Medien sind vielfach hilfreich, aber auch da trennt sich die Spreu vom Weizen und zeigt sich der wahre Charakter in der Krise. Denn viele verbreiten dort Panik. Daniel Günther hat recht: Wir müssen konsequent gegen Fake News angehen, mehr denn je.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)