Protokoll der Sitzung vom 07.05.2020

(Beifall)

Die Verständigung von gestern über Lockerungen des Kontaktverbots und Stufenpläne für die Gastronomie - das sage ich nicht nur als Gastronomensohn - ist ein gutes Zeichen für eine wichtige Branche in unserem Land. Ich halte den 18. Mai für vernünftig. Wichtig bleibt, dass die Betriebe eine Perspektive bekommen, wie es weitergeht. Herr Ministerpräsident, Ihre diesbezüglichen Ankündigungen auch wir haben das erst in der Tagung heute Morgen erfahren - scheinen mir weitgehend vernünftig zu sein. Wichtig ist jetzt allerdings auch, dass wir auch bei den Veranstaltungen bis zu 50 Personen Vorsicht walten lassen, dass jetzt nicht gesagt wird: „Super, jetzt geht es wieder wie früher, nur noch ein bisschen heftiger, weil wir so lange darben mussten“. Das kann nicht die Devise sein. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass Rückschläge kommen und Dinge wieder dichtgemacht werden müssen, weil wir zu leichtsinnig waren. Wir können dazu beitragen, indem wir nicht zu Leichtsinn animieren.

(Beifall SPD)

Das muss auch für andere Bereiche gelten, wo das jetzt in regionaler Verantwortung geschieht. Herr Ministerpräsident, daran werden wir uns weiter gern beteiligen. Wichtig ist, dass die Vorgaben vergleichbar bleiben. Wir dürfen nicht bei ähnlichen Dingen mit zweierlei Maß messen, auch das macht Akzeptanz kaputt. Deswegen sind wir übrigens froh, dass die Regierung hier im Land mit Blick auf die Kirchen und Religionsgemeinschaften noch einmal nachgebessert hat; da gab es zu Recht Unmut, weil nicht recht vergleichbar war, was da vorgeschlagen worden ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Schleswig-Holstein sind wir im Großen und Ganzen - ich sage das auch als Oppositionsführer in diesem Hause - auf

(Dr. Ralf Stegner)

einem guten Weg, und das gemeinsam über die Grenzen von Regierung und demokratischer Opposition hinweg. Das gilt auch für den Nachtragshaushalt und die Erweiterung der Nothilfeprogramme. Ich freue mich, dass wir eine ganze Reihe von Punkten unterbringen konnten, die uns wichtig waren. Ich füge hinzu: Zweidrittelmehrheiten gehen auch nicht im Durchwinkverfahren. Dazu zählt nicht nur die weitere Erstattung der Betreuungsgebühren, die Unterstützung von bedürftigen Familien bei der Anschaffung von Tablets - da geht es uns immer um benachteiligte Schülerinnen und Schüler -, sondern auch das Programm für Schaustellerinnen und Schausteller und anderes; meine Kollegin Beate Raudies wird darauf heute Nachmittag in der Debatte über den Nachtragshaushalt ausführlich eingehen.

Die Gemeinsamkeiten ändern aber nichts daran, dass wir unserer Aufgabe als Opposition nachkommen - alles andere hätte Sie ja auch gewundert -, zum Beispiel, wenn wir kritisieren, dass die Landesregierung just am Wochenende vor der Einführung der Maskenpflicht einen verkaufsoffenen Sonntag ausruft. Das hat nicht nur bei uns, sondern auch bei Gewerkschaften, Beschäftigten und vielen Menschen im Land für ungläubiges Staunen gesorgt. Es ist eine gute Nachricht, dass die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner den kühlen Kopf bewahrt und gezeigt haben, was sie von dieser Idee halten, indem sie zu Hause geblieben sind. Das war eine sehr norddeutsche und eine sehr richtige Reaktion.

(Beifall - Zuruf Lars Harms [SSW])

Einige stampfen während der Pandemie in kürzester Zeit ein ganzes Krankenhaus aus dem Boden, andere bauen inmitten in der größten Krise des Landes auf sehr robuste Weise und mit schriller Begleitmusik ihr Kabinett um. Das sind beides spontane Konstruktionsmaßnahmen, von denen ich noch nicht ganz sicher bin, wie Substanz und PR-Gehalt zu bewerten sind. Beim zweiten Punkt zumindest stellen sich viele Fragen von grundlegender Bedeutung, und manches wird hoffentlich klarer werden, wenn alle Akten auf dem Tisch liegen und von uns geprüft werden. Bis dahin bin ich froh, dass sich die Landesregierung jetzt wieder auf das Wesentliche konzentrieren kann. Ich wünsche der neuen Innenministerin und dem neuen Justizminister im Interesse des Landes einen guten Start in ihre Ämter und danke dem ausgeschiedenen Innenminister HansJoachim Grote namens meiner Fraktion für seine Arbeit.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FPD und SSW)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jede der letzten Wochen war ein Stück unvorhersehbar. Mancher hat in der Politik Herausforderungen erlebt, von denen er oder sie nicht dachte, dass er oder sie sie erleben würde. Da zeigt sich übrigens auch, was Menschen in der Krise so draufhaben, im Guten wie im Bösen. Gefördert zu werden, ist schon etwas, was wir alle in unterschiedlicher Weise gemerkt haben.

Gerade im internationalen Vergleich muss sich die Politik in Deutschland für den Umgang mit diesen besonderen Rahmenbedingungen wirklich nicht verstecken. Wir sind froh, dass wir hier leben dürfen, wenn ich so betrachte, was in anderen Ländern teilweise vorgeht. Das ist kein Grund für Überheblichkeit, aber ich finde es auch richtig, das an diesem Tag festzustellen.

Es ist eine gute Nachricht für unsere Demokratie, dass wir langsam wieder in einen Bereich kommen, der Planung über das Wochenende hinaus ermöglicht, dass erkennbar ist, dass Parlamente nicht schmückendes Beiwerk, sondern diejenigen sind, die in der Demokratie als Volksvertretung entscheiden, und dass wir Zeit für Diskussionen und Abwägungen haben. Es liegt an uns, damit verantwortungsvoll umzugehen, denn von der Ernsthaftigkeit unserer Abwägungen entbindet uns auch die neue Situation in Anbetracht der nach wie vor ganz besonderen Lage in keinem Fall.

Wir können vieles richtig machen, wir können, wenn wir Fehler machen, viele Menschen gefährden. Wir müssen darauf achten, dass wir miteinander bei einer besonnenen, schrittweisen, vernünftig kommunizierten, nachvollziehbaren Politik bleiben. Wir sollten demokratische Gemeinsamkeiten nicht geringschätzen und das, was gemeinsam verantwortet werden kann, weiterhin gemeinsam verantworten. Aber wir sollten auch die übliche Rolle, dass Regierung regiert und Opposition kritisiert und kontrolliert - der Rest des Parlaments natürlich auch - im Blick behalten.

Lassen Sie uns gemeinsam Verantwortung für die Menschen wahrnehmen. Wenn wir das tun, wird das auch mit der Stärkung unserer parlamentarischen Demokratie einhergehen und das Vertrauen in die demokratischen Parteien und die Handlungsfähigkeit unseres Staates stärken, und das ist in diesen Zeiten ja nicht wenig. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall SPD, vereinzelt CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

(Dr. Ralf Stegner)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, der Abgeordnete Tobias Koch.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Landtagssitzung weist zwei Besonderheiten auf: Die erste ist mit der veränderten Raumgestaltung leicht zu erkennen. Dafür meinen Dank an die Landtagsverwaltung und das mittelständische Handwerksunternehmen aus Schleswig-Holstein, das diese Situation möglich gemacht hat,

(Beifall)

sodass wir jetzt wieder unter regulären Bedingungen mit allen Kolleginnen und Kollegen tagen können. Herzlichen Dank dafür.

Die zweite Besonderheit besteht darin, dass wir heute einen Bericht der Landesregierung gehört haben, der Neuigkeiten enthielt, die zum ersten Mal hier vorgetragen wurden. Das ist ja nicht immer der Regelfall; oft ist per Pressemitteilung längst durchgesickert, was an Entscheidungen getroffen wurde. Wir haben in den letzten Wochen viel darüber diskutiert, wie die Rolle des Parlaments in der Krise ist. Deswegen steht es der Bedeutung dieses Hohen Hauses gut zu Gesicht, dass heute das Parlament als Allererstes über die Entscheidungen des gestrigen Tages informiert wird. Auch dafür herzlichen Dank, Herr Ministerpräsident.

(Vereinzelter Beifall CDU und SPD)

Ich war ein bisschen gespannt darauf, wie es die SPD schafft, die gestrige Entscheidung für sich selbst zu vereinnahmen und als ihre Initiative auszugeben. Den Versuch in der letzten Tagung fand ich ganz spaßig, aber wahrscheinlich war der zeitliche Abstand zwischen gestern Abend und heute Morgen zu kurz.

(Martin Habersaat [SPD]: Das haben Sie al- les alleine gemacht, Herr Koch!)

- Die Entscheidungen, die wir gestern Abend bis halb eins in der Koalitionsrunde getroffen haben, wie wir die MPK-Entscheidung in Schleswig-Holstein umsetzen, haben wir allein getroffen, das war nicht die SPD.

(Martin Habersaat [SPD]: Ohne Beratung! Das haben ganz allein nur Sie gemacht! - De- monstrativer Beifall SPD)

- Herr Kollege Habersaat, vielleicht waren Sie auch ein Stück weit überrascht; das mag erklären, weshalb Ihr Zwischenapplaus bei der Rede des Ministerpräsidenten etwas spärlich war. Ich finde, auch eine Opposition kann sich über das freuen, was der Ministerpräsident hier heute angekündigt hat, welche Lockerungen, welche Öffnungen in den nächsten Tagen anstehen. Darüber können wir uns alle freuen, auch die SPD.

(Unruhe)

Auf Bundesebene waren Sie ja auch mit Ministerpräsidenten und der Bundesregierung daran beteiligt.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, nach der Rede des Oppositionsführers will ich zunächst einmal damit beginnen, die Entscheidungen des gestrigen Tages in die Öffnungsschritte der letzten Wochen einzuordnen. Wir können trotz aller negativen Auswirkungen der Coronakrise mit der bisherigen Entwicklung vergleichsweise zufrieden sein.

Ich erinnere daran: Wir haben den ersten Öffnungsschritt nach der Osterpause, am 20. April, gemacht, indem wir sämtliche Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 m2 wieder geöffnet haben.

Ich will dazu einmal den Vergleich mit Österreich ziehen. Österreich war durch den Hotspot Ischgl früher von der Coronakrise betroffen als wir und hat deswegen einen Vorlauf von ein bis zwei Wochen. In der medialen Berichterstattung wird Österreich allgemein bescheinigt, schneller und konsequenter auf die Coronakrise reagiert zu haben und deswegen auch schneller wieder aus der Krise herauszukommen.

Das Kopfschütteln ist durchaus berechtigt, wenn man einmal den Vergleich zieht: Die Österreicher haben ihre Geschäfte bereits am 14. April eröffnet, sechs Tage vor uns, aber mit deutlich restriktiveren Auflagen. Es betraf nur Geschäfte bis zu 400 m2 Verkaufsfläche und einer Zugangsbeschränkung von einem Kunden pro 20 m2 Verkaufsfläche. Ab 1. Mai sind alle Geschäfte in Österreich wieder offen, Friseure ebenfalls. Da waren wir drei Tage später. Ab diesem Samstag sind auch bei uns wieder alle Verkaufsflächen der Einzelhandelsgeschäfte offen. Wir sind da immer ein paar Tage hinterher,

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

bedingt durch die Pandemieentwicklung. Da kann man schon sagen: Wir befinden uns in einem weitgehenden Gleichklang mit Österreich. Wenn Öster

reich das Musterbeispiel ist, können auch wir das für uns in Anspruch nehmen.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, am 4. Mai, am Montag dieser Woche, sind weitere Öffnungsschritte bei uns im Land in Kraft getreten. Das haben wir in der Koalition in der letzten Woche, noch vor der Ministerpräsidentenkonferenz, vorbereitet. Da haben wir mit unserer Entscheidung in Schleswig-Holstein eine gewisse Blaupause für die Ministerpräsidentenkonferenz geliefert. Vieles von dem, was wir bei uns vereinbart haben - wie die Wiedereröffnung von Museen, Ausstellungen und botanischen Gärten, die Zulassung von Gottesdiensten - findet sich in der Bund-Länder-Vereinbarung wieder.

Das gilt auch für die Wiedereröffnung der Spielplätze. Dafür hatten die Ministerpräsidenten den als Datum 4. Mai vorgesehen. Wir haben deshalb unser in Aussicht gestelltes Datum um eine Woche vorgezogen und befinden uns damit im Gleichklang mit den anderen Bundesländern. Herr Dr. Stegner, Sie haben die Spielplätze besonders angesprochen. Die SPD hat hier im Lande seit Wochen versucht, sich mit einer schnellen Öffnung der Spielplätze zu profilieren. Auch sozialdemokratische Bundesländer haben die Spielplätze gerade erst wenige Tage vor uns eröffnet, Hamburg ein paar Tage nach uns. Ich glaube, auch das eignet sich nicht dafür, als Opposition Kritik an der Regierung zu üben.

(Beate Raudies [SPD]: Wir sind halt eine miese Opposition! Was sollen wir anders ma- chen, wenn wir so mies sind!)

- Ich glaube, jegliche Kritik entlarvt Sie da relativ schnell, wenn man auf das Verhalten anderer SPDgeführter Bundesländer schaut. Das sieht man auch beim kontaktarmen Sport. Den haben wir am 4. Mai wieder zugelassen. Auch das findet in Hamburg erst später statt.

(Zurufe SPD)

Die Nutzung von Zweitwohnungen und die Übernachtung von Dauercampern sind in SchleswigHolstein ebenfalls wieder zugelassen, Mecklenburg-Vorpommern schottet sich dagegen noch gegenüber anderen Bundesländern ab. Ich glaube, da gibt es keinen Grund zur Kritik an unserer Regierung.

Meine Damen und Herren, die bisherigen Öffnungsschritte haben Gott sei Dank nicht dazu geführt, dass die Infektionszahlen wieder dramatisch in die Höhe gegangen sind, im Gegenteil, wir haben einen konstanten Reproduktionsfaktor von unter

eins. Die Zahl der Neuinfektionen ist gering, und die Zahl der verfügbaren Intensivbetten ist hoch. Das versetzt uns in die Lage, jetzt weitere Öffnungsschritte vorzunehmen, um wieder eine Normalisierung unseres Lebens zu ermöglichen. Deswegen sage ich noch einmal: Wir können mit der bisherigen Entwicklung trotz aller negativer Konsequenzen von Corona durchaus zufrieden sein.

Der Ministerpräsident hat dankenswerterweise die Ergebnisse der gestrigen Ministerpräsidentenkonferenz gerade vorgetragen, ebenso wie die Entscheidungen der Jamaika-Koalition vom gestrigen Abend. Das war detailreich, sodass kaum etwas zu ergänzen bleibt. Wenn ich es möglicherweise überhört habe, will ich noch einmal die Bereiche Campingplätze und Wohnmobilstellplätze erwähnen, sofern das nicht erwähnt worden sein sollte. Auch die sind ab dem 18. Mai wieder zur Nutzung zugelassen, sofern sich die Camper und Wohnmobilinhaber autark versorgen können.

Zur Freude des Kollegen Arp möchte ich in Ergänzung zum Bericht des Ministerpräsidenten auch die Spielhallen und Kasinos erwähnen. Auch dort gilt: Wenn alle Auflagen erfüllt und alle Abstandsregeln und Hygienevorschriften eingehalten sind, wird ein Betrieb wieder möglich sein, wenn auch selbstverständlich mit deutlich reduzierten Besucherzahlen, weil 1,5 m Abstand zu jedem Platz eingehalten werden müssen. Der Betrieb ist aber nicht mehr generell verboten.

Ich hatte vorgesehen, in meiner Rede zwei Punkte besonders hervorzuheben, auf die der Herr Ministerpräsident aber schon eingegangen ist. Besonders wichtig ist mir der große Schritt bei der Kita-Betreuung am 18. Mai 2020. Im Schulbereich hat Karin Prien mit der Kultusministerkonferenz einen Stufenplan für die Schulen entwickelt. Dort befinden wir uns in dieser Woche mit dem Wiederbetrieb der 4. und 6. Klassen schon beim zweiten Schritt. Genauso hat Heiner Garg mit seinen Ministerkolleginnen und -kollegen einen Stufenplan für das Wiederhochfahren der Kitas entwickelt; und diesen Plan setzen wir jetzt um.